SG Lübeck, Urteil vom 02.10.2008 - S 14 KR 1066/07
Fundstelle
openJur 2011, 93391
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers nach dem Künstlersozial-versicherungsgesetz (KVSG) für seine Tätigkeit als Diskjockey ab 1. November 2006.

Der 1975 geborene Kläger war seit Anfang der 90er Jahre nebenberuflich als Discjockey tätig. Seit 2005 ist er selbständig tätig mit einem Ton- und Lichttechnikverleih. Zusätzlich arbeitet er als Diskjockey auf privaten Veranstaltungen, Feiern und Festen. Dabei benutzt er ein professionelles Mischpult, mit dem er die Tonlage, die Tonhöhe, das Tempo und den Takt der abgespielten Musiktitel verändern kann. Außerdem kann er damit zusätzliche Effekte, wie z. B. Echos oder Chor, in die Titel einbauen. Auf seiner Internetseite www.......... wirbt er am 30. September 2008 mit folgendem Text:

„Seit mehr als 15 Jahren bin ich als Discjockey für Sie unterwegs, angefangen in den kleinen Discos, habe ich mich nun seit mehr als 7 Jahren spezialisiert als DJ auf Hochzeiten, Polterabende, Silberhochzeiten und Geburtstage, denn die Nachfrage wurde immer größer - es macht viel mehr Spaß als in einer Disco - und so habe ich mich dann für die privaten Feierlichkeiten entschieden und Ihr Vertrauen bestärkte mich dazu im Jahr 2005 hauptberuflich in die Selbständigkeit zu gehen.

Meine Musikauswahl erstreckt sich über sämtliche Jahrzehnte und alle Stilrichtungen. Für jedes Publikum habe ich die passende Musik dabei, erfülle sehr gern Musikwünsche, denn ich bin ja nur für Sie und Ihre Gäste da.

Auf Hochzeiten spiele ich in der Regel einen Mix aus: 70ern, 80ern, 90ern, Funk & Soul, die aktuellen Hits, Dance Classics, Rockmusik aus allen Jahrzehnten, Partyhits, NDW, Tanzmusik, vereinzelt Kultschlager und selbstverständlich Ihre Musikwünsche bzw. die Wünsche Ihrer Gäste am Abend.

Auf Polterabenden geht es dann meist etwas aktueller zur Sache: aber auch hier biete ich einen Musikmix aus allen Jahrzehnten bis hin zu den aktuellen Hits von heute.

Auf Silberhochzeiten spiele ich: eine bunte Mischung aus Abba, Andrea Berg, Bee Gees, AC/DC, Rolling Stones, Led Zeppelin, Dire Straits, Udo Jürgens, Tina Turner, Roy Orbison - halt eine Mischung aus Oldies, Rock n’ Roll, Twist, 60ern, 70ern, 80ern, Tanzmusik, rockigen Sachen, deutschen Schlagern, Evergreens & Ohrwürmern. Auch hier gehe ich selbstverständlich auf Ihre Wünsche und Vorstellungen bezüglich der Musik ein.

Auf ABI Partys, 18. und 20. Geburtstagen: bin ich selbstverständlich auch in der Lage den ganzen Abend die Musik Schwerpunktmäßig aktuell zu halten wie z.B. mit Charts, Black, Hip Hop, RnB, Rock, 90ern, 2000ern, Party- & Kulthits, spiele aber auch die ein oder andere Runde für das anwesende ältere Publikum.

Dagegen kann ich aber auch auf 65./ 70./ 75. oder 80. Geburtstagen den gesamten Abend mit deutschen Schlagern, Volksmusik, Walzer, Foxtrott, Slow Fox und Tanzmusik gestallten. Auch hier passe ich mich selbstverständlich mit meiner Musikauswahl der Altersklasse Ihrer Gäste an, lege auch, wenn Sie es wünschen Tanzpausen ein und spiele nur die Musik, die Ihre Gäste wirklich hören wollen.

Für die Altersklasse 30 bis 60 bin ich musikmäßig wie auf Hochzeiten, Polterabenden und Silberhochzeiten eingestellt. Also mit Oldies die jeder kennt, 60ern, 70ern, 80ern, 90ern, aktuellen Hits, rockiger Musik, Partyhits, auch mal ein Schlager dabei, NDW, Funk & Soul, Tanzmusik, Dance Classics der 70er & 80, Kult Hits und natürlich Ihren Wünschen. Auch hier richte ich mich musikalisch nach dem Durchschnittsalter der anwesenden Gäste und stelle mich natürlich auf dieses Publikum ein, denn Gäste auf einem 30. Geburtstag hören selbstverständlich andere Musik als auf einem 60. Geburtstag.

Ich habe also kein festes Programm, sondern stelle mich individuell auf Sie und Ihre Gäste, bzw. deren Wünsche ein. Natürlich bin ich KEIN Schlager OPA und kann auch einen Abend ohne Schunkelwalzer, Heidi, Ballermann Musik, Hüttenhits, Polonaise, Volksmusik, Wolfgang Petry, Marianne Rosenberg.... und wie sie alle heißen - gestalten. “

Für die Tätigkeit als Diskjockey beantragte der Kläger am 2. November 2006 bei der Beklagten die Anerkennung der Versicherungspflicht nach dem KSVG. Als Anlage fügte er Verträge über seine Tätigkeit, Rechnungen und Kontoauszüge bei.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 2006 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger nicht der Versicherungspflicht nach dem KSVG unterliege. Ein Diskjockey zähle nur unter besonderen Umständen zum Kreis der Musiker im Sinne des KSVG. Das reine Zusammenstellen und Abspielen von Musikprogrammen genüge nicht.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 4. Januar 2007 Widerspruch. Er spiele nicht nur Musiktitel ab, sondern er mixe diese mit einem professionellen Mischpult. Damit verändere er Tonlage, Tonhöhe, Tempo und Takt. Er könne auch zusätzliche Effekte wie Flanger, Chorus, Pitch, Echo und Reverb einbeziehen. Auf diese Weise entstünden neue künstlerische Produkte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Es handele sich bei der Arbeit des Klägers als Diskjockey nicht um eine künstlerische Tätigkeit. Dass der Kläger Musik „mixe“, sei nach seinem Internetauftritt nicht plausibel.

Dagegen hat der Kläger am 22. Oktober 2007 beim Sozialgericht Lübeck Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Seine Tätigkeit als Diskjockey sei durch Kreativität geprägt. Die Misch- und Synchronisierungsarbeit sei als kreative Tätigkeit vom KSVG erfasst. Insoweit beziehe er sich auf das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Januar 2001 (S 82 KR 139/00). Seine Gewinne erziele er überwiegend aus seiner Arbeit als Diskjockey und nicht aus dem Verleih von Licht- und Tontechnikanlagen. Seiner Klage hat er weitere Verträge und Rechnungen beigefügt.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2007 festzustellen, dass der Kläger ab 1. November 2006 der Versicherungspflicht nach dem KSVG unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides. Laut Internetauftritt des Klägers handele es sich um eine reine Tätigkeit eines Diskjockeys, der keine neue Musik kreiere. Der Kläger trete im Wesentlichen auf Hochzeiten, Betriebsfeiern, Geburtstagen und Firmenjubiläen auf. Der Kreis der Auftraggeber spreche gegen die Künstlereigenschaft.

Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen und zusammen mit der Prozessakte zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Der Kläger unterliegt in der Zeit ab 1. November 2006 nicht der Versicherungspflicht nach dem KSVG.

Nach § 1 Nr. 1 KSVG werden selbstständige Künstler und Publizisten in der allgemeinen Rentenversicherung, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie eine künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben. Nach § 2 Satz 1 KSVG ist Künstler im Sinne dieses Gesetzes, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. In Bezug auf den Kläger kommen die Alternativen „Musik schaffen“ und „Musik ausüben“ in Betracht. Was darunter zu verstehen ist, ist aus dem Regelungszweck des KSVG unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung und der historischen Entwicklung zu erschließen (vgl. BSG 26. November 1998 - B 3 KR 12/97 R, SozR 3-5425 § 2 Nr. 9). Aus den Materialien zum KSVG ergibt sich, dass der Begriff der Kunst trotz seiner Unschärfe auf jeden Fall solche künstlerischen Tätigkeiten umfassen soll, mit denen sich der "Bericht der Bundesregierung über die wirtschaftliche und soziale Lage der künstlerischen Berufe (Künstlerbericht)" aus dem Jahre 1975 beschäftigt (vgl. BT-Drucks. 8/3172, Seite 21). In diesem Künstlerbericht (BT-Drucks. 7/3071) ist der Beruf des Diskjockeys nicht erwähnt. Im Bereich Musik benennt der Bericht lediglich Komponisten, Musikbearbeiter, Textdichter, die Berufe der musikalischen Leitung (Kapellmeister, Chorleiter, Tonmeister), die ausübenden Musiker, Sänger und Musikerzieher. Die Nichtverzeichnung im Künstlerbericht 1975 spricht allerdings nicht zwangsläufig gegen die Qualifizierung der Tätigkeit als künstlerisch, denn dies würde der Vielfalt und Dynamik in der Entwicklung künstlerischer Betätigungen widersprechen (vgl. BSG 28. Februar 2007 - B 3 KS 2/07 R, SozR 4-5425 § 2 Nr. 11).

Unabhängig davon, ob der Beruf des Diskjockeys, wie ihn der Kläger jetzt betreibt, bereits 1975 als Hauptberuf in Deutschland ausgeübt wurde (vgl. BSG, a. a. O.), ist die Tätigkeit so wie sie vom Kläger ausgeübt wird, nach Auffassung der Kammer mit den Begriffen „Musik schaffen“ oder „Musik ausüben“ nicht zu vereinbaren. Beide Alternativen beinhalten nach der allgemeinen Verkehrsanschauung und entsprechend dem Zweck des KSVG einen deutlichen künstlerisch-kreativen Anteil. Der Schwerpunkt der Tätigkeit wie sie vom Kläger beschrieben wird liegt jedoch trotz einer kreativen Komponente auf dem Einsatz manuell-technischer Fähigkeiten. Ausweislich seines Internetauftritts ist der Kläger weit überwiegend auf privaten Feiern und Festen wie z. B. Hochzeiten, runden Geburtstagen, Polterabenden und Silberhochzeiten als Diskjockey tätig. Seine Hauptaufgabe ist es, dem Publikum angenehme Musik zu bieten und es gut zu unterhalten. Daher legt er großen Wert darauf, dem Musikgeschmack seines jeweiligen Publikums entsprechende Musiktitel zu spielen und zu jedem Titel eine möglichst passende Folge-CD zu finden, die sein Programm interessant hält. Technisch gesehen beschränkt sich seine Arbeit darauf, die Übergänge fließend zu gestalten und ggf. die Tonlage, die Tonhöhe und das Tempo zu verändern und anzupassen.

Dass der Kläger darüber hinaus künstlerisch tätig wird, indem er - wie er behauptet - neue Musiktitel kreiert, hält die Kammer angesichts des Internetauftritts des Klägers nicht für glaubhaft. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass der Kreis der Auftraggeber dafür spricht, dass der Kläger auf privaten Festen lediglich ein Musikprogramm abspielt und Musikwünsche seiner Auftraggeber und deren Gästen erfüllt. Wenn der Kläger von seinen Auftraggebern tatsächlich dafür gebucht und bezahlt würde, dass er aus bekannten Musikstücken selbst neue Titel mischt, dann erschließt sich der Kammer nicht, warum er in seinem Internetauftritt mit dieser Fertigkeit nicht wirbt. Dafür vermochte der Kläger auch keinen plausiblen Grund zu benennen.

Die Tätigkeit des Klägers wird nicht schon dadurch künstlerisch, dass er zusätzliche Effekte wie Flanger, Chor, Pitch, Echo und Reverb (Hall) einbeziehen kann. Denn auch bei dem Einflechten dieser Effekte handelt es sich im Schwerpunkt um eine technische Arbeit. Reine Tontechniker, die es im Rundfunk- und Fernsehbereich auch schon in den 70er Jahren gab, sind nicht im Künstlerbericht 1975 erfasst. Der Tonmeister ist in einer Reihe mit dem Kapellmeister und dem Chorleiter genannt. Er soll als ausübender Künstler nach dem Urhebergesetz nur insoweit erfasst werden, als er zur Interpretation des Werkes einen künstlerischen Beitrag leistet (vgl. BT-Drucks. 7/3071, Seite 228). Das ist bei den genannten Effekten nicht der Fall. Es geht bei der Tätigkeit des Klägers in erster Linie um das Abspielen bekannter Musiktitel, auch wenn diese durch Effekte zum Teil geringfügig verändert werden.

Die Kammer weist abschließend darauf hin, dass ihrer Ansicht nach die Einstufung des Diskjockeys als manuell-technische Tätigkeit wie sie hier erfolgt ist, nicht ausnahmslos gelten muss. Wer als Diskjockey sein Einkommen aus seinem kreativen Schaffen und nicht aus dem Einsatz manuell-technischer Fähigkeiten bezieht, ist „eigenschöpferisch-gestalterisch“ und damit künstlerisch tätig (vgl. BSG, a. a. O.). Dazu ist jedoch notwendig, dass der Antragsteller unter Verwendung von Tonträgern und technischen Hilfsmitteln verschiedene Musikstücke zu neuen Klangbildern und Kompositionen zusammenmischt und auf diese Weise neue Musik „schafft“. Davon, dass er eine solche Tätigkeit ausübt, konnte der Kläger die Kammer nicht überzeugen. Vielmehr stellt es sich für die Kammer nach seinem eigenen Vortrag und insbesondere angesichts seines Internetauftritts so dar, dass er lediglich ein Musikprogramm zusammenstellt, weitgehend unverändert abspielt und dazu verbindende Text spricht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.