LG Kiel, Urteil vom 08.06.2007 - 3 O 2/05
Fundstelle
openJur 2011, 93492
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten im Wege des großen Schadensersatzanspruches die teilweise Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrages sowie Schadensersatz. Die Beklagte verkaufte durch notariellen Kaufvertrag vom 24.06.1992 an die xxx

a) eine insgesamt ca. 2.146 m² große teilweise bebaute Fläche im Bereich xxx, die aus mehreren Einzelgrundstücken bzw. Teilflächen von Grundstücken bestand und

b) ca. 1.120 m² große bebaute Grundstücke mit den Bezeichnungen xxx.

In § 5 des Vertrages haben die Vertragsparteien vereinbart, dass jede Mängelhaftung ausgeschlossen bleibt. Es heißt dort weiterhin: „Außerdem wird darauf hingewiesen, dass die Holzbalkendecke im Laden des Gebäudes xxx mit Holzschwamm befallen war. Die erforderlichen Reparaturarbeiten hat die Stadt durchgeführt.

Tatsächlich waren im Bereich der Behörden der Stadt xxx weitergehende Erkenntnisse zu Schwammbefall vorhanden. So schrieb die xxx am 19.10.1988 an das Bauordnungsamt der Beklagten, dass im Bereich des Küchenfußbodens der Wohnung Erdgeschoss links im Hause xxx, Hausschwammbefall festgestellt worden sei und dass Maßnahmen zur Beseitigung des Hausschwammes sowie zur vorbeugenden Schwammbekämpfung eingeleitet worden sei (vgl. Anlage K 10). Mit Schreiben vom 22.11.1988 wandte sich die xxx an das Sozialamt der Stadt xxx. Hierin heißt es unter anderem: „Die Räumung des von ihrem Untermieter genutzten Kellerraumes sowie der Abbruch der Trennwände war erforderlich, um den in der darüber liegenden Kellerdecke festgestellten Hausschwammbefall beseitigen und vorbeugende Bekämpfungsmaßnahmen durchführen zu können.“ Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens wird auf Anlage K 11 verwiesen.

Die xxx wandte sich mit Schreiben vom 19.10.1988 an das Bauordnungsamt der Beklagten und teilte mit, der an den Liegenschaften xxx und xxx Küchenfußboden gemeldete Befall von Hausschwamm sei zwischenzeitlich beseitigt worden. Schließlich wandte sich das Sozialamt der Beklagten Anfang Januar 1989 unter dem Betreff „xxx (Hausschwammbekämpfung)“ an die xxx, indem auf die Geltendmachung zusätzlich entstandener Stromkosten verzichtet wurde.

Dem Vermerk des Liegenschaftsamtes der Beklagten vom 08.05.1990 zufolge wies der damalige Geschäftsführer der xxx, xxx, im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen darauf hin, dass es möglich wäre, dass sich z.B. Schwamm im Mauerwerk befinde (vgl. Bl. 44 Rückseite der Akten).

Den vorstehend zitierten Schriftwechsel zwischen der xxx und der Beklagten übergab letztere im Zuge des Abschlusses des eingangs zitierten Kaufvertrages an die xxx

In der Folgezeit ließ die Firma xxx das Gebäude auf dem Grundstück xxx abreißen und veräußerte die dazu gehörigen Grundstücke an Dritte. Die Gebäude xxx sollten saniert werden. Die xxx begann mit Sanierungsarbeiten und wandte dafür Kosten auf. Im Sommer 2003 wurde bei dem Objekt xxx festgestellt, dass ein Teil der Deckenholzbalken mit Holzschwamm befallen war. Die Klägerin ließ drei Holzgutachten des Sachverständigen xxx erstellen (vgl. Anlage K 5, K 6 und K 7). Dieser stellte das Vorhandensein von echtem Holzschwamm fest, darüber hinaus auch unsachgemäße Teilsanierung von echtem Hausschwamm in den Häusern xxx.

Die Klägerin behauptet,

es habe 1988 tatsächlich ein Hausschwammbefall bestanden, so wie er aus dem Schriftverkehr mit der xxx ersichtlich sei. Dieser Hausschwammbefall sei nicht fachgerecht beseitigt worden. Er sei vielmehr Ursache für die im Jahre 2003 festgestellten Hausschwammschäden. Die Beklagte habe von diesem Schwammbefall Kenntnis gehabt und diesen gegenüber der Firma xxx arglistig verschwiegen. Die damalige Käuferin, ebenso wie die Klägerin hätten von dem früheren Hausschwammbefall erst dadurch erfahren, dass sie nach deren Feststellung im Jahre 2003 die von der Beklagten im Jahre 1992 übergebenen Unterlagen durchgesehen und dabei die Anlagen K 10 bis K12 aufgefunden hätten. Sie hätten den Kaufvertrag nicht abgeschlossen, wenn sie von der Beklagten über den Schwammbefall zutreffend informiert worden wären. Die Firma xxx habe ihre Gewährleistungsansprüche aus dem Kaufvertrag betreffend die Objekte xxx an die Klägerin am 25.11.1994 abgetreten. Sie habe für die Sanierung der äußeren Hülle der Objekte xxx 1.388.022,43 DM aufgewandt. Diesen Betrag zuzüglich anteiligen Kaufpreises und darauf zu errechnender Zinsen sowie von der Klägerin errechnete Kosten im Zusammenhang mit der Schwammsanierung sonstiger Sanierungskosten und der Kosten der Erstellung von drei Holzschutzgutachten verlangt die Klägerin Zug um Zug gegen Rückübertragung des Eigentums an den Grundstücken xxx.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen

1) an die Klägerin 1.637,461,19 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug um Zug gegen schuldrechtliche Übertragung und Auflassung

a) des im Grundbuch von xxx verzeichneten Grundstücks Flurstück xxx der Flur xxx Gemarkung xxx,

b) des im Grundbuch von xxx verzeichneten Grundstücks Flurstück xxx der Flur xxx Gemarkung xxx,

c) des im Grundbuch von xxx verzeichneten Grundstücks Flurstück xxx der Flur xxx Gemarkung xxx und

d) des im Grundbuch von xxx verzeichneten Grundstücks Flurstück xxx der Flur xxx Gemarkung xxx.

2) festzustellen, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet,

dass außer in dem im Kaufvertrag genannte Grundstück xxx Holzschwamm in den verkauften Gebäuden vorhanden gewesen sei bzw. entsprechende Sanierungsmaßnahmen nicht sorgfältig durchgeführt worden seien. Sie bestreitet, dass die für die Beklagte zurechenbar handelnden Mitarbeiter hiervon Kenntnis hatten. Sie bestreitet die Höhe der angegebenen Sanierungskosten. Sie bestreitet die Abtretung der Gewährleistungsansprüche an die Klägerin. Sie bestreitet, dass die Klägerin die ihr übergebenen Unterlagen erst nach Feststellung des Hausschwammbefalls durchgesehen wurden.

Die Klägerin hat im Verlauf des Prozesses eine Abtretungserklärung des Insolvenzverwalters über das Vermögen der xxx und xxx vom 16.08.2005 vorgelegt, derzufolge er in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter sämtliche Gewährleistungsrechte aus dem notariellen Kaufvertrag vom 24.06.1992 zwischen der xxx und der xxx an xxx und xxx abtrete (Bl. 165 d.A.). Diese Erklärung haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 05.09.2005 angenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht kein ihr abgetretener Anspruch auf Leistung großen Schadensersatzes in Gestalt von Zahlung von Schadensersatz seitens der Beklagten Zug um Zug gegen Übertragung des Eigentums der - der Klägerin nicht gehörenden - Grundstücke xxx zu. Die Voraussetzungen des § 463 BGB a.F. liegen nicht vor. Der verkauften Sache fehlte zur Zeit des Kaufes nicht eine zugesicherte Eigenschaft. Der Umstand, dass die Beklagte in dem Kaufvertrag über einen früheren Hausschwammbefall im Hause xxx aufklärte, ist keine Zusicherung des Fehlens von Schwammschäden der anderen Grundstücke bzw. der Zusicherung, dass die durchgeführten Reparaturarbeiten erfolgreich waren. Vielmehr ist die Äußerung lediglich dahingehend zu verstehen, dass Arbeiten zur Beseitigung des Schwammbefalls durch eine Fachfirma durchgeführt wurden und diese die Beseitigung des Schwammbefalls mitgeteilt hat. Dass es anders war, ist dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen.

Dem Vortrag der Klägerin ist ferner nicht zu entnehmen, dass die Beklagte als Verkäuferin einen Fehler arglistig verschwiegen hat, § 463 Abs. 2 a.F..

In dem Vorwurf des arglistigen Verschweigens früheren Schwammbefalls liegt der Kernvorwurf, den die Klägerin der Beklagten macht.

Tatsächlich stellt selbst ein früherer und beseitigter Schwammbefall einen Mangel dar, über den aufzuklären ist.

Ein arglistiges Verschweigen eines Mangels durch Mitarbeiter des Liegenschaftsamtes, die für die Beklagte als Behörde für den Verkauf zuständig war, hat die Klägerin nicht genügend vorgetragen. Darauf ist bereits mit Beschluss vom 28.03.2007 hingewiesen worden.

Allerdings wussten die Mitarbeiter des Bauordnungsamtes, dass Schwammbefall seitens der xxx gemeldet worden war. Es kann offen bleiben, ob dieses Wissen des Bauordnungsamtes als solches der Beklagten zuzurechnen war. Jedenfalls liegt seitens der Beklagten kein arglistiges Verschweigen eines Mangels vor.

Folgt man der Ansicht, dass es nur auf das Wissen der zuständigen Behörde ankommt und das Wissen anderer Behörden nicht zuzurechnen sei, so kommt es auf das Behördenwissen des Bauordnungsamtes bzw. auch des Sozialamtes nicht an (vgl. MK-Schramm, § 166 BGB, Rn. 35, BGH-NJW 1992 S. 1099). Allerdings hat der BGH a.a.O. auch ausgeführt, es könne unter Umständen geboten sein, das Aktenwissen eines an dem konkreten Rechtsgeschäft nicht beteiligten Amtes der Gemeinde dann zuzurechnen, wenn der sachliche Zusammenhang der in verschiedenen Ämtern angefallenen Vorgänge bekannt, ein Informationsaustausch daher möglich und naheliegend war. Wann einmal derartige Umstände vorliegen und welche Voraussetzungen für eine solche besondere Fallgestaltung im Einzelnen vorliegen müssen, ist nach Kenntnis des erkennenden Gerichts weder vom Bundesgerichtshof noch anderweitig obergerichtlich entschieden worden. Eine scharfe Grenzziehung ist auch für die vorliegende Entscheidung nicht vonnöten. So dürfte etwa ein derartiger besonderer Fall anzunehmen sein, wenn etwa das Bauordnungsamt die Unterlagen dem Liegenschaftsamt mit Absicht vorenthalten hätte, um der xxx einen lukrativeren Verkauf zu ermöglichen. Hier verhält es sich jedoch anders. Ein arglistiges Verschweigen ist in der vorliegenden konkreten Fallgestaltung nicht gegeben. Für das Vorliegen der Arglist ist der mindestens bedingte Vorsatz des Verkäufers zu fordern, den Kaufentschluss des Käufers möglicherweise zu beeinflussen (vgl. Staudinger-Honsell, § 463 BGB a.F. Rn. 24). Dieses Merkmal passt nicht bei der Zurechnung der Kenntnis anderer Behörden, die von einem konkreten Verkauf möglicherweise nichts wissen. Es muss nach Auffassung des erkennenden Gerichts jedoch wertungsmäßig ein vergleichbarer Sachverhalt gegeben sein. Dieser dürfte - wie bereits erwähnt - dann zu bejahen sein, wenn Informationen bei einer anderen Behörde vorhanden sind, diese aber gerade mit dem Ziel nicht weitergegeben werden, den Kaufentschluss eines möglichen Käufers nicht negativ zu beeinträchtigen. Auch wäre zu erwägen, den Sachverhalt gleichzustellen, indem eine Gemeinde den Informationsaustausch zwischen den Behörden in dem Bewusstsein unzureichend organisiert, dass bei Verkäufen gemeindlichen Eigentums dem Liegenschaftsamt die notwendigen Informationen nicht zur Verfügung gestellt und so ein Kaufentschluss in dieser Hinsicht beeinflusst werden kann.

Im vorliegenden Fall haben die mit dem Verkauf nicht betrauten Behörden ihre Unterlagen dem Liegenschaftsamt zur Verfügung gestellt. Bei diesem selbst war eine aktuelle Kenntnis des Mangels nicht vorhanden, ist jedenfalls von dem der Klägerin nicht konkret behauptet worden - das Bestreiten der Unkenntnis reicht nicht aus - . Da das Liegenschaftsamt auf den vorhanden gewesenen Schwammbefall in dem Haus xxx ausdrücklich in dem Kaufvertrag hingewiesen hat und der Käuferin im Zuge der Kaufvertragsverhandlungen sämtliche Unterlagen zur Verfügung gestellt hat, aus der sich die Kenntnis der Beklagten über früher vorhandenen Schwamm ergab, spricht alles dafür, dass sie die Käufer in den gleichen Kenntnisstand versetzen wollte, den sie selber hatte. An keiner Stelle in den Behörden der Beklagten oder ihrer Organisationsstruktur ist nach dem Vortrag der Klägerin ein Sachverhalt zu finden, der wertungsmäßig dem Vorhandensein eines bedingten Vorsatzes, durch Verschweigen von Tatsachen den Kaufentschluss des Käufers möglicherweise zu beeinflussen, gleichsteht. Aus diesem Grunde liegen keine besonderen Umstände vor, die es geboten erscheinen lassen, das Wissen eines nicht am Rechtsgeschäft beteiligten Amtes der Gemeinde zuzurechnen.

Auf die vielen weiteren Sach- und Rechtsfragen des vorliegenden Rechtsstreites kommt es aus diesem Grunde nicht an.

Insgesamt war deshalb die Klage mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.