Schleswig-Holsteinisches VG, Urteil vom 03.11.2009 - 7 A 123/08
Fundstelle
openJur 2011, 93008
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Die Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Erstattung von Aufwendungen der Sozialhilfe nach SGB XII gemäß dem AG-BSHG (Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz).

Mit Schreiben vom 14.09.2007 reichte die Klägerin die Jahresabrechnung über die zu Lasten des Landes in der Sozialhilfe entstandenen Aufwendungen nach dem SGB XII etc. für das Kalenderjahr 2006 bei dem Beklagten ein. Mit Bescheid vom 17.09.2007 erging ein entsprechender Jahresabrechnungsbescheid für das Kalenderjahr 2006 dem Hinweis zu „Ziffer 3.1 und 3.2 (Erstattungsbetrag): nicht erstattet werden ihnen die Aufwendungen der Hilfen an Personen über 60 Jahre innerhalb von Einrichtungen für ambulante und stationäre Hilfen zur Gesundheit einschließlich der Erstattung an Krankenkassen nach § 264 Abs. 7 SGB V soweit sie nicht im Zusammenhang mit stationärer Eingliederungshilfe oder der stationären Hilfe zur Pflege entstehen, die Hilfen zum Lebensunterhalt, Weihnachtsbeihilfenbeihilfen örtlicher Träger.“

Die Jahresabrechnung wurde nach schriftsätzlicher Erörterung verschiedenster Probleme der Statistik und Ausweisung der Beträge von der Klägerin mit Schreiben vom 25.08.2008 ergänzt und enthielt unter den Positionen 3.3, 3.4 und 3.5 entsprechende Erstattungsbeträge. Mit Bescheid vom 11.09.2008 wurde die berichtigte Jahresabrechnung für das Jahr 2007 beschieden und es wurde der Hinweis erteilt, dass die für das Kalenderjahr 2006 entstandenen Aufwendungen für Hilfen an Leistungsberechtigte über 60 Jahre innerhalb von Einrichtungen, nämlich die Hilfe zum Lebensunterhalt, die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und die Weihnachtsbeihilfen (örtliche Träger) nicht erstattet werden.

Am 28.11.2008 schloss die Landesregierung mit den kommunalen Landesverbänden (KLV) eine Vereinbarung in der es um verschiedene Gesichtspunkte der Kostentragung im Verhältnis zwischen Land und Kommunen, insbesondere auch den Kreisen und kreisfreien Städten, ging. Dabei verpflichtete sich das Land im Bereich AG-SGB XII zusätzlich für die Forderungen im Zusammenhang mit den Abrechnungen im sozialen Bereich den Kreisen und kreisfreien Städte für die Jahre 2007 und 2008 weitere 10 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Demgegenüber verpflichteten sich die Kommunen, dass die KLV dafür Sorge tragen werden, dass alle Klagen im Zusammenhang mit den Abrechnungen der Annexkosten 2006 zurückgenommen werden.

Bereits zuvor hat die Klägerin am 18.09.2008 Klage erhoben.

Zur Begründung der Klage beruft sich die Klägerin darauf, dass ihr ein Kostenersatz für erbrachte Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII für das Jahr 2006 gemäß § 6 a AG-BSHG (vom 21.01.1985 in der Fassung des Art. 9 des Gesetzes vom 15.12.2005, GVOBl. S. 568, gültig bis 31.12.2006) zustehe.

Sie erbringe als örtlicher Träger Leistungen der Sozialhilfe. Gemäß der Bestimmung des § 3 a AG-BSHG sei ihr durch das Land abweichend von § 100 Abs. 1 BSHG auch die Zuständigkeit für die Eingliederungshilfe für über 60-jährige in Einrichtungen übertragen worden (gültig bis 31.12.2006). Während bis zum 31.12.2005 § 6 a AG-BSHG bestimmt habe, das sämtliche Sozialhilfekosten zwischen überörtlichen und örtlichen Träger im Verhältnis 39 % zu 61 % aufgeteilt werden, habe das beklagte Land durch die Neufassung des § 6 a BSHG ab dem 01.01.2006 den örtlichen Träger nur noch die Nettoaufwendungen der Leistung der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege an Personen über 60 Jahre in Einrichtungen zu erstatten.

Die Klägerin habe gemäß § 6 a AG-BSHG einen Anspruch auf Erstattung auch der geltend gemachten sogenannten Annexkosten. Dieser Anspruch ergebe sich aus § 6 a AG-BSHG iVm Artikel 49 Abs. 2 Satz 2 Landesverfassung. Eine solche verfassungskonforme Auslegung von § 6 a AG-BSHG sei geboten, da der Gesetzgeber entgegen seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung eine ungenügende Umsetzung dieser Verpflichtung in § 6 a AG-BSHG geschaffen habe.

Gemäß § 100 Abs. 1 BSHG, der gemäß Artikel 68 Abs. 2 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch bis zum 31.12.2006 in Kraft geblieben sei, sei für die Eingliederungshilfe für über 60-jährige in Einrichtungen eigentlich der überörtliche Träger, mithin das Land zuständig. Durch § 3 a AG-BSHG habe das Land diese Aufgabe auf die örtlichen Sozialhilfeträger übertragen. Zu der durch diese Aufgabenübertragung verursachten Mehrbelastung zählten auch die vom beklagten Land verweigerten sogenannten Annexkosten, die gemäß dem Gesamtfallgrundsatz des § 97 Abs. 4 SGB XII nun ebenfalls dem örtlichen Träger zur Last fielen, was ohne die landesrechtliche Regelung des § 3 a AG-BSHG nicht der Fall wäre. Demnach seien auch die aufgewandten Kosten für die Leistung der Grundsicherung für über 60-jährige in Einrichtungen (§ 41 ff. SGB XII), die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für über 60-jährige in Einrichtungen (§ 35 SGB XII) sowie die gezahlten Weihnachtsbeihilfen für über 60-jährige in Einrichtungen (§ 133 b SGB XII) zu ersetzten. Die Regelung des AG-BSHG sei im Lichte des § 97 Abs. 4 SGB XII zu sehen, wonach die sachliche Zuständigkeit für eine stationäre Leistung auch die sachliche Zuständigkeit für Leistungen erfasse, die gleichzeitig nach anderen Kapiteln des SGB XII zu erbringen seien.

Mit Beschluss der Ratsversammlung der Stadt N. vom 19.05.2009 habe die Ratsversammlung eine Zustimmung zum Vergleich abgelehnt. Sie sei durch die abgeschlossene Vereinbarung keineswegs unmittelbar verpflichtet. Die maßgeblichen Satzungen der kommunalen Landesverbände enthielten keine entsprechende Vertretungsbefugnis. Über die Frage, ob auf die entsprechenden, bereits rechtshängig gemachten Ansprüche verzichtet werden solle, müsse gemäß § 28 Nr. 11 GO iVm § 12 b der Hauptsatzung der Klägerin die Ratsversammlung entscheiden, da der Oberbürgermeister selbst nur auf Ansprüche der Stadt bis zu einer Höhe von 125.000 Euro verzichten dürfe. Die Selbstverwaltung habe beabsichtigt, sich zunächst am 17.02.2009 mit dieser Frage zu beschäftigen. Da kurz vor der Sitzung der Staatssekretär des Beklagten, Herr Dr. K., mit einigen Fraktionsvorsitzenden der Fraktionen der N. Ratsversammlung in Verbindung getreten sei und ein Gesprächsangebot unterbreitet habe, sei die Entscheidung vertagt worden.

Auch in der Entgegennahme der Zahlung in Höhe von 450.275,20 Euro habe keine Willenserklärung der Stadt gelegen, der Vereinbarung zuzustimmen. Zudem sei die ausgezahlte Summe mit einer Abschlagzahlung für Juli 2009 verrechnet worden, so dass der Betrag der Klägerin tatsächlich nicht zugeflossen sei.

Die für die kreisfreien Städte und Kreise verhandelnden Herren Bürgermeister S. und Landrat T. seien nicht für die Klägerin vertretungsbefugt gewesen. Das ergäbe sich bereits auch aus dem Wortlaut der Vereinbarung: „daraufhin wirken“. Auch liege keine Duldungs- bzw. Anscheinsvollmacht vor. Bekanntermaßen seien die Regeln der Rechtsscheinsvollmacht auf juristische Personen des öffentlichen Rechts nur eingeschränkt anwendbar. Gemäß § 64 Abs. 2 GO bedürften Erklärungen, durch die die Stadt verpflichtet werden solle, der Schriftform und seien von dem Bürgermeister handschriftlich zu unterzeichnen.

Es sei zwar zutreffend, dass die Aufgabendifferenz, die Voraussetzung des verfassungsrechtlichen Konnexitätsanspruches sei, hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt für über 60-jährige in Einrichtungen nicht erst im Jahre 2006 eingetreten sei, sondern bereits im Jahre 1985. Darauf komme es im Ergebnis aber nicht an. Entscheidend sei, dass der Beklagte der Klägerin durch ein Landesgesetz Aufgaben übertragen habe, für die er bundesgesetzlich selbst zuständig wäre. Wenn er dies einmal getan habe, sei er gemäß Artikel 49 Abs. 2 Satz 2 Landesverfassung auch für die Zukunft verpflichtet, für einen entsprechenden vollständigen finanziellen Ausgleich, der durch diese Aufgabenübertragung verursacht worden sei, zu sorgen. Im quotalen System seien sämtliche Sozialhilfekosten – bis auf die Kosten de Grundsicherung - mithin auch die Hilfe zum Lebensunterhalt für über 60-jährige in Einrichtungen enthalten gewesen. Der Beklagte habe gegen ihre Verpflichtung aus Artikel 49 Landesverfassung verstoßen, in dem sie durch das am 01.01.2006 in Kraft getretene Gesetz in § 6 a AG-BSHG bislang erstattete Kosten von der Erstattung nun ausgenommen habe. Eine Verpflichtung zu Mehrlastenausgleich bestehe nämlich nicht nur für den Zeitraum der Aufgabenübertragung selbst oder einem mehr oder weniger eng umgrenzten Zeitraum nach der Übertragung, sondern für die Gesamtzeit, während der die Gemeinde in Folge der Übertragung die Aufgaben erfüllten. (so Landesverfassungsgericht Brandenburg, Urteil vom 14.02.2002 – VFGBbG 17/01).

Hinsichtlich der Grundsicherung sei anzumerken, dass es diese erst ab dem 01.01.2003 gebe. Durch das Gesetz über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sei die Klägerin bundesgesetzlich für die Grundsicherung zuständig. Ab dem 01.01.2005 habe diese Zuständigkeit wegen des Inkrafttretens des SGB XII jedoch nicht mehr auf Bundesgesetz, sondern nunmehr auf Landesgesetz beruht (so auch Landesverfassungsgericht Brandenburg, Urteil vom 28.07.2008 – VfGBbG 76/05).

Der Beklagte widerspreche sich bei der Umsetzung seiner eigenen Argumentation übrigens selbst, da zuvor die Kosten der Hilfe zur Gesundheit für über 60-jährige in Einrichtungen den Kommunen von dem Beklagten bereits vor dem 01.01.2006 übertragen worden seien, diese Kosten jedoch von dem Beklagten weiterhin anstandslos übernommen würden, obwohl diesbezüglich die Rechtslage identisch sei.

Die Klägerin habe auch zureichend zur Mehrbelastung vorgetragen. Diese Mehrbelastung resultiere allein daraus, dass die jetzt geltend gemachten Kosten vor der Änderung der Rechtslage durch das Land im quotalen System enthalten gewesen seien, die sie jedoch vom Land aus der Kostenerstattung nun heraus genommen worden sein.

Die Klägerin beantragt,

das beklagte Land unter Abänderung des Abrechnungsbescheides vom 17.09.2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11.09.2008 zu verurteilen, der Klägerin folgende Aufwendungen für Sozialhilfeleistungen für das Jahr 2006 zu erstatten:

1. Grundsicherung für über 60-jährige in Einrichtungen 413.268 Euro 2. Hilfe zum Lebensunterhalt für über 60-jährige in Einrichtungen 678.945 Euro 3. Weihnachtsbeihilfen für über 60-jährige in Einrichtungen 11.664 Euro Gesamt: 1.103.877 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung beruft sich der Beklagte darauf, dass die vier kreisfreien Städte und die Kreise des Landes vertreten durch ihre kommunalen Landesverbände (KLV) in der Vereinbarung vom 28.11.2008 über eine Reihe von Fragen verständigt hätten, die zwischen den Beteiligten streitig gewesen seien. Dazu hätten auch die Kostenausgleichsforderungen der Kommunen gehört. Die kreisfreien Städte – mit Ausnahme der Klägerin – und alle Kreise hätten daraufhin ihre Klagen im Zusammenhang mit den Abrechnungen der Annexkosten 2006 zurückgenommen oder in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Auch die Klägerin habe ihren Anteil aus der Summe in Höhe von 450.275,20 Euro erhalten. Die KLV handelten bei dem Abschluss der Vereinbarung im Rahmen ihrer satzungsgemäßen Aufgaben als Vertreter ihrer Mitglieder. Sollte die Klägerin treuwidrig einwenden wollen, dass sie nicht vertreten worden sei, so müsse sie jedenfalls gegen sich gelten lassen, dass sie die Zahlung des oben genannten Betrages aus der Vereinbarung widerspruchslos und ohne Vorbehalte entgegen genommen habe. Die Durchführung der Vereinbarung mit 11 Kreisen und drei kreisfreien Städten sei einvernehmlich und streitfrei erfolgt. Unter diesen Umständen müsse angenommen werden, dass auch die Klägerin unmittelbar an die Vereinbarung gebunden sei, dass heißt zur Klagrücknahme verpflichtet sei.

Hilfsweise müsse die Klägerin gegen sich gelten lassen, dass die Herren Bürgermeister S. und Landrat T. als ihre Vertreter aufgetreten seien und die Klägerin müsse sich dieses Verhalten nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht zurechnen lassen.

Mit Bewilligungsschreiben vom 12.12.2008 und Kassenanweisung vom gleichen Tage seien die aus der Vereinbarung auf die Klägerin entfallenen Beträge zur Auszahlung gelangt und noch im Rechnungsjahr 2008 auf dem Konto der Klägerin eingegangen. Wenn die Klägerin sich nicht an der Vereinbarung vom 28.11.2008 habe beteiligt sehen wollen, hätte sie binnen angemessener Frist den empfangenen Betrag an die Beklagte zurück überweisen oder der Überweisung in anderer Form eindeutig widersprechen müssen. Die Klägerin habe daher durch schlüssiges Handeln der Vereinbarung zugestimmt.

Der Anspruch der Klägerin ergebe sich nicht aus § 6 a AG-BSHG. Erstattungsbeträge für die Grundsicherung für über 60-jährige in Einrichtungen, für Hilfe zum Lebensunterhalt für über 60-jährige in Einrichtungen und für die Weihnachtsbeihilfen für über 60-jährige in Einrichtungen würden von § 6 a AG-BSHG nicht erfasst. Eine verfassungskonforme Auslegung könne zwar nicht notwendig an der Wortlautgrenze enden, ebenso sei eine Rechtsfortbildung über das Gesetz hinaus auch nicht von vornherein ausgeschlossen. Sie bedürfe jedoch sorgfältiger Begründung. Eine solche sei nicht gegeben. Der Gesetzgeber habe in § 6 a AG-BSHG den Umfang der zur Erstattung berechtigten Tatbestände eindeutig abschließend und erkennbar mit dem Willen der Vollständigkeit geregelt. Angesichts eines nach Wortlaut und Sinn klaren Gesetzes dürfe der normative Gehalt einer Vorschrift nicht durch Auslegung neu bestimmt werden.

Das Konnexitätsprinzip des Artikel 49 Abs. 2 Landesverfassung als materielle Lastenausgleichsregelung sei durch das Gesetz zur Änderung der Landesverfassung vom 20.03.1998 (GVOBl. S. 150) eingeführt worden. Maßgeblich sei deshalb ein Vergleich der Zuständigkeiten vor und nach der vom Gesetzgeber getroffenen Regelung. Es gehe um die Feststellung einer sogenannten Aufgabendifferenz.

Durch Artikel 26 des Haushaltsstrukturgesetzes 1984 vom 22.12.1983 (BGBl. I S. 15/32) sei unter anderem § 100 Abs. 1 SG-BSHG in der Weise geändert worden, dass die sachliche Zuständigkeit der Aufgaben des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe auf die örtlichen Träger übertragen werden konnte. Von dieser Möglichkeit habe der Schleswig-Holsteinische Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Neuordnung der Trägerschaft der Sozialhilfe vom 29.11.1984 (GVOBl. S. 246) Gebrauch gemacht. Danach sollten in Abweichung von § 100 Abs. 1 BSHG die örtlichen Träger auch in den Fällen des § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG, bei Hilfeempfängern die das 60 Lebensjahr vollendet haben und die in Einrichtungen lebten, sachlich zuständig sein. Gleichzeitig habe das Gesetz vom 29.11.1984 in seinem Artikel 4 bestimmt, dass das Finanzausgleichsgesetz geändert und die Verbundmasse des § 5 Abs. 1 FAG angehoben werde. Die Neufassung des Gesetzes zur Ausführung des BSHG vom 21.01.1985 (GVOBl. S. 26) habe alle diese Änderungen umgesetzt.

Mit dem Gesetz zur Änderung des FAG (Finanzausgleichsgesetz) und des Gesetzes zur Ausführung des BSHG vom 12.12.1990 (GVOBl. S. 615) sei die seit 1985 geltende Regelung geändert worden. Artikel 3 des Gesetzes hatte nunmehr das quotale System begründet, das eine gegenseitige Kostenbeteiligung der örtlichen und des überörtlichen Träger der Sozialhilfe an den Kosten der jeweils anderen Ebene für alle Kosten aus Sozialhilfeleistungen vorgesehen habe. Die bestehenden sachlichen Zuständigkeiten seien bei dieser Gelegenheit von dem Gesetz nicht berührt worden. Es sei bei der Regelung der Aufgabenverteilung aus dem Jahre 1984, beginnend ab 01.01.1985, geblieben.

Das Inkrafttreten der sozialen Pflegeversicherung durch das SGB XII zum 01.01.1995 bewirkte ebenfalls keine Veränderung. Es führte allerdings zu Kostenentlastungen sowohl bei den örtlichen als auch bei den überörtlichen Trägern.

Durch das am 01.01.2003 in Kraft getretene Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (BGBl. I S. 1335) sei den Kreisen und kreisfreien Städten die Trägerschaft für die Grundsicherung übertragen worden. Für die über 60-jährigen, um die es vorliegend gehe, seien die Kommunen dagegen schon durch das AG-BSHG seit 1985 zuständig gewesen.

Am 01.01.2005 sei das SGB XII in Kraft getreten. Dieses ersetze die Vorschrift des § 100 Abs. 1 BSHG, der jedoch über den 01.01.2005 bis zum 31.12.2006 fortgegolten habe (Artikel 68 Abs. 2 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB). Das neue SGB XII berühre deshalb für das Jahr 2006 die bestehende Aufgabenverteilung zwischen den örtlichen Trägern und den überörtlichen Trägern nicht. Auch die neue Vorschrift des § 97 Abs. 3 SGB XII mit ihren Regelungen zur sachlichen Zuständigkeit der Träger der Sozialhilfe sei ebenfalls erst zum 01.01.2007 in Kraft getreten.

Im Ergebnis sei somit festzuhalten, dass in den Jahren 1985 bis 2006 bei einem Vergleich der den Kommunen im Bereich der Sozialhilfe übertragenen Aufgaben nach dem Schema vorher-nachher keine Aufgabendifferenz zu erkennen sei. In diesem Zeitraum sei keine Übertragung neuer Aufgaben erfolgt.

Außerdem sei durch die Regelung des Konnexitätsprinzips in Artikel 49 Abs. 2 Satz 2 Landesverfassung kein unmittelbaren Zahlungsanspruch zur Verfügung gestellt worden. Nach ihrem Wortlaut und ihrer Systematik stellten die Bestimmungen über die Konnexität lediglich einen Regelungsauftrag dar. Dem Gesetzgeber stehe in diesem Bereich eine erhebliche Einschätzungsprärogative zu. Er habe einen weiten Gestaltungsspielraum und innerhalb dieses Spielraumes könne und müsse der Gesetzgeber entscheiden, in welcher Form der Ausgleich erfolgen solle.

Auch stehe nunmehr die kommunale Verfassungsbeschwerde nach § 47 Landesverfassungsgerichtsgesetz zur Verfügung. Eine kommunale Verfassungsbeschwerde sei keineswegs subsidiär und erfordere nicht die vorgängige Erschöpfung des fachgerichtlichen Rechtsweges.

Die mit dem Gesetz zur Änderung der Landesverfassung vom 20.03.1998 eingeführte Regelung des Konnexitätsprinzips gelte nicht für bereits vorher übertragene, sondern nur für neue vom Landesgesetzgeber übertragene Aufgaben. Der mit der vorliegenden Klage geltend gemachte Kostenersatz für erbrachte Leistungen der Sozialhilfe für das Jahr 2006 betreffe jedoch in allen dabei angesprochenen Aufgabenbereichen keine neuen Aufgaben in diesem Sinne, sondern nur solche, die den Kreisen schon seit 1985 oder durch den Bundesgesetzgeber übertragen worden seien. Das gelte auch für die Grundsicherung im Alter für Personen über 65 oder jüngere Personen, die dauerhaft erwerbsgemindert seien. Diese erhielten bis zur Einführung der Grundsicherung durch das Bundesgesetz zur Sicherung des Lebensunterhalts Leistungen nach dem BSHG und zwar von den Kreisen. Am 01.01.2003 sei als Artikel 12 des Altersvermögensgesetz vom 26.06.2001 mit der Änderung durch Artikel 1 a des Gesetzes zur Verlängerung von Übergangsregelungen im Bundessozialhilfegesetz vom 27.04.2002 und das Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Kraft getreten und habe die Grundsicherung als eigenständige Kategorie in das materielle Sozialrecht eingeführt. Seit dem 01.01.2005 sei die Grundsicherung Bestandteil der Leistungen, die nach SGB XII gewährt würden und zähle damit wieder zu den Leistungen der Sozialhilfe. Zusätzlich sei für die Sozialhilfe nach § 97 Abs. 1 SGB XII der örtliche Sozialhilfeträger zuständig, soweit nicht der überörtliche Sozialhilfeträger zuständig sei. Die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers zu bestimmen, sei gemäß § 97 Abs. 2 SGB XII dem Landesrecht vorbehalten.

Soweit sich die Klägerin auf das Urteil des Landesverfassungsgericht Brandenburg vom 28.07.2008 - VfGBbG 76/05 - berufe, werde verkannt, dass die Konnexitätsregeln des Artikel 49 Abs. 2 Landesverfassung dem Mehrbelastungsausgleich dienten. Die Klägerin müsse deshalb zunächst einmal darlegen, dass hier für das Jahr 2006 im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren eine Mehrbelastung entstanden sei und dass diese Mehrbelastung kausal bzw. unmittelbar aus der Aufgabenerfüllung folge (vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 23.02.2009 - 1 L 276/05 - Rdnr. 13).

Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung sei im Übrigen zwingende Konsequenz aus dem Budgetrecht des Parlaments (Artikel 50 Abs. 1 Landesverfassung). Würde man Artikel 49 Abs. 2 Landesverfassung als Blankettermächtigung zur Befriedigung kommunaler Ausgleichsansprüche durch die Landesregierung verstehen, so stünde diese Vorschrift im Widerspruch zu Artikel 50 Abs. 1 Landesverfassung. Bevor die Landesregierung zur Zahlung eines Ausgleichsbetrages verpflichtet wäre, müsste dafür ein entsprechender finanzieller Ausgleich geschaffen worden sein und zwar vom Gesetzgeber. Der Regelung des Konnexitätsprinzips liege die Vorstellung zu Grunde, dass der Ausgleich in einer Rechtsvorschrift zu erfolgen habe.

Außerdem sei das Urteil des Landesverfassungsgerichts Brandenburg vom 28.07.2008 nicht übertragbar. Die Klägerin klage vor einem Verwaltungsgericht, sie fordere nicht die Feststellung der Nichtigkeit einer Norm des Landesrechts, sondern einen konkret bezifferten Geldbetrag. Für Schleswig-Holstein gebe es keine in § 4 Abs. 2 AG-BSHG Brandenburg entsprechende Regelung.

Die Klagforderung werde der Höhe nach bestritten. Die Stadt N. habe bisher nicht dargelegt, wie sich die in der Klage geltend gemachten Aufwendungen im Einzelnen errechneten. Die Beträge seien für die Beklagte nicht nachvollziehbar. Es sei nicht erkennbar, mit welchem Anteil der Bundeszuschuss nach § 34 Abs. 2 WoGG bei dem Personenkreis der über 60-jährigen in Einrichtungen abgezogen worden sei. Im landesweiten Vergleich verhielten sich der Aufwand Hilfen zum Lebensunterhalt für über 60-jährige in Einrichtungen zum Aufwand zur Grundsicherung wie 1 zu 1,45, d.h. der Aufwand für die Grundsicherung übersteige deutlich den Aufwand für die Hilfe zum Lebensunterhalt. Im Fall der Klägerin lautet das Verhältnis dagegen 1 zu 0,61, d.h. der Aufwand der Grundsicherung sei auffällig niedriger als der Aufwand für die Hilfe zum Lebensunterhalt. Dies sei ungewöhnlich und erklärungsbedürftig. Um die Beträge für die Hilfe zum Lebensunterhalt und für die Grundsicherung nachvollziehbar zu machen, müsste die Klägerin für das Jahr 2006 neben den Ausgaben auch die Anzahl der Empfänger für die einzelnen Leistungsarten darlegen.

Auch werde der Behauptung, dass die geltend gemachten Kosten vor der Änderung der Rechtslage durch das Land im quotalen System enthalten gewesen seien, widersprochen. Die Kosten der Grundsicherung seien nicht Bestandteil des quotalen Systems gewesen. Diese Kosten seien stets von der Kommune zu tragen gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art. Die Klägerin stellt nicht die Verfassungswidrigkeit der Norm in Frage, sondern begehrt eine Leistung auf Grund verfassungskonformer Auslegung einer Norm. Anspruchsgrundlage soll § 6a AG-BSHG iVm einer Regelung der Landesverfassung sein. Bei einer verfassungskonformen Auslegung der Norm sind aber auch die Regelungen des Finanzausgleiches und der Finanzbeziehungen zwischen kreisfreien Städten, Kreisen und dem Land insgesamt in den Blick zu nehmen. Maßgebliche Rechtsgrundlagen des Anspruches für eine Entscheidung sind danach landesrechtliche Regelungen insgesamt, die nicht dem Sozialhilferecht zuzuordnen sind. Danach geht es der Sache nach um einen Anspruch im Zusammenhang mit dem kommunalen Finanzausgleich, so dass es sich um eine verwaltungsgerichtliche Streitigkeit handelt (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.01.2006 – L 23 B 1080/05 SO -, juris).

Auch liegt keine verfassungsrechtliche Streitigkeit vor. Ergeben sich Streitigkeiten aus den Vorschriften der Verfassung, die unmittelbar durch die Verwaltung auszuführen sind – wie hier nach Auffassung der Klägerin gem. Art. 49 Landesverfassung -, ist der Verwaltungs-, nicht der Verfassungsrechtsweg gegeben (VG Potsdam, Urteil vom 05.03.2008 – 6 K 3940/03 -, juris).

Auch gibt es keine abdrängende Sonderzuweisung durch ein Bundesgesetz, hier insbesondere nicht durch § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG. Zwar mag es sich bei dem AG-BSHG und den entsprechenden Erstattungsstreitigkeiten um Angelegenheiten des Sozialhilferechts handeln, die nach der Neuregelung zum 1.1.2005 nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 a SGG der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen sind (so OVG Lüneburg, Beschluss vom 21.06.2005, 4 OB 193/05 und OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.09.2005 – 4 L 96.05). Mit einer solchen Erstattung, wie sie hier begehrt wird, nämlich ein Ausgleich kraft Auslegung des Art. 49 Landesverfassung und des darin enthaltenen Konnexitätsprinzips im Zusammenhang mit den Regelungen zum Finanzausgleich, wird eine Angelegenheit angesprochen, die über eine bloße sozialhilferechtliche Erstattung hinausgeht.

Die richtige Klageart ist die Verpflichtungsklage gemäß §§ 113 Abs. 5, 42 Abs. 2 VwGO (so auch OVG Greifswald, Beschluss vom 23.02.2009 – 1 L 276/05 -, juris). Über die Festsetzung der Erstattungsbeträge wird jeweils durch Verwaltungsakt entschieden. Auch wenn die entsprechenden Festsetzungen keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, treffen sie aber eine Regelung im Einzelfall auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts auf der Grundlage des AG-BSHG. Die Verpflichtungsklage ist zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Hier wird die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch die vom Land getroffene Auslegung des § 6 a AG-BSHG genügend dargelegt.

Die Klägerin ist auch nicht durch die Vereinbarung der KLV mit dem Land vom 28.11.2008 gehindert, den Anspruch weiter im Wege der Klage geltend zu machen. Die Klägerin ist durch einen Vertrag mit dem Land nicht dazu verpflichtet, ihre Klage zurückzunehmen. Die genannte Vereinbarung regelt, dass die KLV dafür Sorge tragen werden, dass alle Klagen im Zusammenhang mit den Abrechnungen der Annexkosten 2006 zurückgenommen werden.

Durch diese Vereinbarung ist aber keine wirksame Verpflichtung der Klägerin zur Klagrücknahme begründet worden. Bereits der Wortlaut der Vereinbarung spricht dafür, dass die Vertreter der KLV keine rechtsverbindlichen Erklärungen für die Beteiligten abgeben konnten. Nach § 64 GO vertritt der hauptamtliche Bürgermeister als gesetzlicher Vertreter die Stadt. Nach § 64 Abs. 2 GO bedürfen Erklärungen, durch die die Stadt verpflichtet werden soll, der Schriftform. Sie sind vom Bürgermeister schriftlich zu unterzeichnen. Eine solche gesetzliche Vertretung bei der Zustimmung zu dem Vergleich hat nicht stattgefunden. Rechtsfolge des Formverstoßes ist die Unwirksamkeit oder schwebende Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts (vgl. Lütje, GO, § 56 Rn. 22ff, in: Praxis der Kommunalverwaltung Abschnitt B1 SH). Im vorliegenden Fall hat die Stadtvertretung der Klägerin eine Zustimmung zu dem Vergleich versagt. Damit ist eine rechtsgeschäftlich verbindliche Wirkung der Vereinbarung für die Stadt nicht eingetreten.

Auch ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass die Herren S. und T., die für die kommunalen Landesverbände die Verhandlungen führten, ausdrücklich bevollmächtigt waren. Eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht der Herren S. und T. kommt nicht in Betracht. Angesichts der strengen Formvorschriften der Gemeindeordnung ist nur eingeschränkt auf diese Institute zurückzugreifen. Eine Gemeinde ist auch nicht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben daran gehindert, sich auf einen Formmangel zu berufen (vgl. vgl. die Erläuterung zu § 56 GO, a.a.O).

Ebenso wenig kann aus der Entgegennahme des der Klägerin aus der Vereinbarung zustehenden Betrages auf eine nachträgliche konkludente Zustimmung zu dem Vergleich geschlossen werden. Abgesehen davon, dass eine solche Annahme mit den zitierten strengen Formvorschriften für das rechtsgeschäftliche Handeln einer Stadt nicht in Einklang zu bringen ist, kann der geleistete Betrag auch nicht allein der Erstattung von Teilen der streitigen sog. Annexkosten zugerechnet werden. Die Vereinbarung betraf eine Vielzahl von streitigen Punkten, die schließlich zur Zahlung der weiteren 10 Mio. € im Zusammenhang mit den Abrechnungen im sozialen Bereich (geregelt im Abschnitt AG-SGB XII der Vereinbarung) führten. Die Gesamtregelungen zum Ausgleich von Forderungen zwischen den Kommunen und dem Land verbieten es, sektoral eine Forderungsbefriedigung anzunehmen.

Die Klage ist aber unbegründet, da der von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht besteht. Es ist weder unmittelbar ein Leistungsanspruch nach § 6 a AG-BSHG in der hier maßgeblichen Fassung für das Jahr 2006 gegeben, noch lässt sich ein solcher Anspruch im Hinblick auf Art. 49 Landesverfassung begründen.

Der von der Klägerin begehrte Zahlungsanspruch folgt nicht unmittelbar aus der Regelung des § 6 a AG-BSHG (vom 21.01.1985 in der Fassung des Art. 9 des Gesetzes vom 15.12.2005, GVOBl. S. 568, gültig bis 31.12.2006). § 6 a AG-BSHG hat für das Jahr 2006 die Fassung:

Das Land erstattet den örtlichen Trägern die Nettoaufwendungen der Leistungen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege an Personen über 60 Jahre in Einrichtungen.

Die Klägerin begehrt nicht die Erstattung von Leistungen der Eingliederungshilfe, sondern die Erstattung von zusätzlichen Leistungen, den sog. Annexkosten, die bei über 60-jährigen in Einrichtungen entstanden sind (Kosten für die Leistung der Grundsicherung für über 60-jährige in Einrichtungen (§ 41 ff. SGB XII), sowie die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für über 60-jährige in Einrichtungen (§ 35 SGB XII) und die gezahlten Weihnachtsbeihilfen für über 60-jährige in Einrichtungen (§ 133 b SGB XII)).

§ 6 a AG-BSHG wurde durch Art. 9 des Haushaltsstrukturgesetzes 2006 (Landtags-Drucksache 16/401, beschlossen vom Landtag in der Sitzung am 14.12.2005) eingeführt. In dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Landesregierung zum Haushaltsstrukturgesetz zum Haushaltsplan 2006 (Landtags-Drs. 16/118) war diese Regelung noch nicht enthalten, sondern in Art. 9 dieses Gesetzes war das Gesetz zur Ausführung des 12. Buches Sozialgesetzbuch aufgenommen worden. Der Grund für die neuen Regelungen zum AG-SGB XII war, dass Regelungen über die Kostenfragen in der Sozialhilfe neu gestaltet worden sind. Das bis Ende 2004 praktizierte System der gegenseitigen Kostenbeteiligung (quotales System) wird mit der Neuregelung nicht mehr fortgeführt. Die Finanzverantwortung sollte sich nunmehr ausschließlich nach der Aufgabenverantwortung richten. In § 5 AG-BSHG wurde deshalb geregelt, dass das Land den örtlichen Trägern für die Wahrnehmung der mit Inkrafttreten des Gesetzes von überörtlichen auf die örtlichen Träger übertragenen Aufgaben – dies waren andere als die hier streitigen - einen Ausgleichsbetrag zur Verfügung stellt.

In der Begründung des Gesetzentwurfes spielten die sog. Annexkosten der über 60-jährigen Hilfeempfänger in Einrichtungen keine Rolle, da der Landesgesetzgeber insgesamt davon ausgegangen ist, dass diese Aufgaben und Kostenverantwortung bereits bei dem örtlichen Träger verankert waren.

Diese Sichtweise entspricht der in Schleswig-Holstein bis dahin geltenden Regelung. Tatsächlich hat der Landesgesetzgeber in § 3 AG-BSHG vom 21.01.1985(GVOBl. S. 26) von der Ermächtigung Gebrauch gemacht, abweichend von § 100 Abs. 1 BSHG die örtlichen Träger auch in den Fällen des § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG bei Hilfeempfängern, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, für sachlich zuständig zu erklären. Zum Ausgleich der Mehraufwendung der örtlichen Träger wurde – damals - der kommunale Finanzausgleich aufgestockt. Die Mehrbelastung der Kommunen wurde für das Jahr 1985 auf rund 146,5 Millionen D-Mark errechnet. Diese Mehrbelastung sollte über den kommunalen Finanzausgleich durch Anhebung des Verbundsatzes ausgeglichen werden. Sofern die Aufwendungen der Sozialhilfe im Land insgesamt sich wesentlich anders als die Finanzausgleichsmasse entwickelten, sollte eine Korrektur des Verbundsatzes erfolgen (vgl. Hässler, im Kommentar zum AG-BSHG, in Praxis der Kommunalverwaltung, Abschnitt H).

Danach wurde durch das neue AG-SGB XII und dem eingefügten Art. 9 zu § 6 a AG-BSHG den kreisfreien Städten keine neue Aufgabe übertragen. Deshalb ist auch ein Anspruch aus § 6 a AG-BSHG in Verbindung mit den Regelungen in Art. 49 Landesverfassung nicht zu begründen.

Die Regelungen des Konnexitätsprinzips durch Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Landesverfassung, die im Falle der Mehrbelastung der Gemeindeverbände durch eine Aufgabenübertragung einen entsprechenden Ausgleich vorsehen, sind also nicht einschlägig. Die Mehrbelastung muss eine unmittelbare Folge der Aufgabenübertragung sein. Andere Mehrbelastungen der Gemeinden und Gemeindeverbände, die sich als mittelbare Folgen von Neuregelungen darstellen oder Mehrbelastungen, die sich etwa aus einer Veränderung im kommunalen Finanzausgleich nach Art. 49 Abs. 1 LV ergeben, lösen die Ausgleichspflicht nach Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Landesverfassung nicht aus (vgl. Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, Kommentierung von Konrad, jetzt Welti, in: Praxis der Kommunalverwaltung, Abschnitt A 3 SH). Allerdings beinhaltet diese Regelung unter bestimmten Voraussetzungen aber auch eine sog. Nachschusspflicht. Erweist sich nämlich die erforderliche Kostenprognose als falsch und tritt aufgrund nicht vorhersehbarer Entwicklungen eine Mehrbelastung ein, die durch die gewählte Form der Kompensation nicht entsprechend ausgeglichen wird, oder verursacht das Land selbst durch die Veränderung oder Konkretisierung seiner Regelungen weitere Kosten, so ist das Land auch zum entsprechenden Ausgleich dieser Kosten verpflichtet (vgl. Welti, a.a.O. ).

Aus diesen Konnexitätsregelungen der Landesverfassung ist aber kein unmittelbarer Kostenerstattungsanspruch der Klägerin herzuleiten.

Die in der Landesverfassung enthaltenen Regelungen zum Konnexitätsprinzip sind dahin zu verstehen, dass sie den Kommunen wegen der aus der Erfüllung übertragener Aufgaben entstandenen Mehrbelastungen nicht unmittelbar Ausgleichsansprüche einräumen. Soweit die Zahlung eines Betrages begehrt wird, kommen als unmittelbare Anspruchsgrundlage die Regelung in der Landesverfassung nicht in Betracht; die verfassungsrechtlich vorgesehene Schaffung eines finanziellen Ausgleichs muss nicht zwangsläufig in der Verpflichtung des beklagten Landes bestehen, eine Finanzzuweisung bzw. Zahlung in der begehrten Höhe zu gewähren (vgl. OVG Meck.-Vorpommern, Beschluss vom 23.02.2009 – 1 L 276/05).

Ein unmittelbarer Leistungsanspruch kann aus diesen Regelungen nicht abgeleitet werden. Auch im Wege der verfassungskonformen Interpretation darf der normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden. Zum einen spricht die Wortlautgrenze der Regelung gegen eine Neubestimmung, da § 6 a AG-BSHG ausdrücklich nur die Eingliederungshilfe erwähnt. Zum anderen steht dem Landesgesetzgeber für einen Ausgleich der behaupteten Mehrbelastung eine Vielzahl weiterer Instrumentarien zur Verfügung, die ihren Niederschlag nicht nur im AG-BSHG bzw. AG-SGB XII haben müssen, sondern auch im Finanzausgleichsgesetz geregelt werden können.

Dabei hat der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum, wie er verfassungsgemäße Zustände in der Finanzbelastung durch Aufgabenübertragung oder durch Veränderung von Aufgaben regelt.

Die Gesetzgebungsgeschichte des § 6 a AG-BSHG zeigt, dass dieser – zumindest in dieser Ausgestaltung - nicht von vornherein vorgesehen war, sondern aufgrund des Beratungsprozesses zum Haushaltsstrukturgesetz 2006 eingefügt worden ist. Damit wurde ein Ausgleichsanspruch vor dem Hintergrund der Fortgeltung des § 100 BSHG geschaffen. Das Verwaltungsgericht ist daran gehindert, über einen gesetzlichen Anspruch hinaus neue Zahlungsansprüche zu begründen. Dies würde mit dem Budgetrecht des Parlaments (Art. 50 Landesverfassung) kollidieren und mit der Gesetzesbindung des Verwaltungsgerichts nicht in Einklang zu bringen sein.

Schließlich macht aber auch die im November 2008 geschlossene Vereinbarung deutlich, dass das Land unterschiedliche Möglichkeiten des Ausgleichs hat, und im Prinzip seiner Verpflichtung für einen Kostenausgleich auch nachgekommen ist – unabhängig vom Bestehen eines Rechtsanspruches und der Auskömmlichkeit der zugestandenen Beträge.

Da danach bereits dem Grunde nach kein Leistungsanspruch besteht, konnte das Gericht von einer weiteren Klärung der Begründetheit der Forderungen der Höhe nach absehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.