LG Hamburg, Urteil vom 22.02.2010 - 709 Ns 86/09
Fundstelle
openJur 2011, 94437
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 203 Ds 7101 Js 21/09
Strafrecht
§ 303 StGB
Tenor

Auf die Berufung des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 12. Mai 2009 (203 Ds 7101 Js 21/09 (28/09) aufgehoben:

Der Angeklagte wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Hamburg verurteilte den Angeklagten am 12. Mai 2009 wegen versuchter Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je € 20,--. Die form- und fristgerecht, mit dem Ziel des Freispruchs eingelegte Berufung des Angeklagten hatte Erfolg.

II.

Der 24 Jahre alte, am ... in B... geborene Angeklagte schloss nach dem Realschulabschluss erfolgreich im Jahr 2004 seine Ausbildung zum Koch ab. Seitdem ist er in diesem Beruf tätig und verdient rund € 1.000,-- netto im Monat. Er lebt mit seiner Lebensgefährtin, die ebenfalls berufstätig ist, und dem gemeinsamen, am ... 2008 geborenen Kind zusammen.

Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.

Die Feststellungen zur Person beruhen auf den Angaben des Angeklagten sowie auf der verlesenen Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 07. Januar 2010.

III.

Am 06. September 2008 fand in H... das alljährlich stattfindende sog. "...fest" im H... S... statt, auf dem es in der Vergangenheit regelmäßig zu Krawallen und Ausschreitungen kam, so dass die Polizei alljährlich hohe Präsenz, u.a. auch mit Wasserwerfern, zeigt.

Gegen 22.38 Uhr hielt sich der Angeklagte - leicht alkoholisiert - in der L...straße auf. In beiden Hosentaschen hatte er jeweils eine Flasche Bier und hielt in seiner Hand ebenfalls noch eine leere Flasche Bier. Er ging alleine und nicht vermummt in Richtung J...straße.

In der L...straße standen zu diesem Zeitpunkt hintereinander zwei Wasserwerfer, und zwar jeweils mit dem Heck zur Straßenecke L...straße/E...straße. Um sein Missfallen über das polizeiliche Vorgehen gegen Besucher des ...festes zum Ausdruck zu bringen, warf der Angeklagte die in der Hand gehaltene leere Bierflasche in Richtung des von ihm weiter entfernt stehenden Wasserwerfers und zielte auf den Wassertank. In diesem Bereich traf die Flasche auch auf. Es entstanden keine Schäden am Wassertank. Der Angeklagte war sich sicher, dass bei einem Treffer mit seiner leeren Bierflasche keine Schäden entstehen.

IV.

Der Angeklagte war von dem Vorwurf der versuchten Sachbeschädigung aus tatsächlichen Gründen freizusprechen, weil das Gericht keine Überzeugung dahingehend bilden konnte, dass der Angeklagte zumindest mit bedingtem Vorsatz die Bierflasche auf den Wassertank des Wasserwerfers warf, um diese Sache zu beschädigen.

Der Angeklagte hat in der Berufungshauptverhandlung keine Angaben zur Sache gemacht. In seiner verlesenen schriftlichen Stellungnahme vom 02. April 2009 zur Anklage hat er sich wie folgt zur Sache eingelassen:

"Es stimmt, dass ich eine leere Bierflasche auf den Wasserwerfer geworfen habe. Hiermit wollte ich mein Missfallen gegen das polizeiliche Vorgehen gegen Besucher des festes zum Ausdruck bringen. Dies war blöd und meiner Alkoholisierung geschuldet. Keinesfalls wollte ich mit der Flasche Polizisten treffen. Ich habe auf den Tank des Wasserwerfers gezielt und habe diesen getroffen. Ich war mir sicher, dass ein Treffer mit einer leeren Bierflasche keinen Schaden an dem Wasserwerfertank anrichten würde."

Die Einlassung des Angeklagten zum äußeren Geschehensablauf wird durch die glaubhaften Angaben der Polizeibeamtin C... S... I, die an diesem Abend in Zivil eingesetzt war, bestätigt. Wie die Zeugin angegeben hat, befand sie sich ungefähr zwei Meter rechts von dem Angeklagten mehr zur Straßenecke L...straße/E...straße hin und beobachtete den Wurf mit der Bierflasche auf den dort stehenden Wasserwerfer. Zwar konnte die Zeugin weder den Aufprall sehen noch hörte sie einen Aufprall oder gar das Zerbersten der Bierflasche. Dass die Flasche im Bereich der Oberseite des Wassertanks aufprallte, hat die Zeugin aus der von ihr beobachteten Flugbahn der Flasche geschlossen. Anhand des in Augenschein genommenen Lichtbilds eines Wasserwerfermodells, das an diesem Abend in diesem Bereich seinen Einsatz fand, wie sich aus dem verlesenen Vermerk des LKA 72n vom Polizeibeamten R... vom 21.01.2010 ergibt, hat die Polizeibeamtin ... den Aufprallort der Bierflasche dahingehend konkretisiert, dass dies der Bereich des niedrigeren Wassertanks kurz vor dem Führerhaus gewesen sei. Sie war sich nicht sicher, ob die Flasche nicht möglicherweise auch in dem Bereich zwischen Wassertank und Führerhaus gefallen sein konnte. Die Zeugin konnte aber sicher ausschließen, dass der Aufprall in dem Bereich des Führerhauses des Wasserwerfers war, in dem die beiden Wasserwerfervorrichtungen installiert sind. Die leichte Alkoholisierung des Angeklagten beruht ebenfalls aus den Angaben der Zeugin S... . Sie hatte den Angeklagten nach dem Flaschenwurf ca. 30 Minuten bis zur Festnahme zusammen mit ihrer Kollegin B... verfolgt und keine Auffälligkeiten wie Schwanken, Torkeln oder ähnliches beobachten können und auch an lässlich der Festnahme und der Gespräche keine sprachlichen Ausfallerscheinungen festgestellt, sondern lediglich eine leichte Alkoholfahne wahrgenommen; so ergab auch die später durchgeführte Atemalkoholbestimmung 1%o.

Die Einlassung des Angeklagten, er sei sich sicher gewesen, mit dem Wurf der leeren Bierflasche an dem Wasserwerfer keinen Schaden anrichten zu können, lässt sich im Ergebnis nicht widerlegen. Aus den getroffenen Feststellungen zu den äußeren Umständen kann in diesem Fall nicht ohne weiteres auch auf die inneren Vorstellungen geschlossen werden und diese Einlassung des Angeklagten als Schutzbehauptung abgetan werden. Wie sich aus den in Augenschein genommenen Lichtbild des Wasserwerfers ergibt, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, und wie letztlich allgemein aus der Presseberichterstattung bekannt ist, sind diese Einsatzfahrzeuge der Polizei entsprechend dem Einsatzzweck robust und widerstandsfähig gebaut, da sie gerade in den Situationen zum Einsatz kommen, in denen tumultartige Zustände herrschen und mit umherfliegenden Gegenständen sowie dem gezielten Bewurf dieser polizeilichen Einsatzfahrzeuge zu rechnen ist. Bei einem "bestimmungsgemäßen" Gebrauch, d.h. im Einsatz bei schweren Ausschreitungen, darf ein Wasserwerfer nicht einfach zu beschädigen sein. Dies gilt auch für mögliche leichte Lackabplatzungen, wie sie durch den Wurf mit einer Flasche auf ein normallackiertes übliches Kraftfahrzeug vorstellbar sind. Ansonsten müsste jeder Wasserwerfer nach einem Einsatz, z.B. beim S...fest, neu lackiert werden. Dass diese Einlassung des Angeklagten anders zu bewerten gewesen sein könnte, wenn er gezielt in Richtung der empfindlichen Teile, wie Beleuchtungskörper, Windschutzscheibe oder Spritzpistolen, des Wasserwerfers die Bierflasche geworfen hätte, kann mangels entgegenstehender Feststellungen dahinstehen.

Zumindest auch das Nachtatverhalten des Angeklagten stützt zumindest indiziell die Einlassung des Angeklagten. Wie die Zeuginnen S... wie auch B... bestätigt haben, verhielt sich der Angeklagte bei seiner Festnahme ausgesprochen kooperativ und freundlich, obwohl er anlässlich seiner Festnahme zu Boden gebracht und dort mit Einweghandfesseln gefesselt worden war. Dies empfanden beide Beamtinnen als erwähnenswert, weil sie auch bei dieser Festnahme mit dem üblichen Verhalten der Störer des S...fests gerechnet hatten. Zur Überzeugung der Kammer lässt dies den indiziellen Schluss zu, dass der Angeklagte sich einer Schuld nicht bewusst war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.

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