OLG Nürnberg, Beschluss vom 16.08.2011 - 2 Ws 365/11
Fundstelle
openJur 2011, 98583
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. NSV 121 Js 17270/98

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2011, 1003) ist während der bis zum 31.05.2013 übergangsweisen Fortgeltung der Vorschriften zur Verlängerung der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus (§ 67d Abs. 3 StGB) und zur nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66b Abs. 2 StGB, § 7 Abs. 2 JGG) u. a. verschärfend erforderlich, dass eine „hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist“.

Bei der näheren Bestimmung des Begriffs der „hochgradigen Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten“ ist unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips der gebotene Schutz bedrohter Rechtsgüter gegenüber dem Freiheitsanspruch des Verurteilten sowie dessen Vertrauen, nach Verbüßung der Strafe die Freiheit wieder zu erlangen, abzuwägen.

Die Merkmale „hochgradige Gefahr“ und „schwerste Gewalt- und Sexualstraftaten“ können nicht isoliert von einander betrachtet werden. Beide Teilbegriffe verfügen über eine gewisse Bandbreite. Ein „weniger“ an Rückfallgefahr kann durch ein „mehr“ an Qualität der drohenden schwersten Gewalt- und Sexualstraftat ausgeglichen werden, solange diese zusammen das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Verurteilten übersteigen.

Der Begriff der „hochgradigen Gefahr“ fordert aber, dass auch bei der denkbar schwersten „Gewalt- und Sexualstraftat“ das mittlere Rückfallrisiko überschritten wird.

Tenor

Die Beschwerde des Verurteilten D... I... gegen den Beschluss der Großen Jugendkammer des Landgerichts Regensburg vom 6. Mai 2011 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe

A)

Der 1978 geborene Beschwerdeführer wurde am 29.10.1999 durch das Landgericht Regensburg (Az.: ...) wegen Mordes zu zehn Jahren Jugendstrafe verurteilt. Er hatte im Juni 1997 als Heranwachsender in einem Waldgebiet eine Joggerin angegriffen und erwürgt. Sodann hatte er den Genitalbereich der bereits toten oder im Sterben liegenden Frau freigelegt und bis zum Samenerguss onaniert. Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer anfangs dazu entschlossen gewesen sei, sein Opfer zu vergewaltigen und anschließend zu töten, dann aber den Geschlechtsverkehr mit der reglos daliegenden Frau nicht mehr gewollt habe. Weiterhin ging das Landgericht sachverständig beraten davon aus, dass der Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt weder schuldunfähig noch vermindert schuldfähig i.S.d. §§ 20, 21 StGB gewesen sei, wenngleich gewisse Anhaltspunkte für den Beginn einer sexuellen Deviation bestünden. Die verhängte Jugendstrafe ist seit 17.7.2008 vollständig verbüßt.

Am 14.7.2008 ordnete das Landgericht Regensburg gemäß § 275a Abs. 5 StPO die einstweilige Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung an und begründete dies im Wesentlichen mit der hohen Wahrscheinlichkeit weiterer erheblicher Straftaten durch den Beschwerdeführer gegen Leib und Leben und die sexuelle Selbstbestimmung.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Oberlandesgericht Nürnberg mit Beschluss vom 22.10.2008 als unbegründet verworfen (Az.: 2 Ws 499/08).

Mit Urteil vom 22.6.2009 (Az.: NSV 121 Js 17270/98) ordnete das Landgericht Regensburg gemäß § 7 Abs. 2 JGG nachträglich die Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung an. Es stellte nach sachverständiger Beratung fest, bei dem Beschwerdeführer bestehe ? anders als bei Aburteilung der Anlasstat angenommen ? eine multiple Störung der Sexualpräferenz (ICD-10 F65.6) mit einer sadistischen Komponente und eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ (ICD-10 F60.30). Diese psychischen Erkrankungen seien Auslöser für die Begehung der Anlasstat gewesen. Bei ihm seien schon seit seinem 15. Lebensjahr sexuelle Gewaltfantasien aufgetreten, die sich darauf gerichtet hätten, Frauen durch Würgen am Hals wehr- bzw. leblos zu machen. Diese Fantasien, die bis heute nicht überwunden seien, hätten sich in den Wochen vor der Anlasstat intensiv gesteigert, bis er sie schließlich umgesetzt habe. Auch während der Haft - zuletzt von ihm eingeräumt im Jahr 2005 ? hätten diese Fortbestand gehabt. Er werde mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in § 7 Abs. 2 Nr. 1 JGG bezeichneten Art begehen. Seine psychischen Erkrankungen seien noch nicht ausreichend therapiert. Eine mehrjährige sozialtherapeutische Behandlung während des Strafvollzugs in der Justizvollzugsanstalt B... sei mangels genügender Offenheit und Motivation gescheitert. Auch durch die Gruppen – und Einzeltherapien in der sozialtherapeutischen Abteilung für Sexualstraftäter in der Justizvollzugsanstalt S..., in der er sich vom 10.1.2007 bis 12.9.2007 aufgehalten habe, sei er mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht erreichbar gewesen.

Der im Falle einer Entlassung erforderliche gesicherte soziale Empfangsraum sei nicht gegeben. Bei einer Entlassung zum jetzigen Zeitpunkt sei mit hinreichender Gewissheit davon auszugehen, dass es bei der Bewältigung des alltäglichen Lebens in absehbarer Zeit zu einer Kumulation von Stressfaktoren kommen werde. Er habe gerade in Bereichen des sozialen Umfeldes mit negativen, frustrierenden und demütigenden Erlebnissen zu rechnen. Ebenso wie bei der Anlasstat bestehe dann die hohe Wahrscheinlichkeit, dass es erneut zu einer intensiven Steigerung der Gewaltfantasien und zu deren tatsächlichem Abladen in Form der Begehung schwerster Sexualdelikte komme, bis hin zum Sexualmord zur Befriedigung des Geschlechtstriebs.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 9.3.2010, 1 StR 554/09 (NStZ 2010, 381), als unbegründet verworfen. Er hat bei dem nach Jugendstrafrecht Verurteilten die äußerst belastende Maßregel der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung für berechtigt gehalten.

Auf die Verfassungsbeschwerde des Verurteilten hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 4.5.2011 (Az.: 2 BvR 2365/09 u.a. – NJW 2011, 1931) festgestellt, dass die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 22.10.2008 (2 Ws 499/08) und des Landgerichts Regensburg vom 14.7.2008 (KLs 121 Js 17270/98 jug.) den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes verletzen und die Sache zur Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen an das Oberlandesgericht Nürnberg zurückverwiesen. Gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9.3.2010 und das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 22.6.2009 (Az.: NSV 121 Js 17270/98 jug.) wegen Verletzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 des GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 des GG aufgehoben und die Sache an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen. In der Begründung führt das Bundesverfassungsgericht aus, soweit sich der Beschwerdeführer auch gegen die einstweilige Anordnung seiner Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gewendet habe, die mit Eintritt der Rechtskraft der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung erledigt gewesen sei, verbleibe es bei der Feststellung der Grundrechtsverletzung und der Zurückverweisung zur Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers. Die angefochtenen Entscheidungen beruhten auf Vorschriften, die verfassungswidrig seien. Die Gründe der Verfassungswidrigkeit der zugrundeliegenden Gesetze führten daher auch zur Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Entscheidungen. Diese genügten den Anforderungen nicht, die sich für eine verfassungsgemäße Entscheidung auf der Grundlage der vorläufig unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Maßgaben weiter geltenden Vorschriften ergäben. Bei der erneuten Entscheidung hätten die zuständigen Gerichte insbesondere den jeweiligen Grad der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers zu würdigen und zu entscheiden, ob vor diesem Hintergrund die Prüfung einer relevanten psychischen Störung überhaupt notwendig erscheine. Erst im letzten Schritt werde zu fragen sein, ob eine solche vorliege. In Fällen der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 des Strafgesetzbuches und des § 7 Abs. 2 des Jugendgerichtsgesetzes dürfe die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung beziehungsweise ihre Fortdauer nur noch angeordnet werden, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten sei und dieser an einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (Therapieunterbringungsgesetz –ThUG) - Art. 5 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22.12.2010 - leide.

Am 5.5.2011 hat die Staatsanwaltschaft Regensburg bei der Großen Jugendkammer des Landgerichts Regensburg beantragt, gegen den Beschwerdeführer einen Unterbringungsbefehl gemäß §§ 105 Abs. 1, 7 Abs. 4 JGG, § 275a Abs. 5 Satz 1 StPO zu erlassen. Mit Beschluss vom 6.5.2011 hat die Große Jugendkammer des Landgerichts Regensburg die einstweilige Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

Mit Schriftsatz seines Verteidigers Dr. A... vom 27.6.2011, eingegangen am 29.6.2011, hat der Beschwerdeführer gegen den Beschluss vom 6.5.2011 Beschwerde eingelegt und mit Schriftsätzen vom 15.7., 19.7., 22.7., 25.7. und 26.7.2011 weiter begründet. Auf diese Schriftsätze wird Bezug genommen.

Die Jugendkammer des Landgerichts Regensburg hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

B.

Die gemäß § 304 StPO zulässige Beschwerde des Verurteilten gegen den Unterbringungsbefehl der Großen Jugendkammer des Landgerichts Regensburg vom 6.5.2011 ist zulässig aber unbegründet.

I.

Die Große Jugendkammer des Landgerichts Regensburg war zur Entscheidung über den Erlass eines Unterbringungsbefehls nach § 275a StPO weiterhin zuständig.

1) Nach Art. 316e Abs. 1 EGStGB sind für Entscheidungen zur nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung die Vorschriften anzuwenden, die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22.12.2010 (BGBl. I S. 2300) Geltung hatten, da die Anlasstat vor dem 1.1.2011 begangen wurde.

2) Das mit der Entscheidung in der Hauptsache über die nachträgliche Sicherungsverwahrung betraute Gericht kann nach der auch durch das Gesetz über die Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendrecht vom 8.7.2008 (BGBl. I 1212) unverändert gebliebenen Vorschrift des § 105 Abs. 1 JGG, in Verbindung mit § 7 Abs. 4 JGG i.d.F. vom 8.7.2008, gültig ab 12.7.2008, § 275a Abs. 5 Satz 1 StPO i.d.F. vom 29.7.2009, gültig ab 1.1.2010 i.V.m. Art. 316e Abs. 1 EGStGB, der auch die Anwendung der bisherigen Vorschriften der Strafprozessordnung über die Sicherungsverwahrung zur Folge hat (vgl. BT – Drucksache 17/ 4062 S. 49), einen Unterbringungsbefehl gegen den Verurteilten erlassen, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet wird.

3) Für die Entscheidung nach § 275a Abs. 5 Satz 1 StPO i.d.F. vom 29.7.2009 ist die Große Jugendkammer des Landgerichts Regensburg, die bereits die vom Bundesverfassungsgericht aufgehobene Entscheidung vom 22.6.2009 getroffen hat, gem. § 74 f GVG zuständig. Daran ändert die in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4.5.2011 erfolgte Zurückverweisung an das Landgericht Regensburg nach §§ 90 Abs. 2 Satz 1, 95 Abs. 2 BVerfGG nichts. Im Gegensatz zu der Vorschrift des § 354 Abs. 2 StPO sieht § 95 BVerfGG keine Verweisung an einen anderen Spruchkörper desselben Gerichts vor.

4) Die Jugendkammer war an dem Erlass des Unterbringungsbefehls vom 6.5.2011 nicht deshalb gehindert, weil dieser, wie der Beschwerdeführer bemängelt, erst am 5.5.2011, also nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4.5.2011 beantragt worden war. Richtig ist, dass sich der ursprüngliche Unterbringungsbefehl gem. § 275a Abs. 5 Satz 1 StPO i.d.F. vom 29.7.2009 mit der Rechtskraft der Entscheidung des Landgerichts Regensburg vom 22.6.2009, herbeigeführt durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9.3.2010, erledigt hat. In der Hauptsache hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 4.5.2011 die Sache an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen, weshalb diese seither wiederum dort anhängig war. Die Große Jugendkammer des Landgerichts Regensburg ist deshalb weiterhin dazu berufen, über die ursprünglich beantragte nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden. Da dieses Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, kann unter den Voraussetzungen des § 275a StPO bei gegebenen Voraussetzungen jederzeit ein erneuter Unterbringungsbefehl erlassen werden.

II.

Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 4.5.2011 sind dringende Gründe vorhanden, dass bei dem Beschwerdeführer die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet werden wird (§ 275a StPO).

1) In dem Urteil vom 29.10.1999 hat die Jugendkammer des Landgerichts Regensburg nach § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht angewandt. Die Voraussetzungen der nachträglichen Unterbringung des Verurteilten richten sich deshalb zunächst nach § 105 Abs. 1 JGG i.V.m. § 7 Abs. 2 JGG i.d.F. des Gesetzes über die Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendrecht vom 8.7.2008 (BGBl. I 1212), gültig ab 12.7.2008, die gemäß Art. 316e Abs. 1 EGStGB weiter anwendbar sind. Danach kann die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet werden, wenn

a) eine Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren wegen eines Verbrechens u.a. gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung, durch welche das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, erfolgte;

b) Tatsachen vor Ende des Vollzugs der Jugendstrafe erkennbar sind, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen und

c) die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder Taten und ergänzend seiner Entwicklung während des Vollzugs der Jugendstrafe ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der vorbezeichneten Art begehen wird.

Die Neuregelung des §  7 Abs. 2 JGG setzt das Vorliegen neuer Tatsachen („Nova“) für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht voraus. Ebenso wenig ist die Feststellung eines Hanges zur Begehung erheblicher Straftaten erforderlich (BGH NStZ 2010, 1539 RN 17 a. E., 22 ff.).

2) Mit seinem Urteil vom 4.5.2011 hat das Bundesverfassungsgericht § 7 Abs. 2 JGG i.d.F. des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilten nach Jugendstrafrecht vom 8.7.2008 (BGBl. I, S. 1212) mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 des GG und mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 des GG für unvereinbar erklärt (NJW 2011, 1003). Gleichzeitig hat es in dieser Entscheidung angeordnet, dass unter anderem auch diese Vorschrift bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis 31.5.2013 weiter anwendbar ist. Jedoch ist die rückwirkend angeordnete Maßregel der Sicherungsverwahrung angesichts des damit verbundenen Eingriffs in das Freiheitsrecht dieses Personenkreises (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) verfassungsrechtlich nur nach Maßgabe strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung und zum Schutz höchster Verfassungsgüter zulässig, wenn der gebotene Abstand zur Strafe gewahrt ist, eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist und die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 e EMRK erfüllt sind. Dabei sind die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EMRK gegeben, wenn er an einer psychischen Störung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter, also an einer zuverlässig nachgewiesenen psychischen Störung leidet.

3) „Dringende Gründe“ i.S.d. § 275a Abs. 5 Satz 1 StPO i.d.F. vom 29.7.2009, die eine Anordnung der Maßregel der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 7 Abs. 2 JGG erwarten lassen, sind bei dem Beschwerdeführer gegeben.

Nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. §§ 111a Abs. 1, 126a Abs. 1, 132a Abs. 1 StPO, sowie § 112 Abs. 1 StPO) sind diese dann anzunehmen, wenn nach dem bisherigen Ermittlungsstand eine hohe Wahrscheinlichkeit für die endgültige Verhängung der Maßregel spricht (Meyer-Goßner, StPO 54. Aufl. § 275a Rdn. 4). Bei der Bewertung sind die gegenüber der bisherigen gesetzlichen Lage geänderten, vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Maßgaben für eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zugrunde zu legen.

Auch nach diesen deutlich enger gezogenen Voraussetzungen besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass es beim Beschwerdeführer zur Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung kommen wird.

a) Für eine Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung verlangt das Bundesverfassungsgericht eine „hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten“. Für diesen auslegungsbedürftigen Begriff verweist das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 4.5.2011 auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 9.11.2010 (BGH NJW 2011, 240), in dem diese Begrifflichkeit verwendet, jedoch nicht erläutert wird. Eine taugliche Begriffsbestimmung enthält auch der Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 30.5.2011, 2 Ws 422/10, (zitiert nach juris) nicht, der mit Bezug auf den Bundesgerichtshof den Begriff „hochgradige Gefahr“ mit „hohes Maß an Gewissheit“ umschreibt. Dieser Begriff ist in sich widersprüchlich. Die Gewissheit kann nicht ein verschiedenes Maß annehmen.

Bei der Bestimmung der hochgradigen Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten muss als Auslegungsmaßstab die von dem Bundesverfassungsgericht in den Vordergrund gestellte Verhältnismäßigkeit bei Berücksichtigung des Vertrauensschutzes des Verurteilten, nach Verbüßung seiner Strafe seine Freiheit wiederzuerlangen, herangezogen werden. Dieser Verweis auf die Verhältnismäßigkeit zeigt, dass die „hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten“ einzelfallbezogen unter Berücksichtigung aller Umstände festzustellen ist. Die Beachtung der Verhältnismäßigkeit erfordert, den gebotenen Schutz der bedrohten Rechtsgüter, den Grad der drohenden Gefahr, den Freiheitsanspruch des Verurteilten und dessen Vertrauen, nach Verbüßung der Strafe entlassen zu werden, in die Betrachtung einzubeziehen. Die beiden Merkmale „hochgradige Gefahr“ und „schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten“ können nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Um einen Widerspruch zu dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu vermeiden, müssen sich diese Teilaspekte aufeinander beziehen und gegenseitig ergänzen, sodass sie gegenüber dem Freiheitsgrundrecht des Verurteilten als Korrelat in die Abwägung eingestellt werden können. Daher wird das hinter dem Begriff „hochgradige Gefahr“ stehende Rückfallrisiko besonders hoch sein müssen, wenn innerhalb des vorgegebenen Rahmens schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten die Begehung eines Delikts im Raume steht, das sich am unteren Rand dieser Bandbreite bewegt. Andererseits kann bei dem denkbar schwersten Delikt nicht dieselbe Rückfallgefährlichkeit wie bei anderen Straftaten aus dem oben genannten Rahmen der schwersten Gewalt- und Sexualdelikten verlangt werden. Dies würde dem Prinzip widersprechen, dass die staatliche Ordnung die Intensität des geschuldeten Rechtsschutzes nach dem Grad der bedrohten Rechtsgüter zu richten hat (vgl. hierzu schon die Beschlüsse des Senats vom 16.8.2010, 2 Ws 288/10 und vom 24.8.2010, 2 Ws 414/10, sowie des 1. Senats des Oberlandesgericht Nürnberg vom 24.6. 2010, 1 Ws 315/10 und vom 7.7.2010, 1 Ws 342/10). Damit kann im vorgegebenen Rahmen ein „weniger“ an Gefährlichkeit durch ein „mehr“ an drohender Rechtsgutsverletzung ausgeglichen werden. Es sind daher ähnliche, wenn auch von den Maßstäben her verschiedene Erwägungen anzustellen wie bei der Prognose nach §  57 Abs. 1 Nr. 2 StGB, wo ebenfalls je nach Schwere möglicher neuer Taten unterschiedliche Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Legalbewährung zu stellen sind (BGH NStZ-RR 2005, 172; OLG Hamm StV 1988, 340). Bei besonders gefährlichen vorausgegangenen Taten ist die Aussetzung dann in der Regel weniger leicht zu verantworten (BGH NStZ-RR 2003, 200; OLG Frankfurt NStZ-RR 1999,346; Fischer, StGB 58. Aufl. §  57 Rdn. 12a m.w.N.)

b) Diese Überlegungen besitzen aber keine unbegrenzte Geltung. Der von dem Bundesverfassungsgericht in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorgegebene Begriff „hochgradige Gefahr“ beinhaltet, dass auch bei dem denkbar schwersten Delikt, einer Straftat gegen das Leben, ein geringeres oder mittleres Rückfallrisiko nicht ausreicht um zusammen mit der drohenden Rechtsgutsverletzung dasselbe Gewicht wie das entgegenstehende Freiheitsgrundrecht des Verurteilten gewinnen zu können. Die gleiche Überlegung gilt dem Begriff der schwersten Gewalt- oder Sexualstraftaten. Diese Voraussetzung schließt es aus, selbst bei höchster Rückfallgefahr eine nachträgliche Sicherungsverwahrung anzuordnen, wenn keine Verletzung der genannten Rechtsgüter droht. Um jedoch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vornehmen zu können, muss sowohl dem Begriff der hochgradigen Gefahr wie auch dem der schwersten Gewalt- oder Sexualstraftaten eine gewisse Bandbreite zugemessen werden. Diese sind untereinander ins Verhältnis zu setzen und so dem individuellen Grundrecht des Verurteilten gegenüber zu stellen. Die „hochgradige Gefahr“ beginnt jedenfalls oberhalb eines mittleren Rückfallrisikos. Bei der Prognose ist auch zu berücksichtigen, mit welcher Häufigkeit und in welchem zeitlichen Rahmen (kurz - mittel – oder langfristig) in der Zukunft mit weiteren Taten der vorausgesetzten Art zu rechnen ist (vgl. Thomas Noll et alt. Schweizer Zeitschrift für Kriminologie 2006 Heft 1 S. 3ff; Norbert Nedopil Forensische Psychiatrie 3. Auflage S. 246, 291). Ein generell höheres Rückfallrisiko zu fordern, verbietet bereits der gebotene Grundrechtsschutz möglicher Opfer. Dies wäre mit Blick auf das schwerste Delikt, das ein Opfer treffen kann, nämlich einen Mord, nicht hinnehmbar.

c) Nach der so vorgenommenen, den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für eine Güterabwägung folgenden Auslegung des Begriffs der „hochgradigen Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten“ ist die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei dem Verurteilten zu erwarten.

4) Von ihm droht die Begehung eines Mordes aus sexuellen Motiven. Dies ergibt sich aus konkreten Umständen in seiner Person.

a) Nach dem jetzigen Ermittlungsstand ist von einer hochgradigen Gefahr, dass der Verurteilte mit der Anlasstat vergleichbare Gewalt- und Sexualdelikte begehen wird, auszugehen.

Die bisher getroffenen Feststellungen lassen die Begehung schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten, insbesondere einen Sexualmord, erwarten. Diesen Schluss zog bereits das Landgericht Regensburg in seinem Urteil vom 22.6.2009, gegründet auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. B... Dieser hat dargelegt, dass im Falle einer Rückfälligkeit mit großer Wahrscheinlichkeit die sexuelle und/oder körperliche Unversehrtheit des Opfers betroffen sein werde, mithin die Folgen erneut gravierend sein würden. Bei dem Verurteilten hätten neben dem bewussten Entschluss, sein Opfer zu vergewaltigen auch die unbewussten Motive nach (sexueller) Demütigung und Erniedrigung eine maßgebliche Rolle gespielt. Der Verurteilte habe sexuell frustriert und unter dem Einfluss zahlreicher persönlicher, beruflicher und sozialer Stressoren Vorstellungen und Fantasien entwickelt, bei denen es in erster Linie darum gegangen sei, (sexuelle) Kontrolle, Macht, Unterwerfung, Erniedrigung und Demütigung seines Opfers zu erreichen. Neben diesen Angaben des Sachverständigen hat die Strafkammer das Tatgeschehen der Anlasstat näher beleuchtet und festgestellt, dass schon der Tatablauf, insbesondere auch die aufeinanderfolgende Verwendung unterschiedlicher Tatmittel zeige, dass der Verurteilte das Potential habe, die Anwendung von massiver körperlicher Gewalt unter Überwindung allen Widerstandes des Opfers bis zum „Ende“ durchzuführen. Des Weiteren legte die Kammer überzeugend dar, dass für das Tatgeschehen die psychischen Erkrankungen, gepaart mit sexuellen Gewaltfantasien wesentlich mitbestimmend waren.

Die vorhandenen psychischen Störungen des Beschwerdeführers sind – wie dargestellt – weiterhin nicht ausreichend therapiert. Der Senat tritt daher der Auffassung des Landgerichts in seinem Urteil vom 22.6.2009 bei, dass der Verurteilte bei einer Kumulation von Stressfaktoren, die bei seiner Entlassung schon wegen seiner psychischen Beeinträchtigungen und fehlender therapeutischer Anbindung zu erwarten sind, mit gravierenden Folgen für andere zu entgleisen droht. Wegen der fehlenden therapeutischen Aufarbeitung ist zu erwarten, dass der Verurteilte weiterhin seinen sexuellen Machtfantasien nachhängt und unter Anwendung massiver körperlicher Gewalt zur Handlungsebene übergeht. Ebenso wenig ist die Anlasstat ausreichend therapeutisch behandelt. Es besteht daher die naheliegende Gefahr, dass bei einem Durchbruch erneuter Gewaltfantasien, begünstigt durch die festgestellte sexuelle Devianz in Verbindung mit der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung, ein verfügbares Opfer getötet wird. Nicht erkennbar ist, dass sich der Verurteilte seit der Anlasstat ausreichende Hemmnisse gegen die erneute Tötung eines Menschen erarbeiten konnte. Von dem zwischenzeitlich erlittenen Hafteindruck kann in Anbetracht der bestehenden multiplen psychischen Störungen kein wesentlicher protektiver Einfluss erwartet werden.

b) Die Gefährlichkeit beruht auf konkreten Umständen in der Person des Beschwerdeführers. Nach der Feststellung des Sachverständigen Dr. B... leidet der Beschwerdeführer an einer multiplen Störung der Sexualpräferenz (ICD-10 F 65.6) und einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung von impulsiven Typ (ICD-10 F 60.30). Diese Erkrankungen waren für die Anlasstat ursächlich und können es mangels ausreichender Behandlung auch für künftige Taten sein. Das Ausbrechen erneuter, mit seiner Sexualität im Zusammenhang stehenden Gewaltfantasien unter Entladung gegenüber einem neuen Opfer steht auch aktuell im Raum. Bei ihren Explorationen im Jahre 2005 haben die Sachverständigen Prof. Dr. O... und Dr. M... bei dem Beschwerdeführer nicht überwundene, auch in der Haftzeit aufgetretene Gewaltfantasien erkannt. Sie führten aus, das Auftreten destruktiv narzisstischer Fantasien, auch innerhalb der Haftunterbringung, und deren Persistenz trotz sozialtherapeutischer Behandlung manifestiere die Gefahrenmomente. Der Sachverständige Dr. B... kommt 2009 zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer auch künftig im sexuellen Erleben in erheblicher Art und Weise von seinen devianten Fantasien geleitet und geprägt sein wird. Diese Fantasietätigkeit wird nach seiner Auffassung wesentlich zur Gefährlichkeit beitragen. Eine wirksame Behandlung dieser gefährlichen Fantasien ist nicht erfolgt. In dem Therapiebericht der Justizvollzugsanstalt B... vom 30.6.2008 wurde festgehalten, dass die zu vermutende deviante sexuelle Fantasie nicht bearbeitet und eine weitere sinnvolle Zusammenarbeit mit dem Verurteilten in der Therapie nicht gesehen werden konnte. Bereits zuvor musste ebenfalls aus Gründen in der Person des Verurteilten ein Behandlungsversuch in der sozialtherapeutischen Abteilung für Sexualstraftäter in der Justizvollzugsanstalt S... abgebrochen werden. Im Jahre 2004 begonnene Ausführungen wurden nach dem Bekanntwerden weiterer sexueller Gewaltfantasien auf Anraten des Sachverständigen Prof. Dr. O... im Februar 2006 beendet. Nach dem Bericht der Justizvollzugsanstalt S... vom 20.10.2010 blieb seine Sexualdelinquenz weiterhin unbehandelt.

Es bestehen daher dringende Gründe, dass die bedrohlichen Gewaltfantasien nach wie vor ihren Rückfall begünstigenden Einfluss auf den Beschwerdeführer ausüben. Eine die Rückfallgefahr mindernder sozialer Empfangsraum konnte aus den oben angeführten Gründen nicht vorbereitetet werden.

5) Droht somit ein Tötungsdelikt in Form eines Mordes (Befriedigung des Sexualtriebes), wobei es sich um die denkbar schwerste Gewalt- oder Sexualstraftat handelt, so ist nach den oben dargelegten Auslegungsgrundsätzen daher eine hochgradige Gefahr jedenfalls bereits dann anzunehmen, wenn die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers den Bereich der mittleren Rückfallgefahr verlassen hat. Dies ist vorliegend gegeben.

a) Der Sachverständige Dr. B... hatte in seinem Gutachten vom 19.1.2009 für das LG Regensburg zur Rückfallprognose die Testverfahren PCL-R, HCR-20 und SVR-20 angewandt. Diese kamen wegen der erreichten Items zu dem Ergebnis, dass das Rückfallrisiko als niedrig (HCR-20), noch nicht mittelhoch (SVR- 20) und als nicht zur Höchstrisikogruppe gehörig (PCL-R) einzustufen sei. Dazu führte der Sachverständige aus, dass die Testergebnisse aus den Verfahren HCR-20 und SVR-20 deutlich nach oben korrigiert werden müssten, weil das „Krankheits- und Delikts-know how“ noch nicht gut bearbeitet, der Empfangsraum nicht vorbereitet und der notwendige nähere Tiefgang zur realistischen Beurteilung der sexuellen Fantasien in der Gutachtenssituation nicht habe hergestellt habe werden können. Es bestehe deshalb ein mittelgroßes Rückfallrisiko für Sexualstraftaten und ein mittelgroßes Rückfallrisiko für Gewaltdelikte, respektive sexuelle Gewaltdelikte. Der Sachverständige wies auch darauf hin, sollte der Verurteilte nicht einer adäquaten Psychotherapie zugeführt und kein relevanter Therapiefortschritt erzielt werden, z.B., weil er in Freiheit sich selbst darum nicht kümmere, werde bisher Erreichtes irgendwann wirkungslos und der Verurteilte mit fortlaufender Zeit noch gefährlicher werden. Die Gefahr, dass dieser in den nächsten drei Jahren körperliche oder sexuelle Gewalt zum Einsatz bringe, sei mittelhoch. Insgesamt sei von einer mittelhohen bis hohen Gefährlichkeit auszugehen. Bei dieser ungünstigen Prognose berücksichtigte der Sachverständige die frühe Delinquenz, die frühe Gewaltanwendung, die Diagnosen einer multiplen Störung der Sexualpräferenz und eine Persönlichkeitsstörung mit direktem Bezug zum Delikt, Defizite im Arbeitsbereich des Verurteilten sowie dessen Unerfahrenheit in der Beziehungsgestaltung und Sexualität.

b) Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. B... kam in seinem Gutachten vom 15.1.2009 für das LG Regensburg zu dem Resümee, dass bei einer Entlassung zum jetzigen Zeitpunkt ohne ausreichende Entlassungsvorbereitungen ein deutlich erhöhtes Risiko für weitere schwere Straftaten bestehe, weil die Hauptstörung noch nicht ausreichend behandelt sei und ein sozialer Empfangsraum fehle.

c) Die unter a) und b) dargestellten Angaben der beiden Sachverständigen Dr. B... und Prof. Dr. Dr. B... und den von ihnen prognostizierten Grad der Rückfallgefährlichkeit hat die Jugendkammer in ihrem Urteil vom 22.6.2009 bei der gebotenen eigenen Gesamtwürdigung (vgl. Fischer, StGB 58. Aufl. § 66, Rdn. 33) auf eine besondere Gefährlichkeit sowie eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Begehung neuer Straftaten angehoben. Dieser Beurteilung hat sich der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 9.3.2010 angeschlossen.

Die vom Landgericht ausführlich begründete hohe Wahrscheinlichkeit für die Begehung neuer Straftaten und auch die zusammenfassende Beurteilung des Sachverständigen Dr. B..., wonach von einer mittelhohen bis hohen Gefährlichkeit auszugehen ist, machen es wahrscheinlich, dass die gebotene erneute Begutachtung ebenfalls eine Rückfallgefährlichkeit ergibt, die deutlich über dem mittleren Rückfallrisiko liegt. Damit ist die Feststellung einer hochgradigen Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten im Hauptsacheverfahren derzeit zu erwarten.

6) Die weitere Voraussetzung für eine nachträgliche Unterbringung, nämlich das Bestehen einer psychischen Störung bei dem Verurteilten, liegt in Form der bereits oben dargestellten multiplen Störungen der Sexualpräferenz und einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ sogar in zweifacher Ausprägung vor.

7) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird bei einer nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung gewahrt sein. Vor seiner abschließenden Beurteilung brachte der Sachverständige Dr. B... die Einschätzung zum Ausdruck, dass die Gefahr körperlicher oder sexueller Gewalt durch den Verurteilten in den nächsten drei Jahren mittelhoch sei. Gegenüber dem Schutz der Allgemeinheit vor einem solchen in Anbetracht der Schwere der drohenden Tat sehr hohem Risiko, hat das Interesse und auch das Vertrauen des Verurteilten, nach Verbüßung seiner Haftstrafe die Freiheit zu erlangen, zurückzutreten, zumal sowohl die abschließende Beurteilung durch den Sachverständigen B... wie auch durch die Jugendkammer zu einer noch höheren Einschätzung des Rückfallrisikos gelangt sind.

III.

Der Auffassung des Senats steht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4.5.2011, mit dem bei unveränderter Tatsachengrundlage das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 22.6.2009 aufgehoben wurde, nicht entgegen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich darauf beschränkt, die Verfassungswidrigkeit der Vorschriften festzustellen, die dem Urteil des Landgerichts Regenburg vom 22.6.2009 zugrunde lagen. Das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 22.6.2009 war deshalb aufzuheben, weil die Jugendkammer ihrer Rechtsanwendung die verfassungsgemäße Auslegung der übergangsweise noch gültigen Normen zur nachträglichen Sicherungsverwahrung nicht zugrunde gelegt hat. Es war nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts zu überprüfen, ob die von dem Landgericht festgestellten Tatsachen auch im Lichte der vom Bundesverfassungsgericht vorgenommenen Einschränkungen der Normen über die nachträgliche Sicherungsverwahrung eine solche gerechtfertigt hätten.

IV.

Der auch für die Aufrechterhaltung eines Unterbringungsbefehls geltende Beschleunigungsgrundsatz ist noch beachtet. Aus den dem Senat vorliegenden Akten ist nicht zu entnehmen, dass die erforderliche Bestellung neuer Sachverständiger bereits erfolgt ist. Mit Schreiben vom 18.5.2011 kündigte der Verteidiger des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Dr. A..., eine Stellungnahme zu bereits vorgeschlagenen Sachverständigen nach Rücksprache mit dem Beschwerdeführer an. Mit seinem Schriftsatz vom 30.5.2011 schlägt der Verteidiger Dr. A... konkret zwei Sachverständige vor, lehnt aber solche aus dem Freistaat Bayern ab. Um den Verteidigern des Beschwerdeführers zur Auswahl des Sachverständigen ausreichendes rechtliches Gehör zu gewähren, war die Jugendkammer zunächst nicht gehalten, Sachverständige konkret zu beauftragen. Da zu erwarten ist, dass dies zumindest nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens unverzüglich geschieht, liegt eine relevante Verfahrensverzögerung derzeit noch nicht vor.

V.

Kosten: § 473 Abs. 1 StPO