VG Köln, Urteil vom 13.05.2011 - 18 K 7475/10
Fundstelle
openJur 2011, 92427
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Traktor des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen SU-00 000 verlor am 27.06.2010 in Bornheim im Gewerbegebiet auf der Raiffeisenstraße bis zu seinem Betriebsgelände L. 00 aufgrund einer eingerissenen Leitung Dieselkraftstoff, mit dessen Beseitigung die Feuerwehr ein Unternehmen beauftragte, mit dem der beklagte Stadtbetrieb im Juni 2010 einen Rahmenvertrag über die Beseitigung von Ölspuren und Unfallstellensanierung auf den Straßen Stadtgebiet (im Folgenden: Vertrag) geschlossen hatte. Für diese Maßnahme, die auf einem Gesamtweg von weit mehr als 6 km eine Strecke von knapp 3 km, eine Spurbreite zwischen 1 und 3 m betroffen und nach deren Abschluss die Polizei die von der Feuerwehr gesperrte Straße freigegeben habe, berechnete das Unternehmen dem in der Anschrift der Rechnung benannten und als Auftraggeber bezeichneten Beklagten 2.305,72 EUR. Óber diesen Betrag zog der Beklagte den Kläger mit diesem am 17.11.2010 zugestelltem Kostenbescheid vom 11.11.2010, dem eine Rechnungsaufstellung des Unternehmens beilag, zum Kostenersatz heran und führte zur Begründung aus, die Verschmutzung habe sich u.a. auf Einmündungs- und Kreuzungsbereiche von Verkehrsflächen erstreckt und habe wegen der gegenwärtigen Gefahr durch Schmierfilm und Kontaminierung des Grundwassers im Wege des Sofortvollzugs beseitigt werden müssen, was durch das beauftragte Unternehmen unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips geschehen sei.

Nach Anweisung von 850,00 EUR durch den Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer des Klägers an den Beklagten hat der Kläger am 13.12.2010 Klage gegen die diesen Betrag übersteigende Festsetzung der Kosten durch den Leistungsbescheid erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Die Kostensatzung des Beklagten enthalte keine Grundlage für die Festsetzung von Rechnungen Dritter durch Kostenbescheid. Der Bescheid habe nicht auf § 55 Abs. 2 VwVG NRW gestützt werden können, weil die Ölspurbeseitigung nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen gemäß § 1 FSHG NRW Pflichtaufgabe der Feuerwehr sei, für die mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 41 Abs. 2 FSHG NRW aber keine Kosten erhoben werden dürften. Es werde bestritten, dass die vorgelegte Rechnung dem Vertrag mit dem Beklagten entspreche, dass das Unternehmen die Leistungen nach Maßgabe der Rechnung erbracht habe und dass die Leistungen erforderlich gewesen seien. Es habe sich lediglich um eine Tropfenspur gehandelt, die lediglich in zwei Kurven größere Verschmutzungen verursacht, in keinem Fall aber eine Breite von 30 bis 40 cm gehabt habe. Aufgrund der Arbeitsgeschwindigkeit der Reinigungsmaschine könnten 2.294 m in etwa einer Stunde gereinigt werden. Aus diesem Grund und aufgrund der angegebenen Emulsionsmenge sei die angegebene Arbeitszeit von 3,25 Stunden nicht ansatzweise plausibel und nachvollziehbar. Die Óblichkeit und Angemessenheit der Stundensätze des Unternehmens würden bestritten. Zu allen bestrittenen Umständen bietet der Kläger Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens an, das auch mangels Sachkunde des Gerichts erforderlich sei. Es fehle an einer nachvollziehbaren Dokumentation, anhand derer die Leistungen geprüft werden könne.

Der Kläger beantragt,

den Kostenbescheid des Beklagten vom 11.11.2010 aufzuheben, soweit dort mehr als 850,00 EUR festgesetzt werden,

hilfsweise

die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der in den Schriftsätzen vom 13.12.2010 und vom 06.05.2011 streitig gestellten Tatsachen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, er habe den Leistungsbescheid auf § 17 StrWG NRW gestützt. Im Óbrigen verweist er auf den Vertrag, die ebenfalls mit dem Verwaltungsvorgang übersandten Einzelrechnungen, Aufmaße, Fotos und die Kopie des Fahrtenschreibers des Unternehmens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, weil der Kostenbescheid des Beklagten in der angefochtenen Höhe rechtmäßig ist und den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zu den dem Beklagten durch die Beauftragung des Unternehmens entstandenen Kosten ist § 17 Abs. 1 Halbsatz 2 StrWG NRW, wonach der Träger der Straßenbaulast eine über das übliche Maß hinausgehende Verunreinigung einer Straße auf Kosten des Verursachers beseitigen kann.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28.06.1967 - IV A 731/66 -, DÖV 1967, 825.

Diese Rechtsgrundlage ist gegenüber einer Ersatzvornahme und einer auf § 77 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwVG NRW i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 VO VwVG NRW beruhenden Kostenfestsetzung die speziellere Befugnis, § 17 Abs. 1 Halbsatz 2 StrWG NRW räumt dem Träger der Straßenbaulast (hier: dem Beklagten, dem diese Aufgabe hinsichtlich der Beseitigung von Verunreinigungen durch die Stadt übertragen worden ist) kein Ermessen hinsichtlich der Heranziehung zum Kostenersatz ein.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29.04.2009 - 11 A 3502/06 -, VRS 116, 478

(zum insoweit vergleichbaren § 17 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW).

Der Träger der Straßenbaulast ist nach pflichtgemäßem Ermessen in der Wahl des Mittels zur Beseitigung der Verunreinigung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes frei.

Vgl. Fickert, Straßenrecht in Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 3. Aufl. (1989), § 17 Rdnr. 10.

Es kann hier dahinstehen, ob die Beseitigung der Ölspur eine Pflichtaufgabe der Feuerwehr gemäß § 1 FSHG NRW ist. Die Kammer hat allerdings Zweifel an der entsprechenden Rechtsprechung des

OVG NRW, Urteil vom 16.02.2007 - 9 A 4239/04 -, und vorgehend VG Köln, Urteil vom 14.09.2004 - 14 K 3671/02 -,

weil der bloße Verlust von Betriebsflüssigkeiten aus Kraftfahrzeugen sowohl nach dem natürlichen Wortverständnis als auch nach der straßenverkehrsrechtlichen Definition schon mangels "Plötzlichkeit" (es sei denn, man unterteilt jeden Ablauf punktgenau, weshalb alle Ereignisse zu einem bestimmten Zeitpunkt und in diesem Sinne "plötzlich" eintreten, dann aber die Heranziehung dieses Kriteriums obsolet ist) keinen "Unfall" darstellt und die genannte Rechtsprechung,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 16.02.2007 a.a.O., S. 13 f. des amtlichen Abdrucks,

letztlich allein auf eine (ordnungsrechtliche) "Gefahr" abstellt, die der Gesetzgeber in § 1 FSHG NRW aber nicht als Tatbestandsvoraussetzung benannt hat, obwohl angesichts der hergebrachten ordnungsrechtlichen Begrifflichkeit nichts näher als das gelegen hätte, wenn er dies beabsichtigt hätte.

Jedenfalls besteht die Befugnis des § 17 StrWG NRW neben dem Tatbestand des § 1 FSHG NRW. Dass der Beklagte nicht gemäß § 1 FSHG NRW handeln wollte (und konnte), sondern auf der Grundlage des § 17 StrWG NRW, ergibt sich bereits daraus, dass die Feuerwehr das Unternehmen im Auftrag des Beklagten beauftragte, wie dieser vorträgt und was bestätigt wird durch die Rechnung des Unternehmens, die weder an die Feuerwehr noch an die Kommune, sondern an den Beklagten, der zudem dort als Auftraggeber bezeichnet wird, gerichtet ist.

Die Beseitigung der Verschmutzung war zur Abwehr der Gefährdung der Verkehrssicherheit und des Grundwassers geeignet. Sie war auch erforderlich, wie sich bereits daran zeigt, dass die Feuerwehr eine umgehende Beseitigung der Ölspur für erforderlich hielt und die Straße erst nach erfolgter Reinigung durch die Polizei wieder freigegeben wurde. Dass der Beklagte das Unternehmen mit der Beseitigung der Verunreinigung beauftragte, ist angesichts des u.a. zu diesem Zweck bereits geschlossenen Vertrags sachgerecht. An der Angemessenheit bestehen keine Bedenken.

Denn die Kostenanforderung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Das klägerische Bestreiten zur Erbringung der in Rechnung gestellten Leistungen ist unsubstantiiert. Ein - hier teilweise vorliegendes - bloßes Bestreiten mit Nichtwissen reicht im verwaltungsgerichtlichen Prozess nicht aus. § 138 Abs. 4 ZPO ist als Ausfluss des zivilprozessualen Beibringungsgrundsatzes nicht im der Untersuchungsmaxime unterliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren anwendbar.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 02.11.2007 - 3 B 58.07 -, NVwZ 2008, 230 (m.w.N.).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren muss ein Bestreiten von Umständen aus dem Bereich eines anderen Beteiligten substantiiert sein, wenn und soweit diese Umstände ihrerseits substantiiert, nämlich detailliert und nachvollziehbar dargelegt worden sind.

Vgl. BVerwG a.a.O.

Die Substantiiertheit des Bestreitens hängt danach von der Substantiiertheit des auf die in der Sphäre der Gegenseite liegenden Umstände bezogenen gegnerischen Vortrags ab. Daran gemessen ist das Bestreiten des Klägers mit Nichtwissen bzw. zur Länge der Reinigungszeit, zu der Erforderlichkeit des Reinigungsumfangs sowie der Óblichkeit und Angemessenheit der Stundensätze des Unternehmens zu unsubstantiiert.

Die erbrachten Leistungen sind nicht nur durch die detaillierten Angaben des Unternehmens, sondern auch durch die beigefügten Fotografien und durch die Freigabe der Straße durch die Polizei nach erfolgter Reinigung dokumentiert. Die Länge der gereinigten Strecke ist mit 2.294 m - bei einer betroffenen Gesamtwegestrecke von 6.800 m -unstreitig und zudem aufgrund der detaillierten Erläuterung durch das Unternehmen nachvollziehbar. Die Angabe der Zeit von 3,25 Stunden umfasst entgegen der Annahme des Klägers nicht die Zeit der Straßenreinigung, sondern die gesamte erforderliche Zeit des Einsatzes von der Anfahrt des Reinigungs- und des erforderlichen Begleitfahrzeugs bis zu deren Rückkehr samt der Wiederherstellung ihrer Betriebsbereitschaft. Die Dauer des Einsatzes ist u.a. durch die im Verwaltungsvorgang befindliche Kopie der Aufzeichnungsscheibe des Unternehmens-Fahrtenschreibers dokumentiert. Das Unternehmen hat die jeweilige Dauer in Stunden wie folgt aufgeführt: Hinfahrt: 0,66; Rückfahrt: 0,67; Wiederherstellung Einsatzbereitschaft: 0,25; Reinigungszeit: 1,67. Die Reinigungszeit hat es wie folgt untergliedert: Abladen/Einsatzbereitschaft herstellen: 0,05; Einweisung/Fahrt zur Ölspur: 0,05; Einsatz Ölreiniger (Vorbehandlung): 0,17; 1. Reinigungsfahrt: 0,48; Fahrt zum Betriebsmittelfahrzeug: 0,02; Ablassen Schmutzwasser/Reinigung: 0,17; Befüllen Frischwasser/Reiniger: 0,22; Rückfahrt zur Ölspur: 0,02; 2. Reinigungsfahrt: 0,33; Fahrt zum Betriebsmittelfahrzeug: 0,02; Aufladen/Ladungssicherung: 0,07; Aufmaß/Dokumentation/Freigabe: 0,08.

Diesen detaillierten Angaben ist der Kläger nicht entgegen getreten. Die Berechnung beider Fahrzeuge und der Arbeitszeit beider Mitarbeiter des Unternehmens für die gesamte Zeit ab der Abfahrt vom Unternehmensgelände bis zum Abschluss der Wiederherstellung der Fahrzeug-Einsatzbereitschaft auf dem Unternehmensgelände ist ebenfalls nicht zu beanstanden, weil es betriebswirtschaftlich maßgeblich ist, dass beide Fahrzeuge und Mitarbeiter in der gesamten Zeit nicht anderweitig eingesetzt werden konnten. Beide Mitarbeiter waren die gesamte Zeit mit den aus der Beseitigung der Ölspur resultierenden Arbeiten beschäftigt. Die Zuschläge für die Nachtarbeit begegnen keinen Bedenken. Hinzu kommen die Kosten für Materialien, die Entsorgung und die Fotodokumentation sowie auf sämtliche Einzelposten die Umsatzsteuer. Die Ansätze entsprechen exakt den Vorgaben aus dem Vertrag. Dass die Höhe der Einzelposten unangemessen hoch wäre, ist eine bloße Behauptung des Klägers und jedenfalls angesichts der sich im Rahmen des Óblichen haltenden und dem Gericht bekannten Preise für eine Arbeitsstunde etwa im Handwerk weder substantiiert geltend gemacht noch sonst erkennbar.

Weil der Kläger die im Verwaltungsvorgang enthaltenen Angaben nach alldem nicht substantiiert bestreitet, ist sein hilfsweise gestellter Beweisantrag in Form der Einholung eines Sachverständigengutachtens auf eine Ausforschung gerichtet, weshalb ihm auch nicht von Amts wegen weiter nachzugehen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.