BSG, Urteil vom 28.09.2006 - B 3 KR 28/05 R
Fundstelle
openJur 2011, 95116
  • Rkr:

1. Die Aufnahme eines neuen Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis der Krankenkassen setzt nicht voraus, dass es bereits aufgenommenen Hilfsmitteln klinisch überlegen oder preisgünstiger ist.</p>

<p>2. Zum Nachweis des therapeutischen Nutzens eines neuen Hilfsmittels, das ein "gelistetes" Hilfsmittel oder ein Verbandmittel ersetzen kann.</p>

<p>3. Zur Abgrenzung zwischen Hilfsmitteln und Verbandmitteln.

Tatbestand

Die klagende GmbH begehrt von den beklagten Spitzenverbänden der Krankenkassen die Aufnahme zweier von ihr entwickelter und seit 1994 vertriebener medizinischer Produkte (Vakuumstützsysteme VACOPED und VACOachill) in das Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Mit VACOPED werden Frakturen und Bandläsionen im Bereich des Vorfußes, des Sprunggelenks und des Unterschenkels, mit VACOachill Achillessehnenrisse konservativ und postoperativ behandelt. Die Produkte verfügen über eine CE-Kennzeichnung, sind nach Schuhgrößen konfektioniert und sehen wie Ski-Stiefel aus, die im Bereich der Fußspitzen offen sind. Sie sind mit einer abnehmbaren Sohle, waschbaren Innenbezügen sowie mit zwei durch Gurtbänder verschließbaren Hartschalen versehen. Letztere werden mit einem Vakuumkissen ausgefüllt, das zur kompressionsfreien Anpassung an die Fußform abgepumpt wird. Mit vorder- und rückseitigen Adaptern lässt sich das Sprunggelenk in verschiedenen Winkelstellungen fixieren.Der Patient kann die Geräte zur ärztlichen Kontrolle, zur physiotherapeutischen Behandlung und zur Körperpflege selbstständig an- und ablegen. Die Produkte ermöglichen die Weichteil- bzw Wundbeurteilung während der Behandlung, sind röntgendurchlässig und teilweise wieder verwendbar.

Mit Schreiben vom 10. März 1997 beantragte die Klägerin die Aufnahme beider Produkte in das Hilfsmittelverzeichnis. Die Beklagten lehnten dies nach einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände (MDS) vom 2. Mai 1997 ab, weil Studien, die einen therapeutischen Nutzen der Produkte statistisch einwandfrei belegten, bisher nicht vorlägen. Sie würden vor allem als Gipsersatz eingesetzt und seien deshalb nicht als Hilfsmittel, sondern als Verbandmittel anzusehen (Bescheid vom 30. Juni 1997).

Wegen ihres zunächst nicht beschiedenen Widerspruchs vom 14. November 1997 hat die Klägerin am 18. Dezember 1997 beim Sozialgericht (SG) Untätigkeitsklage erhoben und diese im Laufe des gerichtlichen Verfahrens in eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage geändert. Das SG hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens (Gutachten Dr. D. vom 10. April 2000) die Beklagten verpflichtet, "das VACOPED-System in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen", wobei damit nach den Urteilsgründen beide Produkte (VACOPED und VACOachill) gemeint waren (Urteil vom 24. September 2001).

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) weiteren Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben (Gutachten Dr. P. vom 25. Juni 2004). Die Beklagten haben unter Hinweis auf Gutachten des MDS-Arztes Dr. K. vom 2. Mai 1997, 17. Juni 1999 und 11. August 2004 an ihrer Auffassung festgehalten, die klinische Überlegenheit der Produkte gegenüber herkömmlichen Gips- oder Kunststoffverbänden sei nicht erkennbar und damit ihr therapeutischer Nutzen nicht nachgewiesen.

Das LSG hat das Urteil des SG nach Präzisierung des Klageantrages geändert und die Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 30. Juni 1997 verurteilt, VACOPED für die Indikationen "schwere Bandverletzungen im Bereich des oberen Sprunggelenks und Frakturen am Fuß und Sprunggelenk (außer Zehenfraktur)" sowie VACOachill für die Indikation "Achillessehnenruptur" in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen (Urteil vom 20. September 2005). Zur Begründung hat es ausgeführt, VACOPED bzw VACOachill seien nicht als Verbandmittel, sondern als Hilfsmittel anzusehen. Zwar würden sie während der Phase der Ruhigstellung als Gipsersatz angewandt. Hieran schließe sich aber eine "frühfunktionelle Therapie" an. Werde - wie hier - ein Hilfsmittel im Rahmen einer anerkannten Behandlungsmethode eingesetzt, sei für die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis nur zu prüfen, ob das Produkt den in diesem Rahmen mit dem Einsatz bezweckten therapeutischen Nutzen habe. Dazu bedürfe es keiner evidenzbasierten klinischen Studien. Die Zweckmäßigkeit der Produkte sei von den gehörten Sachverständigen bestätigt worden, die ihre Vorzüge vor allem darin sähen, dass die Patienten frühzeitig mobilisiert, dadurch die Thrombosegefahr vermindert und Bänder und Gelenke geschmeidig erhalten würden.

Die Beklagten zu 1., 2., 3. und 7. haben die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie machen die Verletzung von § 139 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) geltend und rügen vor allem, dass das LSG selbst ermittelt habe, ob den Produkten ein therapeutischer Nutzen zukomme, der im Übrigen unter Verstoß gegen Denkgesetze und die Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts festgestellt worden sei. Das Gericht habe lediglich zu überprüfen, ob der Antragsteller im Verwaltungsverfahren den therapeutischen Nutzen nachgewiesen habe. Abgesehen von dem fehlenden therapeutischen Nutzen seien die Produkte auch unwirtschaftlich, weil sich die behaupteten Wirkungen mit herkömmlichen Methoden und Hilfsmitteln erreichen ließen, etwa durch Gipsverbände, Orthesen oder orthopädische Schuhe. Ein höherer Tragekomfort allein rechtfertige eine Leistungspflicht der Krankenkasse für diese Produkte nicht.

Die Beklagten zu 1., 2., 3. und 7. beantragen,

die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 20. September 2005 und des SG Köln vom 24. September 2001 zu ändern und die Klage abzuweisen;

hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revisionen zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend.

Die Beklagten zu 4., 5., 6. und 8. haben sich dem Vorbringen der Revisionskläger angeschlossen, aber keinen eigenen Antrag gestellt. Die Beigeladene hat erklärt, keine Stellungnahme abgeben zu wollen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 165, § 153 Abs 1 und § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Gründe

Die Revisionen der Beklagten zu 1., 2., 3. und 7. sind zulässig, aber in der Sache unbegründet.

A) Der Zulässigkeit der Rechtsmittel steht nicht entgegen, dass die Beklagten zu 4., 5., 6. und 8. nicht ebenfalls Revision eingelegt haben. Die Beklagten sind zwar notwendige Streitgenossen iSd § 74 SGG iVm § 62 Zivilprozessordnung (ZPO). Dies ergibt sich aus § 139 Abs 2 Satz 2 SGB V, wonach die Entscheidung über die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis (§ 128 SGB V) nur gemeinsam und einheitlich durch die Spitzenverbände der Krankenkassen getroffen werden kann. Wenn auch bezüglich der Wahrung von Fristen und Terminen säumige Streitgenossen durch die nicht säumigen vertreten werden, bedeutet dies nicht, dass alle Streitgenossen nur gemeinsam Rechtsmittel einlegen können oder die sich nicht anschließenden Streitgenossen durch das Rechtsmittel der anderen ebenfalls zum Rechtsmittelführer werden (BSGE 89, 294, 295 = SozR 3-2500 § 111 Nr 3 S 15 mwN). Die Rechtsmitteleinlegung nur eines Teils der Streitgenossen hindert lediglich den Eintritt der Rechtskraft auch gegenüber den anderen und bringt alle Prozesse in die nächste Instanz, in der sämtliche notwendigen Streitgenossen, wie hier geschehen, am Verfahren zu beteiligen sind (BSG, aaO). Das rechtskräftige Urteil bindet dann alle notwendigen Streitgenossen, auch wenn sie kein Rechtsmittel eingelegt haben (vgl Keller/Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 74 RdNr 6).

B) Die Revisionen der Beklagten zu 1., 2., 3. und 7. sind unbegründet. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht die Beklagten verurteilt, VACOPED für die Indikationen "schwere Bandverletzungen im Bereich des oberen Sprunggelenks und Frakturen am Fuß und Sprunggelenk (außer Zehenfraktur)" sowie VACOachill für die Indikation "Achillessehnenruptur" in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen.

1) Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.

a) Die erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage iS des § 54 Abs 1 Satz 1 SGG ist die dem Streitgegenstand entsprechende Klageart. Die Entscheidung der Spitzenverbände der Krankenkassen nach § 139 SGB V über den Antrag eines Hilfsmittelherstellers auf Aufnahme eines neuen medizinischen Produkts in das Hilfsmittelverzeichnis (§ 128 SGB V) stellt einen Verwaltungsakt dar. Über die Entscheidung ist dem Antragsteller ein Bescheid zu erteilen, und zwar unabhängig davon, ob dem Antrag stattgegeben oder ob er abgelehnt wird. Dies hat der Gesetzgeber durch § 139 Abs 2 Satz 5 SGB V in der Fassung des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) vom 14. November 2003 (BGBl I 2190) mit Wirkung ab 1. Januar 2004 ausdrücklich normiert, ohne dass damit eine Rechtsänderung verbunden war. Der Gesetzgeber hat lediglich die auch vorher schon bestehende, vom Bundessozialgericht (BSG) dargestellte Rechtslage bestätigt (BSGE 87, 105 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1).

b) Die Beklagten haben den Antrag der Klägerin auf Aufnahme der streitgegenständlichen Produkte in das Hilfsmittelverzeichnis durch Verwaltungsakt abgelehnt. Wie das LSG zutreffend erkannt hat, ist das Schreiben des Beklagten zu 1. vom 30. Juni 1997 als Verwaltungsakt iS des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu qualifizieren. Der Beklagte zu 1. hat über den Antrag auch nicht zuständigkeitswidrig allein entschieden, sondern der Klägerin lediglich eine zuvor von allen beklagten Spitzenverbänden in ihrer Besprechung vom 6. Mai 1997 gemeinsam getroffene Entscheidung mitgeteilt (vgl BSGE 87, 105, 109 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 5 mwN ).

c) Im Übergang von der Untätigkeitsklage zur Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist eine zulässige Klageänderung iS des § 99 Abs 1 SGG zu sehen. Die Beklagten haben sich ohne Widerspruch auf die geänderte Klage eingelassen (§ 99 Abs 2 SGG). Das SG hat über die geänderte Klage entschieden und damit stillschweigend die Sachdienlichkeit der Klageänderung bejaht.

d) Der Zulässigkeit der Klage steht ferner nicht entgegen, dass das vor Erhebung einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage grundsätzlich erforderliche Vorverfahren (§ 78 SGG) nicht stattgefunden hat. In Fällen, in denen Spitzenverbände der Krankenkassen einen Verwaltungsakt gemeinsam zu erlassen haben, eine Widerspruchsstelle nicht bestimmt ist und als nächsthöhere Behörde gemäß § 85 Abs 2 Nr 1 SGG nur die oberste Bundesbehörde als Aufsichtsbehörde der betroffenen Kassenverbände in Betracht kommt, ist auch der Widerspruchsbescheid von den Spitzenverbänden zu erteilen. Der erstinstanzlich gestellte Antrag auf Abweisung der Klage genügt dann dem Vorverfahrenserfordernis, wenn - wie hier - Klagegegner und Widerspruchsstelle identisch sind (BSGE 87, 105, 108 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 5 mwN). Wegen der unterbliebenen Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 30. Juni 1997 hat die Klägerin auch die Widerspruchsfrist eingehalten (§§ 84 Abs 2 Satz 3 iVm § 66 Abs 2 Satz 1 SGG), weil der Widerspruch innerhalb eines Jahres eingelegt worden ist.

2) Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 139 Abs 2 SGB V. Danach setzt die Aufnahme eines neuen Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis voraus, dass der Hersteller die Funktionstauglichkeit, den therapeutischen Nutzen und die Qualität des Hilfsmittels nachweist (§ 139 Abs 2 Satz 1 SGB V).

a) Bei den Vakuumstützsystemen VACOPED und VACOachill handelt es sich um Hilfsmittel (§ 33 SGB V) und nicht um Verbandmittel (§ 31 SGB V).

Nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (1. Alternative), einer drohenden Behinderung vorzubeugen (2. Alternative) oder eine Behinderung auszugleichen (3. Alternative), soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Der hiermit nur unvollständig umschriebene Begriff des Hilfsmittels wird in § 31 Abs 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) konkretisiert, der die "Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen" betrifft und auch für die Krankenkassen als Rehabilitationsträger gilt. Danach umfasst die Versorgung mit Hilfsmitteln (Körperersatzstücke sowie orthopädische und andere Hilfsmittel) iS des § 26 Abs 2 Nr 6 SGB IX (Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen) die technischen Hilfen, die von den Leistungsempfängern getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich sind, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen (Nr 1), den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern (Nr 2) oder eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen (Nr 3), soweit sie nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind.

Diesen Begriff des Hilfsmittels (§ 33 SGB V) hat der Senat bisher nur gegenüber den Heilmitteln (§ 32 SGB V) abgegrenzt, nicht aber gegenüber den Verbandmitteln (§ 31 SGB V). Nach der neueren Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 28. Juni 2001 - B 3 KR 3/00 R - BSGE 88, 204 = SozR 3-2500 § 33 Nr 41) sind unter Heilmitteln ärztlich verordnete Dienstleistungen zu verstehen, die einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern und nur von entsprechend ausgebildeten Personen erbracht werden dürfen (zB Maßnahmen der physikalischen Therapie sowie der Sprach- und Beschäftigungstherapie), während Hilfsmittel sächliche medizinische Mittel sind, die den Erfolg der Heilbehandlung sichern oder die Folgen von Gesundheitsschäden mildern oder ausgleichen (vgl auch A.I.2. der Hilfsmittel-Richtlinien vom 17. Juni 1992, BAnz 1992 Beilage Nr 183b, zuletzt geändert am 19. Oktober 2004, BAnz 2005 Nr 2 S 89). Eine Einordnung der Produkte der Klägerin als Heilmittel scheidet danach von vornherein aus, weil es sich um sächliche Mittel handelt.

Die Qualifizierung der Produkte als sächliche Mittel reicht aber allein nicht aus, sie als Hilfsmittel und nicht als Verbandmittel einzustufen, weil auch Verbandmittel im weiteren Sinne sächliche Mittel und "technische Hilfen" sind, die vom Leistungsempfänger getragen werden, um die Heilbehandlung zu sichern. Dennoch trifft die Rechtsansicht der Vorinstanzen und der Klägerin zu, dass es sich bei den Produkten um Hilfsmittel iS des § 33 SGB V handelt. Der Umstand, dass die Vakuumstützsysteme jedenfalls in der ersten Behandlungsphase einen Gipsverband ersetzen und Gipsverbände schon vom Wortlaut her zu den Verbandmitteln (§ 31 SGB V) gehören, macht die Produkte entgegen der Auffassung der Revisionen nicht ebenfalls zu Verbandmitteln. Der Begriff "Verbandmittel" ist weder im SGB V noch im Medizinproduktegesetz (MPG) vom 2. August 1994 (BGBl I 1963) definiert. Auch in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (§ 92 SGB V) findet sich keine Begriffsbestimmung. Angelehnt an die früher in § 4 Abs 9 Arzneimittelgesetz (AMG) enthaltene Definition werden als Verbandmittel insbesondere solche Gegenstände angesehen, die dazu bestimmt sind, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken oder deren Körperflüssigkeit aufzusaugen (Höfler in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht Bd 1, Stand: August 2004, § 31 SGB V RdNr 20; Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, § 31 SGB V RdNr 11; Gerlach in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch SGB V, K § 31 RdNr 39; Schmidt in Peters, Handbuch der Krankenversicherung SGB V, § 27 RdNr 344, Stand: Juni 1991 sowie § 31 RdNr 83, Stand: Oktober 1997; vgl Heinze in Gesamtkommentar Sozialversicherung, Bd 3, § 31 S 13, Stand: Oktober 1992), sog "Wundverbände" (Schmidt, aaO, § 31 RdNr 83). Hierunter fallen zB Wund- und Heftpflaster ("Pflasterverbände"), Kompressen, Mull- und Fixierbinden sowie Gipsverbände (Höfler, aaO; Heinze, aaO; Schorn, MPG, 3. Aufl 2001, Teil 6, S 362).

Aber auch wenn der betroffene Körperteil nicht oberflächengeschädigt ist, sondern nur eine innere Verletzung (zB Zerrung, Muskelfaserriss, Rippenprellung oder Knochenbruch) vorliegt, kann es erforderlich sein, Verbände wie zB Mull- und Fixierbinden anzulegen. § 31 SGB V erfasst deshalb über die Definition des AMG hinausgehend auch solche Mittel, die zur Anlegung von Stützverbänden an Körperteilen verwendet werden, die nicht oberflächengeschädigt sind (Schmidt, aaO, § 27 RdNr 345 sowie § 31 RdNr 83). Maßgebend sind der Sprachgebrauch und die medizinische Praxis. Es geht danach um das "Binden" bzw "Verbinden" von Körperstellen oder Gliedmaßen zu therapeutischen Zwecken, und zwar durch individuell von Ärzten oder medizinisches Hilfspersonal angefertigte, nur einmal verwendbare Produkte. Hiervon sind zu Stützzwecken eingesetzte Fertigartikel wie zB Stützbandagen abzugrenzen, welche den Hilfsmitteln zuzuordnen sind (Schmidt, aaO, § 31 RdNr 84). Auch die Beklagten gehen zutreffend von der Hilfsmitteleigenschaft solcher Fertigartikel aus.Im Hilfsmittelverzeichnis haben sie zB "Stabilisierungsbandagen" in der "Produktuntergruppe 03 / Anwendungsort 02 Sprunggelenk" zur Produktgruppe "05 Bandagen" aufgeführt; ferner sind die Produktgruppen 23 (Orthesen) und 30 (Schienen) zu nennen. Bei den hier streitigen Produkten handelt es sich ebenfalls um Fertigartikel mit weitgehender Wiederverwendbarkeit, die wegen ihrer starren Anteile weniger den Bandagen, sondern eher den Orthesen zuzuordnen sind, ohne dass dies an dieser Stelle abschließend festzulegen wäre, weil es nur die Eingliederung in das Hilfsmittelverzeichnis und nicht die Aufnahme betrifft.

b) Bei der Prüfung der Frage, ob der Klägerin der nach § 139 Abs 2 Satz 1 SGB V erforderliche "Nachweis" der Funktionstauglichkeit, des therapeutischen Nutzens und der Qualität der Produkte gelungen ist, hat das LSG entgegen der Auffassung der Beklagten keinen Verfahrensfehler begangen. Nach § 139 Abs 2 Satz 2 SGB V entscheiden die Spitzenverbände der Krankenkassen über einen Aufnahmeantrag gemeinsam und einheitlich, "nachdem der Medizinische Dienst die Voraussetzungen geprüft hat". Das Verfahren zur Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis regeln die Spitzenverbände der Krankenkassen in eigener Zuständigkeit (§ 139 Abs 2 Satz 3 SGB V). Dabei ist darauf hinzuwirken, dass die Unterlagen innerhalb von sechs Monaten nach Antragstellung vollständig vorliegen, und es ist sicherzustellen, dass die Entscheidung spätestens sechs Monate nach Vorlage der vollständigen Unterlagen getroffen wird (§ 139 Abs 2 Satz 4 SGB V).

Soweit die Beklagten aus dieser Regelung folgern, Entscheidungsgrundlage seien allein die vom Antragsteller im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen, nicht aber sonstige Erkenntnisquellen, sodass das LSG nur hätte prüfen dürfen, ob die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen für einen Nachweis iS des § 139 Abs 2 Satz 1 SGB V ausreichend gewesen seien, verkennen sie zunächst, dass sich die Spitzenverbände der Krankenkassen bei der Prüfung eines Antrages auf Aufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis gemäß § 20 SGB X nicht nur auf die eingereichten Unterlagen des Antragstellers beschränken dürfen, sondern den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln haben (BSGE 87, 105, 109 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 6). Der MDS hat dabei ein Gutachten als Entscheidungshilfe zu erstellen, in dem er nicht nur die vorgelegten Unterlagen auf ihre Plausibilität hin zu prüfen hat, sondern grundsätzlich alle ihm erreichbaren Veröffentlichungen und sonstigen Quellen des In- und Auslandes, die sich mit der Funktionstauglichkeit, der Qualität und dem therapeutischen Nutzen dieses neuen Hilfsmittels und vergleichbarer Fabrikate befassen, als Entscheidungsgrundlage heranziehen und auswerten muss. Die "Nachweispflicht des Herstellers" ist insoweit als bloße Beweislastregel zu verstehen (Hess in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Bd 1, § 139 SGB V RdNr 4).

Demgemäß ist auch die weitere Rüge der Beklagten unbegründet, das LSG hätte nicht durch Einholung von Sachverständigengutachten selbst ermitteln dürfen, ob den Produkten ein therapeutischer Nutzen zukommt. Die Entscheidung der Spitzenverbände der Krankenkassen über die Ablehnung eines Aufnahmeantrages ist in vollem Umfang überprüfbar. Das Gericht ist bei der Prüfung weder auf den medizinisch-technischen Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung noch auf die Beurteilung allein der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen beschränkt. Die Tatsacheninstanzen haben den Sachverhalt umfassend, ggf unter Einholung von Sachverständigengutachten, aufzuklären (§ 103 Satz 1, § 106 Abs 3 Nr 5 SGG), wobei für die Entscheidung der Sach- und Streitstand sowie der medizinisch-technische Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend ist. Erst wenn sich nach Ausschöpfung aller gerichtlichen Erkenntnismöglichkeiten die Funktionstauglichkeit, die Qualität und/oder der therapeutische Nutzen eines neuen Hilfsmittels nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen lässt (vgl BSGE 7, 103, 106; 19, 52, 53 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO), ist die Klage nach der Beweislastregel des § 139 Abs 2 Satz 1 SGB V abzuweisen.

c) Die Anforderungen an den Nachweis der Funktionstauglichkeit, der Qualität und des therapeutischen Nutzens haben sich an den Aufgaben und Zielen der GKV zu orientieren, dh sie müssen dazu dienen, die Krankenbehandlung nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) sicherzustellen (BSGE 87, 105, 109 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 6 mwN). Das Gesetz beschreibt die insoweit maßgebenden Kriterien in § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V im Hinblick auf die Bewertung von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden.

Nach § 135 Abs 1 SGB V (in der ab 1. Januar 2004 gültigen Fassung durch das GMG vom 14. November 2003, BGBl I 2190) dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien Empfehlungen abgegeben hat über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkasse erbrachten Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung. Der Nutzen einer Methode ist dabei durch qualitativ angemessene Unterlagen zu belegen (§ 20 Abs 2 Satz 1 der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 20. September 2005 <VerfO>, BAnz Nr 244 vom 24. Dezember 2005, S 16998). Dies sollen, soweit möglich, Unterlagen der Evidenzstufe 1 mit patientenbezogenen Endpunkten (zB Mortalität, Morbidität, Lebensqualität) sein (§ 20 Abs 2 Satz 2 VerfO). Soweit qualitativ angemessene Unterlagen dieser Aussagekraft nicht vorliegen, erfolgt die Nutzen-Schaden-Abwägung einer Methode gem § 20 Abs 2 Satz 4 VerfO auf Grund qualitativ angemessener Unterlagen niedrigerer Evidenzstufen. Die Anerkennung des medizinischen Nutzens einer Methode auf Grundlage von Unterlagen einer niedrigeren Evidenzstufe bedarf jedoch - auch unter Berücksichtigung der jeweiligen medizinischen Notwendigkeit - zum Schutz der Patienten umso mehr einer Begründung, je weiter von der Evidenzstufe 1 abgewichen wird. Dafür ist der potentielle Nutzen einer Methode insbesondere gegen die Risiken der Anwendung beim Patienten abzuwägen, die mit einem Wirksamkeitsnachweis geringerer Aussagekraft einhergehen (§ 20 Abs 2 Sätze 5 und 6 VerfO).

Für die Bewertung von neuen Hilfsmitteln kann jedenfalls dann grundsätzlich nichts anderes gelten, wenn es um ein Hilfsmittel geht, das der Anwendung einer neuen Behandlungsmethode dient, wie der Senat bereits entschieden hat (BSG, aaO). Dann ist zunächst die Anerkennung der neuen Behandlungsmethode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 135 SGB V herbeizuführen, ehe das der Durchführung dieser neuen Methode dienende Hilfsmittel überhaupt in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen werden kann. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn ein Hersteller ein neues Hilfsmittel auf den Markt bringt, das nicht der Anwendung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode dienen, sondern im Rahmen einer eingeführten, anerkannten Behandlungsmethode zum Einsatz kommen soll, wie es hier der Fall ist. Die betroffenen Körperteile werden bei den in Frage stehenden Verletzungen (Frakturen und Bandläsionen am Vorfuß, am Sprunggelenk und am Unterschenkel sowie Achillessehnenrisse) herkömmlich nach der Akutbehandlung in einer ersten Phase durch Ruhigstellung und Fixierung der betroffenen Stelle im erforderlichen Maße, dh unter größtmöglicher Aufrechterhaltung der Körperaktivitäten im Übrigen behandelt. In einer zweiten Phase wird zusätzlich die Mobilisierung des betroffenen Körperteils ermöglicht, und zwar zu einem möglichst frühen Zeitpunkt und in dem nach den Gegebenheiten möglichen Umfang, dh ohne den bisherigen Heilerfolg zu gefährden. Diese Behandlung erfolgt üblicherweise zB mit Gipsverbänden, später mit Orthesen und orthopädischen Schuhen. Diese sukzessiv eingesetzten Mittel sollen ersetzt werden durch die von der Klägerin entwickelten und vertriebenen Vakuumstützsysteme VACOPED und VACOachill, ohne dass sich die zu Grunde liegende Behandlungsmethode dadurch ändert. Die Beweisanforderungen des § 135 SGB V gelten aber nur für neue Behandlungsmethoden.

d) Soweit § 139 Abs 2 SGB V für Hilfsmittel ausdrücklich den Nachweis eines therapeutischen Nutzens verlangt, bedeutet dies nicht, dass für Hilfsmittel jeglicher Art auch die Ergebnisse klinischer Prüfungen vorgelegt werden müssen. Das hängt vielmehr in erster Linie davon ab, ob es sich - wie hier - um ein Hilfsmittel handelt, welches therapeutischen Zwecken dient, oder ob es sich um ein Hilfsmittel zum bloßen Behinderungsausgleich handelt. Im letzteren Fall ist der Nachweis eines therapeutischen Nutzens, der über die Funktionstauglichkeit zum Ausgleich der Behinderung hinausgeht, schon von der Zielrichtung des Hilfsmittels nicht geboten und in der Regel auch nicht möglich (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 jeweils RdNr 10 <C-Leg> ). Aber auch bei einem Hilfsmittel, welches wie hier therapeutischen Zwecken dient, müssen nicht in jedem Fall die Ergebnisse klinischer Prüfungen vorgelegt werden. Geht es nur um eine Alternative zu einem gelisteten herkömmlichen Hilfsmittel oder Verbandmittel, reicht es aus, wenn die Produkte zumindest den gleichen therapeutischen Nutzen (Ruhigstellung, Fixierung, Möglichkeit der Mobilisation) wie die herkömmlicherweise benutzten Produkte (Gipsverband, Orthese, orthopädische Schuhe) aufweisen. Das Gesetz verlangt nur den Nachweis eines "therapeutischen Nutzens" eines neuen Hilfsmittels, nicht aber einen therapeutischen Zusatznutzen oder Vorteil gegenüber der bisherigen Behandlungsweise, wovon die Beklagten und die Vorinstanzen offenbar ausgehen. Es ist im Rahmen der Therapiefreiheit eine Frage des Einzelfalls, wie der Arzt eine Verletzung des Versicherten behandelt. Allerdings steht auch die Therapiefreiheit - als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Patienten bzw der Berufsausübungsfreiheit des Arztes - unter dem Vorbehalt des Leistungsrechts und ist durch das Wirtschaftlichkeitsgebot als Mittel zur Sicherung der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung eingeschränkt (BSGE 78, 70, 88 f = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 44 f). Dementsprechend müssen Hilfsmittel, die der Arzt verordnet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs 1 SGB V). Entscheidet sich der Arzt vor diesem Hintergrund für die Verordnung von VACOPED bzw VACOachill, bleibt es den Krankenkassen unbenommen, vor Bewilligung des Hilfsmittels durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) prüfen zu lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist (§ 275 Abs 3 Nr 1 SGB V). Die Frage der Notwendigkeit der Verwendung eines bestimmten Hilfsmittels ist stets an den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalles zu prüfen, spielt aber für die Aufnahme eines neuen Hilfsmittels in den Hilfsmittelkatalog keine Rolle.

Auch wenn es demnach zur Bejahung des therapeutischen Nutzens der Feststellung von Gebrauchsvorteilen gegenüber einem Gipsverband nicht bedurft hätte, ist allerdings nicht von der Hand zu weisen, dass sich die Geräte der Klägerin - anders als zB ein Gipsverband - während der Behandlung vom Patienten ohne fremde Hilfe ab- und wieder anlegen lassen, um eine ärztliche Kontrolle, eine physiotherapeutische Behandlung oder die Körperpflege zu ermöglichen. Auch dies stellt einen therapeutischen Nutzen und nicht lediglich eine Komfortverbesserung dar, weil so dazu beigetragen wird, den Erfolg der laufenden Behandlung zu sichern und ggf weitere ärztliche Maßnahmen zu treffen.

Da es auf das Gewicht dieses Aspektes ebenso wie auf einen weiteren therapeutischen Zusatznutzen dadurch, dass die streitgegenständlichen Produkte - wie das LSG meint - im Vergleich zu einem herkömmlichen Gips- oder Stützverband die Thrombosegefahr verringern, Sehnen und Gelenke noch besser geschmeidig erhalten und die Rehabilitationszeit verkürzen, nicht ankommt, kann dahinstehen, ob das LSG - wie die Beklagten rügen - insoweit das Recht verletzt hat, indem es die Grenzen einer vertretbaren Beweiswürdigung iS des § 128 SGG überschritten, gegen allgemeine Beweisgrundsätze oder Denkgesetze verstoßen bzw einen unzutreffenden Beweismaßstab zu Grunde gelegt habe (vgl dazu Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Aufl 2002, IX Rz 333 mwN). Entsprechendes gilt für das Vorbringen der Revision, das Berufungsgericht hätte sich insoweit zu weiteren Ermittlungen iS der §§ 103, 106 SGG gedrängt sehen müssen. Der therapeutische Nutzen der Geräte ergibt sich bereits aus nicht angegriffenen Feststellungen des LSG. Es kann deshalb nur darum gehen, ob die Produkte der Klägerin die für brauchbare Stütz- und Haltsysteme erforderlichen Eigenschaften aufweisen, dh um die Funktionstauglichkeit und die Qualität.

e) Die Funktionstauglichkeit und die Qualität der Produkte der Klägerin sind nachgewiesen, ohne dass es insoweit noch einer weiteren Beweisführung durch Anwendungsstudien oder Sachverständigengutachten bedurfte.

Im Rahmen der Prüfung zur Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis ist nämlich zu berücksichtigen, dass die meisten Hilfsmittel - wie auch hier - Medizinprodukte iS des MPG sind und deshalb nur in den Verkehr gebracht und in Betrieb genommen werden dürfen, wenn sie mit einer CE-Kennzeichnung versehen sind. Voraussetzung für diese Kennzeichnung ist, dass die grundlegenden Anforderungen nach § 7 MPG erfüllt sind und ein für das jeweilige Hilfsmittel vorgeschriebenes Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt worden ist. Diese Voraussetzungen sind bei den hier streitigen Hilfsmitteln erfüllt. Damit ist davon auszugehen, dass das Hilfsmittel grundsätzlich geeignet ist, den medizinischen Zweck zu erfüllen, den es nach den Angaben des Herstellers besitzen soll, und dass es die erforderliche Qualität besitzt, die notwendig ist, um die Sicherheit seines Benutzers zu gewährleisten (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 jeweils RdNr 8 <C-Leg> ). Mit der CE-Kennzeichnung ist ein Hilfsmittel iS der Produktsicherheit und Zwecktauglichkeit auch im krankenversicherungsrechtlichen Sinne funktionstauglich, ohne dass dies von den Krankenkassen oder Gerichten noch eigenständig zu prüfen wäre (vgl auch Seidel/Hartmann, NZS 2006, 511); der CE-Kennzeichnung kommt insoweit eine Tatbestandswirkung zu (BSG, aaO).

Ob und in welchem Umfang in Einzelfällen auf Grund besonderer Umstände über die CE-Kennzeichnung hinaus weitere Prüfanforderungen zu verlangen sind, um den Nachweis der Funktionstauglichkeit und Qualität zu führen (vgl das "Positionspapier der Spitzenverbände der Krankenkassen/Pflegekassen zu den Anforderungen an Medizinprodukte für die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis nach § 128 SGB V oder Pflegehilfsmittelverzeichnis nach § 78 SGB XI" vom 4. April 2006), braucht hier nicht abschließend geklärt zu werden. Dass es den streitgegenständlichen Produkten trotz CE-Kennzeichnung an Funktionstauglichkeit oder Qualität iS des § 139 SGB V mangele, machen auch die Revisionen nicht geltend.

f) Soweit die Beklagten meinen, einer Aufnahme von VACOPED und VACOachill in das Hilfsmittelverzeichnis stehe auch entgegen, dass die Produkte der Klägerin unwirtschaftlich seien, ist darauf hinzuweisen, dass die Aufnahme neuer Hilfsmittel in das Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Abs 2 Satz 1 SGB V grundsätzlich nur voraussetzt, dass der Hersteller die Funktionstauglichkeit, den therapeutischen Nutzen und die Qualität des Hilfsmittels nachweist. Anders als § 135 Abs 1 Nr 1 SGB V, wonach der Gemeinsame Bundesausschuss neben dem therapeutischen (bzw diagnostischen) Nutzen einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode auch deren "medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit" bewertet, kennt § 139 Abs 2 SGB V einen solchen Prüfauftrag nicht.

Im Rahmen der Hilfsmittelversorgung wird dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) dadurch Rechnung getragen, dass die Beklagten zur Sicherung einer ausreichenden, zweckmäßigen, funktionsgerechten und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln Qualitätsstandards entwickeln sollen (§ 139 Abs 1 Satz 1 SGB V). Hilfsmittel, die den Qualitätsstandards entsprechen, sind aber ohne Rücksicht auf den vom Lieferanten verlangten Preis in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen. Der verordnende Vertragsarzt kann dann - je nach Indikation und im konkreten Einzelfall - unter mehreren Produkten mit gleichem Leistungsverhalten das preiswerteste auswählen und verordnen. Vor diesem Hintergrund kann eine von den Beklagten behauptete Unwirtschaftlichkeit der Produkte, soweit sie sich nicht auf die Qualität, sondern nur auf die Kosten bezieht, eine Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis nicht hindern. Die Frage der Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit eines Hilfsmittels ist ebenso wie dessen Notwendigkeit stets anhand der Gegebenheiten des konkreten Einzelfalles zu prüfen. Zutreffend führen die Beklagten auf S 5/6 ihres bereits erwähnten Positionspapiers vom 4. April 2006 selbst aus: "Vor dem sozialgesetzlichen Hintergrund einer wirtschaftlichen Versorgung erfolgt eine Listung im Hilfsmittelverzeichnis in der Weise, dass die Produkte innerhalb einer Produktart vergleichbare Funktionsweisen und therapeutische Ziele aufweisen, die jeweils den gleichen Indikationsrahmen abdecken. In diesem Zusammenhang müssen Standards zur Qualität eines Hilfsmittels und zur Wirtschaftlichkeit entwickelt werden. Dies spielt eine unverzichtbare Rolle bei der Bildung von Produktuntergruppen und -arten für die Fixierung von Festbeträgen und die Festlegung von Vergütungsgruppen für vertragliche Vereinbarungen. Auch bei dem Fehlen von Verträgen und Festbeträgen trägt diese Systematisierung dem Wirtschaftlichkeitsgebot insofern Rechnung, weil damit bei einer konkreten Indikation jeweils unter mehreren nachweislich qualitätsgesicherten Produkten mit gleichem Leistungsverhalten das wirtschaftlichste ausgewählt werden kann."

Die Aufnahme der streitgegenständlichen Hilfsmittel in das Hilfsmittelverzeichnis bedeutet nicht, dass die Krankenkassen die dafür von der Klägerin verlangten Preise ohne Einwirkungsmöglichkeiten bezahlen müssten. Soweit die Produkte im Rahmen der stationären Versorgung eingesetzt werden, gehen ihre Kosten in die Pflegesätze oder Fallpauschalen ein (vgl § 2 Krankenhausentgeltgesetz), die von den Krankenkassen vereinbart werden. Im ambulanten Bereich können die Krankenkassen über Hilfsmittel mit den Leistungserbringern Verträge schließen, soweit sie nicht ohnehin Leistungshöchstgrenzen durch Festbeträge bestimmen (§ 127 SGB V). Einen Rationalisierungseffekt durch Verwendung der Produkte in der vertragsärztlichen Praxis können die Kassen durch Hinwirken auf eine Absenkung der Gebühren Rechnung tragen. Schließlich hat die einzelne Krankenkasse insoweit Einfluss auf die Kosten, als sie jede Verordnung eines Hilfsmittels genehmigen muss. Die Aufnahme der streitgegenständlichen Hilfsmittel in das Hilfsmittelverzeichnis muss also nicht zwangsläufig zu höheren Kosten bei der Behandlung des Versicherten in den betroffenen Indikationsbereichen führen.

3) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der hier noch anwendbaren und bis zum 1. Januar 2002 gültigen Fassung (vgl § 197a SGG iVm Art 17 Abs 1 Satz 2 des 6. SGG-ÄndG vom 17. August 2001, BGBl I 2144).