BAG, Urteil vom 23.11.2006 - 6 AZR 365/06
Fundstelle
openJur 2011, 97226
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 16. März 2006 - 13 Sa 774/05 - im Kostenausspruch und insoweit teilweise aufgehoben, als es auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 9. Mai 2005 - 5 Ca 989/05 - abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 904,86 Euro nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt hat.

2. Die Berufung der Klägerin wird auch insoweit zurückgewiesen.

3. Die Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.

4. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung von Überbrückungsbeihilfe.

Die am 29. November 1957 geborene Klägerin war von 1973 bis zum 31. März 2002 bei den Britischen Streitkräften in der Bundesrepublik Deutschland (Standort B) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 16. Dezember 1966 (TV AL II) sowie der Tarifvertrag vom 31. August 1971 zur Sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV SozSich) Anwendung. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete wegen Personaleinschränkung infolge einer Verringerung der Truppenstärke.

Die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitslose Klägerin bezog ab April 2002 zunächst Arbeitslosengeld und anschließend Arbeitslosenhilfe, welche im Dezember 2004 19,57 Euro pro Kalendertag betrug. Auch ihr ebenfalls arbeitsloser Ehemann erhielt Arbeitslosenhilfe. Zusätzlich zu den tatsächlichen Monatsleistungen der Bundesanstalt zahlte die Beklagte der Klägerin gemäß § 4 TV SozSich eine Überbrückungsbeihilfe in Höhe von monatlich zwischen 400,46 Euro und 418,08 Euro.

Ab dem 1. Januar 2005 erhält die Klägerin, die mit ihrem Ehemann und der gemeinsamen, am 12. September 1994 geborenen Tochter T in einem Haushalt lebt und eine Bedarfsgemeinschaft bildet, Leistungen nach dem SGB II. Ausweislich der Anlage zum Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 2005 wurden im ersten Quartal des Jahres 2005 monatlich geleistet:

- an die Klägerin Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für erwerbsfähige Hilfsbedürftige in Höhe von 311,00 Euro sowie Kosten für Unterkunft und Heizung von 249,45 Euro, - an den Ehemann der Klägerin Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für erwerbsfähige Hilfsbedürftige in Höhe von 311,00 Euro und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 249,46 Euro und - an die Tochter der Klägerin ein Sozialgeld für nicht erwerbsfähige Hilfsbedürftige von 207,00 Euro sowie Kosten für Unterkunft und Heizung von 249,46 Euro.

Die Beklagte setzte mit Abrechnung vom 16. Februar 2005 den Nettogrundbetrag zur Bestimmung der Überbrückungsbeihilfe auf monatlich 1.054,32 Euro fest, rechnete auf diesen Betrag jedoch die Gesamtleistung der an die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin nach dem SGB II erbrachten Leistungen in Höhe von insgesamt 1.577,37 Euro an. Die Abrechnung endete mit einem Auszahlungsbetrag von 0,00 Euro. Die Beklagte verwies zur Rechtfertigung ihrer Vorgehensweise auf die Verfahrensanweisung des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) für die Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II /Sozialgeld).

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Leistungen nach dem TV SozSich für die Monate Januar bis März 2005 in Höhe von monatlich je 668,99 Euro. Zu berücksichtigen sei zunächst die Nettobemessungsgrundlage mit 1.054,32 Euro. Hiervon abzuziehen sei das für sie gezahlte gekürzte Arbeitslosengeld II in Höhe von 311,00 Euro. Weitergehende Zahlungen seien dagegen nicht abzuziehen. Dies ergebe einen Betrag von 743,32 Euro. Der monatliche Anspruch für Überbrückungsbeihilfe betrage von dem zweiten Jahr an 90 von Hundert, so dass sich ein monatlicher Anspruch gegen die Beklagte in Höhe von 668,99 Euro ergebe. Für die drei geltend gemachten Monate Januar bis März 2005 errechne sich der Klagebetrag in Höhe von 2.006,97 Euro. Die Klägerin meint, die Berechnung der Überbrückungsbeihilfe durch die Beklagte sei unrichtig, weil es keine Grundlage dafür gebe, die zur Sicherung des Grundbedarfs des Ehemanns und der Tochter der Klägerin nach Maßgabe des SGB II in Erfüllung von deren gesetzlichen Ansprüchen erbrachten Leistungen zu Lasten der Klägerin anzurechnen. Sinn und Zweck der Überbrückungsbeihilfe sei es, die Einkommenseinbußen des früheren Arbeitnehmers ausgleichen, so dass es grundsätzlich nur auf dessen Einkommen ankommen könne und nicht auf das der Bedarfsgemeinschaft. Die anteiligen Kosten für Unterkunft und Verpflegung könnten ohnehin nicht angerechnet werden. Dieser Teil der Sozialleistung komme aus Mitteln der Kommunen wie das frühere Wohngeld, welches gerade nicht als Einkommen bei der Berechnung der Überbrückungsbeihilfe berücksichtigungsfähig gewesen sei.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.006,97 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 668,99 Euro seit dem 1. Februar 2005, aus weiteren 668,99 Euro seit dem 1. März 2005 und aus weiteren 668,99 Euro seit dem 1. April 2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe für den geltend gemachten Zeitraum. Bei der Berechnung sei an das an die Bedarfsgemeinschaft insgesamt geleistete Arbeitslosengeld II/Sozialgeld anzuknüpfen. Dass die Anrechnung aller Leistungen nach dem SGB II an die Bedarfsgemeinschaft, dessen Mitglied die ehemalige Arbeitnehmerin sei, vorgenommen werden könne, lasse sich auch dem Rechtsgedanken des § 5 TV SozSich entnehmen, wonach andere Leistungen als nach § 4 Nr. 1 TV SozSich, auf die der Arbeitnehmer für Zeiten des Bezugs der Überbrückungsbeihilfe Anspruch habe, auf die Überbrückungsbeihilfe anzurechnen sei. Da es zwischen der Arbeitslosenhilfe und dem Arbeitslosengeld II ganz erhebliche rechtliche und systematische Unterschiede gebe, habe die Beklagte, die zugleich Tarifvertragspartei des TV SozSich sei, eine "Verfahrensanweisung für die Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen nach dem SGB II” herausgegeben, nach der auch vorliegend verfahren worden sei. Gehe man von einer Tariflücke aus, sei es den Gerichten für Arbeitssachen verwehrt, bei erkennbaren mehreren bestehenden Möglichkeiten, eine nachträglich entstandene Tariflücke zu schließen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und dem Klageanspruch in Höhe von 904,86 Euro stattgegeben; im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte weiterhin die vollständige Klageabweisung; die Klägerin verfolgt mit ihrer Revision den geltend gemachten Anspruch in vollem Umfang weiter.

Gründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg und führt unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts zur Zurückweisung der Berufung in vollem Umfang. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin könne gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 Buchst. a Abs. 1, Nr. 4, Nr. 5 Buchst. b TV SozSich für den Zeitraum zwischen Januar und März 2005 die Zahlung einer monatlichen Überbrückungsbeihilfe von 301,62 Euro netto von der Beklagten verlangen. Bei der Berechnung dieses Betrags sei von der Netto-Bemessungsgrundlage von 1.054,32 Euro auszugehen und hiervon die "ungekürzte” Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts der Klägerin in Höhe von 345,00 Euro und die hälftigen Gesamtkosten für Unterkunft und Heizung, die der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin monatlich zustehen, in Höhe von 374,19 Euro abzuziehen, so dass sich ein rechnerischer Betrag in Höhe von 335,13 Euro ergebe. Hiervon stehe der Klägerin gemäß § 4 Nr. 4 TV SozSich 90 von Hundert, somit ein Betrag in Höhe von 301,62 Euro zu, woraus sich ein in der Berufung der Klägerin zuerkannter Betrag für die Monate Januar bis März 2005 in Höhe von 904,86 Euro ergebe.

Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen einer Überbrückungsbeihilfe gemäß § 2 TV SozSich in der Person der Klägerin seien gegeben. Diese Überbrückungsbeihilfe sei nach Maßgabe von § 4 Nr. 1 Buchst. b TV SozSich dem Grunde nach neben dem Bezug von Arbeitslosengeld II zu gewähren. § 4 TV SozSich enthalte keine ausdrückliche Regelung, wie die Überbrückungsbeihilfe zu berechnen sei, wenn neben dem ehemaligen Arbeitnehmer weitere Angehörige, mit denen er in sog. Bedarfsgemeinschaft lebt, Leistungen nach dem SGB II beziehen. Das in § 4 Nr. 1 und 2 TV SozSich niedergelegte Berechnungssystem passe auf die Leistungsgewährung nach dem SGB II nicht direkt, dennoch erschließe sich durch eine mögliche und erforderliche ergänzende Tarifvertragsauslegung, welche Bestandteile der Leistungen nach dem SGB II bei der Bestimmung der Überbrückungsbeihilfe anrechnungsfähig seien.

Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten nur teilweise einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

II. Die Klage ist in vollem Umfang unbegründet.

1. Nach § 4 Nr. 1 Buchst. b TV SozSich, dessen allgemeine Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 2 TV SozSich in der Person der Klägerin unstreitig vorliegen, wird Überbrückungsbeihilfe gezahlt zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeitslosigkeit oder beruflichen Bildungsmaßnahmen (Arbeitslosengeld/-hilfe, Unterhaltsgeld). Bemessungsgrundlage ist in diesen Fällen die um die gesetzlichen Lohnabzüge verminderte tarifvertragliche Grundvergütung nach § 16 Nr. 1 Buchst. a TV AL II für die regelmäßige Arbeitszeit im Kalendermonat im Zeitpunkt der Entlassung (§ 4 Nr. 3 Buchst. b iVm. § 4 Nr. 3 Buchst. a Ziff. 1 TV SozSich). Nach § 4 Nr. 4 Satz 1 TV SozSich beträgt die Überbrückungsbeihilfe im ersten Jahr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses 100 von Hundert, ab dem zweiten Jahr 90 von Hundert des Unterschiedsbetrags zwischen der Bemessungsgrundlage und den in § 4 Nr. 1 und Nr. 2 TV SozSich bezeichneten Anknüpfungsleistungen. Die maximale Anspruchsdauer hinsichtlich derjenigen Arbeitnehmer, die nicht gemäß § 4 Nr. 5 Buchst. a TV SozSich zeitlich unbegrenzt Überbrückungsbeihilfe verlangen können, bestimmt sich nach § 4 Nr. 5 Buchst. b TV SozSich und betrug im Fall der Klägerin drei Jahre, die mit Ablauf des 31. März 2005 vollendet waren.

2. Das hier gezahlte Arbeitslosengeld II ist eine Anknüpfungsleistung iSv. § 4 Nr. 1 Buchst. b TV SozSich, da es - vorbehaltlich der in § 6a SGB II enthaltenen Experimentierklausel - jedenfalls teilweise eine Leistung der Arbeitsverwaltung aus Anlass von Arbeitslosigkeit ist (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II). Zu Recht hat deshalb das Landesarbeitsgericht angenommen, dass nach Maßgabe von § 4 Nr. 1 Buchst. b TV SozSich Überbrückungsbeihilfe dem Grunde nach neben dem Bezug von Arbeitslosengeld II zu gewähren ist. Die Klägerin hat im ersten Quartal 2005 aus Anlass ihrer Arbeitslosigkeit Leistungen der Bundesagentur für Arbeit erhalten, die an die Stelle der in der Tarifbestimmung genannten Bundesanstalt für Arbeit getreten ist. Der vom Gesetzgeber mit der Arbeitslosenhilfe verfolgte Leistungszweck ist im Grundsatz unverändert geblieben. Sinn und Zweck des § 4 TV SozSich, arbeitslosen ehemaligen Arbeitnehmern der Stationierungsstreitkräfte eine zeitlich begrenzte finanzielle Hilfestellung zur "Überbrückung” ihrer Arbeitslosigkeit und zur Erleichterung der Wiedereingliederung ins Arbeitsleben zu gewähren, kann deshalb eine Zahlung von Überbrückungsbeihilfe neben dem Bezug von Arbeitslosengeld II gebieten (vgl. auch Senat 5. August 1999 - 6 AZR 56/98 - AP TVAL II § 16 Nr. 1 = EzA TVG § 4 Stationierungsstreitkräfte Nr. 4, zu II 2 b cc der Gründe) .

3. § 4 TV SozSich enthält keine ausdrückliche Regelung, wie die Überbrückungsbeihilfe zu berechnen ist, wenn der ehemalige Arbeitnehmer Leistungen nach dem SGB II bezieht.

a) Bei Abschluss des Tarifvertrags im Jahr 1971 gab es nach Maßgabe des Arbeitsförderungsgesetzes ebenso wie später nach den §§ 190 ff. SGB III den Anspruch auf Bezug von Arbeitslosenhilfe. Arbeitslosenhilfe war abhängig vom früheren Verdienst und grundsätzlich waren von der Arbeitslosenhilfe auch die Kosten für Unterkunft und Heizung zu bestreiten. Nach § 194 SGB III aF wurde bei der Berechnung auch das Einkommen des Ehegatten/Lebensgefährten berücksichtigt, nicht hingegen das Einkommen der im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder. § 4 Nr. 2 Buchst. a TV SozSich bestimmt, dass die Überbrückungsbeihilfe in den Fällen des § 44 Abs. 4, der §§ 115, 121, 123, 126, § 233 Abs. 2 AFG nach dem ungekürzten Arbeitslosen- bzw. Unterhaltsgeld zu berechnen ist; entsprechendes gilt für die Arbeitslosenhilfe (vgl. Senat 5. August 1999 - 6 AZR 56/98 - AP TVAL II § 16 Nr. 1 = EzA TVG § 4 Stationierungsstreitkräfte Nr. 4) .

b) Demgegenüber wurden ab dem 1. Januar 2005 der Begriff der Bedürftigkeit und damit auch die Grundsätze der Anrechenbarkeit anderweitiger Einkünfte durch die Schaffung des neuen Begriffs "Bedarfsgemeinschaft” in § 7 SGB II völlig neu definiert. Danach ist nicht nur das Einkommen des Ehegatten/Lebensgefährten, sondern auch das des im gemeinsamen Haushalt lebenden Kindes zu berücksichtigen (§ 9 SGB II). Daneben hat der Gesetzgeber auch völlig neu die Zahlung eines einheitlichen Gesamtbetrags in den §§ 19 ff. SGB II geregelt. Das für das Arbeitslosengeld II vorgesehene Berechnungssystem passt auf die Leistungsgewährung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b TV SozSich nicht mehr. Nach welchen Grundsätzen und in welcher Höhe die Tarifvertragsparteien bei einem alleinstehenden Arbeitslosen die Einbeziehung der Kosten für Unterkunft und Heizung in das Arbeitslosengeld II/Sozialgeld bei der Bestimmung des tariflichen Anspruchs auf Überbrückungsgeld berücksichtigt hätten, war jedenfalls zunächst völlig offen. Insoweit ist eine unbewusste, nachträgliche Tariflücke entstanden.

c) Auch tarifvertragliche Regelungen sind einer ergänzenden Auslegung zugänglich, soweit damit kein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verbunden ist. Eine solche Auslegung hat daher außer Betracht zu bleiben, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage bewusst ungeregelt lassen und diese Entscheidung höherrangigem Recht nicht widerspricht. Demgegenüber haben die Gerichte für Arbeitssachen grundsätzlich die Pflicht eine unbewusste Tariflücke zu schließen, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien ergeben. Zwar haben die Tarifvertragsparteien in eigener Verantwortung darüber zu befinden, ob sie eine von ihnen geschaffene Ordnung beibehalten oder ändern. Solange sie daran festhalten, hat sich eine ergänzende Auslegung an dem bestehenden System und dessen Konzeption zu orientieren (vgl. Senat 29. April 2004 - 6 AZR 101/03 - BAGE 110, 277; BAG 21. Juni 2000 - 4 AZR 931/98 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 276; 21. März 1991 - 2 AZR 323/84 (A) - BAGE 67, 342). Diese Möglichkeit scheidet aber dann aus, wenn den Tarifvertragsparteien ein Spielraum zur Lückenschließung bleibt und es ihnen wegen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie überlassen bleiben muss, die von ihnen für angemessen gehaltene Regelung selbst zu finden (BAG st. Rspr. vgl. Senat 29. April 2004 - 6 AZR 101/03 - aaO, zu 4 a der Gründe; 20. Mai 1999 - 6 AZR 451/97 - BAGE 91, 358, 367) .

d) Ob die Tariflücke inzwischen durch eine übereinstimmende authentische Interpretation der beiden Tarifvertragsparteien (siehe "Verfahrensanweisung für die Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen nach dem SGB II” und Broschüre der Gewerkschaft ver.di Soziale Sicherung zum TV SozSich Stand: August 2006 S. 61 Rn. 50) dahin geschlossen wurde, dass Leistungen für Unterkunft und Heizung die Überbrückungsbeihilfe mindern, kann offen bleiben. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, könnten die Gerichte für Arbeitssachen diese Tariflücke nicht ihrerseits schließen. Es muss auf Grund der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie den Tarifvertragsparteien vorbehalten bleiben, ob die Tarifvertragsparteien insoweit § 5 Satz 1 Buchst. c TV SozSich angewendet wissen oder ob sie diese Leistungen dem früheren Wohngeld gleichstellen wollen, welches wegen § 5 Satz 2 TV SozSich nicht neben der Arbeitslosenhilfe in Ansatz zu bringen war.

e) Wenn danach Leistungen für Unterkunft und Heizung bei einem Alleinstehenden nicht zu seinen Gunsten unberücksichtigt bleiben könnten, hätte der Alleinstehende nur dann Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe, wenn trotz Berücksichtigung von Grundleistung und Leistungen für Unterkunft und Heizung eine nach § 4 TV SozSich auszugleichende Differenz zur Nettobemessungsgrundlage verbliebe. In diesem Fall müsste allerdings unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Bestimmungen von Art. 3, Art. 6 GG und auf Grund der konkreten Handhabung des TV SozSich durch die Beklagte auch aus Gründen der arbeitsrechtlichen Gleichbehandlung dieser Anspruch auch der in Bedarfsgemeinschaft mit Ehemann und Tochter lebenden Klägerin zugebilligt werden.

f) Hier hätte ein Alleinstehender Anspruch auf die Grundsicherung in Höhe von 345,00 Euro und Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB II aF in der an die Bedarfsgemeinschaft, in der die Klägerin lebt, geleisteten Höhe von insgesamt 748,38 Euro gehabt. Bei einer Nettobemessungsgrundlage von 1.054,32 Euro wäre der Anspruch eines Alleinstehenden auf Überbrückungsbeihilfe bei 0,00 Euro. Daher kann auch der Klägerin kein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zugesprochen werden. Dies würde sogar dann gelten, wenn für sie die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nur mit 311,00 Euro in Ansatz zu bringen wäre.

Fischermeier Dr. Armbrüster Prof. Dr. Friedrich ist ausgeschieden und deshalb verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Fischermeier Kapitza Spiekermann