BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 12 P 2/07 R
Fundstelle
openJur 2011, 96110
  • Rkr:

Es verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn kinderlose Versicherte der Sozialen Pflegeversicherung den zusätzlichen Beitragszuschlag zu zahlen haben, selbst wenn die Kinderlosigkeit auf medizinischen Gründen beruht.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Beitragszuschlag für kinderlose Versicherte in der sozialen Pflegeversicherung zu zahlen hat.

Der 1968 geborene Kläger ist verheiratet und hat keine Kinder. Er ist in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig und bei der beklagten Pflegekasse pflichtversichert. Mit Bescheid vom 9.2.2005 wies die Beklagte ihn darauf hin, dass der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Berücksichtigung der Kindererziehung im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung (Kinder-Berücksichtigungsgesetz - KiBG) vom 15.12.2004 den Beitragssatz für alle kinderlosen Versicherten um 0,25 % angehoben habe, und setzte dementsprechend den ab 1.1.2005 zu zahlenden Beitrag zur Pflegeversicherung unter Berücksichtigung dieses Zuschlags nach einem Beitragssatz von 1,95 % fest. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, seine Frau könne aus medizinischen Gründen keine Kinder bekommen. Der erhöhte Beitragssatz für kinderlose Versicherte verstoße gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Das KiBG bestrafe und diskriminiere Kinderlose. Entgegen der Intention der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), zu deren Umsetzung das KiBG ergangen sei, entlaste es Familien nicht. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4.3.2005 zurück.

Das Sozialgericht (SG) Speyer hat die Klage mit Urteil vom 30.1.2007 abgewiesen und das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz die Berufung mit Urteil vom 21.6.2007 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt, es sei nicht von der Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 55 Abs 3 SGB XI überzeugt. Der Gesetzgeber sei nicht gehindert gewesen, aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung generalisierende, pauschalierende und typisierende Regelungen zu treffen und einen Zuschlag für Kinderlose ohne Differenzierung nach dem Grund der Kinderlosigkeit zu erheben. In Wahrnehmung seines Gestaltungsspielraums habe er die erforderliche Entlastung von Eltern nicht auf die Zeit der Betreuung und Erziehung der Kinder begrenzen müssen. Auch habe er die vor 1940 geborenen Versicherten von der zusätzlichen Beitragsbelastung ausnehmen dürfen, weil davon ausgegangen werden könne, dass die Kinderzahlen in einer Zeit zurückgegangen seien, als die nach 1940 geborenen Jahrgänge Mitte 20 oder jünger gewesen seien.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 55 Abs 3 Satz 1 SGB XI und Art 3 Abs 1 GG. Dass nach der gesetzliche Regelung kinderlose Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung nach Vollendung des 23. Lebensjahrs einen Beitragszuschlag zur sozialen Pflegeversicherung zu zahlen hätten, während Eltern iS von § 56 Abs 1 Satz 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I, die vor dem 1.1.1940 geborenen Versicherten, Wehr- und Zivildienstleistende sowie Bezieher von Arbeitslosengeld II von dieser Zahlungspflicht ausgenommen seien, führe zu einer unangemessenen Benachteiligung derjenigen Versicherten, die ungewollt keine Kinder hätten. Die unproblematisch durch ein ärztliches Attest feststellbare ungewollte Kinderlosigkeit sei mit einer Elternschaft gleich zu behandeln. Der Gesetzgeber habe seinen Gestaltungsspielraum auch deshalb überschritten, weil er die Gruppe der Eltern auch nach dem Ende ihrer Erwerbsphase begünstige. Mit Versicherten der Geburtsjahrgänge vor 1940 werde er ungerechtfertigt gleich behandelt, weil eine kollektive Verantwortlichkeit einer Generation nicht bestehe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21.6.2007, das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 30.1.2007 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 9.2.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.3.2005 aufzuheben, soweit er den Pflegeversicherungsbeitrag unter Berücksichtigung des Beitragszuschlages für Kinderlose nach einem höheren Beitragssatz als1,7 vH festsetzt.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Gründe

Die Revision ist unbegründet. Zutreffend hat das LSG die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide setzen für die Zeit ab 1.1.2005 den vom Kläger zu zahlenden Pflegeversicherungsbeitrag zu Recht unter Berücksichtigung des Beitragszuschlages für kinderlose Mitglieder von 0,25 % nach einem Beitragssatz von insgesamt 1,95 % fest.

1. Gemäß § 55 Abs 3 Satz 1 SGB XI (eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I S 3448) erhöht sich ab 1.1.2005 der nach § 55 Abs 1 SGB XI geltende Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung von 1,7 % um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose) mit dem Ablauf des Monats, in dem das Mitglied das 23. Lebensjahr vollendet hat. Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Versicherten (§ 58 Abs 1 Satz 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 Satz 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I (§ 55 Abs 3 Satz 2 SGB X) zu entrichten. Hierzu gehören auch Pflege- und Stiefeltern (vgl hierzu Urteil des Senats vom 18.7.2007, B 12 P 4/06 R, RdNr 16 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Gemäß § 55 Abs 3 Satz 7 SGB XI zahlen vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte den Beitragszuschlag nicht, auch von Wehr- und Zivildienstleistenden und Beziehern von Arbeitslosengeld II ist er nicht zu erheben.

Der Gesetzgeber hat mit diesen Regelungen das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 (1 BvR 1629/94, BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt. Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet werden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat zur Begründung ausgeführt, Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG sei dadurch verletzt, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung finde. Dadurch werde die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Falle ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen würden, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Da auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen sei und an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit bestehe, seien Erziehungsleistungen zugunsten der Familie in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen. Werde dieser generative Beitrag nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führe dies zu einer spezifischen Belastung Kinder erziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen sei. Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Vorteil kinderloser Versicherter in der sozialen Pflegeversicherung systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Vorteils kinderloser Versicherter in der sozialen Pflegeversicherung hat der Gesetzgeber allerdings nicht die Beiträge der Versicherten mit Kindern reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 % erhöht.

2. Der 1968 geborene Kläger hat dementsprechend seit dem 1.1.2005 gemäß § 60 Abs 5 iVm § 59 Abs 5 SGB XI aus seinen beitragspflichtigen Einnahmen Pflegeversicherungsbeiträge unter Berücksichtigung des zusätzlichen Beitragszuschlags für Kinderlose nach einem Beitragssatz von insgesamt 1,95 % zu zahlen. Er gehört nicht zu den Personen, die von dieser Verpflichtung ausgenommen sind. Weder hat er ein Kind noch ein Pflege- bzw Stiefkind. Die gesetzlichen Vorschriften setzen jedoch bereits nach ihrem Wortlaut für die Elterneigenschaft nur voraus, dass ein Kind vorhanden ist. Die Regelungen stellen nicht darauf ab, ob die Kinderlosigkeit ungewollt ist. Den Gesetzesmaterialien ist ebenfalls zu entnehmen, dass die Verpflichtung zur Zahlung des Beitragszuschlages unabhängig von den Gründen für die Kinderlosigkeit bestehen soll (vgl BT-Drucks 15/3671 S 5). Der Kläger gehört auch nicht zu einer der genannten Gruppen von kinderlosen Versicherten, die von der Zahlungspflicht ausgenommen sind.

3. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG bedurfte es nicht. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass § 55 Abs 3 SGB XI verfassungswidrig ist, soweit ungewollt kinderlose Versicherte zur Zahlung des Beitragszuschlags von 0,25 % verpflichtet sind. Die gesetzliche Regelung verstößt in ihrer Anwendung auf den Kläger insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.

Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 3.4.2001 (1 BvR 1629/94, BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12 mwN) ua ausgeführt, Art 3 Abs 1 GG verbiete es dem Gesetzgeber, bei seiner Entscheidung, welche Merkmale er beim Vergleich von Lebenssachverhalten als maßgebend ansehe, um sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln, das Ausmaß der tatsächlichen Unterschiede sachwidrig außer Acht zu lassen. Der Gleichheitssatz sei verletzt, wenn der Gesetzgeber es versäumt habe, Ungleichheiten der zu ordnenden Lebenssachverhalte zu berücksichtigen, die so bedeutsam seien, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssten. Die beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI hat das BVerfG danach für mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG unvereinbar gehalten, weil trotz ihres sog generativen Beitrags Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet werden wie Mitglieder ohne Kinder.

Danach verstoßen die mit dem KiBG zur Umsetzung dieses Urteils geschaffenen, den Kläger belastenden Regelungen nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. § 55 Abs 3 SGB XI führt zu unterschiedlichen Beitragsbelastungen von Versicherten. Während durch die Neuregelung für Versicherte mit Kindern sowie für weitere Gruppen von Versicherten die Beitragsbelastung bei ansonsten unveränderten Umständen ab 1.1.2005 gleich bleibt, erhöht sich bei den übrigen Versicherten - wie auch dem Kläger - ab Vollendung des 23. Lebensjahres der Beitragssatz von 1,7 % um 0,25 % auf 1,95 % der beitragspflichtigen Einnahmen. Der Gesetzgeber hat damit allein an das Vorhandensein von Kindern angeknüpft, nicht dagegen an den jeweils entstehenden Aufwand für Kinder oder die Gründe für die Kinderlosigkeit. Diese Differenzierung ist nicht zu beanstanden.

a) Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des Gesetzgebers, zur Umsetzung des Urteils des BVerfG Kinderlose wie den Kläger mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, während Versicherte mit Kindern weiter Beiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen. Entgegen der Auffassung des Klägers wird hierdurch die verfassungsrechtlich geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers dahin eingeschränkt war, dass nur eine Beitragsreduktion verfassungsrechtlich zulässig gewesen wäre. Eine solche Regelung hätte zu Beitragsausfällen geführt, die mit Beitragssatzerhöhungen hätten kompensiert werden müssen. Der Ausgleich einer relativen Beitragsentlastung im Beitragssystem der sozialen Pflegeversicherung setzte bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens voraus, dass Kinderlose höhere Beiträge als bisher zu zahlen haben.

b) Soweit der Kläger die Gleichbehandlung von ungewollt kinderlosen Versicherten mit Versicherten mit Kindern begehrt, findet eine solche Forderung im Verfassungsrecht keine Stütze. Das BVerfG hat gerade im Vergleich mit kinderlosen Versicherten eine Entlastung der Gruppe der Versicherten mit Kindern gefordert, mit der der Kläger die Gleichbehandlung begehrt (dazu s bereits oben), ohne dabei auf die Gründe der Kinderlosigkeit abzustellen. Sollte im übrigen auch die unfreiwillige Kinderlosigkeit aus medizinischen Gründen zu einem niedrigeren Beitragssatz führen, wie vom Kläger gefordert, wäre nicht zu erkennen, weshalb nicht auch aus anderen Gründen kinderlose Versicherte, zB Versicherte ohne Partner, von der Beitragsbelastung ausgenommen werden müssten.

c) Die Ungleichbehandlung des Klägers ist auch dann gerechtfertigt, wenn Versicherte allein aufgrund der Elterneigenschaft dauerhaft keinen Beitragszuschlag tragen müssen, selbst wenn sie keine Aufwendungen für Kinder haben oder von ihnen keine Erziehungs- und Betreuungsleistungen erbracht werden. Der Gesetzgeber durfte in Ausübung seines ihm eingeräumten Spielraums bei der Ausgestaltung eines Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG entsprechenden Beitragsrechts in der sozialen Pflegeversicherung vom Regelfall ausgehen und die vom BVerfG geforderte Entlastung an das (bloße) Vorhandensein eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber entsprechend dem Urteil des BVerfG lediglich dazu, bei der gebotenen Differenzierung der Beitragshöhe den sog generativen Beitrag zu berücksichtigen und die beitragspflichtigen Mitglieder mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Dies kann durch die Berücksichtigung allein der Tatsache, dass ein Kind vorhanden ist, bei der Beitragsbemessung geschehen. Die geforderte Berücksichtigung des sog generativen Beitrags rechtfertigt es, an die Stellung als Eltern anzuknüpfen, ohne danach zu differenzieren, ob und inwieweit Eltern in der Erziehungsphase tatsächlich im Einzelfall Nachteile entstehen und inwieweit Kinder tatsächlich später zur sozialen Pflegeversicherung Beiträge leisten. Die Feststellung tatsächlicher Nachteile durch die Pflegekassen wäre darüber hinaus mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Schon im Hinblick auf die relativ geringe Differenz von 0,25 % Beitragssatzpunkten zwischen kinderlosen Versicherten und solchen mit Kindern steht die Beitragsentlastung letzterer über das Ende der Betreuungsphase und auch der Erwerbsphase der Versicherten hinaus nicht außer Verhältnis. Nach Umfang oder der Dauer der Kindererziehung und -betreuung musste deshalb nicht differenziert werden.

d) Der Senat lässt offen, ob sich der Kläger darauf berufen kann, dass weitere Gruppen von Versicherten den zusätzlichen Beitragszuschlag ebenfalls nicht zu zahlen haben, obwohl deren Begünstigung gerade nicht auf den Grund der Kinderlosigkeit abstellt, sondern jeweils an andere Sachverhalte anknüpft. Der Kläger macht insoweit auch allein geltend, für deren Begünstigung fehle eine Rechtfertigung, ohne auch zu fordern, er müsse gemessen an Art 3 Abs 1 GG mit diesen Gruppen gleich behandelt werden. Eine Verletzung von Art 3 Abs 1 GG käme insoweit allein in Betracht, wenn ein Versicherter wie der Kläger geltend machte, die bloße ungerechtfertigte Besserstellung anderer Versicherter führe wegen des Ausfalls der an sich sachgerechten Zahlungsverpflichtung dieser Versicherten zu messbaren Auswirkungen auf das Beitragsaufkommen und signifikant höheren Beiträgen für die benachteiligten Versicherten.

Soweit der Kläger die fehlende Beitragsbelastung der vor dem 1.1.1940 geborenen kinderlosen Versicherten geltend macht, könnten wegen der Größe dieser Gruppe solche Auswirkungen auf das Beitragsaufkommen bestehen. Der Senat konnte sich aber nicht davon überzeugen, dass die Begünstigung dieser Gruppe im Verhältnis zum 1968 geborenen Kläger den allgemeinen Gleichheitssatz verletzt und deshalb verfassungswidrig ist. Das BVerfG hat in seiner oben genannten Entscheidung die Berücksichtigung von Erziehungsleistungen im Beitragsrecht dann für verfassungsrechtlich geboten erachtet, wenn nicht mehr die Mehrheit der Versicherten Kinder erzieht. Es ist daher im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber bei der Regelung des § 55 Abs 3 SGB XI berücksichtigt hat, dass von den vor dem 1.1.1940 geborenen Versicherten noch überwiegend Kinder geboren (und erzogen) wurden (vgl BT-Drucks 15/3671 S 6) und deshalb auch die kinderlosen Versicherten dieser Jahrgänge nicht zu einem finanziellen Beitrag zur Entlastung der Versicherten mit Kindern herangezogen werden.

Auf die fehlende Zahlungspflicht der Bezieher von Arbeitslosengeld II kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Ob allerdings wie in den Gesetzesmaterialien die Ungleichbehandlung damit begründet werden kann, dass das Existenzminimum zu schonen ist (vgl BT-Drucks 15/3837 S 7), erscheint fraglich. Auch ist zweifelhaft, ob das prognostizierte Verhältnis des zusätzlichen Verwaltungsaufwandes zur lediglich geringen Höhe der durch die Erhebung des Beitragszuschlags zu erwartenden zusätzlichen Beitragseinnahmen (vgl BT-Drucks 15/3837 S 8) diese Ungleichbehandlung rechtfertigen kann. Es kann offenbleiben, ob es andere, die Begünstigung dieser Gruppe rechtfertigende Gründe gibt. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz könnte jedoch nur zu einer Belastung auch dieses Personenkreises mit dem Beitragszuschlag führen. Eine Benachteiligung des Klägers durch die Beitragsentlastung dieser Gruppe, die zumindest eine deutliche Auswirkung der Beitragsentlastung auf das gesamte Beitragsaufkommen aus dem Beitragszuschlag zur Voraussetzung hätte, ist jedoch auszuschließen. Dies folgt aus der relativ geringen Größe der begünstigten Gruppe und dem geringen Beitragsaufkommen je Versicherten aus den zugrunde liegenden beitragspflichtigen Einnahmen (zB im Jahr 2008 beitragspflichtige Einnahmen in der Regel jeweils nur 857,33 Euro monatlich, vgl § 57 Abs 1 SGB XI iVm § 232a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V und § 2 Abs 1 Sozialversicherungs-Rechnungsgrößenverordnung 2008 vom 5.12.2007 <BGBl I 2797>) .

Gleiches gilt für die Gruppe der Wehr- und Zivildienstleistenden. Es handelt sich um eine relativ kleine Gruppe von Versicherten, da nur diejenigen betroffen sind, die den Dienst nach Vollendung des 23. Lebensjahres abzuleisten haben und deshalb andernfalls einen Beitragszuschlag zu zahlen hätten. Die Beitragsentlastung ist hier aber gemessen an Art 3 Abs 1 GG auch sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat in Wahrnehmung des ihm eingeräumten Gestaltungsspielraums aus sozialen Gründen von der Erhebung des Beitragszuschlags bei dieser Gruppe abgesehen. Der Charakter dieses Dienstes als verpflichtender, zeitlich nicht frei wählbarer Dienst für die Allgemeinheit rechtfertigt die fehlende Pflicht zur Zahlung des Beitragszuschlags.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.