BSG, Urteil vom 17.07.2008 - B 3 KR 16/07 R
Fundstelle
openJur 2011, 96247
  • Rkr:

Liegt dem Zahlungsanspruch eines Leistungserbringers - hier von Sondennahrung - eine Bruttopreisvereinbarung unter Einschluss der Umsatzsteuer zu Grunde, berechtigt das bei einem Irrtum über deren Höhe weder den Leistungserbringer zu Nachforderungen noch die Krankenkasse zu einer Kürzung der Vergütung (Abgrenzung zu BSG vom 17.7.2008 - B 3 KR 18/07 R).

Tatbestand

Streitig ist, ob die von der Beklagten geschuldete Vergütung für Sondennahrung die Umsatzsteuer zum ermäßigten oder allgemeinen Umsatzsteuersatz einschließt.

Die Klägerin betreibt einen Handel mit medizinisch-technischen Produkten. Sie versorgt ua Versicherte der beklagten Krankenkasse auf ärztliche Verordnung mit Sondennahrung und rechnet die Leistungen mit der Beklagten ab; eine schriftliche Rahmenvereinbarung besteht insoweit nicht. Die Rechnungen der Klägerin weisen den Rechnungsendbetrag sowie den Nettopreis, die Umsatzsteuer und den zu Grunde gelegten Umsatzsteuersatz aus. Die Klägerin ging bis Ende Juni 2003 davon aus, dass auf Sondennahrung eine ermäßigte Umsatzsteuer von 7 vH abzuführen sei, und legte bis dahin diesen Steuersatz zu Grunde. Ihre Abrechnungspraxis änderte sie ab Juli 2003, nachdem von der Finanzverwaltung mitgeteilt worden war, dass für flüssige Lebensmittelzubereitungen - wozu auch Sondennahrung zähle - der ermäßigte Umsatzsteuersatz nicht gelte und die bisherige Praxis im Rahmen einer Nichtbeanstandungsregelung nur bis Ende 2002 habe geduldet werden können. Demgemäß legte die Klägerin ab Juli 2003 den allgemeinen Steuersatz von - zu jenem Zeitpunkt - 16 vH zu Grunde und wies entsprechend erhöhte Rechnungsendbeträge aus. Zusätzlich verlangte sie eine Nachzahlung für den Zeitraum vom 1.1. bis zum 30.6.2003 in Höhe von 699,65 Euro, nachdem im Zuge einer Umsatzsteuersonderprüfung zu ihren Lasten durch bestandskräftigen Bescheid des zuständigen Finanzamtes eine entsprechend höhere Umsatzsteuervorauszahlung für diesen Zeitraum festgesetzt worden war.

Die Beklagte war der Auffassung, dass auf Sondennahrung nur der ermäßigte Umsatzsteuersatz zu entrichten sei, und beglich die gestellten Rechnungen ab Juli 2003 nur um einen entsprechend gekürzten Betrag. Ebenso verweigerte sie die Zahlung der Nachforderung.

Die Klägerin hat Zahlungsklage über 2.523,09 Euro einschließlich des für die Zeit vom 1.1. bis 30.6.2003 nachgeforderten Betrages erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (Urteil vom 21.11.2005), das Landessozialgericht (LSG) hat der Berufung teilweise stattgegeben, die Beklagte unter Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung zur Zahlung von 1.823,44 Euro verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 2.8.2007): Ab Juli 2003 habe die Klägerin ihren Rechnungen den Umsatzsteuersatz von 16 vH zu Grunde legen können, denn sie sei entsprechend § 316 BGB berechtigt gewesen, die Höhe des Kaufpreises zu bestimmen. Dieser umfasse als Bruttopreis auch die Umsatzsteuer, eine Nettopreisabrede sei nicht getroffen worden.Deshalb sei eine Nachforderung für den Zeitraum bis Juni 2003 auch nicht berechtigt.

Mit ihren Revisionen rügen sowohl die Klägerin als auch die Beklagte die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Die Klägerin macht geltend, die Beteiligten hätten eine Nettopreisabrede getroffen. Sie sei deshalb zur Abrechnung des zutreffenden Umsatzsteuersatzes und demzufolge auch zur Nachforderung der nachträglich erhobenen Umsatzsteuer berechtigt. Zu Unrecht sei das LSG davon ausgegangen, dass sich die Beteiligten über die Höhe der Umsatzsteuer keine Gedanken gemacht hätten. Diese Auffassung des Berufungsgerichts habe sie überrascht und ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Die Revision der Beklagten sei zurückzuweisen, weil das Bundessozialgericht (BSG) zur Klärung der steuerrechtlichen Frage nicht berufen sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Zurückweisung der Revision der Beklagten das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 2. August 2007 teilweise zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Koblenz vom 21. November 2005 in vollem Umfang zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen, die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 2. August 2007 und des SG Koblenz vom 21. November 2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, das LSG sei zu Unrecht von einem Bestimmungsrecht nach § 316 BGB ausgegangen. Vertragliche Ansprüche stünden der Klägerin nicht zu, ihre Zahlungsansprüche beruhten allein auf Bereicherungsrecht. Danach habe sie - die Beklagte - nur einen objektiv zu ermittelnden Wertersatz zu leisten; dies sei der Nettopreis zzgl Umsatzsteuer nach dem ermäßigten Umsatzsteuersatz.

Gründe

Beide Revisionen sind unbegründet. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass die Nachforderung der Klägerin für die Zeit von Januar bis Juni 2003 unberechtigt, die Klage im Übrigen aber begründet ist. Den Zahlungsansprüchen liegen Bruttopreisvereinbarungen unter Einschluss der abgerechneten Umsatzsteuer zu Grunde, die weder die Klägerin zu einer nachträglichen Anhebung noch die Beklagte zu einer Kürzung der geltend gemachten Forderungen berechtigen.

1. Rechtsgrundlage des Anspruchs der Klägerin ist § 69 SGB V (hier anzuwenden in der am 1.1.2000 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 <GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000> vom 22.12.1999, BGBl I 2626) iVm § 433 Abs 2 BGB analog. Danach bestimmen sich die Rechtsbeziehungen der Beteiligten abschließend nach den Vorschriften des 4. Kapitels des SGB V sowie dessen §§ 63 und 64 (§ 69 Satz 1 SGB V). Im Übrigen gelten die Vorschriften des BGB entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten nach dem 4. Kapitel des SGB V vereinbar sind (§ 69 Satz 3 SGB V, seit dem 1.4.2007 § 69 Satz 4 SGB V). Danach besteht der geltend gemachte Zahlungsanspruch analog § 433 Abs 2 BGB, wenn die Klägerin Leistungserbringerin iS des § 69 Satz 1 SGB V ist und sie - soweit Vorschriften des 4. Kapitels des SGB V nicht entgegenstehen - auf vertraglicher Grundlage noch nicht vollständig erfüllte Zahlungsansprüche erworben hat. Dies ist in dem vom LSG bestätigten Umfang der Fall.

2. Als Lieferantin von Sondennahrung ist die Klägerin Leistungserbringerin iS von § 69 Satz 1 SGB V. Das gilt ungeachtet des derzeit zwischen dem Gemeinsamen Bundesausschuss und dem Bundesministerium für Gesundheit geführten Rechtsstreits zu der Frage, inwieweit Mittel zur enteralen Ernährung (Sondennahrung) zu den Leistungen nach dem SGB V gehören und folglich zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden dürfen (vgl SG Köln, Urteil vom 21.3.2007 - S 19 KA 27/05 -, GesR 2007, 519; Berufung anhängig beim LSG NRW - L 11(10) KA 40/07 -). Diese Rechtsfrage ist hier nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn und soweit die Beklagte ihren Versicherten Mittel zur enteralen Ernährung nicht als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung stellen durfte, berührt das die Beziehungen zur Klägerin nicht. Denn die Beklagte hat sich ihrer zur Erfüllung von Sachleistungsansprüchen (§ 2 Abs 2 Satz 1 SGB V) bedient, zu deren Gewährung sie sich im Verhältnis zu ihren Versicherten als verpflichtet ansah. Ob eine solche Leistungspflicht bestanden hat, ist in Bezug auf die Lieferungen für die Vergangenheit ausschließlich im Verhältnis zwischen der Beklagten und der zuständigen Aufsichtsbehörde maßgebend. Im Verhältnis zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer kann dem Vergütungsanspruch indes nicht entgegengehalten werden, dass die im ausdrücklichen Auftrag der Krankenkasse erbrachten Leistungen nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung fallen und demzufolge nicht erbracht werden durften.

3. Ansprüche auf Vergütung von Sondennahrung können nach dem gegenwärtigen Stand des Leistungserbringungsrechts nur auf vertraglicher Grundlage beruhen, weil insoweit gesetzliche und/oder untergesetzliche Regelungen in und nach dem 4. Kapitel des SGB V nicht bestehen. Den von diesem Kapitel erfassten Leistungen ist die Versorgung mit Sondennahrung nicht zuzurechnen. Leistungsrechtlich ist der Anspruch auf Versorgung mit Sondennahrung gemäß § 31 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V als Annex zur Arzneimittelversorgung ausgestaltet. Mittel zur enteralen Ernährung sind aber nicht als Arzneimittel zu qualifizieren, weil sie weder kraft Zulassung, Registrierung oder Freistellung als Arzneimittel gelten (§ 2 Abs 4 Arzneimittelgesetz <AMG>) noch dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper einem der Zwecke des § 2 Abs 1 AMG zu dienen (vgl näher BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7 RdNr 14 ff mwN; BSG, Urteil vom 28.2.2008 - B 1 KR 16/07 R -, RdNr 15 ff, SozR 4-2500 § 31 Nr 9, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Sie sind auch keine Heil- oder Hilfsmittel, weil sie weder als Dienstleistung erbracht werden und deshalb nicht Heilmittel sind noch den Erfolg der Heilbehandlung sichern oder Folgen von Gesundheitsschäden mildern oder ausgleichen sollen und daher keine Hilfsmitteleigenschaft haben (vgl BSGE 88, 204, 206 = SozR 3-2500 § 33 Nr 41; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7 - jeweils RdNr 26 f). Mittel zur enteralen Ernährung sind vielmehr Lebensmittel, die unter besonderen Voraussetzungen ausnahmsweise in die Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen sind (vgl Urteil vom 28.2.2008, aaO, RdNr 34 ff) ; ob bei der Abgabe von Sondennahrung durch Apotheken etwas anderes gelten muss, war hier mangels einer entsprechenden Zulassung der Klägerin nicht zu entscheiden.

4. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht und damit für den Senat bindend hat das LSG festgestellt, dass die Klägerin vertragliche Zahlungsansprüche gegen die Beklagte hat. Zwar bestand keine Rahmenvereinbarung, jedenfalls keine schriftliche, und zudem haben die Vorinstanzen keine Feststellungen zu dem Verordnungsweg und etwaigen Absprachen zwischen verordnenden Ärzten, der Beklagten und der Klägerin über Belieferung und Kostentragung getroffen. Jedoch lässt die im Wesentlichen unbeanstandete Zahlung der von der Klägerin beanspruchten Vergütung nur den Schluss zu, dass die Beklagte die Versorgungen als Sachleistung nach § 31 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V genehmigt und damit als ordnungsgemäße Erfüllung der von der Klägerin eingegangen Verschaffungsverpflichtung (§ 433 Abs 1 Satz 1 BGB analog) angesehen hat.

5. Die Zahlungsansprüche bis Juni 2003 sind erfüllt. Zu Unrecht hat das LSG insoweit § 316 BGB herangezogen (dazu a), denn die Beteiligten haben sich konkludent auch über die Vergütung geeinigt (dazu b). Diese Preisabreden hat das LSG ohne Rechtsfehler als Bruttopreise unter Einschluss der Umsatzsteuer qualifiziert (dazu c) und deshalb zutreffend entschieden, dass eine nachträgliche Korrektur wegen Irrtums unzulässig ist (dazu d).

a) Ein Preisbestimmungsrecht analog § 316 BGB besteht in Vertragsbeziehungen nach dem SGB V allenfalls auf Grundlage ausdrücklicher Regelung. Nach § 316 BGB steht die Bestimmung der Gegenleistung im Zweifel demjenigen Teil zu, welcher sie zu fordern hat, soweit der Umfang der Gegenleistung nicht bestimmt ist. Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass zur Vergütung der häuslichen Krankenpflege weder der Krankenkasse ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht entsprechend § 315 BGB noch dem Leistungserbringer ein Preisbestimmungsrecht analog § 316 BGB zusteht. Insoweit folgt aus § 132a Abs 2 SGB V, dass vertragliche Vergütungsvereinbarungen im freien Spiel der Kräfte geschlossen werden sollen und dieser Ansatz nicht durch ein Preisbestimmungsrecht für Krankenkasse oder Leistungserbringer unterlaufen werden darf (vgl BSG SozR 3-2500 § 132a Nr 1 S 4). Diese Erwägungen gelten für das Leistungserbringungsrecht des SGB V allgemein. Eine nicht durch Gebührenordnung, Rahmenvereinbarung oder eine andere Bestimmung generell festgelegte Vergütung muss ausgehandelt werden, ohne dass einer Seite dabei durch ein Preisbestimmungsrecht ein Aushandlungsvorteil zukommen kann. Mit diesem Grundsatz ist die Auffassung des LSG nicht vereinbar; im Ergebnis ist das jedoch unschädlich.

b) Die Beklagte hat das Vergütungsverlangen der Klägerin für den Zeitraum bis Juni 2003 durch die unbeanstandete Zahlung der geforderten Beträge gebilligt, den Zahlungen lagen konkrete Preisabreden zu Grunde. Die Beteiligten haben sich über Leistung und Gegenleistung und damit auch über das bis Juni 2003 zu zahlende Entgelt geeinigt; die Beklagte hat das Vertragsangebot der Klägerin entsprechend § 151 BGB angenommen und den verlangten Beträgen durch deren Entrichtung zugestimmt.

c) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das LSG die Angebote der Klägerin als Bruttopreisangebote qualifiziert. Mit dem für eine Leistung vereinbarten Preis ist ständiger zivilgerichtlicher Rechtsprechung zufolge grundsätzlich auch die von dem Gläubiger abzuführende Umsatzsteuer abgegolten. Sie ist unselbstständiger Teil des zu zahlenden Entgelts ("Bruttopreis"; vgl BGHZ 58, 292, 295; 60, 199, 203; 103, 284, 287; BGH NJW-RR 2000, 1652, NJW 2001, 2464 und NJW 2002, 2312 mwN). Davon geht der Bundesgerichtshof (BGH) selbst bei Angeboten an zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer aus (BGH WM 1973, 677, 678 und NJW 2001, 2464). Dem schließt sich der erkennende Senat an. Etwas anderes würde danach nur gelten, wenn die Parteien ausdrücklich einen "Nettopreis" vereinbart haben, wofür auch ein Handelsbrauch oder eine Verkehrssitte maßgeblich sein kann (BGH NJW 2001, 2464) .

Hiervon ausgehend hat das LSG die Vergütungsvereinbarungen zutreffend als Bruttopreisabreden qualifiziert. Die Feststellung des Parteiwillens ist als Tatfrage den Tatsacheninstanzen vorbehalten und deshalb maßgebend, soweit nicht zulässige und begründete Verfahrensrügen erhoben sind oder ein sonst beachtlicher Verstoß gegen Bundesrecht besteht (§ 163 SGG). Dies ist hier nicht der Fall. Die Würdigung des LSG verstößt weder gegen Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze - das macht auch die Beklagte nicht geltend - noch beruht sie auf einem Verfahrensfehler. Als solchen, nämlich als Verstoß gegen den Grundsatz zur Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß § 62 SGG, wertet die Klägerin die Annahme des LSG, die Beklagte habe sich bei Vertragsschluss über den Umsatzsteuersatz keine Gedanken gemacht. Dies mag im Widerspruch zu deren späterem Verhalten stehen, die ihr erteilten Abrechnungen um die aus ihrer Sicht überhöhte Umsatzsteuer zu reduzieren, berührt jedoch nicht die Qualifikation der Preisvereinbarung als Bruttopreisabrede. Diese Feststellung hat das LSG ausschließlich auf Form und Inhalt der erteilten Abrechnungen gestützt. Allein sie waren für das Berufungsgericht für die von der Beklagten geschuldete Vergütung maßgeblich, ohne dass es auf ihre internen Überlegungen dazu angekommen wäre. Ein Verfahrensfehler ist darin nicht zu erkennen.

d) Die Bruttopreisvereinbarungen sind für die Klägerin trotz der ihr - möglicherweise - unterlaufenen Fehleinschätzung über die Umsatzsteuer bindend. Wirksam zustande gekommene Verträge unterliegen einer Änderung nur im Rahmen einer entweder durch Vertrag oder Gesetz begründeten Anpassungsbefugnis. Eine solche besteht hier weder nach Vertrag - was offensichtlich ist - noch nach Gesetz. Der Senat lässt insoweit offen, ob die öffentlich-rechtliche Ordnung der Vertragsbeziehungen hier eine Anpassung nur nach § 59 SGB X ermöglicht oder ob die BGB-Vorschriften über die Irrtumsanfechtung entsprechend anwendbar sind, wie das LSG angenommen hat. Wäre § 59 SGB X anwendbar, ist die Vertragsbindung nur durchbrochen, soweit eine wesentliche Änderung eingetreten ist und ein Festhalten am Vertrag die Zumutbarkeitsgrenze überschreiten würde; mindestens für Letzteres spricht hier nichts. Würde die Möglichkeit einer Irrtumsanfechtung entsprechend BGB Platz greifen, wäre für eine Vertragsänderung ebenfalls kein Raum, weil die fehlerhafte Ermittlung der Umsatzsteuer als Kalkulationsirrtum einen Irrtum im Beweggrund (Motivirrtum) darstellt, der von keinem der gesetzlich vorgesehenen Anfechtungsgründe erfasst wird. Wer auf einer unzutreffenden Berechnungsgrundlage seinem Angebot einen bestimmten Preis zu Grunde legt, trägt das Risiko dafür, dass seine Kalkulation zutrifft. Dies gilt auch für die Umsatzsteuer; ist sie nach einer Bruttopreisvereinbarung mit dem gezahlten Entgelt abgegolten, trägt allein der Verkäufer das Risiko, dass die Umsatzsteuer von ihm zu niedrig angesetzt worden ist (vgl BGH NJW-RR 1986, 569, 570; BGH NJW-RR 1987, 1306, 1307; BGHZ 139, 177, 180 f; BGH NJW 2002, 2312 f). Bis einschließlich Juni 2003 trägt die Klägerin deshalb das Kalkulationsrisiko.

6. Die Zahlungsansprüche ab Juli 2003 sind von der Beklagten nicht vollständig erfüllt worden. Ohne Erfolg macht diese geltend, dass vertragliche Ansprüche insoweit nicht bestehen. Grundsätzlich sind zwar ausdrückliche vertragliche Abreden vor jeder Leistungserbringung erforderlich (dazu a), diese waren hier jedoch entbehrlich, weil die Versorgung konkludent gebilligt worden ist (dazu b) und daran auch der - aus Sicht der Beklagten - überhöhte Umsatzsteueransatz nichts ändert (dazu c). Zu dessen Korrektur war die Beklagte nicht berechtigt (dazu d).

a) Zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass Vergütungsansprüche der Klägerin nur auf Vertrag beruhen können und deshalb grundsätzlich einen vor der Versorgung erteilten ausdrücklichen Auftrag voraussetzen. Vergütungsansprüche erwirbt ein Leistungserbringer gemäß den nach § 69 SGB V maßgeblichen Vorschriften des 4. Kapitels des SGB V nur, soweit er die entsprechenden gesetzlichen und untergesetzlichen - insbesondere landesvertraglichen - Vorgaben einhält und danach mit der Leistungserbringung beauftragt worden ist. Andernfalls entsteht nach ständiger Rechtsprechung des BSG auch dann kein Vergütungsanspruch, wenn die Versorgung im Übrigen ordnungsgemäß ist; insbesondere bestehen dann grundsätzlich keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche (vgl BSG SozR 4-5570 § 30 Nr 1 RdNr 23; BSGE 74, 154, 158 = SozR 3-2500 § 85 Nr 6 S 35 f; BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14). Nichts anderes gilt, wenn - wie hier - konkrete gesetzliche oder untergesetzliche Vorschriften des Leistungserbringungsrechts ausnahmsweise nicht bestehen. Auch dann erwirbt der Leistungserbringer nur durch Erbringung der Leistung selbst keinen Vergütungsanspruch. Daran ändert auch eine ärztliche Verordnung nichts. Sie belegt zwar, dass aus ärztlicher Sicht eine Versorgungsnotwendigkeit besteht. Bindungswirkung im Verhältnis zu Versicherten und Leistungserbringern entfaltet sie aber nur, wenn ihr diese Wirkung für die Beteiligten verbindlich zugewiesen ist und demgemäß die Leistungsbestimmung dem Vertragsarzt übertragen ist. Ist das nicht der Fall, fällt es grundsätzlich in den Risikobereich des Leistungserbringers, wenn er ohne vorherige Beauftragung durch die Krankenkasse eine Leistung erbringt.

b) Anders ist es jedoch dann, wenn eine Krankenkasse die Versorgung ihrer Versicherten im Vorhinein konkludent gebilligt hat. So liegt es hier. Sieht eine Krankenkasse dauerhaft von einer vorherigen Beauftragung ab und beschränkt sie sich auf die konkludente Genehmigung der Leistungserbringung im Nachhinein, kommen Einzelverträge bereits durch die Leistungserbringung und grundsätzlich nach den Konditionen des Leistungserbringers zustande, soweit die gesetzlichen Vorschriften des Leistungserbringungsrechts hierdurch nicht verletzt werden. Bringt die Krankenkasse - wie vorliegend - durch ihr Verhalten im Rechtsverkehr zum Ausdruck, dass sie mit einer bestimmten Versorgung ihrer Versicherten auch ohne vorherige Befassung generell einverstanden ist, so erklärt sie damit im Verhältnis zum beteiligten Leistungserbringer zugleich, dass sie die Versorgung und die beanspruchte Vergütung ohne vorherige Prüfung grundsätzlich (zu Ausnahmen unten d) genehmigt. Dem kommt der objektive Erklärungswert zu, dass die Krankenkasse das mit der Leistung als Realofferte (vgl BGH WuM 2003, 458 mwN) erklärte Vertragsangebot des Leistungserbringers annimmt und sich zur entsprechenden Vergütung verpflichtet (vgl BSG SozR 3-2500 § 132a Nr 1 S 5; s auch BGH, NJW 2006, 1667, 1668 mwN) .

c) Der dem Abrechnungsverhalten der Beklagten eigene objektive Erklärungswert ist nicht durch deren Weigerung erschüttert, die in Rechnung gestellten Beträge voll zu bezahlen. Wird eine im Allgemeinen nur gegen Entgelt erbrachte Leistung entgegengenommen, kommt ein Vertrag darüber auch dann wirksam zustande, wenn der Empfänger erklärt, in Teilbereichen der vom Leistungserbringer aufgestellten Konditionen keinen Vertrag abschließen zu wollen. Eine solche Erklärung ist nach Treu und Glauben mit dem objektiven Erklärungswert seines Handelns grundsätzlich unvereinbar und daher unbeachtlich (sog protestatio facto contraria; vgl BSG SozR 3-2500 § 132a Nr 1 S 5; BGH, NJW 2000, 3429, 3431 jeweils mwN). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Leistungserbringer die Versorgung bei vertragslosem Zustand trotz offenen Dissenses mit der Krankenkasse über deren Preisvorstellungen fortführt; dann kann die Entgegennahme der Leistung bei objektiver Betrachtungsweise nicht als Billigung der Preisofferte verstanden und durch bloße Leistungserbringung ein Vertragsverhältnis mit der Krankenkasse begründet werden (vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 1 RdNr 10 mwN) .

Ein solcher Dissens lag hier jedoch nicht vor. Die Beklagte hat nicht allgemein die Preisvorstellungen der Klägerin beanstandet, sondern nur Grund für eine sachlich-rechnerische Korrektur der Abrechnungen gesehen; die von der Klägerin in Rechnung gestellten Nettopreise hat die Beklagte ausdrücklich akzeptiert. Der partielle Widerspruch gegen die Abrechnung berührt mithin nicht den Vergütungsanspruch als solchen, weil die Beklagte nicht davon ausgehen konnte - und auch nicht ausgegangen ist -, dass die Versorgung ihrer Versicherten ohne Gegenleistung erfolgen würde. Bedeutung könnte die Beanstandung deshalb nur haben, soweit die Beklagte befugt gewesen wäre, die Abrechnungen wegen überhöhter Umsatzsteuer sachlich-rechnerisch zu korrigieren. Das ist indes nicht der Fall.

d) Die konkludente Begründung der Vertragsbeziehungen bedingt, dass die wesentlichen Vertragsgestaltungen in einer solchen Konstellation grundsätzlich durch den Leistungserbringer erfolgen. Infolgedessen ist die Krankenkasse - vom Fall des Missbrauchs abgesehen - nur zu solchen sachlich-rechnerischen Korrekturen befugt, die ihr im Rahmen vertraglicher Beziehungen zu Leistungserbringern auch ansonsten zustehen. Dazu zählt die Beanstandung des ab Juli 2003 zu Grunde gelegten Umsatzsteuersatzes jedoch nicht. Haben sich die Beteiligten - und sei es auch nur konkludent - auf Bruttopreise verständigt, trägt - wie bereits ausgeführt (oben unter 5 d) - alleine der Verkäufer das Risiko, dass seine Kalkulation zutrifft, auch wenn die Umsatzsteuer von ihm zu niedrig angesetzt worden ist; sie ist wegen der Bruttopreisvereinbarung mit dem gezahlten Entgelt abgegolten. Hat jedoch der Verkäufer in seiner Abrechnung eine zu hohe Umsatzsteuer ausgewiesen, trägt das Risiko grundsätzlich der Käufer, weil die Umsatzsteuer Bestandteil des Bruttopreises ist, zumal der Verkäufer nach Umsatzsteuerrecht auch zu deren Abführung verpflichtet ist (vgl § 14 Abs 2 Satz 1 UStG in der bis zum 31.12.2003 gültigen Fassung bzw § 14c Abs 1 Satz 1 UStG in der ab dem 1.1.2004 gültigen Fassung des Art 5 Nr 18 des Gesetzes vom 15.12.2003, BGBl I 2645, und der Neufassung durch die Bekanntmachung vom 21.2.2005, BGBl I 386). Deshalb ist der Käufer ebenso wenig zu einer Herabsetzung des Kaufpreises befugt wie der Verkäufer zu einer Nachforderung bei zu niedrig kalkulierter Umsatzsteuer. Es besteht vorliegend keine Veranlassung, hiervon eine Ausnahme zu machen. Insbesondere verpflichten die Vertragsbeziehungen der Beteiligten die Klägerin nicht, auf ihre Kosten und nur im wirtschaftlichen Interesse der Beklagten den Streit mit der Finanzverwaltung über die Höhe der zutreffenden Umsatzsteuer zu führen (vgl dazu näher Senatsurteil vom 17.7.2008 - B 3 KR 18/07 R -, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Ab Juli 2003 geht das Risiko einer möglicherweise unzutreffenden Umsatzsteuerfestsetzung somit zu Lasten der Beklagten.

e) Nach alledem sind die seit Juli 2003 von der Klägerin erworbenen Kaufvertragsansprüche, deren rechnerische Richtigkeit die Beklagte nicht in Zweifel gezogen hat, noch nicht vollständig erfüllt; die Klage ist insoweit begründet

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1, 2 Verwaltungsgerichtsordnung; die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und § 47 Abs 1 Gerichtskostengesetz.