BSG, Urteil vom 05.12.2006 - B 11a AL 3/06 R
Fundstelle
openJur 2011, 95205
  • Rkr:

1. Ausstrahlung nach § 4 SGB 4 liegt nicht vor, wenn der Arbeitnehmer im Ausland in einen rechtlich verselbständigten Betrieb eingegliedert ist und dieser das Arbeitsentgelt zahlt (Fortführung von BSG Urteil vom 7.11.1996 - 12 RK 79/94 = BSGE 79, 214 = SozR 3-2400 § 5 Nr 2).</p>

<p>2. Zur Bedeutung der Weisungsverhältnisse und der Entgeltzahlungsabwicklung bei Entsendung aus einem inländischen Unternehmen in einen ausländischen unselbständigen Betrieb.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 21. Januar 2000. Streitig ist insbesondere, ob der Kläger die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

Der 1940 geborene Kläger war von August 1985 bis einschließlich Juni 1992 bei der S. AG in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Ab Juli 1992 war er in den USA für die S. S. I. (SSI) tätig.

Die näheren Bedingungen der Beschäftigung des Klägers in den USA wurden in einem Schreiben der S. AG vom 17. Juni 1992 festgehalten. Hierin heißt es ua, der Kläger werde mit Wirkung vom 1. Juli 1992 in die USA versetzt; sein Beschäftigungsverhältnis ändere sich vom Zeitpunkt der Versetzung an gemäß den nachstehenden Bedingungen und beigefügten Bestimmungen für die Versetzung ins Ausland. Mit der SSI sei abgestimmt, dass der Kläger für die Dauer der Versetzung als "Vice President Marketing and Sales" tätig werde und für ihn, vorbehaltlich ausdrücklicher anderer Regelungen, alle gesetzlichen und betrieblichen Bestimmungen wie für Mitarbeiter der SSI gälten. Nach gegenwärtigem Stand der Planung sei von einer Dauer der Versetzung von drei Jahren auszugehen. Der Kläger erhalte von der SSI ein jährliches Gehalt von 130.000 Dollar brutto. Die dem Schreiben beigefügten "Bestimmungen für die Versetzung ins Ausland" sahen unter dem Abschnitt "Beschäftigungsverhältnis zur ausländischen Gesellschaft" vor, der Mitarbeiter unterstehe der Geschäftsleitung der ausländischen Gesellschaft, "soweit sich aus dem folgenden nicht ein Weisungsrecht der S. AG ergibt". Das "Beschäftigungsverhältnis zur S. AG" ruhe für die Dauer der Versetzung; die S. AG könne den Mitarbeiter jedoch nach Abstimmung mit der ausländischen Gesellschaft an anderer Stelle in der Organisation des Hauses S. im In- oder Ausland einsetzen, wenn das Firmeninteresse dieses erfordere. Der Mitarbeiter sei verpflichtet, im Rahmen seiner Tätigkeit Veränderungen des Marktes und technische und wirtschaftliche sowie rechtliche Entwicklungen im Einsatzland zu beobachten und die S. AG darüber zu unterrichten. Die Dauer der Versetzung rechne als Dienstzeit bei der S. AG, wenn der Mitarbeiter nach Abschluss der Tätigkeit im Ausland unverzüglich zur AG zurückkehre; die bei der S. AG von der Dienstzeit abhängigen Rechte würden durch die Versetzung nicht beeinträchtigt.

Der Kläger beendete seine Tätigkeit bei der SSI nach zweimaliger Verlängerung Ende März 1997. Danach war er bis November 1998 wiederum bei der S. AG in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber meldete sich der Kläger zum 1. Dezember 1998 arbeitslos, und die Beklagte bewilligte ihm ab diesem Zeitpunkt Alg für längstens 971 Tage (Bescheid vom 3. Dezember 1998). Dabei ging die Beklagte entsprechend den Angaben der S. AG in einer Arbeitsbescheinigung vom 17. November 1998 von einer Beschäftigung des Klägers als leitender Angestellter von August 1985 bis einschließlich November 1998 und einer Betriebs-/Unternehmenszugehörigkeit von 13 Jahren aus. Der Kläger bezog Alg bis einschließlich 20. Januar 2000.

Nachdem die S. AG in einem Verfahren betreffend die Erstattung von Alg nach § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) geltend gemacht hatte, das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der SSI habe den amerikanischen Sozialversicherungs- und Steuerbestimmungen unterlegen, hob die Beklagte dem Kläger gegenüber im Januar 2000 die Alg-Bewilligung zunächst rückwirkend zum 26. November 1999, später im Wege der Änderung mit Wirkung ab 21. Januar 2000 auf (Bescheide vom 17. Januar 2000 und 5. Dezember 2000, Widerspruchsbescheid vom 17. September 2001).

Das Sozialgericht (SG) hat, dem Antrag des Klägers entsprechend, die genannten Bescheide der Beklagten aufgehoben (Urteil vom 25. März 2003).

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 18. November 2005). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Die vom Kläger in den USA bei der SSI zurückgelegte Zeit sei nicht anwartschaftsbegründend. Er habe nicht der Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung nach § 168 AFG unterlegen, da diese Vorschrift grundsätzlich nur für in Deutschland beschäftigte Personen gelte. Eine Ausnahme auf Grund der Ausstrahlungsregelung des § 4 Abs 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) liege nicht vor. Der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses habe nicht weiterhin im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs gelegen, sondern in dem ausländischen Betrieb, in den er eingegliedert gewesen sei und der das Arbeitsentgelt gezahlt habe. An der Eingliederung ändere sich weder etwas dadurch, dass die S. AG den Kläger nach "Abstimmung" mit der ausländischen Gesellschaft an anderer Stelle des Hauses S. habe einsetzen können, noch durch den Umstand, dass der Kläger zur Beobachtung des Marktes bzw von Entwicklungen und insoweit zur Unterrichtung der S. AG verpflichtet gewesen sei. Dasselbe gelte, wenn - wie der Kläger vortrage - die SSI in Weisungsabhängigkeit des deutschen Unternehmens gestanden hätte und der Kläger mithin der zentralen Leitung der M. S. S. GmbH unterstanden hätte; einer Vernehmung vom Kläger benannter Zeugen bedürfe es dazu nicht. Denn bei einer Weisungsabhängigkeit auch zum inländischen Unternehmen sei der Tatsache der Zahlung des Arbeitsentgelts durch den ausländischen Betrieb besonderes Gewicht beizumessen. Da die Beklagte im Widerspruchsbescheid ausführlich und in nicht zu beanstandender Weise ihre Gründe für ihre Ermessensentscheidung dargelegt habe, seien die angefochtenen Bescheide unter Anwendung des § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu Recht ergangen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzungen von § 45 SGB X, § 127 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und § 4 SGB IV. Er habe Anspruch auf Alg für die Dauer von 971 Tagen. Während seiner Tätigkeit für die SSI sei er beitragspflichtig gewesen. Eine Entsendung iS des § 4 SGB IV liege vor, da der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses in der Bundesrepublik Deutschland gelegen habe. Weisungsgebundenheit habe gegenüber dem deutschen Unternehmen, der S. S. GmbH in M., deren Geschäftsführer zugleich der Präsident der SSI gewesen sei, bestanden. Die SSI sei direkt und ausschließlich in allen Belangen von der M. Zentrale der S. S. GmbH aus geleitet, finanziert und überwacht worden; sie sei ohne eigene Rechtspersönlichkeit und ähnlich einer Repräsentanz eine unselbständige Tochter der deutschen GmbH gewesen. Auch die Höhe des Entgelts sei von der S. AG bzw der S. S. GmbH vorgegeben gewesen. Das LSG habe lediglich auf einen Teil der schriftlichen Versetzungsbestimmungen der S. AG abgestellt. Hinsichtlich der Zahlung von Arbeitsentgelt habe das LSG nicht berücksichtigt, dass das Geld für die tatsächlich über die SSI erfolgte Zahlung von der S. S. GmbH in Form finanzieller Unterstützung geflossen sei. Das LSG habe dadurch, dass es die benannten Zeugen nicht gehört habe, auch gegen die §§ 103, 106, 62 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verstoßen. Hilfsweise berufe er sich auf Vertrauensschutz gemäß § 45 Abs 2 Satz 1 und 2 SGB X. Er habe mit dem Alg seinen Anteil zur sozialen Absicherung getragen; dabei handle es sich um eine nicht rückgängig zu machende Vermögensverfügung. Sein Vertrauen sei auch deshalb schutzwürdig, weil er auf Grund der vom Arbeitgeber ausgestellten Bescheinigung von einer Entsendung ausgegangen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG vom 18. November 2005 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 25. März 2003 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Gründe

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

Zu entscheiden ist über die Anfechtungsklage gegen die Bescheide vom 17. Januar und 5. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. September 2001. Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte den begünstigenden Verwaltungsakt vom 3. Dezember 1998 (Bewilligung von Alg für eine Anspruchsdauer von 971 Tagen) in Anwendung des § 45 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben. Die bislang vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen erlauben weder eine abschließende Entscheidung darüber, ob der begünstigende Verwaltungsakt teilweise rechtswidrig war (§ 45 Abs 1 SGB X, dazu nachfolgend unter 1.), noch ermöglichen sie die endgültige Entscheidung der Frage, ob sich der Kläger auf schutzwürdiges Vertrauen iS des § 45 Abs 2 SGB X berufen kann (dazu unter 2.).

1. Bei Erlass des ursprünglichen Verwaltungsaktes im Dezember 1998 war die Beklagte davon ausgegangen, der Kläger habe innerhalb der um vier Jahre erweiterten Rahmenfrist durchgehend in einem Versicherungsverhältnis gestanden, weshalb ihm unter Berücksichtigung seines Lebensalters die Höchstanspruchsdauer des § 127 SGB III in der hier anzuwendenden Fassung des Ersten SGB III-Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1997 (BGBl I 2970) zustehe. Wäre hingegen die Beschäftigungszeit des Klägers in den USA von Juli 1992 bis März 1997 nicht als Versicherungspflichtverhältnis iS des § 127 SGB III zu berücksichtigen, wäre die ursprüngliche Bewilligung teilweise rechtswidrig, was die streitgegenständliche Aufhebung der Alg-Bewilligung mit Wirkung ab 21. Januar 2000 rechtfertigen könnte. Denn ohne die in den USA zurückgelegten insgesamt 57 Monate hätte der Kläger innerhalb der um vier Jahre verlängerten Rahmenfrist nur Versicherungspflichtverhältnisse mit einer Dauer von 27 Monaten aufzuweisen, woraus sich eine Dauer des Anspruchs auf Alg von nur zwölf Monaten ergäbe (§ 127 Abs 2 SGB III).

a) Ob der Kläger während seiner Beschäftigung in den USA im Zeitraum bis einschließlich März 1997 in einem Versicherungspflichtverhältnis iS des § 127 SGB III stand, richtet sich nach den bis Ende 1997 geltenden Vorschriften des § 168 Abs 1 Satz 1 und des § 173a AFG. Denn gemäß § 425 SGB III gelten Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung sowie sonstige Zeiten der Beitragspflicht nach dem AFG in der zuletzt geltenden Fassung als Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses. Nach § 168 Abs 1 Satz 1 AFG sind Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (Arbeitnehmer), grundsätzlich - vorbehaltlich hier nicht einschlägiger Ausnahmen - beitragspflichtig; nach § 173a AFG gelten für die Beitragspflicht der Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Vorschriften des SGB IV ua über den persönlichen und räumlichen Geltungsbereich sowie die Ausstrahlung und die Einstrahlung (§ 3 Nr 1, §§ 4, 5 SGB IV). § 4 Abs 1 SGB IV ermöglicht die Anwendung der Vorschriften (ua) über die Versicherungspflicht, soweit sie eine Beschäftigung voraussetzen, auch für Personen, die im Rahmen eines im Geltungsbereich des Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist.

Da der Kläger im fraglichen Zeitraum von Juli 1992 bis März 1997 unstreitig nicht im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs beschäftigt war, ist somit entscheidungserheblich, ob er in die USA iS des § 4 Abs 1 SGB IV entsandt worden war. Das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika abgeschlossene Abkommen über Soziale Sicherheit (Gesetz zum Abkommen vom 7. Januar 1976, BGBl II 1976, 1358, idF des Zusatzabkommens vom 2. Oktober 1986, BGBl II 1986, 83, und des Zweiten Zusatzabkommens vom 6. März 1995, BGBl II 1996, 302) enthält keine Regelungen zur Arbeitslosenversicherung. Damit ist für die Beurteilung der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung ausschließlich nationales Recht maßgebend (vgl Richtlinien zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Arbeitnehmern bei Ausstrahlung <§ 4 SGB IV> und Einstrahlung <§ 5 SGB IV> vom 28. Oktober 2004, veröffentlicht in Aichberger unter 4/30 Nr 2.2.1; ferner Wellisch/Näth/Thiele, Internationales Steuerrecht <IStR> 2003, 746, 749, 752).

b) Nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 4 SGB IV (vgl zur Gesetzesbegründung BT-Drucks 7/4122 S 30) setzt ein fortbestehendes Versicherungspflichtverhältnis zunächst voraus, dass vor Beginn der Entsendung ein Beschäftigungsverhältnis mit dem entsendenden Arbeitgeber in Deutschland bestanden hat (vgl etwa BSGE 60, 96, 98 = SozR 2100 § 4 Nr 3). Erforderlich ist ferner, dass das Beschäftigungsverhältnis während der Zeit der Entsendung fortbesteht und dass es nach Beendigung der Entsendung weiter geführt werden soll, weshalb § 4 Abs 1 SGB IV eine "im Voraus" feststehende zeitliche Begrenzung fordert (vgl BSG SozR 3-2400 § 4 Nr 5 S 8).

aa) Welche Merkmale gegeben sein müssen, um von einem weiter bestehenden Beschäftigungsverhältnis mit dem entsendenden Arbeitgeber ausgehen zu können, wird im Gesetz nicht näher umschrieben. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) wird sowohl in Fällen der Entsendung eines Arbeitnehmers aus dem Ausland in das Inland (Einstrahlung, § 5 SGB IV) als auch für die vorliegende Konstellation der Entsendung in das Ausland (Ausstrahlung gemäß § 4 SGB IV) für die Zuordnung als maßgebend angesehen, wo der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses liegt (vgl BSGE 79, 214, 217 = SozR 3-2400 § 5 Nr 2; BSGE 84, 136, 138 f = SozR 3-2400 § 28h Nr 9; Seewald in Kasseler Komm, § 4 SGB IV RdNr 9).

Für die vorliegend zu prüfende Ausstrahlung setzt dies regelmäßig voraus, dass

- der im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer organisatorisch in den Betrieb des inländischen Arbeitgebers eingegliedert bleibt und wesentliche Elemente eines Beschäftigungsverhältnisses (vgl § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV) erfüllt werden und

- sich der Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen den inländischen Arbeitgeber richtet (vgl BSGE 79 aaO S 217 f; Wellisch/Näth/Thiele, IStR 2003, 746, 747 f).

bb) Das LSG hat zwar diese in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Auslegung des § 4 SGB IV durchaus zur Kenntnis genommen und ist von ihnen ausgegangen. Soweit es allerdings im Anschluss an diese Rechtsprechung ausgeführt hat, der Kläger sei in den Betrieb der SSI eingegliedert gewesen, die auch das Arbeitsentgelt gezahlt habe, handelt es sich nicht um den Senat bindende tatsächliche Feststellungen, die den Schluss zuließen, die Voraussetzungen einer Ausstrahlung iS des § 4 SGB IV seien zu verneinen. Denn die Ausführungen des LSG zur Eingliederung und zur Entgeltzahlung sind nicht hinreichend konkret. Insbesondere sind ihnen nicht die näheren maßgeblichen Verhältnisse im Betrieb der SSI unter Berücksichtigung der - bislang offen gelassenen - Frage des Einflusses des deutschen Unternehmens und nicht die näheren Umstände der Arbeitnehmerentlohnung zu entnehmen.

Aus der auch vom LSG zitierten Entscheidung des BSG vom 7. November 1996 - 12 RK 79/94 -, BSGE 79, 214 = SozR 3-2400 § 5 Nr 2, folgt für die Einstrahlung nach § 5 SGB IV und in gleicher Weise für die Ausstrahlung nach § 4 SGB IV, dass für die Beantwortung der Frage, ob eine Eingliederung in einen Betrieb vorliegt, dessen rechtliche Struktur von Bedeutung ist. Ist demnach ein Betrieb - und zwar in Fällen der Ausstrahlung ein Betrieb im Ausland - nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich in der Weise verselbständigt, dass er als juristische Person besteht, so ist bei der Arbeit in diesem Betrieb regelmäßig von einer Eingliederung auszugehen (BSGE aaO S 218). Insofern liegt im vorliegenden Fall die Prüfung nahe, in welcher Rechtsform die SSI - die ausweislich des Schreibens vom 17. Juni 1992 als "LP" (Limited Partnership) firmierte - in den USA geführt worden ist und ob sie in ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Struktur (insbesondere eigene Gewinn- und Verlustrechnung) einer deutschen Kapitalgesellschaft vergleichbar gewesen ist. War letzteres während der Tätigkeit des Klägers in den USA der Fall, ist von seiner Eingliederung in den Betrieb der SSI im Sinne der zu § 4 SGB IV entwickelten Grundsätze auszugehen und gelten die genannten Kriterien.

cc) Sollte es sich nach dem Ergebnis der vom LSG noch vorzunehmenden Ermittlungen bei der SSI allerdings - wie der Kläger vorträgt - lediglich um einen einer Repräsentanz oder einer Zweigniederlassung ähnlichen unselbständigen Unternehmensteil gehandelt haben, würde dies allein noch nicht ausreichen, um von der Ausstrahlung des deutschen Beschäftigungsverhältnisses auszugehen. Denn nach der Rechtsprechung des BSG kommt ein Beschäftigungsverhältnis iS der §§ 4 und 5 SGB IV auch bei einem unselbständigen Unternehmensteil in Betracht, und zwar auch dann, wenn der Arbeitsvertrag nur mit dem entsendenden Unternehmen geschlossen ist (vgl BSGE 79, 214, 221 = SozR 3-2400 § 5 Nr 2). Maßgebend sind dann die für die Frage der Eingliederung und der Entgeltzahlung bedeutsamen Einzelumstände.

Eine Ausstrahlung wird bei einer unselbständigen Tochtergesellschaft oder einer Zweigniederlassung in der Regel angenommen, wenn das Arbeitsentgelt weiter vom inländischen Mutterunternehmen gezahlt wird und dieses weisungsbefugt bleibt (vgl LSG Niedersachsen, Urteil vom 24. Juli 1985 - L 4 Kr 69/83; Padé in juris-Praxiskommentar SGB IV, 2006, § 4 RdNr 34; die oben genannten Richtlinien aaO Nr 3.3.3). Insoweit reichen die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht aus.

Allein auf der Grundlage der Ausführungen des LSG, das Arbeitsentgelt sei von der SSI gezahlt worden, kann unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles eine Ausstrahlung nach § 4 SGB IV noch nicht ausgeschlossen werden. Zwar kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob - wie der Kläger vorträgt - das Geld für die Entgeltzahlung von der S. S. GmbH in M. in Form finanzieller Unterstützung "geflossen" ist; denn im Rahmen einer verwaltungspraktikablen Zuordnung des Beschäftigungsverhältnisses kann die Frage firmeninterner Finanzausgleiche keine Rolle spielen. Von Bedeutung ist aber, ob die Zahlung durch die SSI der Erfüllung eines gegen die SSI gerichteten arbeitsrechtlichen Entgeltanspruchs gedient oder ob es sich nur um eine Frage der praktischen Abwicklung gehandelt hat (vgl Udsching in Hauck/Haines, SGB IV, § 4 RdNr 4c). Für ein fortbestehendes inländisches Beschäftigungsverhältnis würde deshalb sprechen, wenn der inländische Arbeitgeber das Arbeitsentgelt des im Ausland beschäftigten Arbeitnehmers weiterhin in der Lohnbuchhaltung wie für seine Beschäftigten im Inland ausgewiesen hätte (vgl die Richtlinien aaO Nr 3.3.1 und 3.3.3). Gegen eine Ausstrahlung spräche dagegen eine Verbuchung der Entgeltzahlungen in einer eigenen Gewinn- und Verlustrechnung der SSI.

Allerdings ist die Abwicklung der Entgeltzahlung nur eines von mehreren Indizien. Von ausschlaggebender Bedeutung kann im Einzelfall - jedenfalls bei einer rechtlich unselbständigen Zweigniederlassung - auch die faktische Ausgestaltung der Weisungsverhältnisse sein. Der Senat folgt in diesem Zusammenhang nicht der Auffassung des LSG, die näheren Umstände der Weisungsabhängigkeit auch zum inländischen Unternehmen könnten offen bleiben, da der Zahlung des Arbeitsentgelts durch die SSI besonderes Gewicht beizumessen sei. Das LSG wird deshalb eindeutige Feststellungen zu der bislang nicht ausreichend beantworteten Frage zu treffen haben, inwieweit der Kläger bei seiner Tätigkeit dem bestimmenden Einfluss der SSI unterlag.

Feststellungen sind - soweit es sich bei der SSI nicht um einen rechtlich verselbständigten Betrieb handeln sollte - ua dazu zu treffen, ob der Kläger vor Aufnahme der Tätigkeit für die SSI bei bestehendem Arbeitsverhältnis zur S. AG in deren Auftrag für die S. S. GmbH tätig war, oder ob die GmbH ohne arbeitsvertragliche Beziehungen zum Kläger lediglich der SSI und damit nur indirekt dem Kläger Weisungen erteilt hat. Im letzteren Fall wären Weisungen der als Dritter agierenden GmbH kein Indiz für ein Weiterbestehen des - laut den im Schreiben vom 17. Juni 1992 erwähnten Bestimmungen für die Versetzung ins Ausland - "ruhenden" Beschäftigungsverhältnisses mit der S. AG. Soweit sich der Kläger auf Weisungsbefugnisse der S. S. GmbH berufen hat, wird das LSG ohnehin Gelegenheit zur Klarstellung erhalten, inwieweit die Annahme, der Kläger sei vor Beginn der Entsendung bei der S. AG beschäftigt gewesen und habe nach Beendigung der Entsendung zur S. AG zurückkehren sollen, zutreffend ist. Die hierzu in der Revisionsverhandlung am 5. Dezember 2006 erfolgten tatsächlichen Angaben der Prozessbevollmächtigten des Klägers können im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden (vgl § 163 SGG).

2. Sollte das LSG nach erneuter Prüfung zu dem Ergebnis kommen, dass der Alg-Bewilligungsbescheid vom 3. Dezember 1998 auch hinsichtlich der Anspruchsdauer rechtmäßig war, ist die Klage begründet. Sollte sich nach dem Ergebnis der Ermittlungen jedoch in Bezug auf die bewilligte Anspruchsdauer die Rechtswidrigkeit des Bescheides bestätigen, bedarf es noch weiterer Feststellungen, um die Rechtmäßigkeit der auf § 45 SGB X beruhenden Aufhebungsentscheidung beurteilen zu können.

Denn bei der streitgegenständlichen Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft ist auch zu prüfen, ob sich der Kläger auf ein besonderes schutzwürdiges Vertrauen iS des § 45 Abs 2 SGB X berufen kann. Dabei sind im Rahmen der nach § 45 Abs 2 Satz 1 SGB X gebotenen Abwägung alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (vgl BSGE 59, 206, 208 = SozR 1300 § 45 Nr 20); ein Abwägungsgesichtspunkt kann die Kenntniserlangung von der Rechtswidrigkeit erst nach Erlass des Bescheides sein (BSGE 61, 223, 224 f = SozR 1300 § 45 Nr 28).

Zu beachten ist, dass sich der Kläger auf eine für ihn positive Regelung nur kurze Zeit einstellen konnte, da er bereits mit dem Bescheid vom 17. Januar 2000 auf die teilweise Rechtswidrigkeit der Bewilligung vom Dezember 1998 hingewiesen worden ist. Eine nicht oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig zu machende Vermögensdisposition iS von § 45 Abs 2 Satz 2 SGB X kann ein Vertrauen nur dann schutzwürdig machen, wenn sie gutgläubig und nach Erlass des Verwaltungsaktes vorgenommen worden ist. Unberücksichtigt bleiben müssen deshalb solche Dispositionen, die der Kläger schon vor Erlass des Bewilligungsbescheides vorgenommen hat, etwa - so das Vorbringen in der Revisionsbegründung - der Abschluss einer Lebensversicherung im Hinblick auf die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. Berücksichtigung finden können jedoch nicht mehr oder nur in unzumutbarer Weise rückgängig zu machende Vermögensdispositionen, die nach Erlass des Bewilligungsbescheides vorgenommen worden sind. Insoweit wird das LSG ggf nähere Feststellungen zu treffen haben.

3. Das LSG wird auch über die Kosten einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.