VG Münster, Urteil vom 05.05.2011 - 8 K 61/10
Fundstelle
openJur 2011, 92657
  • Rkr:
Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 7. Dezember 2009 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.

Die Berufung und die Sprungrevision werden zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten , die der Beklagte aus Anlass einer Passersatzpapierbeschaffung für die Kläger und ihren Sohn N. geltend macht.

Der Kläger zu 1. wurde am 1. Februar 1980 in Izmir (Türkei), die Klägerin zu 2. am 25. November 1983 in Savur (Türkei) geboren. Sie reisten 1990 jeweils mit ihren Eltern und Geschwistern in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die Eltern gaben jeweils an, sie und ihre Kinder seien kurdische Volkszugehörige ungeklärter Staatsangehörigkeit aus dem Libanon. Sie verwendeten für die Kläger die Aliasnamen Hamsa N. (zu 1.) und Ayche N. (zu 2.) und gaben wegen ihres Geburtszeitpunkts und -orts abweichende Daten an. Pässe oder Passersatzpapiere legten sowohl die Eltern und - bis 2007 - die Kläger nicht vor.

Asylverfahren blieben für die Kläger ohne Erfolg. Die Kläger wurden zur Ausreise aufgefordert; ihnen wurde die Abschiebung angedroht.

Der Kläger zu 1. wurde bis 2007 im Bundesgebiet geduldet, weil seine Abschiebung infolge fehlender Pass- und Passersatzpapiere unmöglich war. Der Beklagte erteilte dem Kläger zu 1. unter dem 20. Juli 2007 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 AufenthG. Seit dem 8. März 2010 besitzt der Kläger zu 1. eine Niederlassungserlaubnis.

Die Klägerin zu 2. wurde bis 1997 aus gleichen Gründen wie der Kläger zu 1. geduldet. Von 1997 bis 2002 besaß sie eine Aufenthaltsbefugnis. Sie stellte im Jahre 2002 einen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis. Sie erhielt mehrfach Fiktionsbescheinigungen. Der Beklagte entschied nicht über den Antrag; die Klägerin erhob keinen Widerspruch und keine Klage. Auf ihren Antrag aus August 2009 erteilte der Beklagte der Klägerin zu 2. am 13. Dezember 2007 eine Aufenthaltserlaubnis nach §§ 104 a Abs. 1 Satz 2, 23 AufenthG, die über 2009 hinaus verlängert wurde.

Die Kläger schlossen im Jahr 2000 unter dem Namen N. die Ehe. Ihr erstes Kind N. wurde 2001 geboren.

Der Beklagte stellte die türkische Identität der Klägerin zu 2. und ihrer Eltern im Jahr 2001 und des Klägers zu 1. sowie seiner Eltern im Jahr 2004 fest. Am 5. Februar 2001 wurde in der Türkei ein Familienregisterauszug für die Familie der Klägerin zu 2. ausgestellt. Die Eltern und Geschwister der Klägerin zu 2. wurden am 1. April 2003 in die Türkei abgeschoben. Die Eltern und ein Bruder des Klägers zu 1. reisten in 2004 in die Türkei aus.

Die Kläger beantragten - bis 2007 - bei keiner Vertretung der Türkei die Ausstellung von türkischen Reisepässen. Auf Veranlassung des Beklagten füllten die Kläger im Juni 2004 Passersatzpapieranträge für sich und ihren Sohn N. aus; zuvor und danach stellten sie keinen Antrag auf die Ausstellung eines Passersatzpapiers. Sie füllten nicht alle Felder des vom türkischen Generalkonsulats vorgegebenen Vordrucks aus. Die Kläger gaben als Geburtsdatum ausschließlich das Jahr ihrer Geburt an. Unterlagen zu ihrer Identität legten sie nicht vor. Der Beklagte leitete die Anträge an die Zentrale Ausländerbörde Bielefeld weiter. Die Zentrale Ausländerbehörde vereinbarte mit dem Generalkonsulat der Republik Türkei in Münster eine Vorführung der Kläger für den 28. Juli 2004. Der Beklagte forderte die Kläger mit Ordnungsverfügung vom 6. Juli 2004 auf, sich am 28. Juli 2004 an ihrer Adresse in Coesfeld bereitzuhalten, um sie an diesem Tag dem Generalkonsulat in Münster vorzuführen. Zur Begründung führte der Beklagte an, die Kläger seien nach rechtskräftig negativ abgeschlossenem Asylverfahren verpflichtet, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Die Vorführung erfolge, um das Abschiebungshindernis der Passlosigkeit zu beheben. Ein Ausländer sei verpflichtet, den Behörden einen Pass oder Passersatz vorzulegen. Im Falle des Nichtbesitzes eines Passes oder Passersatzes sei ein Ausländer verpflichtet, an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken. Die Kläger erhoben keinen Widerspruch. Mit Schreiben vom 21. Juli 2004 bat die Zentrale Ausländerbehörde das Generalkonsulat, für die Kläger und ihren Sohn N. Heimreisepapiere auszustellen. Es fügte die Anträge der Kläger, den Registerauszug vom 5. Februar 2001 und zwei Fotos bei.

Am 28. Juli 2004 wurden die Kläger vom Beklagten mit einem Dienstfahrzeug an ihrer Wohnung abgeholt und zum Generalkonsulat nach Münster gefahren. Das Fahrzeug wurde von einem Beamten des gehobenen Dienstes (Besoldungsgruppe A 10) geführt; begleitet wurde er von einer Auszubildenden. Gleichzeitig fuhr eine Beamtin der Zentralen Ausländerbehörde - gemeinsam mit anderen Ausländern - von Bielefeld zum Generalkonsulat nach Münster. Die Kläger wurden dem Generalkonsulat vorgeführt. Sie gaben bereitwillig Auskunft. Das Generalkonsulat teilte der Zentralen Ausländerbehörde mit, dass die Angaben der Kläger in der Türkei zu überprüfen seien. Sollte die Identitätsfeststellung positiv verlaufen, sei vor einer Passersatzpapierausstellung - die in Deutschland erfolgte Eheschließung zu legalisieren. Die in Deutschland geborenen Kinder könnten sodann registriert werden. Die Kläger wurden von dem Beklagten nach Coesfeld zurückgebracht. Die Dienstfahrt der Beschäftigen des Beklagten dauerte von 12.45 Uhr bis 16.45 Uhr; die Fahrstrecke war insgesamt 99 km lang.

Im September 2004 legten die Kläger in Bremen - die Klägerin zu 2. war vorübergehend bis März 2005 nach Bremen verzogen - bei der Ausländerbehörde eine für den Kläger zu 1. am 12. Juli 2004 ausgestellte türkische Geburtsurkunde und eine für die Klägerin zu 2. am 5. Juli 2004 ausgestellte türkische Geburtsurkunde sowie einen für sie am selben Tag ausgestellten türkischen Einzelregisterauszug vor. Der Beklagte wurde von der Ausländerbehörde Bremen über die Vorlage der Dokumente informiert; zuvor hatte er keine Kenntnis von den Dokumenten. Am 28. Dezember 2004 wurde für die Klägerin zu 2. in Hannover ein türkischer Nüfus ausgestellt. Die Klägerin informierte die Ausländerbehörde (zunächst) nicht. Nach ihrer Rückkehr nach Coesfeld informierte die Klägerin den Beklagten Anfang April 2005 über den Nüfus.

Das Generalkonsulat führte die Kläger auf einer sog. "Problemliste". Die Zentrale Ausländerbehörde sprach u. a. am 28. Juli 2004, 17. November 2004, 2. August 2005 und 23. Februar 2006 (2 Mitarbeiter) wegen der Passersatzpapierbeschaffung für die Kläger bei dem Generalkonsulat bei Gelegenheit der Vorführung anderer Ausländer vor. Den Verwaltungsvorgängen des Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass die Zentrale Ausländerbehörde am 27. Februar 2007 bei dem Konsulat vorsprach. Das Generalkonsulat stellte keine Passersatzpapiere für die Kläger und ihren Sohn aus.

Mit Runderlass vom 11. Dezember 2006 traf das Innenministerium NRW in Umsetzung des Beschlusses der Ständigen Konferenz der Innenminister und senatoren vom 17. November 2006 eine Anordnung nach § 23 Abs. 1 AufenthG (Bleiberechtsregelung 2006).

Am 16. Januar 2007 beantragte der Kläger zu 1. bei dem Generalkonsulat, ihm einen Reisepass der Republik Türkei auszustellen. Am 9. Mai 2007 stellte die Zentrale Ausländerbehörde ihr Verfahren auf Beschaffung eines Passersatzpapierverfahrens ein. Dem Kläger zu 1. wurden am 29. Juni 2007 ein Nüfus und ein Reisepass ausgestellt. Auf ihren Antrag erhielt die Klägerin zu 2. am 8. Oktober 2007 einen türkischen Reisepass.

Die Zentrale Ausländerbehörde Bielefeld übersandte dem Beklagten im Mai 2007 eine Aufstellung über die bei ihr wegen des Passersatzpapierverfahrens für die Kläger und ihren Sohn N. angefallenen Kosten . Die Kosten setzten sich aus Aufwendungen in Höhe von 2,50 € für Fotos des Klägers zu 1., Fahrtkostenpauschalen für die Strecke Bielefeld - Münster und zurück in Höhe von 0,45 € je km / Zahl der betroffenen Ausländer sowie Personalkosten für in den Aufstellungen angegebene Termine am 28. Juli 2004, 17. November 2004, 2. August 2005, 23. Februar 2006 und 27. Februar 2007 i. H. v. insgesamt 248,36 € zusammen. Die Kosten teilten sich auf in Kosten für den Kläger zu 1. i. H. v. 123,62 €, für die Klägerin zu 2. i. H. v. 94,86 € und für den Sohn N. Das i. H. v. 32,38 €. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beiakte I Bl. 291 ff. Bezug genommen. Am 20. Oktober 2009 fertigte der Beklagte eine Kostenzusammenstellung, die im Ergebnis folgende Posten aufwies:

I. Fahrt von Coesfeld nach Münster und zurück

1. Personalkosten des Beklagten

a) Beamter Bes.-Grp. A10

28,80 €/Std. x 4 Stunden

115,20 €

b) Auszubildende

5,34 €/Std. x 4 Stunden

21,36 €

2. Fahrtkosten des Beklagten

99 km

44,55 €

II. Passbeschaffungskosten (der ZAB)

a) Kläger zu 1 (vgl. Kostenaufstellung ZAB)

123,62 €

b) Klägerin zu 2 (vgl. Kostenaufstellung ZAB)

94,86 €

c) Sohn N. (vgl. Kostenaufstellung ZAB

32,38 €

III. Gesamtkosten

431,97 €

Der Beklagte entnahm den Stundenwert der Personalkosten des Beamten der Besoldungsgruppe A 10 einer Personalkostentabelle aus dem KGSt-Bericht 2002 "Kosten eines Arbeitsplatzes", deren Stundenwerte Kosten für Beihilfen und Versorgung (ohne Verwaltungsgemeinkostenzuschlag) beinhalten. Die Personalkosten der Auszubildenden bezeichnete der Beklagte auf der Grundlage einer Durchschnittswertberechnung seines Personalamts zum Stichtag 1. Januar 2010.

Mit einem Leistungsbescheid vom 7. Dezember 2009, der an die Eheleute adressiert war, zog der Beklagte die Kläger zur Erstattung der Kosten der Passersatzpapierbeschaffung heran. Er forderte sie auf, den Betrag in Höhe von 431,97 € bis zum 22. Januar 2010 zu überweisen. Wegen der Zusammensetzung der Erstattungsbetrags verwies der Beklagte auf die dem Bescheid als Anlage beigefügte Kostenaufstellung vom 20. Oktober 2009. Zur Begründung führte der Beklagte an, im Zusammenhang mit der Vorführung im türkischen Generalkonsulat Münster am 28. Juli 2004 seien Kosten in dieser Höhe entstanden. Die geltend gemachten Kosten seien nach § 67 Abs. 1 AufenthG erstattungsfähig. Eine Verjährung sei nicht eingetreten. Die Verjährungsfrist des § 20 Verwaltungskostengesetz beginne mit der Beendigung der kostenpflichtigen Amtshandlung. Die Amtshandlung sei die Passersatzpapierbeschaffung. Diese endete mit Vorlage der türkischen Reisepässe beim Beklagten am 29. Juni 2007 bzw. mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 20. Juli 2007.

Die Kläger haben rechtzeitig Klage erhoben.

Sie tragen vor,

im Zusammenhang mit dem Ausfüllen der Passersatzpapieranträge im Juni 2004 hätten sie den Beklagten auf Fehler bei ihren Geburtsdaten hingewiesen, weil ihre Identität nicht ganz klar gewesen sei.

Eine Begleitung zum türkischen Generalkonsulat durch Mitarbeiter des Beklagten sei nicht erforderlich gewesen. Sie wären auch ohne Begleitung zum Generalkonsulat gefahren, wenn sie dazu aufgefordert worden wären. Sie, die Kläger, hätten sich hinreichend an der Beschaffung der Passersatzpapiere beteiligt. Die Registrierung der Eheschließung und der Geburt der Kinder hätten sie selbst veranlassen können. Der Beklagte hätte das mildere Mittel einer Aufforderung zur Passbeschaffung wählen müssen. Dem Beklagten seien durch Vorlage der Registerauszüge sämtliche Personalien bekannt gewesen. Sie seien nicht darauf hingewiesen worden, dass durch die Vorführung Kosten entstehen würden.

Nach den Ordnungsverfügungen vom 6. Juli 2004 habe die Vorführung der Beschaffung eines Reisepasses gedient. Dazu sei eine Vorführung ungeeignet.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des Beklagten vom 7. Dezember 2009 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor,

im Zeitpunkt der Vorführung hätten die Kläger an einer Passbeschaffung nicht mitgewirkt. Erst nachdem die Möglichkeit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bestanden habe, hätten sie sich um die Ausstellung von Pässen bemüht.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Gründe

A. Das Gericht kann über die Klage entscheiden, ohne die Zentrale Ausländerbehörde beigeladen zu haben. Zwar erstreckt sich das Urteil auch auf Erstattungsbeträge, die letztlich der Zentralen Ausländerbehörde zugeflossen wären. Gleichwohl war die Zentrale Ausländerbehörde nicht notwendig beizuladen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2006 - 1 C 5.05 -, www.bverwg.de, Rn. 7 f. = BVerwGE 125, 101 = InfAuslR 2006, 379.

B. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 7. Dezember 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte ist nicht ermächtigt, von den Klägern die Erstattung der geltend gemachten Kosten zu verlangen.

Es mag dahingestellt bleiben, ob Ermächtigungsgrundlage für den Leistungsbescheid - wofür viel spricht - § 66 Abs. 1 AufenthG oder aber § 82 Abs. 1 AuslG ist. Die Voraussetzungen der beiden - im Wesentlichen gleichlautenden Vorschriften sind erfüllt. Die beabsichtigte Passersatzpapierbeschaffung diente der Vorbereitung einer Abschiebung der Kläger und ihres Sohnes. Dass im Tenor der Ordnungsverfügungen vom 6. Juli 2004 die Beschaffung von Reisepässen angesprochen wurde, steht der Feststellung nicht entgegen, dass der Beklagte und die Zentrale Ausländerbehörde sich um die Beschaffung von Passersatzpapieren bemühten (vgl. auch die Begründung der Ordnungsverfügungen).

Die vom Beklagten geltend gemachten Kosten teilen sich auf in Kosten, die anlässlich der Vorführung am 28. Juli 2004 bei dem Beklagten selbst entstanden sind, und Kosten, die der Beklagte für die Zentrale Ausländerbehörde Bielefeld geltend macht (§ 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG/§ 83 Abs. 4 Satz 1 AuslG). Die eigenen Kosten des Beklagten, die sich wiederum in Personal- und Fahrtkosten aufteilen, sind verjährt (I.), die Kosten der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld fallen nicht unter § 67 Abs. 1 AufenthG/§ 83 Abs. 1 AuslG (II.).

I. Ein Anspruch des Beklagten auf Erstattung der bei ihm angefallenen Kosten war vor der mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. Dezember 2009 erfolgten Festsetzung der Erstattungsforderung verjährt.

Die Festsetzungsverjährung folgt aus § 20 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 2 Verwaltungskostengesetz (VwKostG). Nach dieser Vorschrift verjährt ein Anspruch auf Zahlung von Kosten spätestens mit dem Ablauf des vierten Jahres nach der Entstehung.

1. Die Verjährungsvorschrift des § 20 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 2 VwKostG ist anwendbar.

Ebenso Innenministerium NRW, RdErl. vom 4. November 2009 15.39.22.01-5- Abschiebungskosten -.

§§ 1 Abs. 2 Satz 2 VwKostG, 69 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz AufenthG (§ 81 Abs. 2 Satz 2 AuslG) ordnen an, dass das Verwaltungskostengesetz für Fälle der hier betroffenen Art grundsätzlich anzuwenden ist.

Die Anwendung des Verwaltungskostengesetzes ist nicht durch andere Vorschriften ausgeschlossen.

a) Der 2. Halbsatz des § 69 Abs. 2 Satz 2 AufenthG (§ 81 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz AuslG) schließt die Anwendung des § 20 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwKostG nicht aus. Nach dieser Vorschrift ist das Verwaltungskostengesetz nicht anwendbar, soweit das Aufenthaltsgesetz (Ausländergesetz) eine abweichende Vorschrift enthält (Subsidiarität). Eine solche abweichende Vorschrift ist nicht gegeben. Wegen der Verjährungsregel des § 20 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwKostG beinhaltet insbesondere § 70 Abs. 1 AufenthG (§ 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG) keine abweichende Vorschrift.

Der Ausschluss einer Anwendung des Verwaltungskostengesetzes nach § 69 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz AufenthG (§ 81 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz AuslG) setzt voraus, dass die Regelungen des Aufenthaltsgesetzes dieselbe Sachmaterie erfassen. Hierzu muss das jeweilige Sachproblem bestimmt werden, dessen Regelung die Vorschrift zu dienen bestimmt ist. Maßgebend ist dabei vor allem der jeweilige Regelungsanspruch der miteinander zu vergleichenden Vorschriften. Die Sachmaterie kann dabei durch eine Vorschrift des Aufenthaltsgesetzes auch dann erfasst sein, wenn sie zwar eine ausdrückliche Regelung nicht trifft, aber eine abschließende Problemlösung für sich in Anspruch nimmt. Ob dies der Fall ist, muss nach Sinn und Zweck der Regelung im Wege der Auslegung ermittelt werden.

Vgl. zur Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 1 VwVfG BVerwG, Urteil vom 8. August 1986 - 4 C 16.84 -, NVwZ 1987, 488 = Buchholz, Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Gl.-Nr. 316 § 1 VwVfG Nr. 3; vgl. auch zum Verhältnis § 73 AsylVfG und VwVfG BVerwG, Urteil vom 19. September 2000 9 C 12.00 -, BVerwGE 112, 80 = InfAuslR 2001, 53; Urteil vom 12. Juni 2007 10 C 24.07 , www.bverwg.de, Rn. 15 = InfAuslR 2007, 401; allg. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Auflage, Seite 257.

Sowohl § 20 Abs. 1 VwKostG als auch § 70 Abs. 1 AufenthG (§ 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG) erstrecken sich auf das Sachproblem einer Verjährung. Sie enthalten aber ihrer Art nach unterschiedliche Regelungen. § 20 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 2 VwKostG bestimmt die Festsetzungsverjährung, beinhaltet also die Regelung, bis zu welchem Zeitpunkt eine Forderung durch Verwaltungsakt festgesetzt werden darf, ein Verwaltungsakt mit dem Inhalt einer Erstattungsanordnung also ergehen darf. § 70 Abs. 1 AufenthG (§ 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG) erstreckt sich dagegen auf die Zahlungsverjährung. Er bestimmt also, wie lange aus der mit einem Verwaltungsakt erfolgten Festsetzung einer Kostenschuld noch die Zahlung einer Geldsumme verlangt werden kann.

BayVGH, Urteil vom 6. April 2011 - 19 BV 10.304 -, juris, Rn. 18; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30. Juli 2009 13 S 919/09 , www.vghmannheim.de, Rn. 21 = InfAuslR 2009, 403; vgl. auch OVG Hamburg, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 5 Bf 259/06 -, www.rechtsprechung.hamburg.de, Rn. 31 = juris; von dieser Unterscheidung ebenfalls ausgehend Innenministerium NRW, RdErl. vom 4. November 2009 15.39.22.01-5- Abschiebungskosten -.

§ 20 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz VwKostG erstreckt sich damit auf den Zeitraum von der Entstehung des Anspruchs bis zu seiner Festsetzung durch Verwaltungsakt. § 70 Abs. 1 AufenthG betrifft einen Zeitraum nach Erlass des Verwaltungsakts (vgl. § 17 VwKostG).

Dass § 70 Abs. 1 AufenthG sich nicht auf eine Festsetzungsverjährung erstreckt, ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift. Die Regelung, dass Ansprüche auf die in § 67 Abs. 1 und 2 AufenthG genannten Kosten sechs Jahre nach Eintritt der Fälligkeit verjähren, ist mit der Anknüpfung an die Fälligkeit auf eine Zahlungsverjährung bezogen. Nach dem Wortlaut fehlt damit in § 70 Abs. 1 AufenthG eine Regelung zur Festsetzungsverjährung.

Die Wortlautinterpretation wird bestätigt durch die Gesetzeshistorie. § 70 Abs. 1 AufenthG entspricht § 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG. Die Regelung über die Verjährung wurde (nur) aus Gründen der Übersichtlichkeit in eine eigene Vorschrift übernommen.

Vgl. BT-Drucksache 15/420 S. 94 zu § 70.

Absatz 4 des § 83 AuslG führte in seinen Sätzen 1 und 2 die jetzigen Regelungen des § 67 Abs. 3 AufenthG und sodann mit Satz 3 die Regelung des jetzigen § 70 Abs. 1 AufenthG an. Die Verjährungsregelung stand damit nach dem damaligen Wortlaut in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Regelung über die Festsetzung des Erstattungsanspruchs durch Verwaltungsakt. Dies spricht für die Auffassung, dass die Regelung des § 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG und damit nunmehr § 70 Abs. 1 AufenthG den Zeitraum erfasst, der sich an den Erlass des festsetzenden Verwaltungsakts anschließt.

Die Differenzierung zwischen Festsetzungs- und Zahlungsverjährung ist systemgerecht. Sie entspricht den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichrechtlichen Abgabenrechts. Anders als im Zivilrecht wird im Abgabenrecht typischerweise zwischen Festsetzungs- und Zahlungsverjährung unterschieden. Beispielhaft kann insoweit auf §§ 169 ff. AO einerseits und die §§ 228 ff. AO andererseits verwiesen werden. Versteht man § 70 Abs. 1 AufenthG als Regelung der Zahlungsverjährung und § 20 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 VwKostG als Regelung der Festsetzungsverjährung, fügt sich dies ohne weiteres in dieses abgabenrechtliche System ein.

BayVGH, Urteil vom 6. April 2011 - 19 BV 10.304 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30. Juli 2009 13 S 919/09 , www.vghmannheim.de = InfAuslR 2009, 403; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, II - § 70 Rn. 6.

Soweit landesrechtlichen Rechtsordnungen das Fehlen einer Festsetzungsverjährung nicht fremd ist,

HessVGH, Beschluss vom 18. Januar 2011 - 5 A 1302/10.Z -, www.lareda.hessenrecht.hessen.de, Rn. 5 = juris,

kann dies eine andere Auslegung der hier betroffenen bundesrechtlichen Regelungen nicht rechtfertigen. Die Auslegung von Bundesrecht wird nicht durch einzelne landesrechtliche Vorschriften mitbestimmt.

Dass hiernach die Festsetzungsverjährung mit vier Jahren kürzer ist als die Zahlungsverjährung mit sechs Jahren,

darauf abstellend Hailbronner, Ausländerrecht, A 1, § 70 AufenthG, Rn. 3,

stellt keinen Bruch innerhalb des öffentlichen Abgabenrechts dar. Insoweit kann ebenfalls beispielhaft auf die Regelungen des § 169 Abs. 2 S. 1 AO einerseits und § 228 S. 2 AO andererseits verwiesen werden. Dies zeigt, dass die Festsetzungsfrist keinesfalls zwingend länger sein muss als die Zahlungsverjährungsfrist.

BayVGH, Urteil vom 6. April 2011 - 19 BV 10.304 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30. Juli 2009 13 S 919/09 , www.vghmannheim.de = InfAuslR 2009, 403; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, II - § 70 Rn. 6; vgl. zum Verhältnis von zwei Verjährungsfristen zueinander auch BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2005 - 3 C 38.04 -, www.bverwg.de = BVerwGE 123, 82 = juris Rn. 21.

Enthält § 70 Abs. 1 AufenthG (§ 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG) eine Regelung zur Zahlungsverjährung, aber keine ausdrückliche Regelung zur Festsetzungsverjährung, nimmt sie keine abschließende Lösung der gesamten Verjährungsfrage für sich in Anspruch.

zweifelnd HessVGH, Beschluss vom 18. Januar 2011 - 5 A 1302/10.Z -, www.lareda.hessenrecht.hessen.de, Rn. 5 = juris.

Allein aus dem Wortlaut des § 70 Abs. 1 AufenthG (§ 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG), dass die Verjährung der dort Kosten sechs Jahre nach deren Fälligkeit eintritt, folgt nicht die Annahme, dass der Gesetzgeber die Materie abschließend allein einer Zahlungsverjährung unterwerfen wollte.

Anders wohl HessVGH, Beschluss vom 18. Januar 2011 5 A 1302/10.Z -, www.lareda.hessenrecht.hessen.de, Rn. 5 = juris.

Ob die Sachmaterie der Festsetzungsverjährung durch § 70 Abs. 1 AufenthG erfasst ist und die Vorschrift damit eine abschließende Problemlösung für sich in Anspruch nimmt, auch wenn sie eine ausdrückliche Regelung zur Festsetzungsverjährung nicht trifft, muss - wie angeführt (vgl. oben Seite 10) - nach Sinn und Zweck der Regelung im Wege der Auslegung ermittelt werden.

Der Sinn und Zweck von Verjährungsvorschriften spricht jedoch entscheidend gegen die Annahme, dass § 70 Abs. 1 AufenthG eine umfassende Verjährungsregelung beinhaltet. Verjährungsvorschriften haben die Aufgabe, dem Rechtsfrieden zu dienen und Rechtssicherheit herzustellen. Nach einer bestimmten Zeit soll der Verpflichtete die Sicherheit haben, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.

BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2005 - 3 C 38.04 -, www.bverwg.de = BVerwGE 123, 82 = juris Rn. 20.

Mit dieser Zielrichtung wäre eine Auslegung, die § 70 Abs. 1 AufenthG als Regelung allein der Zahlungsverjährung anwendet, die von der Fälligkeit des Anspruchs abhängig gemacht wird, und gleichzeitig eine Festsetzungsverjährung nicht vorsieht, nicht zu vereinbaren. § 70 Abs. 1 AufenthG knüpft wegen des Beginns der Verjährungsfrist aber an die Fälligkeit und nicht an die Entstehung des Anspruchs an. Da die Fälligkeit der Kostenforderung vom Erlass eines Kostenbescheides abhängt, könnte vor Erlass eines solchen Bescheids überhaupt keine Verjährung eintreten. Es wäre vollkommen in das freie Belieben einer Behörde gestellt, wann sie ihren Kostenanspruch geltend macht und damit fällig stellt. Erst dann würde überhaupt eine Verjährungsfrist zu laufen beginnen. Eine abschließend in § 70 Abs. 1 AufenthG erfolgte Verjährungsregelung könnte ihre aus dem Rechtsstaatsgebot und dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG) folgende Funktion nicht erfüllen. Eine Behörde könnte ohne jede zeitliche Begrenzung die Festsetzung der Forderung hinauszögern, selbst wenn hierfür weder ein praktisches Bedürfnis noch ein nachvollziehbarer sachlicher Grund vorliegt. Eine Auslegung, die dazu führen würde, dass der Beginn des Laufs der Verjährung im freien Belieben der Behörde steht und auch noch nach Jahrzehnten ohne jede zeitliche Begrenzung eine Kostenfestsetzung erfolgen könnte, ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen jedenfalls dann nicht mehr vereinbar, wenn auch eine Korrektur durch das Rechtsinstitut der Verwirkung typischerweise nicht möglich sein wird. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist in Fällen der vorliegenden Art aber nicht geeignet, eine zeitliche Schranke der Inanspruchnahme zu begründen. Ein materielles Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl ihm ein Geltendmachen seines Rechts ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, der Verpflichtete infolge dieses Verhaltens darauf vertrauen durfte, dass der Berechtigte das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete hierauf tatsächlich vertraut und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen auf die tatsächlich entstandene Lage eingerichtet und deshalb Maßnahmen ergriffen hat, die er nicht ergriffen hätte oder die er nicht oder nur mit erheblichen Kosten rückgängig machen kann. Jedenfalls an der letzten Voraussetzung fehlt es regelmäßig in Sachverhalten der vorliegenden Art, in denen es um die Geltendmachung von Abschiebungskosten geht. Es ist kaum ein Fall denkbar, in dem ein Ausländer im Vertrauen darauf, nicht mehr zu Abschiebungskosten herangezogen zu werden, eine (Vermögens)Disposition getroffen hat, die nicht oder nur unter erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden kann.

BayVGH, Urteil vom 6. April 2011 - 19 BV 10.304 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30. Juli 2009 13 S 919/09 , www.vghmannheim.de = InfAuslR 2009, 403; ebenso Innenministerium NRW, RdErl. vom 4. November 2009 15.39.22.01-5- Abschiebungskosten -, Seite 2.

b) Die Anwendung des § 20 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz VwKostG ist ebenfalls nicht nach den Regeln der Gesetzeskonkurrenz wegen des Anwendungsvorrangs eines Spezialgesetzes ausgeschlossen (lex specialis). Im Verhältnis zu dieser Kostenvorschrift ist § 70 Abs. 1 AufenthG (§ 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG) kein Spezialgesetz.

Anders Hailbronner, Ausländerrecht, A 1, § 70 AufenthG, Rn. 2.

Im Verhältnis der Spezialität stehen Vorschriften zueinander, wenn der Anwendungsbereich der spezielleren Vorschrift völlig in dem der allgemeineren Vorschrift aufgeht, wenn also alle Fälle der spezielleren Norm auch solche der allgemeinen Norm sind. Dies setzt voraus, dass der Tatbestand der spezielleren Norm alle Merkmale der allgemeinen Rechtsvorschrift und noch mindestens ein zusätzliches Merkmal enthält.

Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Auflage, Seite 256.

Dies ist in dem hier betroffenen Fall jedoch nicht gegeben. Die hier betroffenen Wertungen betreffen nicht dieselben Merkmale der Tatbestände, sondern mit der Differenzierung des (Verjährungs-)Fristbeginns nach Entstehung o d e r Fälligkeit des Anspruchs unterschiedliche Tatbestandsmerkmale.

2. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz VwKostG liegen vor. Danach verjährt der Anspruch auf Zahlung der Kosten mit dem Ablauf des vierten Jahres nach der Entstehung.

Es kann hier dahinstehen, ob § 20 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz VwKostG so auszulegen ist, dass die Verjährungsfrist exakt 4 Jahre nach der Entstehung des Anspruchs endet,

so BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2005 - 3 C 38.04 -, www.bverwg.de = BVerwGE 123, 82 = juris Rn. 17,

oder ob auf die Frist des § 20 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz VwKostG die Regelung des § 20 Abs. 1 Satz 2 VwKostG anzuwenden ist, so dass die Verjährungsfrist erst mit dem Ablauf des (vierten) Kalenderjahres endete. In beiden Fällen ist die Verjährungsfrist zum Zeitpunkt des Erlasses des Leistungsbescheids im Dezember 2009 abgelaufen, da sie im erstgenannten Fall am 28. Juli 2008, im letztgenannten Fall am 31. Dezember 2008 endete.

Die Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz VwKostG begann mit dem 28. Juli 2004. Der Anspruch des Beklagten auf Erstattung seiner eigenen Kosten ist nämlich im Zeitpunkt der Vorführung der Kläger beim Generalkonsulat am 28. Juli 2004 entstanden. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten entstand der Anspruch auf Erstattung eigener Kosten nicht mit Beendigung der kostenpflichtigen Maßnahme "Passersatzpapierbeschaffung". Nach § 11 Abs. 2, 1. Halbsatz VwKostG entsteht die Verpflichtung zur Erstattung von Auslagen mit der Aufwendung des zu erstattenden Betrages. Die in § 11 Abs. 2, 2. Halbsatz VwKostG geregelten Ausnahmefälle des § 10 Abs. 1 Nr. 5, 2. Halbsatz oder Nr. 7, 2. Halbsatz VwKostG liegen insoweit nicht vor. Der Beklagte wandte die geltend gemachten Personal- und Fahrkosten am 28. Juli 2004 auf. An diesem Tag begleiteten Mitarbeiter des Beklagten die Kläger auf der Fahrt von Coesfeld nach Münster und zurück.

Vgl. auch Innenministerium NRW, RdErl. vom 4. November 2009 15.39.22.01-5- Abschiebungskosten -, Seite 3 oben.

II. Die geltend gemachten Kosten der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld, die sich in Auslagen für Foto-, Personal- und Fahrtkosten unterteilen, kann der Beklagte ebenfalls nicht erstattet verlangen.

Insoweit mag dahingestellt bleiben, ob auch ein solcher Anspruch nach § 20 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz VwKostG in Verbindung mit § 11 Abs. 2, 1. Halbsatz VwKostG verjährt ist oder ob eine solche Verjährung nicht eingetreten ist, weil ein Fall des § 10 Abs. 1 Nr. 7 VwKostG vorliegt (§ 11 Abs. 2, 2. Halbsatz VwKostG).

1. Der Beklagte kann die Erstattung von Auslagen für eine Fertigung von Fotos jedenfalls deshalb nicht verlangen, da er nicht nachgewiesen oder auch nur dargelegt hat, dass der Zentralen Ausländerbehörde für die Erstellung von Fotos Auslagen entstanden sind. Wenn die Zentrale Ausländerbehörde die Fotos selbst erstellt hätte, dürften ihr keine Auslagen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwKostG entstanden sein. Die dann entstanden Eigenkosten sind keine Auslagen in diesem Sinne.

2. Die Personalkosten (a) und Fahrtkosten (b) kann der Beklagte ebenfalls nicht verlangen, da sie nicht unter § 67 Abs. 1 AufenthG fallen, der den Umfang der Kostenhaftung regelt.

a) Die Personalkosten fallen nicht unter § 67 Abs. 1 AufenthG. Nach § 67 Abs. 1 AufenthG umfassen die Kosten der Abschiebung (1.) die Beförderungs- und sonstigen Reisekosten für den Ausländer innerhalb des Bundesgebiets und bis zum Zielort außerhalb des Bundesgebiets, (2.) die bei der Vorbereitung und Durchführung der Maßnahme entstehenden Verwaltungskosten einschließlich der Kosten für die Abschiebungshaft und der Übersetzungs- und Dolmetscherkosten und die Ausgaben für die Unterbringung, Verpflegung und sonstige Versorgung des Ausländers sowie (3.) sämtliche durch eine erforderliche Begleitung des Ausländers entstehenden Kosten einschließlich der Personalkosten.

aa) Die Personalkosten, die bei der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld angefallen sind, stellen keine Kosten i. S. v. § 67 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG dar. Es handelt sich nicht um Beförderungs- und sonstige Reisekosten für die Kläger. Die Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld haben die Kläger nicht nach Münster befördert; die Kläger sind über eine ganz abweichende Route und nicht durch Transport der Zentralen Ausländerbehörde von ihrem Wohnort zum Generalkonsulat gefahren.

bb) Die Personalkosten stellen demnach auch keine Kosten nach § 67 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG dar. Es handelt sich nicht um durch eine erforderliche Begleitung des Ausländers entstehende Kosten. Die Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld haben die Kläger nicht nach Münster begleitet. Die Begleitung der Kläger bei dem Amtsgeschäft im Generalkonsulat selbst ist nicht von § 67 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG erfasst.

cc) Die Personalkosten stellen schließlich keine Kosten i. S. v. § 67 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG dar. Es handelt sich nicht um Verwaltungskosten im Sinne des § 67 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG.

Nach dem ergänzend heranzuziehenden Verwaltungskostengesetz (§ 69 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) sind Verwaltungskosten die bei behördlicher Verwaltungstätigkeit anfallenden Gebühren und Auslagen (§ 1 Abs. 1 VwKostG).

BVerwG, Urteil vom 14. März 2006 1 C 5.05 , www.bverwg.de = BVerwGE 125, 101 = InfAuslR 2006, 379.

Verwaltungskosten in diesem Sinne schließen Personalkosten nicht ohne weiteres ein. In Übereinstimmung damit macht der Beklagte keine Personalkosten der Zentralen Ausländerbehörde geltend, die in der Behörde selbst im Verlauf einer Bearbeitung der Passersatzpapierbeschaffung angefallen sind. Personalkosten im Sinne des § 67 AufenthG bestehen vielmehr nur insoweit, als dies im Gesetz besonders geregelt ist, wie etwa bei Personalkosten, die bei einer erforderlichen Begleitung des Ausländers entstehen (§ 67 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG). Zu den Kosten der Abschiebung gehören ferner Personalkosten, die im Zusammenhang mit den in § 67 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Einzelnen aufgeführten, die Abschiebung vorbereitenden und begleitenden Maßnahmen stehen (z. B. Kosten der Abschiebungshaft). Dagegen können die sonstigen, allgemeinen oder laufenden Personalkosten nicht als Teil der Verwaltungskosten im Sinne des § 67 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG angesehen werden.

BVerwG, Urteil vom 14. März 2006 - 1 C 5.05 -, www.bverwg.de = BVerwGE 125, 101 = InfAuslR 2006, 379; Urteil vom 14. Juni 2005 1 C 15.04 , www.bverwg.de = BVerwGE 124, 1 = InfAuslR 2005, 480.

Die vom Beklagten geltend gemachten Kosten der Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld stellen allgemeine bzw. laufende Personalkosten dar. Sie sind nicht bei der Vorbereitung und Durchführung der Maßnahme "entstanden"; sie sind vielmehr ganz unabhängig von den Fahrten nach Münster entstanden: Hätte die Mitarbeiterin der Zentralen Ausländerbehörde den Termin am 28. Juli 2004, aber auch die anderen Termine in Münster nicht wahrgenommen, wären die Personalkosten ebenfalls angefallen.

Die geltend gemachten Personalkosten der Zentralen Ausländerbehörde sind nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 VwKostG i. V. m. § 67 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abrechenbar. Nach dieser Vorschrift können vom Schuldner (nur) die bei Geschäften außerhalb der Dienststelle den Verwaltungsangehörigen auf Grund gesetzlicher oder vertraglicher Bestimmungen gewährten Vergütungen (Reisekostenvergütung, Auslagenersatz) und die Kosten für die Bereitstellung von Räumen als Auslagen erhoben werden. Dass die Kostenaufstellungen der Zentralen Ausländerbehörde solche Kosten erfassen, ist nicht dargelegt.

b) Entsprechendes gilt für die allein nach Kfz-Kilometerpauschalen (vgl. dazu § 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) geltend gemachten Fahrtkosten der Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde, die sich nicht auf eine konkrete Auslage von Betriebsmitteln erstrecken.

Dass die Fahrtkosten nicht abrechenbar sind, wird bestätigt durch den ergänzend anwendbaren § 10 Abs. 1 Nr. 8 VwKostG. Nach dieser Vorschrift können vom Schuldner die Kosten für die Beförderung von Sachen, mit Ausnahme der hierbei entstehenden Postgebühren, und die Verwahrung von Sachen als Auslagen erhoben werden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Fahrtkosten fielen an, um den Mitarbeitern der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld die Wahrnehmung der jeweiligen Termine im Generalkonsulat Münster zu ermöglichen, nicht um Sachen zu transportieren.

C. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung ist nach §§ 124 a Abs. 1 S. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Frage, ob sich die Verjährung der Festsetzung von Kosten einer (beabsichtigten) Abschiebung nach der bundesgesetzlichen Regelung des § 20 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 VwKostG richtet oder dies durch § 70 Abs. 1 AufenthG ausgeschlossen ist, grundsätzliche Bedeutung hat. Zu dieser Rechtsfrage ist bundesgerichtliche Rechtsprechung nicht ersichtlich; in der obergerichtlichen Rechtsprechung ist sie nicht geklärt (vgl. HessVGH, Beschluss vom 18. Januar 2011 - 5 A 1302/10.Z -, www.lareda.hessenrecht.hessen.de, Rn. 5 = juris). Aus demselben Grund war die Sprungrevision nach §§ 134 Abs. 2 S. 1, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.