Schleswig-Holsteinisches FG, Beschluss vom 03.08.2006 - 5 V 69/06
Fundstelle
openJur 2011, 93050
  • Rkr:
Tatbestand

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Antragsteller zu Recht als haftende Person für nicht abgeführte Lohnsteuer (LSt), Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag nebst Säumniszuschlägen in Anspruch genommen worden ist. Im vorliegenden Eilverfahren begehrt der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des mit dem Einspruch angefochtenen Haftungsbescheides.

Der Antragsteller war alleiniger Geschäftsführer der inzwischen insolventen X Baugesellschaft mbH. Diese Gesellschaft hatte im Jahr 2003 als Auffanggesellschaft den Geschäftsbetrieb der Firma X GmbH übernommen. Dem Geschäftszweck entsprechend befasste sich die Baugesellschaft mit der Herstellung und dem Vertrieb von ... . Die Gesellschaft wurde lohnsteuerlich bei der Antragsgegnerin, umsatzsteuerlich bei dem Finanzamt A geführt.

Für die Monate Januar bis Juli 2004 gab die Gesellschaft die LSt-Anmeldungen verspätet ab. Für die Monate Februar bis Juli 2004 setzte der Antragsgegner insoweit Verspätungszuschläge fest. Aufgrund ebenfalls verspäteter Zahlungen der angemeldeten LSt-Beträge entstanden für die Monate ab März 2004 bis zur Insolvenzeröffnung (1. Juni 2005) Säumniszuschläge.

Mit Schreiben vom 7. und 10. November 2004 beantragte die Baugesellschaft bei dem Finanzamt A Ratenzahlung für die rückständige Umsatzsteuer (USt) der Monate Juli, August und September 2004. Nach Verlängerungsantrag mit Schreiben vom 6. Januar 2005, der auch die USt-Zahllast für den Monat Oktober 2004 beinhaltete, zahlte die Baugesellschaft in der Zeit von Mitte Januar bis Mitte März 2005 in mehreren Raten die rückständige USt für die Monate Juli bis September 2004 in Höhe von rund 215.000 EUR. Die angekündigte Rate für die USt Oktober 2004 blieb offen. Auf den Inhalt der zur Gerichtsakte gereichten Schreiben der Baugesellschaft wird Bezug genommen. Eine bereits am 4. Januar 2005 von dem Finanzamt A bei der Sparkasse ausgebrachte Kontenpfändung verlief erfolglos.

Mit einem am 11. März 2005 beim Amtsgericht eingegangenen Schreiben beantragte der Antragsteller als Geschäftsführer der Baugesellschaft, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma wegen Zahlungsunfähigkeit zu eröffnen. Mit Beschluss vom gleichen Tage bestellte das Amtsgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 Insolvenzordnung (InsO). Mit Beschluss vom 1. Juni 2005 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. In seinem Bericht gemäß § 156 der Insolvenzordnung (InsO) vom 8. August 2005 attestierte der Insolvenzverwalter der Baugesellschaft Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.

Nach Anhörung des Antragstellers erließ der Antragsgegner unter dem 30. August 2005 einen Haftungsbescheid gegen den Antragsteller wegen rückständiger LSt, Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag und Säumniszuschlägen in Höhe von 32.095,04 EUR. Auf den Inhalt des Bescheides wird Bezug genommen.

Gegen diesen Haftungsbescheid erhob der Antragsteller fristgemäß Einspruch. Über diesen Einspruch hat der Antragsgegner bisher nicht entschieden.

In der Folgezeit änderte der Antragsgegner den Haftungsbescheid mit Schreiben vom 7. und 25. Oktober 2005 zu Gunsten des Antragstellers auf eine Haftungssumme in Höhe von 16.718,86 EUR ab. Einen mit Schreiben vom 22. November 2005 gestellten Antrag auf AdV lehnte das Finanzamt mit Bescheid vom 2. März 2006 ab.

Zur Begründung seines in diesem Verfahren gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestellten AdV-Antrages trägt der Antragsteller im Wesentlichen Folgendes vor:

Entgegen der Ansicht des Antragsgegners lägen die Voraussetzungen einer anfechtbaren Rechtshandlung im Hinblick auf die Abführung von LSt in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor. Zum Zeitpunkt der Fälligkeit der LSt sei die X Baugesellschaft mbH zahlungsunfähig gewesen. Hiervon habe der Antragsgegner Kenntnis gehabt. Zumindest habe er Umstände gekannt, die zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit der Baugesellschaft hingedeutet hätten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sei es für die Kenntnis der Zahlungseinstellung und somit der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO ausreichend, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen und dem Verhalten des Schuldners bei natürlicher Betrachtungsweise den zutreffenden Schluss ziehen könne, dass der Schuldner etwa im Zeitraum des nächsten Monats wesentliche Teile der eingeforderten Verbindlichkeit nicht werde tilgen können (Hinweis auf Urteil des BGH vom 3. Dezember 1998, IX ZR 313/97).

Vorliegend habe die Baugesellschaft bereits Stundungsanträge für fällige USt beim Finanzamt A mit mehreren Schreiben ab dem 7. November 2004 gestellt. Mit diesen Schreiben sei der Finanzverwaltung mitgeteilt worden, dass nicht ausreichend liquide Mittel vorhanden seien, um die fällige USt abzuführen. Aufgrund dieser Stundungsanträge und der vom Finanzamt A unter dem 4. Januar 2005 ausgebrachten Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegen die Gesellschaft hätte zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft geschlossen werden müssen. Die Kenntnis dieser Zahlungsunfähigkeit, die das Finanzamt A gehabt habe, müsse sich der Antragsgegner nach den Grundsätzen über die Zurechenbarkeit von Wissen innerhalb einer Organschaft zurechnen lassen. Nach diesen Grundsätzen seien erhebliche Kenntnisse, die ein Organmitglied erlangt habe, an die zuständigen Organmitglieder weiterzuleiten. Somit sei die Kenntnis des Finanzamts A von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin (Baugesellschaft) der Finanzverwaltung Schleswig-Holstein als Landesfinanzbehörde im Sinne des Art. 108 Abs. 1 Grundgesetz (GG) im Allgemeinen und dem Antragsgegner im Speziellen zuzurechnen. Insbesondere könne es nicht dem Steuerpflichtigen obliegen, gegenüber einer Vielzahl von Behörden, die sich aus der jeweiligen Zuständigkeit für die einzelnen Steuerarten aufgrund verwaltungsorganisatorischer Vorschriften ergebe, die für alle Steuerrechtsverhältnisse relevanten Umstände gesondert mitzuteilen.

Zwar lasse sich die Wissenszurechnung in der beschriebenen Konstellation nicht eindeutig aus dem Gesetz beantworten und sei diese Frage auch finanzgerichtlich bisher noch nicht entschieden worden. Insofern bestünden aber jedenfalls ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides, die eine AdV rechtfertigten.

Die Kenntnis des Antragsgegners von der Zahlungsunfähigkeit der Baugesellschaft ergäbe sich daneben auch aus dem Umstand, dass die Gesellschaft seit Februar 2004 Verspätungs- und Säumniszuschläge auf fällige LSt-Beträge zu entrichten gehabt habe. Die Beträge seien ersichtlich angestiegen, so dass auf eine zunehmende Illiquidität und Insolvenz der Schuldnerin geschlossen werden musste. Der Antragsgegner habe davon ausgehen müssen, dass die Gesellschaft künftig nicht mehr in der Lage sein würde, ihre Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis zu erfüllen. Aufgrund des langen Zeitraums, in dem die fälligen LSt-Beträge nicht fristgerecht entrichtet worden seien, habe auch nicht auf eine nur vorübergehende Zahlungsstockung geschlossen werden können.

Im Übrigen bestünden nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch dahingehend ernstliche Zweifel, ob und in welchem Umfang bei der Haftung nach § 69 der Abgabenordnung (AO) hypothetische Geschehensabläufe - nämlich die nicht erfolgte Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO - Berücksichtigung finden könnten (BFH-Beschluss vom 11. August 2005, VII B 244/04, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2006, 201).

Die Vollziehung des Haftungsbescheides würde auch eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge haben. Ihm würden durch die sofortige Vollziehung wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgingen, da insbesondere seine wirtschaftliche Existenz bedroht sei. Er verfüge derzeit nicht über ausreichende liquide Mittel, um etwaigen Verpflichtungen aus dem Haftungsbescheid nachkommen zu können.

Im Zuge des gerichtlichen Antragsverfahrens hat der Antragsgegner den Haftungs-bescheid mit Schreiben vom 10. April 2006 auf eine verbleibende Haftungssumme in Höhe von 11.437,34 EUR gemindert. Auf den Inhalt des Schreibens nebst Rückstandsaufstellung wird Bezug genommen.

Der Antragsteller beantragt, die Vollziehung des Haftungsbescheides vom 30. August 2005, zuletzt gemindert gemäß Schreiben vom 10. April 2006 auf eine Haftungssumme von 11.437,34 EUR, auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.

Die Zahlungsunfähigkeit der X Baugesellschaft mbH im Zeitpunkt der vorläufigen Insolvenzeröffnung sei nicht bekannt gewesen. Der Umstand, dass die LSt-Beträge für den Zeitraum Januar bis Juli 2004 verspätet angemeldet und Säumniszuschläge für die Monate März 2004 bis November 2004 und ab Januar 2005 aufgrund verspäteter Zahlungen entstanden seien, weise lediglich darauf hin, dass die Gesellschaft ihre steuerlichen Verpflichtungen nur unzuverlässig erfüllt habe. Auf eine Zahlungsunfähigkeit könne aus diesem Verhalten nicht geschlossen werden. Der Antragsteller könne sich auch nicht auf die Kenntnis des Finanzamts A berufen. Bei einer unterschiedlichen Zuständigkeit der Finanzämter für verschiedene Steuerarten sei eine Wissenszurechnung ausgeschlossen (Hinweis auf Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 5. Juni 2002, 17 U 146/01).

Im Übrigen könne auch nicht auf eine mögliche Anfechtung nach §§ 130, 131 InsO abgestellt werden. Gemäß dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 1. Dezember 2005 (2 K 174/04) stehe einer Inanspruchnahme des GmbH-Geschäftsführers für Steuerschulden der GmbH die mögliche Anfechtbarkeit der Zahlung, deren Unterbleiben dem Geschäftsführer zum Vorwurf gemacht werde, nicht entgegen.

Schließlich habe der Antragsteller auch nicht nachgewiesen, dass die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte begründen würde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der beigezogenen Akten (1 Band Haftungsakten) ergänzend Bezug genommen.

Gründe

II. Der Antrag ist unbegründet.

Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Bescheides auf Antrag ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 FGO liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. BFH BStBl II 1968, 540; 1987, 327, 328; 1993, 263; Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 1996, 795, 796). Da das Aussetzungsverfahren wegen seiner Eilbedürftigkeit und seines vorläufigen Charakters ein summarisches Verfahren ist, beschränkt sich die Überprüfung des Prozessstoffes auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen (insbesondere die Akten der Finanzbehörde) sowie auf die präsenten Beweismittel. Weitergehende Sachverhaltsermittlungen durch das Gericht sind nicht erforderlich (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH/NV 1995, 116 ). Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen. Glaubhaftmachung ist eine Beweisführung, die dem Richter nicht die volle Überzeugung, sondern nur einen geringeren Grad von Wahrscheinlichkeit vermitteln soll. Die im Hauptsacheverfahren geltenden Regeln zur Feststellungslast gelten auch für das Aussetzungsverfahren (vgl. Gräber/Koch, Kommentar zur FGO, 5. Aufl. 2002, § 69 Rz. 121 m.w.N.). Die Tat- und Rechtsfragen brauchen nicht abschließend geprüft zu werden. Bei der notwendigen Abwägung der im Einzelfall entscheidungsrelevanten Umstände und Gründe sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Irgendeine vage Erfolgsaussicht genügt jedoch nicht. Andererseits ist nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechenden Gründe überwiegen (BFH/NV 1990, 279, 280; 670 m.w.N.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze bestehen nach der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheides. Das Finanzamt hat den Antragsteller zu Recht für die nicht abgeführten Steuern und steuerlichen Nebenleistungen in Haftung genommen.

Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann derjenige, der kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner) durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Nach § 69 Satz 1 AO haften die in den §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Der Antragsteller gehört zu den in § 34 Abs. 1 AO aufgeführten Personen, wie sich aus § 35 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) ergibt, wonach der Geschäftsführer einer GmbH die Pflichten zu erfüllen hat, die der GmbH als Arbeitgeberin am Lohnsteuerabzug obliegen und die sich in steuerlicher Hinsicht aus § 38 Abs. 3, § 41 a Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ergeben. Der Geschäftsführer hat also dafür Sorge zu tragen, dass bei jeder Lohnzahlung der GmbH die gesetzlich festgelegte LSt einbehalten und innerhalb bestimmter Fristen an das Finanzamt abgeführt wird. Die Haftung ist im Umfang auf den Betrag beschränkt, der in Folge der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung nicht entrichtet wurde, und hat damit Schadensersatzcharakter (BFH-Urteil vom 11. Juni 1996, I B 60/95, BFH/NV 1997, 7). Die Haftung tritt nur ein, wenn feststeht, dass der im Gesetz bezeichnete Haftungsschaden ohne die Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre (BFH-Urteil vom 17. November 1992, VII R 13/92, BStBl II 1993, 471) und soweit die Pflichtverletzung allgemein oder erfahrungsgemäß erkennbar geeignet war, den Steuerausfall zu verursachen.

Die X Baugesellschaft mbH war als Arbeitgeberin nach § 41 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG verpflichtet, die LSt einschließlich der nach der LSt bemessenen Abgaben (Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer; vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3 des Solidaritätszuschlagsgesetzes, § 8 des Kirchensteuergesetzes Schleswig-Holstein) rechtzeitig anzumelden und abzuführen. Mangels eigener Handlungsfähigkeit der GmbH als juristischer Person hatte der Antragsteller als ihr gesetzlicher Vertreter gemäß § 34 AO für die Erfüllung dieser Pflichten Sorge zu tragen.

Dieser Pflicht zur Abführung der einzubehaltenden LSt einschließlich der Nebenabgaben ist der Antragsteller für den Monat Januar 2005 (vgl. zuletzt geänderter Haftungsbescheid gemäß Schreiben des Finanzamts vom 10. April 2006 nebst Rückstandsaufstellung) nicht bzw. nicht vollständig in zumindest grob fahrlässiger Weise nachgekommen.

Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und im Stande war, in ungewöhnlich hohem Maße außer acht lässt (BFH-Urteil vom 21. Februar 1989, VII R 165/85, BStBl II 1989, 491) und insbesondere unbeachtet lässt, was in dem gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.

Es bestehen für den Senat keine Zweifel, dass das Finanzamt diese Grundsätze bei Erlass des Haftungsbescheides beachtet hat. Der Antragsteller hat seine Pflichten als Geschäftsführer der die Steuer schuldenden GmbH schuldhaft (zumindest grob fahrlässig) nicht ordnungsgemäß erfüllt. Dem Antragsteller waren die für das Verschulden maßgebenden tatsächlichen Umstände bekannt, insbesondere die Pflicht zur Abführung der Steuern zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten bis zum 10. Tag nach Ablauf des jeweiligen Anmeldungszeitraumes (hier: Kalendermonat). Der gesetzliche Vertreter darf, wenn in Folge eines Liquiditätsengpasses die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung der vollen vereinbarten Löhne (einschließlich LSt-Anteil) nicht ausreichen, die Löhne nur gekürzt als Vorschuss oder Teilbetrag auszahlen, so dass er aus den dann übrig bleibenden Mitteln die entsprechende LSt an das Betriebsstättenfinanzamt abführen kann. Indem der Antragsteller die Abzugsbeträge offenbar im Vertrauen auf eine später möglich werdende Tilgung nicht an den Antragsgegner abgeführt hat, ist er bewusst das Risiko der Haftung eingegangen, so dass die Nichtrealisierung seiner Erwartungen in seiner Risikosphäre liegt (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1993, VII R 67/92, BFH/NV 1994, 142 m.w.N.; BFH-Urteil vom 20. Januar 1998, VII R 80/97, BFH/NV 1998, 814).

Der Antragsteller kann sich demgegenüber im Rahmen dieses summarischen Verfahrens nicht mit Erfolg auf den BFH-Beschluss vom 11. August 2005 (VI B 244/04, BStBl II 2006, 201) berufen. Zwar hat der BFH in diesem Beschluss das Vorliegen der Voraussetzungen einer AdV eines Haftungsbescheides insoweit bejaht, als die hypothetische Anfechtung nach § 130 InsO von LSt-Zahlungen für den Zeitraum der letzten drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgreich gewesen wäre.

Dem liegt zu Grunde, dass die Erfüllung des Haftungstatbestandes des § 69 AO neben einer schuldhaften Pflichtverletzung auch das Bestehen eines haftungsbegründenden ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Fehlverhalten des Vertreters und dem Eintritt des Steuerausfalls als Vermögensschaden erfordert (BFH-Urteil vom 5. März 1991, VII R 93/88, BStBl II 1991, 678 m.w.N.). An dem aufgrund des Schadensersatzcharakters der Haftungsnorm zu fordernden Kausalzusammenhang fehlt es, wenn der Steuerausfall auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Haftungsschuldners nicht zu vermeiden gewesen wäre. So kann ein vom Verhalten des Vertreters unabhängiger Anspruch auf Rückgewähr des vom Finanzamt erlangten Steuerbetrages dazu führen, dass der Steuerausfall auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Haftungsschuldners nicht hätte verhindert werden können. Sofern die Anfechtungsvoraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfüllt sind, steht ein solcher Anspruch dem Insolvenzverwalter nach § 129 Abs. 1 InsO zu.

Da andererseits in der Rechtsprechung des BFH bisher nicht eindeutig geklärt ist, ob und in welchem Umfang bei der Haftung nach § 69 AO auch lediglich hypothetische Geschehensabläufe Berücksichtigung finden können, sind nach Auffassung des BFH aufgrund der Unsicherheiten in der Beurteilung dieser Rechtsfrage gewichtige Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines derartigen Haftungsbescheides zu bejahen. Auch soweit umstritten ist, ob es sich bei der Abführung der geschuldeten LSt um ein nur unter den Voraussetzungen des § 133 InsO und damit nahezu anfechtungsfestes Bargeschäft im Sinne von § 142 InsO handelt, hält der BFH in dem o.g. Beschluss es im Rahmen des summarischen Verfahrens nicht für geboten, über die Rechtsfrage abschließend zu entscheiden, sondern sieht die Voraussetzungen einer AdV als erfüllt an (BFH-Beschluss vom 11. August 2005, VII B 244/04, a.a.O. unter II 1 b, c, bb).

Diese Rechtsauffassung des BFH, die von dem erkennenden Senat geteilt wird, führt vorliegend jedoch nicht zur Aussetzung des Haftungsbescheides von der Vollziehung.

Denn eine hypothetische Anfechtung nach § 130 InsO der LSt-Zahlung für den streitbefangenen Monat Januar 2005 wäre nicht erfolgreich gewesen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 1 AO lagen unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des hier zu entscheidenden Einzelfalles entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers nicht vor.

Nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, anfechtbar, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, sofern der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte. Nach § 130 Abs. 2 InsO steht der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. Nach § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO).

Danach wäre vorliegend eine -hypothetische- Anfechtung gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht erfolgreich gewesen. Das Finanzamt hatte im Zeitpunkt der vorzunehmenden Rechtshandlung (§ 140 Abs. 1 InsO), dem 10. Februar 2005 als Zahlungszeitpunkt für die LSt des vorangegangenen Monats Januar 2005, weder positive Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der GmbH, noch waren ihm Umstände bekannt, die auf eine solche hätten zwingend schließen lassen.

Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass er den Antragsgegner über eine - möglicherweise schon einige Zeit vor der Insolvenzantragstellung eingetretene - Zahlungsunfähigkeit der GmbH informiert habe. Dem dürfte auch entgegenstehen, dass der Antragsteller noch mit Schreiben seines steuerlichen Beraters vom 20. April 2005 dem Antragsgegner lediglich hat mitteilen lassen, dass "bereits im Februar ... die Liquidität der X Baugesellschaft mbH sehr angespannt (war)". Auch aus den Akten ergibt sich kein Grund für die Annahme, der Antragsgegner habe im Zeitpunkt des Zahlungstermins für die LSt Januar 2005 den Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit der GmbH gekannt.

Dem Antragsgegner waren aber auch nicht derartige Umstände bekannt, die auf eine Zahlungsunfähigkeit hätten zwingend schließen lassen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist es für die Kenntnis der Zahlungseinstellung und somit der Zahlungsunfähigkeit ausreichend, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen und dem Verhalten des Schuldners bei natürlicher Betrachtungsweise den zutreffenden Schluss zieht, dass der Schuldner etwa im Zeitraum des nächsten Monats wesentliche Teile der eingeforderten Verbindlichkeiten nicht wird tilgen können (BGH-Urteile vom 27. April 1995, IX ZR 147/94, ZIP 1995, 929 und vom 3. Dezember 1998, IX ZR 313/97, ZIP 1999, 76). Hinsichtlich einer Kenntnis des Finanzamts von Umständen im Sinne von § 131 Abs. 2 InsO hat der BGH geurteilt, dass in der Regel eine solche anzunehmen sei, wenn der seit mehreren Monaten säumige Steuerschuldner lediglich eine Teilzahlung leiste und keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass er in Zukunft die fälligen Forderungen alsbald erfüllen werde (Urteil des BGH vom 9. Januar 2003, IX ZR 175/02, Betriebsberater 2003, 546).

Derartige Kenntnisse lagen dem Antragsgegner nicht vor. Allein aus der Tatsache, dass die GmbH seit rund einem Jahr die LSt verspätet entrichtet hatte, musste der Antragsgegner nicht auf die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft schließen. Denn weder lag insoweit eine Zahlungseinstellung vor, noch musste der Antragsgegner im Zeitpunkt der zu entrichtenden LSt für Januar 2005 angesichts dessen, dass für die zurückliegenden Monate die LSt, wenn auch verspätet, ganz überwiegend entrichtet worden war, davon ausgehen, dass die LSt für Januar 2005 demgegenüber in einem überschaubaren Zeitraum nicht gezahlt würde. Auch wenn, wie der Antragsteller darlegt, die (zunächst rückständigen) Beträge ersichtlich angestiegen seien, musste der Antragsgegner aufgrund der jeweils erfolgten verspäteten Zahlung gerade nicht den Schluss ziehen, dass die GmbH wesentliche Teile der LSt für Januar 2005 dauerhaft nicht mehr werde zahlen können.

Der Antragsteller kann sich auch nicht mit Erfolg auf den Rückstand bei der USt sowie seine Stundungsanträge aus den Monaten November 2004 und Januar 2005 gegenüber dem insoweit zuständigen Finanzamt A berufen.

Fraglich ist bereits, ob aus diesen Umständen zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der GmbH geschlossen werden muss. Dagegen könnte sprechen, dass die GmbH die Bezahlung der rückständigen USt seit Mitte Januar 2005 aufgenommen hatte und bis zu dem Zeitpunkt, in dem die LSt für den Monat Januar 2005 an das Finanzamt abzuführen war (10. Februar 2005), rund 178.500 EUR (USt für die Monate Juli, August und Teilzahlung September 2004) an das Finanzamt A entrichtet hatte.

Andererseits ist zu berücksichtigen, dass eine einmal eingetretene Zahlungseinstellung fortwirkt und nur durch die Aufnahme der Zahlungen im Allgemeinen, d.h. an die Gesamtheit der Gläubiger, wieder beseitigt werden kann (BGH-Urteil vom 25. Oktober 2002, IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100, 109). Die Nichtzahlung gegenüber einem einzigen Gläubiger kann für eine Zahlungseinstellung ausreichen, wenn dessen Forderung von erheblicher Höhe ist, was vorliegend angesichts der USt-Rückstände für vier Monate (Juli bis Oktober 2004) in Höhe von insgesamt rund 271.000 EUR zu bejahen sein dürfte. Auch schließt es die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht aus, dass er noch einzelne - sogar beträchtliche - Zahlungen erbringt (BGH-Urteil vom 20. November 2001, IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 188).

Ob bei Anwendung dieser Grundsätze unter natürlicher Betrachtungsweise vorliegend zwingend auf eine - bereits eingetretene und am 10. Februar 2005 noch fortbestehende - Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft geschlossen werden muss, bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Der Senat kann die Frage dahin stehen lassen. Denn jedenfalls muss sich der Antragsgegner das Wissen des Finanzamtes A entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers nicht zurechnen lassen.

Zwar ist in einer arbeitsteiligen Unternehmensorganisation das Wissen der Vertreter oder Wissensvertreter grundsätzlich zusammenzurechnen, wenn eine Pflicht zur Organisation des Informationsaustausches besteht. Denn es kann aus Gründen des Verkehrsschutzes z.B. geboten sein, dass einer Gemeinde das ihr einmal vermittelte Wissen zuzurechnen ist, wenn es sich um "typischerweise aktenmäßig festgehaltenes Wissen" handelt (vgl. BGH-Urteil vom 2. Februar 1996, V ZR 239/94, NJW 1996, 1339, 1340). Bei der arbeitsteiligen Erledigung von Aufgaben einer juristischen Person kann der "Kunde" grundsätzlich davon ausgehen, dass deren Repräsentanten das einmal vorhandene Aktenwissen nutzen können. Dies schließt auch die Verpflichtung ein, seine Verfügbarkeit zu organisieren. Diese Grundsätze können indes nur auf eine Organisationseinheit Anwendung finden. Es hieße, die Anforderungen an die Organisation des Wissens zu überspannen, wollte man das Wissen der einen Behörde einer anderen Behörde, die beide demselben Ministerium nachgeordnet sind, zurechnen (Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 5. Juni 2002, 17 U 146/01, OLGR Frankfurt 2003, 178).

Es kann von einem Finanzamt nicht verlangt werden, jede - größere - Nichtzahlung eines Steuerpflichtigen bei Fälligkeit, jeden späteren Zahlungseingang, jeden Stundungsantrag und Vollstreckungsaufschub und jede Vollstreckungsmaßnahme nebst Ergebnis sowie ggfs. weitere Kenntnisse über die Liquiditätslage eines Steuerpflichtigen im Hinblick auf § 140 InsO einzeln und zeitnah einem anderen Finanzamt mitzuteilen, zumal die Kenntnis der einzelnen Umstände bei verschiedenen Dienststellen (Veranlagung, USt-Voranmeldestelle, Kasse, Vollstreckungsstelle) entsteht. Gegen eine Informationsweiterleitungspflicht spricht darüber hinaus, dass die Relevanz der verschiedenartigen Daten für andere Personen außerhalb des Amtes - nämlich in einem anderen Finanzamt - für die konkret Wissenden nicht bzw. nicht ohne weiteres erkennbar ist.

Mag insoweit im Einzelfall die Wissenszurechnung innerhalb eines Amtes analog § 166 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gerechtfertigt sein (vgl. BGH-Urteil vom 18. Januar 1994, VI ZR 190/93, NJW 1994, 1150).

Für einen ämterübergreifenden Informationsaustausch besteht demgegenüber jedenfalls in Fällen der hier zu beurteilenden Art weder eine Pflicht, noch zum Schutz des Steuerpflichtigen eine Notwendigkeit (vgl. im Ergebnis ebenso: BGH-Urteil vom 24. Januar 1992, V ZR 262/90, NJW 1992, 1099; offen gelassen bei zwei Filialen einer Großbank: BGH-Urteil vom 1. Juni 1989, III ZR 277/87, NJW 1989, 2881). Dem Antragsteller als Vertreter der steuerpflichtigen GmbH war es angesichts seiner Wissensnähe und des bei ihm als Geschäftsführer zusammenfließenden Wissens sowohl möglich als auch zumutbar, die notwendigen Informationen (auch) dem für die LSt zuständigen Finanzamt mitzuteilen, will er sich später auf die Anfechtungsvorschriften des § 130 InsO berufen, zumal für den Antragsteller die unterschiedliche Zuständigkeit der Ämter erkennbar war und die Ämter auch nicht im Sinne einer Einheit ("die" Finanzverwaltung) aufgetreten waren.

Im Übrigen bestand für den Antragsgegner im Zeitpunkt der fälligen aber nicht entrichteten LSt für den Monat Januar 2005 auch kein Anlass, von sich aus Erkundigungen bei dem Finanzamt A einzuholen. Besondere Gründe, die zu diesem Zeitpunkt einen Informationsaustausch aus der Sicht des Antragsgegners nahe gelegt hätten, sind nicht erkennbar.

Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides im Hinblick auf die Höhe der Inanspruchnahme des Antragstellers bestehen ebenfalls nicht. Die Orientierung der Haftungssumme an den ausgezahlten Löhnen, auch bei Liquiditätsschwierigkeiten der Gesellschaft, rechtfertigt sich nach Auffassung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, daraus, dass die abzuführende LSt Teil des geschuldeten Bruttoarbeitslohnes ist, den der Arbeitgeber treuhänderisch für den Arbeitnehmer und den Steuergläubiger einzuziehen hat (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1982, VII 96/79, BStBl II 1982, 521). Im Grunde handelt es sich bei den LSt-Abzugsbeträgen um Fremdgelder, die die Liquidität der von dem Geschäftsführer vertretenen GmbH nicht berühren und deshalb zur Abführung an das Finanzamt bereitzuhalten sind (BFH-Urteil vom 1. August 2000, VII R 110/99, BStBl II 2001, 271).

Der Antragsteller hat auch nicht das Vorliegen der Voraussetzungen für eine so genannte quotale Haftung entsprechend den für die USt entwickelten Grundsätzen dargelegt. Diese Haftungsbeschränkung kommt nach Auffassung des BFH nur in Ausnahmefällen und nur im Rahmen eines längeren Haftungszeitraums allenfalls für den oder die letzten LSt-Anmeldungszeiträume in Betracht. Denn sie setzt voraus, dass dem Geschäftsführer ab dem Zeitpunkt der letzten Lohnzahlung nur Mittel in Höhe der ausbezahlten Nettolöhne zur Verfügung standen, d.h. gerade noch die Nettolöhne in voller Höhe ausbezahlt werden konnten, sonst aber keine Zahlungsmittel mehr vorhanden waren. Für diesen außergewöhnlichen Sachverhalt trägt der Haftungsschuldner nach den Grundsätzen über die Beweislast im Steuerprozess (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juli 1983, VII R 43/80, BStBl II 1983, 760) die objektive Beweislast (Feststellungslast). Der Antragsteller hat das Vorliegen einer derartigen Situation weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht oder durch präsente Beweismittel nachgewiesen. Dem dürfte im Übrigen auch entgegenstehen, dass die GmbH noch nach dem 10. Februar 2005 nicht unerhebliche USt in Höhe von 35.000 EUR an das Finanzamt A abgeführt hat.

Der Senat hat auch keine Zweifel, dass eine Haftung des Antragstellers für die festgesetzten Säumniszuschläge dem Grunde und der Höhe nach gegeben ist.

Gemäß § 69 Satz 2 AO umfasst die Haftung auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge. Die vom Finanzamt festgesetzten Säumniszuschläge für die Monate Dezember 2004, Januar und Februar 2005 sind dadurch entstanden, dass der Antragsteller die von der GmbH angemeldete und abzuführende LSt verspätet bzw. nicht entrichtet hat.

Auch die Höhe der Säumniszuschläge begegnet keinen Bedenken. Das Finanzamt hat offenbar dem Grundsatz Rechnung getragen, dass aufgrund der Akzessorietät von Steuer- und Haftungsschuld ein zu gewährender - ggfs. (noch) nicht ausgesprochener - Erlass von Säumniszuschlägen gegenüber dem Steuerschuldner auch dem Haftungsschuldner zugute kommen muss. Die Erhebung von Säumniszuschlägen ist insofern sachlich unbillig und rechtfertigt in der Regel einen hälftigen Erlass, als Säumniszuschläge ihren Zweck, als Druckmittel zur pünktlichen Steuerzahlung zu dienen, wegen Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit des Steuerpflichtigen verloren haben. Eine Heranziehung des Haftungsschuldners gemäß § 69, § 191 Abs. 1 AO für Säumniszuschläge, die ab dem Eintritt der nachweislichen Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners entstanden sind, ist daher grundsätzlich nur in hälftiger Höhe der gesetzlich festgelegten Säumniszuschläge gemäß § 240 AO, d.h. nur in Höhe von 0,5 von Hundert je angefangenen Monat der Säumnis, zulässig (vgl. BFH-Urteil vom 19. Dezember 2000, VII R 63/99, BStBl II 2001, 217). Dies hat der Antragsgegner, bezogen auf den Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung, in dem Haftungsbescheid berücksichtigt.

Nach Aktenlage ist die Inanspruchnahme des Antragstellers auch nicht ermessensfehlerhaft. Soweit die Behörden ermächtigt sind, nach ihrem Ermessen zu entscheiden, hat sich die gerichtliche Überprüfung darauf zu beschränken, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 102 FGO).

Das ist hier nicht der Fall. Die Ermessenserwägungen des Antragsgegners lassen keinen Fehler erkennen. Der Antragsgegner hat das ihm zustehende Entschließungsermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Er hat sich dabei ersichtlich von seiner Verpflichtung aus § 85 AO leiten lassen. Nach dieser Vorschrift sind die Finanzbehörden im öffentlichen Interesse verpflichtet, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Der Antragsgegner war daher gehalten, die offene Abgabenschuld in geeigneter Weise beizutreiben. Entsprechende Maßnahmen gegen die GmbH waren jedoch erfolglos verlaufen.

Auch das Auswahlermessen ist rechtmäßig ausgeübt worden. Der Antragsteller war Alleingeschäftsführer, weitere potenzielle Haftungsschuldner existieren nicht. Das Finanzamt ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Inanspruchnahme der Arbeitnehmer gemäß § 42 d Abs. 3 Satz 4 EStG schon deshalb ausscheidet, weil diese nach Lage der Dinge keine Kenntnis von der Pflichtverletzung des Antragstellers hatten.

Der Antragsteller hat schließlich auch nicht schlüssig dargelegt, dass die Vollziehung des angefochtenen Haftungsbescheides für ihn eine unbillige Härte im Sinne des § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO bedeutet. Weder aus dem Vortrag des Antragstellers noch aus dem Akteninhalt lassen sich konkrete Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass dem Antragsteller durch die Vollziehung nicht oder nur schwer wieder gutzumachende wirtschaftliche Nachteile drohen oder dass die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führe (vgl. Gräber/Koch, FGO, 6. Aufl. 2006, § 69 Rz. 105 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Beschwerde war im Hinblick auf die Frage der ämterübergreifenden Wissenszurechnung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß den §§ 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.