OLG Schleswig, Beschluss vom 10.02.2009 - 16 W 18/09
Fundstelle
openJur 2011, 93643
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von 10.000,00 €.

Gründe

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Kiel, durch den im selbständigen Beweisverfahren der Antrag des Antragstellers auf Anordnung einer neuen Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen zurückgewiesen worden ist, ist nicht statthaft und deshalb gem. § 572 Abs. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Gem. § 567 Abs. 1 ZPO findet die Beschwerde gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Landgerichte statt, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (§ 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder wenn es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Gem. § 492 Abs. 1 ZPO erfolgt die Beweisaufnahme im selbständigen Beweisverfahren nach den für die Aufnahme des betreffenden Beweismittels überhaupt geltenden Vorschriften, sodass das Gericht gem. § 412 Abs. 1 ZPO eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen kann, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet. Eine Beschwerdemöglichkeit gegen eine ablehnende Entscheidung ist nicht i. S. von § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO im Gesetz ausdrücklich bestimmt. Durch eine ablehnende Entscheidung wird auch nicht ein das Verfahren betreffendes Gesuch i. S. von § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zurückgewiesen. Für das Hauptsacheverfahren ist allgemein anerkannt, dass diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, wenn eine Anhörung im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts steht und einen Antrag nicht erfordert (Zöller-Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 567 Rn 35), und zwar auch dann, wenn ein Antrag gestellt ist. Eine solche Anordnung ist in § 412 Abs. 1 ZPO geregelt.

Anhaltspunkte dafür, abweichend von diesem allgemeinen Grundsatz im selbständigen Beschwerdeverfahren eine Beschwerde für statthaft zu halten, bestehen nicht (so Senat in OLGR Schleswig 2003, 308; OLG Düsseldorf OLGR 1998, 38; OLG Rostock OLGR 2008, 516 = MDR 2008, 999; Stein/Jonas-Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 492 Rn 8; Zöller-Herget, a. a. O., § 490 Rn 4; a. A. OLG Frankfurt OLGR 2008, 438 = MDR 2008, 585 und OLG Stuttgart BauR 2008, 2094 mit umfassenden Nachweisen zum Streitstand). Insbesondere liegt nicht deshalb im selbständigen Beweisverfahren ein Gesuch i. S. von § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO vor, weil das Landgericht zwar im Hauptsacheverfahren, nicht aber im selbständigen Beweisverfahren von Amts wegen eine Entscheidung nach § 412 ZPO zu treffen hätte (so aber OLG Frankfurt OLGR 2008, 438). Gem. § 492 ZPO findet § 412 Abs. 1 ZPO im selbständigen Beweisverfahren gerade Anwendung (so ausdrücklich BGH VersR 2006, 95), woraus zugleich folgt, dass das im selbständigen Beweisverfahren zuständige Gericht ebenfalls von Amts wegen eine Entscheidung nach § 412 ZPO zu treffen hat, auch wenn es nicht abschließend auf Grundlage einer Beweiswürdigung eine Entscheidung des Rechtsstreits zu treffen hat. Richtig ist, dass eine ablehnende Entscheidung gem. § 412 ZPO im selbständigen Beweisverfahren abschließenden Charakter hat, während im Hauptsacheverfahren im Rahmen eines Rechtsmittels geltend gemacht werden kann, dass das Gericht seine Entscheidung zu Unrecht auf das eingeholte Gutachten gestützt hat, ohne eine neue Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anzuordnen (Zöller-Greger, a. a. O., § 412 Rn 4). Daraus ergibt sich aber kein Grund, eine im Hauptsacheverfahren nicht gegebene Beschwerdemöglichkeit einzuräumen (so aber OLG Stuttgart BauR 2008, 2094). Dies folgt aus dem Regelungshintergrund der Vorschriften über das selbständige Beweisverfahren, für das gem. § 485 Abs. 2 S. 2 ZPO ein rechtliches Interesse anzunehmen ist, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Mit dieser Vorschaltfunktion ist es ohne weiteres vereinbar, den Streit über die erforderliche Einholung eines neuen Gutachtens durch einen Sachverständigen in ein Hauptsacheverfahren zu verlagern und das selbständige Beweisverfahren nicht ausufern zu lassen.

Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13. September 2005, VI ZB 84/04, VersR 2006, 95 folgt nichts Gegenteiliges. Der Bundesgerichtshof ist in dieser Entscheidung nicht von einer zulässigen Beschwerde ausgegangen (so das Verständnis von OLG Stuttgart BauR 2008, 2094), sondern hat diese Frage ausdrücklich offen gelassen (so auch das Verständnis von OLG Rostock OLGR 2008, 516), in dem er hinsichtlich des lediglich vorsorglich gestellten Hilfsantrags auf Einholung eines Obergutachtens formuliert hat, dass es insoweit keiner Entscheidung bedürfe, weil die Rechtsbeschwerde bereits im Hauptantrag Erfolg habe. Soweit der Bundesgerichtshof im nachfolgenden Satz lediglich ergänzend anmerkt, dass § 412 Abs. 1 ZPO im selbständigen Beweisverfahren anzuwenden sei, erklärt sich das daraus, dass der Bundesgerichtshof die vorgehenden Beschlüsse aufgehoben und die Zurückverweisung an die Zivilkammer der ersten Instanz ausgesprochen hat, die gem. § 492 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 412 ZPO über die etwaige Einholung eines weiteren Gutachtens zu entscheiden hat. Rückschlüsse auf eine Auffassung des Bundesgerichtshofs zur Frage der Statthaftigkeit einer Beschwerde gegen eine ablehnende Entscheidung nach § 412 ZPO ergeben sich daraus nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Wertfestsetzung berücksichtigt das in der Angabe eines vorläufigen Streitwerts von 10.000,- € zum Ausdruck kommende Interesse des Antragstellers bei Verfahrenseinleitung. Auf die Kostenschätzung des Sachverständigen kommt es nicht an, weil diese vom Antragsteller gerade angegriffen wird (vgl. zur Streitwertfestsetzung im selbständigen Beweisverfahren BGH NJW 2004, 3488).