OLG Köln, Beschluss vom 16.08.2000 - 16 Wx 87/00
Fundstelle
openJur 2012, 124001
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 03.02.2000 - 29 T 137/96 - aufgehoben, soweit hierin die sofortige Beschwerde des Antragstellers wegen der Anfechtungsanträge zu TOP 2, TOP 5 und TOP 9 der Eigentümerversammlung vom 06.04.1995 zurückgewiesen worden ist. Bezüglich des Rechtsmittels zu TOP 2 und TOP 5 der Versammlung vom 06.04.1995 wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde übertragen wird. Im übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde zurückgewiesen. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 15.300,00 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, ein Miteigentümer, hat die in der Versammlung

der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 06.04.1995 zu den TOP 1 - 5

und 9 gefassten Beschlüsse angefochten. Er war kurze Zeit nach

Beginn der Versammlung, die in einem separaten Raum einer

Gaststätte stattfand erschienen und hatte beantragt das Rauchen

einzustellen. Nachdem er mit diesem Antrag nicht durchgedrungen

war, entfernte er sich.

Der Antragsteller hat gerügt, dass die Beschlüsse nicht

ordnungsgemäß zustande gekommen seien. Er habe die Versammlung aus

Gesundheitsgründen verlassen müssen, weil der Versammlungsleiter -

der Generalbevollmächtigte der damaligen Verwalterin - sich

geweigert habe, über seinen Antrag abstimmen zu lassen. Ferner hat

er sich auf seiner Meinung nach bestehende inhaltliche Mängel der

angefochtenen Beschlüsse berufen.

Demgegenüber haben der Versammlungsleiter und zwei zum

Verhandlungstermin des Amtsgerichts erschienene Wohnungseigentümer

behauptet, es sei darüber abgestimmt worden, ob in der Versammlung

geraucht werden dürfe oder nicht. Dabei hätten sich sämtliche

Erschienenen mit Ausnahme des Antragstellers für ein Rauchen

ausgesprochen.

Das Amtsgericht hat den Anfechtungsantrag mit der Begründung

zurückgewiesen, es sei nicht ersichtlich, dass die Abwesenheit des

Antragstellers Auswirkungen auf das Abstimmungsverhalten bzw.

Abstimmungsergebnis gehabt hätte. Auf die hiergegen eingelegte

sofortige Beschwerde hat das Landgericht die zu den TOP 1 und 4

gefassten Beschlüsse aus inhaltlichen Gründen für ungültig erklärt

und im übrigen das Rechtsmittel zurückgewiesen. Mit der hiergegen

eingelegten sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt der

Antragsteller sein Begehren, soweit es in den Vorinstanzen

erfolglos geblieben war, weiter.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere

Beschwerde ist zulässig (§§ 27, 29 FGG, § 45 Abs. 1 WEG) und

teilweise begründet.

Die Entscheidung des Landgerichts ist nicht frei von

Rechtsfehlern.

1.

Das Landgericht hat den Beteiligten zu 3. nicht mehr am

Verfahren beteiligt, insbesondere nach Terminsverlegungen nicht

mehr zum Verhandlungstermin geladen, nachdem sich für die

Antragsgegner Rechtsanwälte bestellt hatten. Hierbei wurde nicht

bedacht, dass der Beteiligte zu 3. im vorliegenden Fall eines

Beschlussanfechtungsverfahrens nicht nur Vertreter der

Antragsgegner, sondern auch selbst als Verwalter der Anlage gem. §

43 Abs. 4 Nr. 2 materiell Beteiligter ist, und zwar auch dann, wenn

er - wie hier - erst nach Einleitung des Verfahrens zum Verwalter

bestellt worden ist (vgl. BGH NJW 1998, 755 = NZM 1998, 78 = MDR

1998, 29). Da aber insoweit - anders als bei dem im Zeitpunkt der

Beschlussfassung und Einleitung des Anfechtungsverfahrens

amtierenden Verwalter (vgl. dazu Ziff. 2 am Ende) - die formelle

Beteiligung nur zur Wahrung rechtlichen Gehörs diente und die

Beteiligung deshalb noch im Rechtsbeschwerdeverfahren nachgeholt

werden konnte (BGH a.a.O.), hat der Verfahrensfehler keine weiteren

Auswirkungen.

2.

Soweit das Landgericht den Anfechtungsantrag zu TOP 2

(Verwalterabrechnung der früheren Verwalterin und deren Entlastung)

zurückgewiesen hat, hat es zum einen den zu allen

Tagesordnungspunkten geltend gemachten Anfechtungsgrund bezüglich

des Rauchens nicht für durchgreifend erachtet, weil kein Anspruch

auf Erlass eines Rauchverbots bestanden und die Beschlussfassung

inhaltlich nicht zu beanstanden sei.

Dies hält rechtlicher Óberprüfung nicht in allen Punkten

stand.

Bezüglich des Rauchverbots hat das Landgerichts verkannt, dass

sich die Frage, ob der Antragsteller einen Anspruch auf Erlass

eines Rauchverbots hat, nicht stellt, sondern vorab eine Befassung

mit dem Vorbringen des Antragstellers, der Versammlungsleiter habe

sich geweigert, über das von ihm beantragte Rauchverbot abstimmen

zu lassen, hätte erfolgen müssen.

Bei dem von dem Antragsteller in der Eigentümerversammlung

gestellten Antrag handelt es sich um einen Geschäftsordnungsantrag,

der ohne Ankündigung in der Tagesordnung zulässig und über den vor

den Sachanträgen per Mehrheitsbeschluss abzustimmen war (vgl. Bub

in Versammlung der Wohnungseigentümer, Partner im Gespräch Bd. 25,

S. 55; Merle in Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Auflage, § 24 Rdn. 95).

Wenn der Versammlungsleiter sich geweigert haben sollte, dem

nachzukommen, würden die im weiteren Verlauf der Versammlung

getroffenen Beschlüsse an einem formellen Mangel leiden; denn das

Abschneiden des Rechts eines Wohnungseigentümers, Anträge zum

Ablauf einer Versammlung zu stellen, durch die ein Passivrauchen

unterbunden werden kann, das nach heute herrschender

wissenschaftlicher Óberzeugung in geschlossenen Räumen als

gesundheitsgefährdend eingestuft wird (vgl. BayObLGR 1993, 649;

BayObLGR 1999, 41 = NZM 1999, 504), konnte ihm begründeten Anlass

für ein Verlassen des Versammlungsraums geben und kam daher in

seinen Auswirkungen einem rechtswidrigen Ausschluss von der

Versammlung gleich.

Da Entschließungen bzw. Maßnahmen der Versammlungsleitung zur

Geschäftsordnung nicht selbständig anfechtbar sind, hätte der

formelle Mangel die Folge, dass die Beschlüsse anfechtbar sind,

soweit sich die Beschneidung von Teilnahmerechten des

Antragstellers auf die Beschlussfassung ausgewirkt hätte (Senat

OLGR Köln 1996, 209 u. 1998, 311 = WE 1998, 311; BayObLGR 1993, 2;

OLGR Düsseldorf 1997, 59; OLGR Celle 1996, 265; KGR Berlin 1993,

17; OLGR Hamm 1992 194 kritisch hierzu Merle in Bärmann/Pick/Merle,

a.a.O., § 23 Rdn. 156 u. § 24 Rdn. 91). Dabei trifft die

Wohnungseigentümer, die sich auf die Wirksamkeit eines Beschlusses

berufen, das Risiko dafür, dass sich die Unbeachtlichkeit des

formellen Mangels feststellen lässt. Die Beschlussanfechtung bleibt

daher nur dann erfolglos, wenn feststeht, dass der Beschluss auch

ohne den Einberufungsmangel ebenso zustande gekommen wäre (

BayObLGZ 1985, 436; BayObLGR 1999, 75; BayObLG DWE 1999, 120 = NZM

1999, 865 LS; OLG Hamm OLGZ 1992, 309, 312).

Die Ursächlichkeit eines formellen Mangels ist in diesem Sinne

dann zu verneinen, wenn unter Anlegung eines strengen Maßstabes bei

tatrichterlicher Würdigung ausgeschlossen werden kann, dass der

Antragsteller auf den Diskussionsverlauf und das

Abstimmungsverhalten in der Eigentümergemeinschaft Einfluss

genommen hätte, wozu bisher keine Feststellungen getroffen worden

sind und auch kaum getroffen werden können. Der Ausschluss eines

Eigentümers von der Stimmberechtigung berührt nämlich seiner Natur

nach den Ablauf einer Eigentümerversammlung so wesentlich, dass

sich eine Auswirkung auf die Beschlussfassung im Normalfall

aufdrängt. Denn dieser Mangel betrifft nicht nur den

Abstimmungsvorgang als solchen, sondern auch die vorausgegangene

Willensbildung der Eigentümer, in die bei einem ordnungsgemäßen

Verlauf der Versammlung Wortmeldungen und Beiträge des nicht (mehr)

anwesenden Wohnungseigentümers hätten einfließen können (vgl. Senat

OLGR Köln 1998, 311 = WE 1998, 311; BayObLGR 1999, 75).

Formelle Mängel rechtfertigen die Anfechtung aber auch dann

nicht, wenn die angegriffene Beschlussfassung ordnungsgemäßer

Verwaltung entsprach und die übrigen Wohnungseigentümer

(Antragsgegner) einen gerichtlich gemäß §§ 21 Abs. 4, 43 Abs. 1 Nr.

1 WEG durchsetzbaren Anspruch auf Umsetzung der angegriffenen

Beschlüsse haben. In diesem Fall ist der formelle Mangel aus

Rechtsgründen unbeachtlich, weil der getroffene Beschluss ohnehin

gefasst werden musste. Auch insofern liegt das Risiko der

Aufklärbarkeit allerdings nicht beim Antragsteller, der von der -

unterstellt - unberechtigten Verweigerung einer Abstimmung über den

Geschäftsordnungsantrag wegen des Rauchens betroffen war, sondern

bei den Antragsgegnern (Senat OLGR Köln 1998, 311 = WE 1998,

311).

Ein derartiger Fall kann indes nicht angenommen werden. Den

gefassten Beschluss legt das Landgericht zwar zutreffend dahin aus,

dass nicht allein über die nur protokollierte Entlastung des

Verwalters, sondern auch über die Abrechnung für 1994 beschlossen

worden ist (vgl. BayObLGR 1992, 33) und dass Mängel der Abrechnung

nicht erkennbar sind, insbesondere die anteilige Umlegung von

Kosten der CO2 - Messung gerechtfertigt ist (vgl. allgemein für

ähnliche Konstellationen mit einer gesamtschuldnerischen Haftung

der Wohnungseigentümer im Außenverhältnis Pick in

Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 16 Rdn. 39), gleichwohl wird die

Feststellung der Unbeachtlichkeit des Einberufungsmangels kaum

möglich sein, weil der frühere Verwalter normalerweise keinen

Anspruch auf Entlastung hatte. Es ist einer

Wohnungseigentümergemeinschaft zwar unbenommen, einem Verwalter

Entlastung zu erteilen, und ein entsprechender Beschluss kann

ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Einen durchsetzbaren

Anspruch hierauf hat der Verwalter indes nicht, soweit nicht

anderweitige Vereinbarungen bestehen (Senat OLGR 1998, 193; OLGR

Düsseldorf 1997, 1). Dazu, ob letzteres der Fall ist, etwa

entsprechende Regelungen im Verwaltervertrag bestanden haben, sind

keine Feststellungen getroffen.

Es wird daher darauf ankommen, ob der Vortrag des

Antragstellers, dass eine Abstimmung über den Antrag verweigert

worden sei, zutrifft. Hierzu bedarf der Sachverhalt der Aufklärung

etwa durch Vernehmung des damaligen Versammlungsleiters als Zeugen

und Anhörung von Teilnehmern der Versammlung. Sollten sich

hinreichend sichere Feststellungen nicht treffen lassen, wird dies

zu Lasten der Antragsgegner gehen, die eine Bescheidung des

unstreitig gestellten Geschäftsordnungsantrags behaupten. Denn das

Protokoll enthält zu dem ganzen Vorgang nichts (vgl. Merle in

Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 24 Rdn. 113).

Sollte sich umgekehrt feststellen lassen, dass der Antrag

beschieden und mehrheitlich abgelehnt worden ist, wird der

Anfechtungsantrag keinen Erfolg haben können, ohne dass es darauf

ankommt, ob ein Wohnungseigentümer einen Anspruch darauf hat, dass

in einer Wohnungseigentümerversammlung nicht geraucht wird; denn

der Anfechtungsantrag ist gerade nicht darauf gestützt, dass ein

entsprechender Beschluss gefasst und dieser rechtswidrig sei.

Das Landgericht wird weiter zu beachten haben, dass am weiteren

Verfahren auch die frühere Verwalterin, die WEGE-GmbH, zu

beteiligen ist, denn in einem Beschlußanfechtungsverfahren nach §

43 Abs. 1 Nr. 4 WEG bleibt ein Verwalter nach seinem Ausscheiden

auch dann noch Beteiligter, wenn der Anfechtungsgrund von ihm zu

vertreten ist (BGH a.a.O. - vgl. Ziff. 1. ). Dies wäre bei

unterstellter Richtigkeit des Sachvortrags des Antragstellers

vorliegend der Fall. Insoweit dient die Beteiligung nicht lediglich

der Wahrung rechtlichen Gehörs, sondern auch der Abwehr möglicher

Regressansprüche bzw. einer in derartigen Fällen nach der

Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (a.a.O.) in Betracht

kommenden Kostenlast im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 47

WEG. Sie hat also durch die Tatsacheninstanz zu erfolgen und kann

deshalb nicht vom Rechtsbeschwerdegericht nachgeholt werden.

3.

Zu TOP 3 hat das Landgericht mit Recht und mit zutreffender

Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug

genommen wird, den Anfechtungsantrag wegen Fehlens eines

Rechtsschutzinteresses zurückgewiesen, nachdem der Beschluss über

die Genehmigung über die Jahresabrechnung 1995 bestandskräftig

geworden ist und der Antragsteller das Verfahren insoweit nicht für

erledigt erklärt hat.

4.

Zu TOP 5 (Umlegung der Rücklage auf die Untergemeinschaften)

gilt das zu Ziff. 2. Ausgeführte entsprechend. Allerdings wird das

Landgericht hier möglicherweise die Feststellung der

Unbeachtlichkeit des formellen Mangels aus Rechtsgründen treffen

können. Die bisherige Feststellung, dass der Beschluss

ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen habe, reicht hierzu nicht

nicht. Vielmehr ist noch zu klären, ob ein - ggfls, gerichtlich

durchsetzbarer - Rechtsanspruch auf die beschlossene Verteilung

bestand. Dies kann der Senat wegen Fehlens einer hinreichenden

Tatsachengrundlage nicht selbständig beurteilen.

5.

Zu TOP 9 war die Entscheidung des Landgerichts, das ausweislich

der Gründe auch insoweit die Beschwerde sachlich beschieden und

zurückgewiesen hat, ersatzlos aufzuheben. Für eine Zurückweisung

der Beschwerde war kein Raum mehr, da die Beteiligten zu 1. und 2.

ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom

03.02.2000 insoweit übereinstimmend das Verfahren in der Hauptsache

für erledigt erklärt haben und deshalb nur noch über die anteiligen

Kosten zu entscheiden ist.

III.

Die Kostenentscheidung für die dritte Instanz war wegen des noch

offenen Verfahrensausgangs dem Landgericht vorzubehalten.

Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 Abs. 3 WEG und

entspricht der unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzung des

Landgerichts.