AG Lübeck, Beschluss vom 29.08.2006 - 13b UR II 797/06
Fundstelle
openJur 2011, 93635
  • Rkr:
Tenor

Es wird die Erinnerung vom 21.6.2006 gegen den Beratungshilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts vom 2.6.2006 zurückgewiesen.

Gründe

Die Erinnerung hat keinen Erfolg.

Der Antragsteller begehrt Beratungshilfe für die Durchführung eines Einigungsversuches im Rahmen des (noch außergerichtlichen) Insolvenzverfahrens.

Die Wahrnehmung von Rechten im Rahmen von § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist als außergerichtliches Verfahren im Sinne des BerHG anzusehen. Es geht dabei auch nicht nur um eine allgemeine Lebensberatung sondern jedenfalls zu einem großen Teil auch um rechtliche Beratung und Vertretung.

Jedoch bestehen andere Hilfemöglichkeiten für den Antragsteller.

Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG kann Beratungshilfe nur bewilligt werden, wenn keine andere Hilfemöglichkeit zur Verfügung steht, deren Inanspruchnahme einem Rechtsuchenden zumutbar ist.

Als solche andere zumutbare Hilfemöglichkeit besteht die Inanspruchnahme einer der drei im Bereich der Hansestadt Lübeck bestehen öffentlichen Schuldnerberatungsstellen.

Öffentliche Schuldnerberatungsstellen kommen grundsätzlich als andere zumutbare Möglichkeiten der Hilfe in Betracht (vgl. Schoreit/Dehn Beratungshilfe, 8. Aufl. § 1 Rz 12a).

Ob Rechtsanwälten in einer solchen Situation Beratungshilfe gewährt werden kann ist in der Rechtsprechung (vgl. AG Hamm 23 II 1297/05 (positiv) und AG Duisburg-Ruhrort 13 II 814/05 (negativ) und Literatur (vgl. Janlewing ZVI 05, 617 (positiv) und Landmann RPf 00, 196 (negativ)) umstritten.

Das AG Lübeck schließt sich der ablehnenden Auffassung an.

Anerkannte Schuldnerberatungsstellen bieten eine im Bereich der Herbeiführung eines außergerichtlichen Einigungsversuches besonders kompetente Beratung und Vertretung von Schuldner an. Diese erfasst grundsätzlich auch - zulässigerweise - die Beratung in den rechtlichen Bereichen, die direkt im Zusammenhang mit der Schuldenregulierung stehen. Die Überprüfung und Sicherstellung der Kompetenz ist auch eine Aufgabe des Anerkennungsverfahren. Ein Schuldner ist deswegen in der Beratung durch eine solchen Schuldnerberatungsstelle grundsätzlich genauso gut aufgehoben, wie bei einer anwaltlichen Beratung und Vertretung, solange es um die Verhandlung und Aufstellung eines Einigungsplans geht. Das zeigt sich im Übrigen auch daran, dass im Rahmen der InsO Schuldnerberatungsstellen und Anwälte gleichgestellt sind (vgl. Janlewing a.a.O. Seite 618).

Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass es deswegen auch kein Subsidiaritätsverhältnis bei der Beratungshilfe geben darf. Denn die Subsidiarität ergibt sich nicht aus der InsO sondern aus der für die Beratungshilfe spezielleren Norm des § 1 Abs. 1 Nr. 1 BerHG vor. Wenn im Rahmen der InsO zwei gleichberechtigte Stellen für die Beratung von Schuldnern vorgesehen sind, ist es gesetzestechnisch möglich durch Spezialgesetz eine Subsidiarität - soweit zumutbar - für den Bereich der Beratungshilfe einzuführen. Das ist durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 BerHG geschehen (vgl. auch grundsätzlich Schoreit/Dehn § 1 BerHG Rn 37).

Die Beratungsstellen sind zwar öffentlich gefördert, bieten ihrer Dienste für die Schuldner dann aber - jedenfalls in Lübeck - kostenlos an. Es ist deswegen nicht ersichtlich, warum ein Schuldner in jedem Fall einen Rechtsanwalt mit der Schuldenregulierung soll beauftragen können, soweit ihm die Schuldnerberatung auch helfen kann. Dahinter steht letztlich der Gedanke, dass sich ein Schuldner im Rahmen der Beratungshilfe grundsätzlich nicht anders verhalten soll, als er es tun würde, wenn er die Kosten selbst aufbringen müsste. Im letzteren Fall würde ein Schuldner aber nicht ohne weiteres einen Anwalt aufsuchen, wenn er eine entsprechende Beratung auch kostenlos erhalten kann. (Wie sich diese Situation auf die öffentlichen Haushalte insgesamt auswirkt, kann dabei für die Entscheidung über die Bewilligung von Beratungshilfe im Einzelfall keine Rolle spielen.)

Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, die entsprechenden Regelungen des RVG liefen leer. Denn der nach Auffassung des Gerichtes bestehende grundsätzliche Vorrang der öffentlichen Schuldnerberatung gegenüber einer anwaltlichen Beratung im Rahmen der Beratungshilfe besagt ja nicht, dass es in einzelnen Fällen oder Fallkonstellationen auch anders sein kann.

Das stellt auch grundsätzlich kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz, Art 3 Abs. 1 GG, dar, denn die Beratung durch die öffentlichen Schuldnerberatungsstellen, ist für einen Antragsteller grundsätzlich nicht schlechter als diejenige durch einen Anwalt. Dabei steht nicht in Frage, dass ein Schuldner sich Rat auch bei der Aufstellung eines Schuldenbereinigungsplan einholen können muss. Dieser Rat ist jedoch, bei einer Schuldnerberatungsstelle erhältlich, soweit keine besonderen Umstände vorliegen.

Schließlich kann auch nicht auf ein möglicherweise ungeklärtes Verhältnis zur allgemeinen öffentlichen Rechtsberatung verwiesen werden. Denn die Schuldnerberatung stellt eine, für die betroffene Materie in Art und Ausmaß besondere Form der Beratung dar.

Etwas anderes könnte gelten, wenn die materielle Rechtslage einer gegen einen Schuldner geltend gemachten Forderung fraglich und insoweit eine weitergehende rechtliche Beratung und Vertretung erforderlich ist. Etwas anderes könnte auch dann gelten, wenn bei den öffentlichen Schuldnerberatungsstellen lange Wartezeiten bestehen und deswegen eine zügige Wahrnehmung von Rechten durch einen Schuldner nicht möglich ist.

Für den Bereich der Hansestadt Lübeck haben die anerkannten Schuldnerberatungsstellen nach den aktuellen Erkenntnissen des Gerichts derzeit aber keinerlei Wartezeiten.

Eine besonderes Bedürfnis nach rechtlicher Beratung aufgrund der Natur der hier relevanten Forderungen oder der Situation des Antragstellers ist nicht erkennbar oder dargetan.

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