KG, Beschluss vom 15.12.2009 - 1 W 213/09
Fundstelle
openJur 2012, 12118
  • Rkr:

Bei der Prüfung, ob ein Volljähriger in der Lage ist, einen freien Willen zu äußern, kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Vormundschaftsgerichts bzw. des Beschwerdegerichts an. Hat sich der Volljährige zu einem früheren Zeitpunkt gegen eine Betreuung ausgesprochen, steht dies allein einer Betreuerbestellung nicht entgegen, weil es sich nicht um eine Vorsorgemaßnahme im Sinne von § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB handelt.

Besteht ein berechtigter Grund zu der Annahme, dass ein Bevollmächtigter die ihm erteilte Vorsorgevollmacht in erster Linie eigennützig verwendet, kann ein Betreuer bestellt werden. Ein Vorsorgeüberwachungsbetreuer muss nicht bestellt werden, wenn der Bevollmächtigte auch als Betreuer nicht zu bestellen wäre.

Tenor

Die weiteren Beschwerden werden zurückgewiesen.

Gründe

I. Gegenstand des Verfahrens der weiteren Beschwerde ist der Beschluss des Landgerichts vom 26. Juni 2009 soweit darin die im Namen des Betroffenen erhobenen Beschwerden gegen die Betreuerbestellung vom 18. März 2009 und die Zurückweisung des Antrags vom 14. Juli 2008 auf Entlassung des Beteiligten zu 1 als Betreuer zurückgewiesen worden sind (87 T 95 und 335/08 = 1 W 213 und 214/09). Die Rechtsmittel richten sich nicht gegen die Verlängerung der vorläufigen Betreuerbestellung vom 5. März 2008 (87 T 74/08 = 1 W 212/09). Rechtsanwalt S. hat dies ausdrücklich klargestellt und Rechtsanwalt S. ist überhaupt nur im Verfahren über die Entlassung des Betreuers mandatiert. Zwar hat sich Rechtsanwalt L. insoweit nicht ausdrücklich erklärt. Er strebt aber die Aufhebung der Betreuung und hilfsweise einen Wechsel des Betreuers an, was jeweils nicht mehr Gegenstand des in der Hauptsache erledigten Beschwerdeverfahrens der vorläufigen Betreuerbestellung sein kann.

II. Die weiteren Beschwerden sind zulässig, insbesondere formgerecht durch die Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen erhoben worden, § 29 Abs. 1 S. 2 FGG. Es finden die bis zum 31. August 2009 geltenden Verfahrensvorschriften Anwendung, weil die dem Beschwerdeverfahren zugrunde liegenden Verfahren vor dem 1. September 2009 eingeleitet worden sind, Art. 111 Abs. 1 FGG-ReformG (OLG Köln, FGPrax 2009, 240; 2009, 241 mit Anm. Sternal; OLG Schleswig, Beschluss vom 21. Oktober 2009 – 2 W 152/09-, Juris; OLG Dresden, Beschluss v. 20. Oktober 2009 - 3 W 1077/09 – Juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 22. Oktober 2009 – 18 UF 233/09 – Juris; OLG Düsseldorf, MDR 2009, 1352; BT-Drs. 16/6308, S. 359; Engelhardt, in: Keidel, FamFG, 16. Aufl., Art. 111 FGG-RG, Rdn. 4; a.A. Prütting, in: Prütting/Helms, FamFG, Art. 111 FGG-RG, Rdn. 5).

III. Die weiteren Beschwerden sind unbegründet. Die Bestätigung der Betreuerbestellung (hierzu nachfolgend zu 1.) und die Zurückweisung des Entlassungsantrags (hierzu nachfolgend zu 2.) beruhen nicht auf einer Verletzung des Rechts, worauf die Nachprüfung durch das Gericht der weiteren Beschwerde beschränkt ist, §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO.

1. Gemäß § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB bestellt das Vormundschaftsgericht für einen Volljährigen einen Betreuer, wenn dieser auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Ein Betreuer darf nur für die Angelegenheiten bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist, d.h. in denen der Betroffene auf entsprechende Hilfen angewiesen ist und weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen (BayObLG, FamRZ 2001, 1244 f.). Gemäß § 1896 Abs. 1a BGB darf gegen den freien Willen des Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden. Das bedeutet, dass dann, wenn der Betroffene unbeeinflusst von einer Krankheit oder Behinderung seinen Willen bilden und nach zutreffend gewonnener Einsicht handeln kann, ihm keine von ihm abgelehnte Betreuung aufgezwungen werden darf, selbst wenn sie für ihn objektiv vorteilhaft wäre (Knittel/Seitz, BtPrax 2007, 18, 19). Die Einsichtsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, im Grundsatz die für und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen, wobei keine überspannten Anforderungen an seine Auffassungsgabe zu stellen sind (BT-Drs. 15/2494, S. 28). Der Ausschluss der freien Willensbestimmung muss durch ein Sachverständigengutachten belegt sein (Jürgens, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1896, Rdn. 13; Knittel/Seitz, a.a.O., 20). Das Landgericht hat in tatsächlicher Hinsicht ohne Rechtsfehler und damit für den Senat bindend, vgl. § 27 Abs. 1 S. 2 FGG in Verbindung mit § 559 ZPO, das Vorliegen dieser Voraussetzungen festgestellt.

a) Das Landgericht hat ausgeführt, der Betroffene leide an einem dementiellen Prozess, auf Grund dessen er seine Angelegenheiten im Bereich der Vermögenssorge nicht selbst besorgen und bezüglich der Einrichtung einer Betreuung keinen freien Willen bilden könne. Die Auffassung, dass eine Person, die sich im Zustand einer (behaupteten) freien Willensbildung gegen eine Betreuerbestellung ausgesprochen habe, später nicht betreut werden dürfe, wenn sie zur freien Willensbildung nicht mehr in der Lage ist, teile die Kammer nicht.

Die dem Rechtsanwalt L. erteilte Vollmacht vom 5. Mai 2007 stehe der Betreuung nicht entgegen. Es sei durchaus möglich, wenn nicht sogar naheliegend, dass der Betroffene am 5. Mai 2007 geschäftsunfähig gewesen sei. Eine Bevollmächtigung könne eine Betreuung aber nur dann entbehrlich machen, wenn ihre Wirksamkeit feststehe. Deshalb komme auch eine Kontrollbetreuung nicht in Betracht. Gegen sie sprächen ferner erhebliche Bedenken an der Redlichkeit des Bevollmächtigten Rechtsanwalt L.. Dieser könne die Angelegenheiten des Betroffenen nicht ebenso gut wie ein Betreuer besorgen.

Die Betreuerauswahl sei nicht zu beanstanden. Ein etwaiger Wunsch des Betroffenen, Rechtsanwalt L. zum Betreuer zu bestellen, liefe dem Wohl des Betroffenen zuwider. Rechtsanwalt L. sei auf Grund erheblicher eigener, nicht mit den objektiven Interessen des Betroffenen vereinbarer wirtschaftlicher Interessen als Betreuer ungeeignet. Rechtsanwalt L. habe sich in einer für den Betroffenen wegen des Verlusts seines Lebensgefährten sehr schwierigen Situation dessen wesentliches Vermögen, nämlich das Grundstück Wiesbadener Straße 24 durch Vertrag vom 29. März 2007 verkaufen lassen. Hieran habe sich der Betroffene gegenüber der Polizei am 31. Juli 2007 nicht mehr erinnern können, sondern vielmehr mehrfach bekundet, ein Verkauf liege nicht in seinem Interesse. Der vereinbarte Kaufpreis von 450.000,00 EUR habe unter dem Bodenrichtwert gelegen. Selbst ein von dem Rechtsanwalt L. beauftragter Sachverständiger sei unter Berücksichtigung von Sanierungsmaßnahmen und einem dem Betroffenen eingeräumten Wohnrecht zu einem Verkehrswert des Grundstücks in Höhe von 555.000,00 EUR gekommen. Ein von dem Betreuer beauftragter Sachverständiger habe einen Verkehrswert in Höhe von 1.580.000,00 EUR ermittelt. In der Folge seien die Ermittlungen des Vormundschaftsgerichts durch Rechtsanwalt L. und seiner Familie behindert worden. Gegenüber dem Urkundsnotar habe Rechtsanwalt L. am 4. Juni 2007 anwaltlich und als Bevollmächtigter des Betroffenen versichert, der Kaufpreis sei belegt worden. Tatsächlich sei dies nicht der Fall gewesen. Rechtsanwalt L. habe nach dem 1. Juli 2007 Mieten vereinnahmt und dem Zugriff des Betreuers entzogen. Es sei ihm gelungen, einen Teil der Mieter dazu zu bringen, die Kaltmieten nicht an den Betreuer zu zahlen sondern zu hinterlegen. Dem Betreuer habe er Hausverbot erteilt sowie untersagt, mit den Mietern in Kontakt zu treten. Unterlagen über die Hausverwaltung habe er in die Wohnung des Betroffenen geschafft. Der Betreuer habe deshalb einen Herausgabeanspruch nicht durchsetzen können, was zur Folge habe, dass Rechte des Betroffenen gegen seine Mieter nicht oder allenfalls unter erschwerten Bedingungen hätten verfolgt werden können. Die Handlungen des Rechtsanwalts L. nach der Bestellung des Betreuers zielten erkennbar darauf ab, eine ordnungsgemäße Betreuung und damit eine Klärung seines früheren Verhaltens als Bevollmächtigter zu erschweren. Er verhalte sich widersprüchlich, indem er einerseits dem Betreuer Haus- und Kontaktverbote auferlege, andererseits aber beklage, dass der Betreuer sich zu wenig um den Betroffenen kümmere. Widersprüchlich sei auch, dass Rechtsanwalt L. Mieten vereinnahmt habe, andererseits aber rüge, der Betroffene erhalte keine finanziellen Mittel für seinen Lebensunterhalt.

Frau N., die dreimal wöchentlich Putz- und Kocharbeiten für den Betroffenen erledige, komme als ehrenamtliche Betreuerin nicht in Betracht. Von einem ernsthaften, nachhaltigen und unbeeinflussten Willen des Betroffenen habe sich die Kammer nicht überzeugen können. Frau N. sei auch mit den aktuellen rechtlich und tatsächlich komplizierten Umständen völlig überfordert. Anhaltspunkte, dass es sich hinsichtlich der Berufsbetreuerin und Sozialarbeiterin G. um einen eigenen und echten Vorschlag des Betroffenen gehandelt habe, fehlten. Im vorliegenden Fall sei zudem die Bestellung eines erfahrenen Rechtsanwalts erforderlich. Bei den im Termin vor der Kammer ins Spiel gebrachten Rechtsanwälten habe es sich nicht um einen Vorschlag des Betroffenen gehandelt.

b) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.

aa) Verfahrensrechtlich ist die angefochtene Entscheidung fehlerfrei ergangen. Vor der Bestellung eines Betreuers hat das Vormundschaftsgericht das Gutachten eines Sachverständigen über die Notwendigkeit der Betreuung einzuholen, § 68b Abs. 1 S. 1 FGG, und den Betroffenen persönlich anzuhören, § 68 FGG. Hier hat das Vormundschaftsgericht das Gutachten der Psychotherapeutin Dr. W. eingeholt und den Betroffenen am 21. September 2007 in dessen Wohnung angehört. Es kann dahinstehen, ob Dr. W. über ausreichende Fachkunde verfügte. Jedenfalls war der von dem Landgericht bestellte Sachverständige Priv.-Doz. Dr. P. ausreichend qualifiziert. Das Landgericht hat den Betroffenen am 20. Mai 2009 persönlich angehört.

Die weitere Beschwerde kann mit dem Einwand, die Bestellung eines Verfahrenspflegers durch das Landgericht sei wegen der anwaltlichen Vertretung des Betroffenen verfahrensfehlerhaft gewesen, vgl. § 67 Abs. 1 S. 7 FGG, nicht durchdringen. Die angefochtene Entscheidung beruht bereits nicht auf den Handlungen des Verfahrenspflegers. Zudem ist die Bestellung auch nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber hat die Bestellung bei anwaltlicher Vertretung für atypische Fälle gerade nicht ausschließen wollen (BT-Drs. 11/4528, S. 171). Ein solcher Fall liegt hier vor. Es kann nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden, dass Rechtsanwalt L. ein persönliches Interesse am Erfolg der gegen die Betreuerbestellung gerichteten Rechtsmittel hat. Zwar unterstellt der Senat dies Rechtsanwalt S. nicht, jedoch hat auch er sich die konfrontative Art und Weise, wie Rechtsanwalt L. versucht hat, die Ermittlungen des Vormundschaftsgerichts und eine wenigstens bis zu einer abschließenden Entscheidung über die Betreuerbestellung notwendige rudimentäre Zusammenarbeit mit dem Betreuer zu erschweren, zu eigen gemacht. So hat er etwa mit Schriftsatz vom 6. März 2008 angekündigt, der Betroffene werde sich einer Anhörung durch das Vormundschaftsgericht nicht freiwillig unterziehen. Insoweit bestand Anlass für das Landgericht, zur objektiven (vgl. Meier, in: Jurgeleit, Betreuungsrecht, § 67 FGG, Rdn. 2), von den Interessen des Rechtsanwalts L. unabhängigen Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen einen Verfahrenspfleger zu bestellen.

bb) Auch materiell-rechtlich bestehen gegen die angegriffene Entscheidung keine Bedenken.

(1) Die Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen hat das Landgericht fehlerfrei aus dem Gutachten des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. P. hergeleitet. Soweit die weitere Beschwerde einwendet, dieses Gutachten habe bei der Entscheidungsfindung (des Vormundschaftsgerichts) keine Rolle gespielt, ist dies ohne weiteres zutreffend jedoch auch ohne Belang. Die weitere Beschwerde berücksichtigt nicht, dass das Landgericht in den Grenzen der Erstbeschwerde vollständig an die Stelle des Vormundschaftsgerichts tritt und in der zur Entscheidung stehenden Angelegenheit die gleichen Befugnisse wie dieses hat, §§ 69g Abs. 5 S. 1, 23 FGG (Kayser, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 69g, Rdn. 25; Sternal, ebenda, § 23, Rdn. 3). Folglich kommt es für die Entscheidung des Beschwerdegerichts auf den von ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung ermittelten Sachverhalt an (Meyer-Holz, ebenda, § 27, Rdn. 42; Briesemeister, in: Jansen, FGG, 3. Aufl., § 23, Rdn. 2). Das Landgericht hatte danach zu prüfen, ob nach den von ihm veranlassten Ermittlungen, § 12 FGG, im Zeitpunkt seiner Entscheidung die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers vorlagen.

Die Tatsachenfeststellung, wozu auch die Würdigung der Gutachten eines Sachverständigen zählt (BayObLG, FamRZ 1999, 817), ist Sache des Tatrichters und vom Senat als Rechtsbeschwerdegericht lediglich auf Rechtsfehler zu überprüfen, das heißt dahin, ob der Sachverhalt ausreichend und ohne Gesetzesverletzung aufgeklärt worden ist und der Tatrichter bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat (Senat, Beschluss vom 24. Mai 2005 – 1 W 91/05 -, OLGReport 2005, 621, 623). Bei der Würdigung des Gutachtens eines Sachverständigen hat das Rechtsbeschwerdegericht zusätzlich zu prüfen, ob der Tatrichter das Ergebnis des Gutachtens nur kritiklos hingenommen hat oder ob er unter Nachvollziehung der Gedankengänge des Sachverständigen dessen tatsächliche Feststellungen wie auch die von ihm gezogenen Schlüsse auf ihre Tragfähigkeit geprüft und sich eine eigene Überzeugung gebildet hat (BayObLG, FamRZ 1999, 817). Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen des Landgerichts.

Das Gutachten entspricht den gesetzlichen Anforderungen. Der Sachverständige hat den Betroffenen vor Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen, § 68b Abs. 1 S. 4 FGG. Dies ist vorliegend am 23. Oktober 2008 geschehen.

Kommt nach Auffassung des Sachverständigen die Bestellung eines Betreuers in Betracht, so hat sich das Gutachten auch auf den Umfang des Aufgabenkreises und die voraussichtliche Dauer der Betreuungsbedürftigkeit zu erstrecken, § 68b Abs. 1 S. 5 FGG. Der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. P. ist zu dem Ergebnis gekommen, der Betroffene sei krankheitsbedingt u.a. nicht in der Lage, seine Angelegenheiten der Vermögenssorge selbst besorgen zu können; eine relevante Besserung des gesundheitlichen Zustands des Betroffenen sei nicht zu erwarten.

Die Feststellungen des Landgerichts zur Erkrankung des Betroffenen und seinem darauf beruhendem Unvermögen, seine Vermögensangelegenheiten selbst wahrnehmen zu können, lassen sich ohne weiteres mit den Ausführungen des Sachverständigen in Übereinstimmung bringen. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht daraus die Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen und die Erforderlichkeit einer Betreuung für die Vermögenssorge gefolgert hat.

18(2) Ein Betreuer war auch gegen den erklärten Willen des Betroffenen zu bestellen, vgl. § 1896 Abs. 1a BGB. Den Ausführungen des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. P. war eindeutig zu entnehmen, dass der Betroffene krankheitsbedingt seinen Willen nicht frei bilden kann. Dies wird mit der weiteren Beschwerde dem Grunde nach auch nicht in Zweifel gezogen. Soweit die weitere Beschwerde darauf abstellt, der Betroffene sei aber zu früheren Zeitpunkten – während des Betreuungsverfahrens – zu einer freien Willensbildung in der Lage gewesen und habe sich gegen eine Betreuung ausgesprochen, konnte es hierauf nicht ankommen. Zu Recht hat das Landgericht allein auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung abgestellt. Der gegenteiligen Auffassung der weiteren Beschwerde ist nicht zu folgen, weil ansonsten derjenige, der im Zustand freier Willensbetätigung eine Betreuung auch für die Zukunft ablehnt, bei Eintritt der Betreuungsbedürftigkeit schutzlos wäre. Das widerspricht aber dem staatlichen Fürsorgeauftrag (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 1960 – 1 BvR 526/53 und 29/58 -, Juris, Rdn. 33), wie er im Betreuungsrecht zum Ausdruck kommt (Wagenitz, in: MüKo, BGB, 5. Aufl., Vorbem. vor §§ 1773 ff, Rdn. 22). Die Auffassung der weiteren Beschwerde findet auch im Gesetz keine Stütze. Nach § 1896 Abs. 1 BGB ist bei Eintritt der Betreuungsbedürftigkeit und dem Unvermögen des Betroffenen, insofern einen freien Willen zu bilden, § 1896 Abs. 1a BGB, ein Betreuer zu bestellen. Das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen, Art. 2 Abs. 1 GG, hat der Gesetzgeber im Rahmen der Subsidiarität der Betreuung berücksichtigt. Eine Betreuerbestellung ist entbehrlich, wenn die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten oder durch andere Hilfen ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können, § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB. Eine Betreuung kommt also in erster Linie dann nicht in Frage, wenn der Betroffene für den Fall seiner Betreuungsbedürftigkeit vorgesorgt hat. Allein die Verweigerung der Annahme einer Betreuung ist aber keine Vorsorgemaßnahme, weil dadurch gerade nicht geregelt wird, wer die Angelegenheiten des Betroffenen an dessen Stelle besorgen soll.

19(3) Allerdings liegt hier eine Vorsorgevollmacht des Betroffenen vom 5. Mai 2007 vor. Es ist aber rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Betreuung dennoch für vorrangig gehalten hat, vgl. § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB. Dabei kann dahinstehen, ob die Auffassung des Landgerichts, die Angelegenheiten des Betreuten könnten durch einen Bevollmächtigten bei erheblichen Zweifeln an der Wirksamkeit der Bevollmächtigung nicht besorgt werden, in dieser Allgemeinheit zutreffend ist (vgl. OLG Hamm, FGPrax 2009, 215; OLG München, FGPrax 2009, 221, 224). Jedenfalls tragen die weiteren Feststellungen des Landgerichts zur Person des Bevollmächtigten die Entscheidung, im vorliegenden Fall der Bestellung eines Betreuers den Vorrang vor der Vorsorgevollmacht zu geben. Der Senat hat bereits wiederholt entschieden, dass eine Vorsorgevollmacht der Bestellung eines Betreuers nicht entgegen steht, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch ihn eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründen (Senat, Beschluss vom 14. März 2006 – 1 W 298, 340/04, 134/05 -, FGPrax 2006, 182; Beschluss vom 31. Oktober 2006 – 1 W 448 und 449/04 -, FGPrax 2007, 115). Dem entspricht es, wenn das Landgericht den Bevollmächtigten Rechtsanwalt L. wegen erheblicher Bedenken an dessen Redlichkeit für ungeeignet gehalten hat (vgl. OLG Zweibrücken, OLGReport 2006, 729,730). Dabei war es nicht rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht insoweit auf seine Ausführungen zur Betreuerauswahl verwiesen hat, weil auch bei der Prüfung der Geeignetheit eines Bevollmächtigten auf die Kriterien zu § 1897 Abs. 4 BGB zurückgegriffen werden kann (OLG Brandenburg, NJW 2005, 1587, 1588).

(4) Mit rechtlich zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht die von dem Vormundschaftsgericht erfolgte Betreuerauswahl bestätigt. Danach bestellt das Vormundschaftsgericht eine natürliche Person zum Betreuer, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen, § 1897 Abs. 1 BGB. Stehen mehrere grundsätzlich geeignete Personen zur Verfügung, hat das Gericht die Auswahl nach den in § 1897 Abs. 4 bis 6 BGB aufgeführten Kriterien vorzunehmen. Schlägt der Betroffene eine Person vor, die zum Betreuer bestellt werden kann, ist diesem Vorschlag zu entsprechen, wenn dies dem Wohl des Betroffenen nicht zuwiderläuft, § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB. Schlägt er vor, eine bestimmte Person nicht zu bestellen, soll hierauf Rücksicht genommen werden, § 1897 Abs. 4 S. 2 BGB. Die Bestellung eines Berufsbetreuers kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Führung der Betreuung bereit ist, § 1897 Abs. 6 S. 1 BGB.

Bei der Auswahl des Betreuers hat der Tatrichter anhand der in § 1897 Abs. 4 bis 6 BGB enthaltenen Kriterien die jeweils für den Einzelfall einschlägigen Gesichtspunkte zu ermitteln, sie dann unter Berücksichtigung ihres Ranges, insbesondere der hohen Bedeutung von Wille und Wohl des Betroffenen, und der gesetzlich vorgegebenen Regeln zu gewichten und auf dieser Grundlage eine Entscheidung zu fällen. Erforderlich ist letztlich eine Gesamtabwägung der für und gegen die Bestellung einer bestimmten Person sprechenden Gesichtspunkte (BayObLG, FamRZ 2004, 1600).

Zutreffend hat das Landgericht hier § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB zur Grundlage genommen, weil den Akten Äußerungen des Betroffenen zu entnehmen sind, Rechtsanwalt L. solle Betreuer werden. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht dessen Bestellung abgelehnt hat, weil dies dem Wohl des Betroffenen zuwider liefe. Die im Rahmen des § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB zu treffende Beurteilung, ob und inwieweit die Bestellung der vorgeschlagenen Person dem Wohl des Betroffenen zuwiderläuft, kann das Gericht der weiteren Beschwerde nur auf Rechtsfehler überprüfen, nämlich dahin, ob der Tatrichter den unbestimmten Rechtsbegriff verkannt hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (Bienwald, in: Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann, Betreuungsrecht, 4. Aufl., § 1897 BGB, Rdn. 60; Meyer-Holz, a.a.O., § 27, Rdn. 27f.). Solche Fehler liegen hier nicht vor.

Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht auf die erheblichen finanziellen Interessen des Rechtsanwalts L. abgestellt, die im Gegensatz zu denjenigen des Betroffenen stehen. Bei einem erheblichen Interessengegensatz zwischen dem Betroffenen und dem Betreuer kommt aber eine Bestellung nicht in Betracht (Senat, Beschluss vom 26. Januar 1995 – 1 W 7060/94 - FamRZ 1995, 1442; Jürgens, a.a.O., § 1897 BGB, Rdn. 15; Jurgeleit, a.a.O., § 1897 BGB, Rdn. 39). So hat der Senat in der Folge etwa den Sohn eines Betroffenen als Betreuer für ungeeignet gehalten, weil er den Vollzug einer Schenkung des Betroffenen an sich anstrebte (Senat, Beschluss vom 29. November 2005 – 1 W 259/05 – nicht veröffentlicht). In einem anderen Verfahren bestand Anlass, Rückforderungsansprüche des Betroffenen gegen einen als Betreuer vorgeschlagenen Rechtsanwalt zu prüfen (Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 W 111/03 - nicht veröffentlicht). Ohne weiteres vergleichbar ist der vorliegende Fall. Rechtsanwalt L. hat ein besonderes Interesse am Vollzug des mit dem Betroffenen am 29. März 2007 geschlossenen Grundstückskaufvertrags. Nach sämtlichen vorliegenden Gutachten handelt es sich objektiv um ein wirtschaftlich überaus günstiges Geschäft für Rechtsanwalt L., dessen Wirksamkeit schon wegen der besonderen persönlichen Situation, in der sich der Betroffene damals wegen des Todes seines Lebenspartners befand, zumindest fragwürdig erscheint. Die von dem Landgericht ermittelten und mit der weiteren Beschwerde auch nicht in Frage gestellten Handlungen des Rechtsanwalts L. bei dem Vollzug des Kaufvertrags, insbesondere seine unrichtigen Angaben gegenüber dem Urkundsnotar zur Belegung des Kaufpreises sowie der Einvernahme von Mieten, begründen die konkrete Gefahr, er werde seine Interessen über diejenigen des Betroffenen stellen. Hierzu konnte das Landgericht auch auf das Verhalten des Rechtsanwalts L. und seiner Familie im Betreuungsverfahren abstellen, die wiederholt versucht haben, das von Amts wegen zur Sachverhaltsaufklärung verpflichtete Vormundschaftsgericht an den hierzu notwendigen Ermittlungen zu hindern. Darauf, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Rechtsanwalt L. eingestellt worden ist, kam es im Betreuungsverfahren nicht an. Das Landgericht hat kein strafwürdiges Verhalten gewürdigt. Seine Zweifel an der Redlichkeit des Rechtsanwalts L. hat es auf das Wohl des Betroffenen bezogen. Der Senat hält diese Zweifel für berechtigt. Deshalb war hier auch die Bestellung eines Betreuers gemäß § 1896 Abs. 3 BGB nicht ausreichend.

Das Landgericht musste auch nicht die im Haushalt des Betroffenen tätige Frau N. als ehrenamtliche Betreuerin bestellen. Soweit die Kammer sich nicht davon hat überzeugen können, dass insoweit ein Vorschlag des Betroffenen vorlag, § 1897 Abs. 4 BGB, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Ein solcher Vorschlag muss wenigstens von einem natürlichen Willen getragen sein, der ernsthaft, dauerhaft und unbeeinflusst von Dritten eigenständig gebildet wird (BayObLGReport 2005, 202). Der Betroffene hat sich weder im Rahmen seiner Anhörungen durch das Vormundschaftsgericht noch durch das Landgericht entsprechend geäußert. Der vermeintliche Wunsch ist allein durch seine Verfahrensbevollmächtigten vorgebracht worden, was in diesem Zusammenhang aber nicht ausreichend sein kann. Zwar mögen die Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen dessen Wünsche in das Verfahren einbringen können. Die Feststellung, ob solche Wünsche ernsthaft, dauerhaft und unbeeinflusst von Dritten eigenständig gebildet worden sind, obliegt aber nicht den Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen, sondern dem Gericht.

Darüber hinaus hat es das Landgericht aber auch zu Recht für erforderlich gehalten, im vorliegenden Fall einen erfahrenen Rechtsanwalt zum Betreuer zu bestellen. Es handelt sich zweifellos um einen rechtlich und tatsächlich schwierigen Fall, mit dem Frau N. als ehrenamtliche Betreuerin überfordert wäre. Entsprechend hatte sich auch die Betreuungsbehörde geäußert. Aus denselben Gründen kam auch die als Berufsbetreuerin tätige Sozialarbeiterin G. als Betreuerin nicht in Frage.

Dass es sich bei den von dem Verfahrensbevollmächtigten S. vorgeschlagenen Rechtsanwälten um keinen eigenen Vorschlag des Betroffenen handelte, wird mit der weiteren Beschwerde nicht in Zweifel gezogen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass vorliegend der Beteiligte zum Berufsbetreuer bestellt worden ist, § 1897 Abs. 6 BGB. Daran ändert nichts, dass der Betroffene geäußert hat, den Beteiligten zu 1 nicht als Betreuer haben zu wollen. Gemäß § 1897 Abs. 4 S. 2 BGB soll auf den Vorschlag des Betroffenen, eine bestimmte Person nicht zu bestellen, Rücksicht genommen werden. Gebunden ist das Gericht an einen solchen Vorschlag jedoch nicht (BT-Drs. 11/4528, S. 127 re.Sp.).

2. Mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht die Entlassung des Beteiligten zu 1 als Betreuer abgelehnt.

a) Das Vormundschaftsgericht hat den Betreuer zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt, § 1908b Abs. 1 S. 1 BGB.

Für die Entlassung genügt jeder Grund, der den Betreuer nicht mehr als geeignet im Sinne des § 1897 Abs. 1 BGB erscheinen lässt (BayObLG, NJWE-FER, 2000 11; FamRZ 2003, 786; BayObLGReport 2004, 270). Das kann etwa der Fall sein, wenn der Betreuer nicht willens oder nicht in der Lage ist, den ihm übertragenen Aufgabenkreis zum Wohl des Betroffenen wahrzunehmen (vgl. BayObLG, FGPrax 2003, 29).

Der Begriff der Eignung in § 1908b Abs. 1 S. 1 BGB hat die gleiche Bedeutung wie in § 1897 Abs. 1 BGB. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen rechtlichen Nachprüfung durch das Gericht der weiteren Beschwerde unterliegt (Bienwald, in: Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann, a.a.O., § 1897 BGB, Rdn. 73). Es ist zu prüfen, ob der Tatrichter den unbestimmten Rechtsbegriff zutreffend erfasst und ausgelegt, d.h. insbesondere die dem Begriff zugrunde liegenden Wertungsmaßstäbe erkannt hat, und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt sind (Meyer-Holz, a.a.O., § 27, Rdn. 28).

Diesen Anforderungen entsprechen die Ausführungen des Landgerichts. Es hat sich mit der dem Beteiligten zu 1 als unzureichend vorgeworfenen Betreuungsführung im Einzelnen auseinander gesetzt, die Vorwürfe in tatrichterlicher Würdigung jedoch nicht als durchgreifend erachtet. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass es das Landgericht nicht für fehlerhaft gehalten hat, dass der Beteiligte zu 1 dem Betroffenen keine Unterhaltszahlungen geleistet und mit diesem Rücksprache gehalten hat. Zu Recht hat das Landgericht diesen Einwand für treuwidrig erachtet, nachdem dem Beteiligten zu 1 bislang jeglicher Kontakt mit dem Betroffenen verwehrt worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Juli 2009 – 1 W 593-596/07 und 13-16/09 - FGPrax 2009, 209). Die Ermittlung eines konkreten finanziellen Bedarfs war danach dem Beteiligten zu 1 bislang gar nicht möglich. Ob ein Betreuer auf Dauer berechtigt ist, dem einen Kontakt mit ihm ablehnenden Betroffenen ausschließlich Barzahlungen anzubieten, muss hier nicht entschieden werden. Jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts war es nicht rechtsfehlerhaft, den Beteiligten zu 1 hierzu für berechtigt zu halten. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, der Betroffene werde allein von Rechtsanwalt L. ausgehalten. Immerhin hatte dieser am 13. September 2007 von dem Mietenkonto des Betroffenen 20.000,00 EUR abgehoben, so dass jedenfalls diese Summe für den Betroffenen hätte verwendet werden können. Im Übrigen ist es gerade Rechtsanwalt L., dem es zusammen mit seiner Familie bislang gelungen ist, persönliche Kontakte des Beteiligten zu 1 mit dem Betroffenen zu verhindern.

b) Auch soweit das Landgericht einen Entlassungsgrund nach § 1908b Abs. 3 BGB verneint hat, beruht dies nicht auf einer Verletzung des Rechts. Die Kammer hat auch insoweit in tatrichterlicher Würdigung der besonderen Umstände des hiesigen Betreuungsverfahrens der Kontinuität der Betreuung durch den Beteiligten zu 1 den Vorrang vor einem Wechsel gegeben. Das ist aus rechtlichen Gründen nicht zu beanstanden.

III. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, § 131 Abs. 3 KostO.