BAG, Urteil vom 15.07.2009 - 5 AZR 921/08
Fundstelle
openJur 2011, 97793
  • Rkr:
Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 26. Juni 2008 - 17 Sa 929/07 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche.

Der Kläger ist bei der beklagten Spielbank als Croupier tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Haustarifverträge Anwendung, ua. der Entgelttarifvertrag vom 1. Februar 1996 bzw. vom 29. September 2005/17. Oktober 2005 nebst Teilvereinbarungen. Die Troncverwendung ist bei der Beklagten in einer Gesamtbetriebsvereinbarung vom 27. November 1998 geregelt.

Der Kläger ist punktbesoldeter Mitarbeiter iSd. Entgelttarifvertrags für die punktbesoldeten Arbeitnehmer/innen der Westdeutsche Spielbanken GmbH & Co. KG in der Spieltechnik und in der Kasse vom 1. Februar 1996 (ETV 1996 gültig bis 31. August 2005). Nach § 2 Entgeltrahmentarifvertrag für punktbesoldete Arbeitnehmer/innen der Westdeutsche Spielbanken GmbH & Co. KG in der Spieltechnik und in der Kasse vom 1. Februar 1996 werden die monatliche Punktzahl und das garantierte monatliche Tarifentgelt (Mindestgehalt) im jeweils gültigen Entgelttarifvertrag festgelegt. Die punktbesoldeten Mitarbeiter erhalten die sog. Punktvergütung, dh. einen dem jeweiligen Punktanteil entsprechenden Anteil aus dem Tronc, der sich aus den Zuwendungen der Besucher der Spielbanken zusammensetzt. Dabei wird für alle Spielbanken der Beklagten ein Gesamttronc gebildet, von dem 75 % für die Arbeitnehmer in der Spieltechnik und in der Kasse sowie 25 % für die Arbeitnehmer im Service und in der Verwaltung zur Verfügung stehen (§ 2 Ziff. 2 und 3 und § 3 Ziff. 1 der Teilvereinbarung zu einem Tronctarifvertrag vom 1. Februar 1996 - TV Tronc 1996). § 4 ETV 1996 regelt die Mindestgehälter, die unabhängig vom Troncaufkommen von der Beklagten garantiert werden und nach der Anzahl der tariflichen Punkte gestaffelt sind. In § 4 Abs. 2 ETV 1996 ist folgende Regelung getroffen:

"Zuschüsse, die das Unternehmen zur Deckung der Mindestgehälter leistet, werden dem Unternehmen aus dem 75 %igen Troncanteil zurückerstattet. Eine Erstattung wird in den Monaten vorgenommen, in denen die Troncmittel des 75 %igen Troncanteils höher sind, als zur Deckung der Mindestgehälter erforderlich. Der Rückfluss aus dem Gesamttronc an die Gesellschaft erfolgt dann in Höhe des überschießenden Betrages bis zur vollständigen Abdeckung des von der Gesellschaft geleisteten Zuschusses bis längstens zum 31.12. des laufenden Jahres. Zuschüsse für den Monat Dezember eines Jahres können bis zum 31.01. des jeweiligen Folgejahres verrechnet werden."

Seit dem 1. September 2005 ist die Vergütung der punktbesoldeten Arbeitnehmer/innen im Entgelttarifvertrag für die punktvergüteten Arbeitnehmer/innen der Westdeutsche Spielbanken GmbH & Co. KG in der Spieltechnik und in der Kasse vom 29. September 2005/17. Oktober 2005 (ETV 2005) geregelt.

§ 5 enthält folgende Regelung:

"1. ... 2. Zuschüsse, die das Unternehmen zur Deckung der Mindestgehälter leistet, werden dem Unternehmen aus dem 75-prozentigen Troncanteil des Tronc Klassisches Spiel zurückerstattet. Eine Erstattung wird in den Monaten vorgenommen, in denen die Troncmittel des 75-prozentigen Troncanteils höher sind, als zur Deckung der Mindestgehälter erforderlich. Der Rückfluss aus dem Tronc Klassisches Spiel an die Gesellschaft erfolgt dann in Höhe des überschießenden Betrages bis zur vollständigen Abdeckung des von der Gesellschaft geleisteten Zuschusses bis längstens zum 31.12. des laufenden Jahres. Zuschüsse für den Monat Dezember eines Jahres können bis zum 31.01. des jeweiligen Folgejahres verrechnet werden."

Seit dem 1. September 2003 ermittelt die Beklagte zunächst das Aufkommen des Gesamttroncs, dann den 75-prozentigen Troncanteil sowie die Summe der Mindestgehälter der punktbesoldeten Beschäftigten. Übersteigt der 75-prozentige Troncanteil die Summe der Mindestgehälter, entnimmt sie dem Tronc zunächst die Differenz zwischen dem 75-prozentigen Troncaufkommen und der Summe der Mindestgehälter zum Ausgleich von in Vormonaten geleisteten Zuschüssen, gleicht dann weitere Personalaufwendungen (für Altersversorgung, Berufsgenossenschaft, Unfallversicherung usw.) aus und leistet bei Unauskömmlichkeit des Troncs erneut weitere Zuschüsse.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe dem 75-prozentigen Troncanteil unberechtigt Zuschüsse entnommen. Eine Erstattung von Zuschüssen komme nur in Betracht, wenn dadurch nicht im Laufe des Monats wegen erneuter Personalaufwendungen erneut Zuschüsse zu leisten seien.

Der Kläger hat, soweit für die Revision von Interesse, beantragt

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sein Gehalt seit dem 1. September 2003 aus dem Tronc zu berechnen ohne Verkürzung um Erstattungen (§ 4 Abs. 2 ETV aF, § 5 Abs. 2 ETV nF) für zuvor in den 75-prozentigen Tronc geleistete Zuschüsse, wenn und soweit in Höhe einer solchen Erstattung wiederum ein Zuschuss zu leisten ist, 2. die Beklagte zu verurteilen, seine Vergütung für den Zeitraum ab dem 1. September 2003 neu zu berechnen und zwar ohne Verkürzung des Tronc um Erstattungen (§ 4 ETV aF, § 5 ETV nF) für zuvor in den 75-prozentigen Tronc geleistete Zuschüsse, wenn und soweit in Höhe einer solchen Erstattung wieder ein Zuschuss zu leisten ist.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie verteidigt die praktizierte Entnahme von Zuschüssen als tarifgerecht.

Das Arbeitsgericht hat - soweit für die Revision von Interesse - der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage insoweit abgewiesen. Mit der vom Senat beschränkt auf die wiedergegebenen Anträge zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Beklagte darf dem Tronc Beträge für von ihr geleistete Zuschüsse auch dann entnehmen, wenn im laufenden Monat wiederum von ihr ein Zuschuss für weitere Personalaufwendungen zu leisten ist.

I. Die Klage ist zulässig. Es kann hinsichtlich des Antrags zu 1. dahinstehen, ob ein Feststellungsinteresse des Klägers nach § 256 ZPO vorliegt, denn dieses ist Prozessvoraussetzung nur für das stattgebende Urteil (BAG 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 13 mwN, AP BGB § 305c Nr. 11 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 15).

II. Die Klage ist hinsichtlich beider Anträge unbegründet. Die ab dem 1. September 2003 von der Beklagten praktizierte Verwendung des Tronc genügt sowohl § 4 Abs. 2 ETV 1996 als auch § 5 Abs. 2 ETV 2005.

1. Gem. § 4 Abs. 2 ETV 1996/§ 5 Abs. 2 ETV 2005 werden der Beklagten die zur Deckung der Mindestgehälter geleisteten Zuschüsse aus dem 75-prozentigen Troncanteil zurückerstattet. Die Erstattung erfolgt in den Monaten, in denen die Troncmittel des 75-prozentigen Troncanteils höher sind, als zur Deckung der Mindestgehälter erforderlich ist. Bis zum 31. August 2005 ist die Entnahme nach § 4 Abs. 2 ETV 1996, ab dem 1. September 2005 nach § 5 Abs. 2 ETV 2005 zu beurteilen. Die beiden Vorschriften unterscheiden sich lediglich durch eine Beschränkung bzw. nähere Kennzeichnung des 75-prozentigen Troncs auf das "Klassische Spiel". Der Begriff des Mindestgehalts hat sich nicht geändert. Gegenüber der Fassung des ETV 1996 sind lediglich die Beispiele für die Leistungen entfallen, die im Mindestgehalt enthalten sind. Der Zusatz in § 5 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 ETV 2005 "Tronc des Klassischen Spiels", hat auf die Verteilungsgrundsätze keinen Einfluss, denn die Klausel beinhaltet nur, dass dem Tronc die Ergebnisse des Automatenspiels nicht mehr zufließen. Das ist zwischen den Parteien auch nicht streitig.

2. Nach dem Wortlaut der Tarifnormen ist, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, eine Erstattung bereits dann im laufenden Monat möglich, wenn der 75-prozentige Tronc die Summe der Mindestgehälter des betreffenden Monats übersteigt. Aus dem Wortlaut der Tarifvorschrift ergibt sich nicht, dass die Zuschussentnahme nur dann zulässig ist, wenn im laufenden Monat oder bei Fälligkeit der Gehälter nicht ein erneuter Zuschuss (wegen weiterer Personalaufwendungen zB Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, betriebliche Altersversorgung, Berufsgenossenschaft, Unfallversicherung, Leistungsprämie, Insolvenzgeld etc.) erforderlich ist. Eine solche Einschränkung enthält der Tarifvertrag nicht. Als einzige Beschränkung kommt es nach dem Wortlaut nur auf die Erreichung der tariflichen Mindestgehälter nach § 4 ETV 1996 an. Ohne diese Einschränkung könnte die Beklagte jederzeit Zuschüsse entnehmen.

3. Der Einwand des Klägers, das Landesarbeitsgericht messe bei der Auslegung dem Begriff "Deckung des Mindestgehalts" in Satz 1 und Satz 2 des § 4 Abs. 2 ETV 1996/§ 5 Abs. 2 ETV 2005 eine unterschiedliche Bedeutung bei, trifft nicht zu. Der Umfang und die Höhe der Mindestgehälter bestimmt sich nach der Regelung in § 4 Abs. 1 ETV 1996, § 5 Abs. 1 ETV 2005 (zum Mindestgehalt vgl. auch BAG 6. Juli 2005 - 4 AZR 278/04 - Rn. 16 ff.). Sind diese Werte erreicht, ist die Beklagte zur Entnahme berechtigt. Dass bei der praktizierten Vorgehensweise wegen weitgehender Ausschöpfung des Troncs die Mindestgehälter zum Regelgehalt werden können, führt entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht zu einer anderen Auslegung, sondern ist lediglich eine Folge der vom Tarifvertrag und der Gesamtbetriebsvereinbarung bezweckten primären Verwendung des Troncs für Personalaufwendungen der Beklagten und eine Folge einer eventuell unzureichenden Ausstattung des Troncs durch die Spieler bzw. "Spender" iSd. § 7 SpielbG NW.

4. Die vom Kläger gewünschte weitere Einschränkung widerspricht dem Zweck der Erstattungsregelung. Die Personalaufwendungen sollen gem. § 4 Abs. 2 ETV 1996 aus dem Troncaufkommen gedeckt werden.

a) Der Zweck des ETV besteht darin, die Aufwendungen der Beklagten zu begrenzen und abzubauen (vgl. auch BAG 6. Juli 2005 - 4 AZR 278/04 - Rn. 24). Das bedeutet, dass nur ausnahmsweise bei einem zu geringen Troncaufkommen Mittel der Beklagten in Anspruch zu nehmen sind und zugleich, dass nur bei tatsächlichen Überschüssen die Vergütung der punktbesoldeten Mitarbeiter steigt. Die Beklagte kann für die punktbesoldeten Arbeitnehmer zugeschossene Mittel auch nur im laufenden Jahr aus dem 75-prozentigen Troncaufkommen erstattet bekommen, den Zuschuss für den Monat Dezember lediglich bis zum 31. Januar des Folgejahres.

b) Die von der Beklagten praktizierte Verfahrensweise trägt diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis Rechnung, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat. Sie verhindert gerade, dass bei einem von Monat zu Monat unterschiedlich hohen Tronc-Aufkommen Zuschüsse bis zum Jahresende kumuliert werden und Erstattungsansprüche am 31. Dezember bzw. 31. Januar verfallen. Die Vorgehensweise führt zwar zu einer ständigen Anpassung der Zuschusshöhe, je nachdem, ob das 75-prozentige Tronc-Aufkommen die Summe der Mindestgehälter übersteigt. Das kann auch dazu führen, dass die Beklagte insgesamt mehr Zuschüsse leistet als sie erstattet erhält und weitergehende Erstattungsansprüche am Jahresende verfallen. Die vom Kläger gewünschte Abrechnungsweise würde aber mit sich bringen, dass die Beklagte in sehr viel höherem Maße dem Risiko des Verfalls von Erstattungsansprüchen ausgesetzt wäre. Sie hätte in höherem Umfang die Vergütung der Mitarbeiter zu finanzieren, obwohl diese vorrangig aus dem 75-prozentigen Tronc-Aufkommen gedeckt sein soll.

5. Die Tarifvertragsparteien haben anlässlich der Neuregelung in § 5 Abs. 2 ETV 2005 trotz der seit 2003 von der Beklagten geübten Praxis der Rückerstattung keine Klarstellung im Sinne der klägerischen Auffassung etwa durch den Zusatz vorgenommen, dass ein Rückfluss aus dem Tronc "Klassisches Spiel" in Höhe des überschießenden Betrags nur erfolgt, soweit nicht erneut Zuschüsse erforderlich werden. Die Neuregelung des Verzichts auf einen Rückfluss unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 ETV 2005 ist zwar nicht Streitgegenstand, zeigt aber, dass sich die Tarifvertragsparteien in den Tarifverhandlungen zum ETV 2005 erneut mit der Frage der Erstattung von Zuschüssen auseinandergesetzt und gerade keine weitere Einschränkung aufgenommen haben.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Müller-Glöge Mikosch Laux Rolf Steinmann E. Haas