VG Düsseldorf, Urteil vom 04.05.2011 - 18 K 1622/11
Fundstelle
openJur 2011, 92425
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe

Die Klage des Klägers hat keinen Erfolg. Der mit dem Haupantrag verfolgte Feststellungsantrag (§ 43 Abs. 1 VwGO) ist unter Bejahung des Feststellungsinteresse, welches daraus resultiert, dass es dem Kläger nicht zumutbar ist, sich zur Geltendmachung der behaupteten Unwirksamkeit der Verordnung einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zu stellen, statthaft. Ein (unzulässige) Umgehung des § 47 VwGO Abs. 1 Nr. 2 VwGO liegt angesichts der hinreichend konkreten und individualisierten Rechtsbeziehung, die sich aus dem Antrag ergibt, nicht vor.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. Oktober 2010, 13 A 929/10 -, Juris, ebenda Randziffer 10 m.w.N.

Das Feststellungsinteresse folgt aus dem Umstand, dass der Verstoß gegen die ordnungsbehördliche Verordnung bußgeldbewehrt ist

- vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. Oktober 2010, 13 A 929/10 -, Juris, ebenda Randziffer 13 m.w.N. -;

der Beklagte hat durch sein Ordnungsamt für den vom Kläger ernsthaft beabsichtigten Wiederholungsfall den Erlass eines Bußgeldbescheides bereits schriftlich angekündigt. Der Kläger kann sein Begehren auch nicht mit Erfolg mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen, vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Die mit dem ersten Hilfsantrag verfolgte Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ist nicht geeignet, das eigentliche Anliegen des Klägers zu befriedigen, weil sie die vom Kläger bezweifelte Wirksamkeit des Taubenfütterungsverbotes voraussetzt.

Die Feststellungsklage ist unbegründet. Das Füttern von Tauben durch den Kläger auf dem L-Platz in den Wintermonaten stellt einen Verstoß gegen das Taubenfütterungsverbot in § 10 Abs. 3 der Ordnungsbehördlichen Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf dem Gebiet der Stadt M vom 28. November 2001 (nachfolgend Verordnung genannt) dar. § 10 Abs. 3 der Verordnung mit dem Regelungsgehalt "Stadttauben dürfen nicht zielgerichtet oder gezielt gefüttert werden" ist wirksames Ortsrecht.

Die vom Kläger gerügten Bedenken an der Bestimmtheit liegen nicht vor. Aus dem Verbot ergibt sich klar, welche Handlung verboten ist. Es liegt kein Widerspruch zur abstrakten Regelung über Ausnahmemöglichkeiten vor. Jeder verständige Normadressat kann erkennen, dass das Verbot gegenüber Jedermann im Stadtgebiet gilt, es sei denn, diesem ist zuvor nach § 15 der Verordnung eine Ausnahme erteilt. Wer eine Ausnahme hat, darf innerhalb deren Umfang füttern; wer nicht, muss es lassen. Es liegt auch keine tatsächliche Unmöglichkeit der Befolgung des Verbotes vor. Die Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, es sei in strengen Wintern unmöglich, das Verbot zu beachten, weil das Füttern anderer Wildvögel ja geboten sei und niemand es verhindern könne, dass Tauben das für Wildvögel bestimmte Futter aufnähmen, liegen nicht nur neben der Sache, sondern auch neben dem durch den Antrag bestimmten Streitgegenstand. Das von dem klägerischen Antrag erfasste Füttern von Tauben findet, wie sich aus dem konkreten Anlass des Rechtsstreits (Vorfall vom 19. Januar 2011) ergibt, gegenüber anwesenden Tauben statt. Nur bei dem vom Streitgegenstand nicht erfassten Auslegen von Futter für abwesende Tiere könnte überhaupt die vom Kläger geschilderte Problematik eintreten, wiewohl auch nur bei unsachgemäßer Art und Weise der Wildvögelfütterung. Für Denjenigen, der heimische Wildvögel füttern will, stehen Mittel und Wege der Futterdarreichung zur Verfügung, die für Tauben regelmäßig nicht zugängig sind. Denn heimische Wildvögel werden anders als Tauben typischerweise gerade nicht durch hingeworfenes Futter unterstützt, weil hingeworfenes Futter durch Schneefall verdirbt und zudem unauffindbar wird. Heimische Wildvögel werden vielmehr typischerweise dadurch unterstützt, dass Futter in sogenannten Vogelhäusern vor Witterung geschützt angeboten wird, aber auch durch sogenannte Meisenknödel. Derart angebotenes Futter ist für Tauben regelmäßig eher unerreichbar. Denn für heimische Wildvögel zur Nahrungsaufnahme bestimmte Vogelhäuser sind für Tauben (bewusst) zu klein. Tauben sind auch zu schlechte Flieger bzw. zu schwer, um sich aus so genannten Meisenknödeln oder anderen in gleicher Art zu erreichenden Futterangeboten bedienen zu können. Daher besteht schon wegen der unterschiedlichen Art der Darreichung des Futters bei Wildvögeln einerseits und bei Tauben andererseits kein Grund zur Annahme, bei einem Vollzug des Taubenfütterungsverbots könnten Abgrenzungsschwierigkeiten betreffend das Gebot zum Füttern heimischer Wildvögel auftreten. Gegenüber anwesenden Tieren, also soweit es den Streitgegenstand betrifft, bereitet die Differenzierung kein Problem. Wer, wie der Kläger, Tauben füttert, handelt verbotswidrig. Wem es jedoch gelingen sollte, die in der Regel eher scheuen heimischen Wildvögel "aus der Hand" mit Körnern zu füttern, der muss dieses Verhalten einstellen, sobald sich Tauben einstellen, die auf Grund überlegender Kraft und Größe die Wildvögel sofort verdrängen und an deren Stelle das Futter aufnehmen. Die Annahme des Klägers, Tauben und heimische Wildvögel würden friedlich nebeneinander Körner picken, ist lebensfremd und entbehrt jeglicher praktischer Relevanz. In der gegebenen Situation wäre dann nicht etwa das Füttern der Wildvögel unmöglich, sondern lediglich die Art der Futterdarreichung ungeeignet. Wer Wildvögel füttern möchte, kann sich der bereits geschilderten bewährten und für Tauben nicht zugänglichen Darreichungsformen bedienen.

Auch sonst bestehen keine Bedenken gegen die Verordnung. Die vom Kläger dem angefochtenen Bescheid ("Rechtsfehler des Versagungsbescheides") entgegen gehaltenen Einwände unzulässige Rechtsausübung, Verstoß gegen das Tierschutzgesetz und Unverhältnismäßigkeit/Nichterforderlichkeit berühren bei verständiger Würdigung nicht den Versagungsbescheid, sondern die materielle Rechtmäßigkeit der Verordnung, weshalb sie bereits Gegenstand des Prüfungsumfangs der Feststellungsklage sind. Die Einwände des Klägers greifen aber in der Sache nicht. § 10 Abs. 3 der Verordnung ist auch im Umfang der durch den Kläger aufgeworfenen Fragen materiell wirksam.

An der grundsätzlichen Berechtigung einer Gemeinde, aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf der Grundlage der ordnungsbehördlichen Verordnungsermächtigung (vgl. § 27 Abs. 1 OBG NRW) unter Ausübung des dort eingeräumten, politische Erwägungen einschließenden Ermessens durch Rechtsverordnung ein Taubenfütterungsverbot zu erlassen und dadurch die allgemeine Handlungsfreiheit zu beschränken, bestehen auch nach Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz als Staatszielbestimmung durch Art. 20a GG keine Bedenken.

Im Ergebnis ebenso: OLG Hamm, Beschluss vom 22. Februar 2007, - 2 Ss OWi 836/06 -, VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. September 2005, - 1 S 261/05 -, Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 9. November 2004, - Vf. 5-VII-03-, alle Juris.

Die tatsächlichen Grundlagen eines Taubenfütterungsverbot, also insbesondere dessen Eignung als Mittel dazu, Taubenkot und die davon ausgehenden Störungen und Belästigungen zu reduzieren, werden durch den Vortrag des Klägers nicht in Frage gestellt. Taubenkot stellt sowohl ein Gesundheitsrisiko als auch einen maßgeblichen Faktor betreffend die Schädigung von Bausubstanz dar. Der Bayerische VGH führt zu den Folgen von Taubenkot in seiner Entscheidung vom 9. November 2004 aus ( a.a.O. Randnummer 31 m.w.N.):

Verwilderte Haustauben verursachen dort, wo sie in größeren Scharen auftreten, nicht nur Schäden an Gebäuden, sondern führen durch Verunreinigungen auch zu Beeinträchtigungen von Menschen. Durch die Regelung (s.c. Taubenfütterungsverbot) soll vermieden werden, dass Gebäude, besonders historische und künstlerisch bedeutsame Bauten, sowie Grundstücke allgemein, etwa Grünanlagen oder Kinderspielplätze, durch stark ätzenden Taubenkot verschmutzt werden. Dem Schutz der öffentlichen Reinlichkeit dient es, wenn Gehwege und Fahrbahnen von Taubenkot freigehalten werden; dadurch werden Gefährdungen sowohl für die Verkehrssicherheit - etwa auf Gehsteigen - als auch für die Gesundheit - etwa durch allergische Reaktionen beim Einatmen von Feder- oder Kotstaub - verhindert. Es ist nahe liegend, dass zwischen der Fütterung der Tauben und der Gefahr einer nicht unerheblichen Verschmutzung durch die Tauben gerade dann ein Zusammenhang besteht, wenn auf Straßen und in Anlagen gefüttert wird. Durch das verringerte Nahrungsangebot soll das durch die übertriebene Fütterung ausgelöste übermäßige Brutverhalten der Tauben eingeschränkt und die Taubenüberpopulation beseitigt werden; dies ist nach fachwissenschaftlicher Erkenntnis das wirksamste sowie mildeste Mittel, welches tierschutzkonform ist.

Bei Taubenkot handelt es sich auch nicht bloß um ein ästhetisches Problem. Hierzu führt der VGH Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 27. September 2005 aus (a.a.O. Randnummer 20):

Mit der Regulierung der Taubenpopulation soll der Verschmutzung insbesondere durch Taubenkot entgegengewirkt werden. Dies ist angesichts eines wie in N bei ungehinderter Vermehrung großen Taubenbestands von bis zu 10.000 Exemplaren nicht etwa ein ordnungsrechtlich irrelevantes bloß ästhetisches Problem. Bei ca. 9 bis 12 kg Nasskot pro Taube und Jahr - dies entspricht ca. 2,5 kg Trockenkot (...) - kann es zu Schäden an Gebäuden - und in erheblichem Umfang auch an denkmalgeschützten Bauten - kommen (...). Allein der Hinweis auf einen durchschnittlichen pH-Wert von Taubenkot, der sich mit 5,5 im schwach sauren Bereich bewege, ist nicht geeignet, diesen Befund generell in Frage zu stellen; denn die verschiedenen Baumaterialien reagieren insoweit unterschiedlich. Aber auch ungeachtet von Substanzschäden fallen jedenfalls große Reinigungskosten an, damit die durch eine Ekel erregende Kotschicht verunstalteten Gebäude wieder ästhetischen Anforderungen genügen und so auch ihren wirtschaftlichen Wert behalten. Demnach dient das Verbot dem Schutz des Eigentums Privater und der öffentlichen Hand.

Dass sich die Verhältnisse in M grundsätzlich anders darstellen könnten, behauptet der Kläger nicht. Das Gericht entnimmt seinem Vortrag auch nicht ernsthaft, er wolle behaupten, es gebe in M nur 21 Stadttauben. Der Vortrag des Klägers, Taubenkot sei nur schwach sauer, veranlasst keine Beweiserhebung. Er kann als wahr unterstellt werden. Auch schwach saure Substanzen können je nach Gebäudesubstanz bei entsprechender Menge und vor allem bei ausreichender Einwirkungszeit Schäden an Gebäuden verursachen, wiewohl eine Alleinverursachung durch Tauben ohnehin weder nachgewiesen werden kann noch muss. Es reicht vielmehr aus, dass nach überwiegender wissenschaftlicher Auffassung Taubenkot mitursächlich für Gebäudeschäden ist.

Die Eignung eines Taubenfütterungsverbots für die damit bezweckten Ziele wird auch nicht dadurch infrage gestellt, dass der Kontakt mit Haustieren im Einzelfall gefährlicher sein kann als der Kontakt mit Taubenkot. Abgesehen davon, dass mit dem Taubenfütterungsverbot nicht nur gesundheitliche Anliegen verfolgt werden, geht es vorliegend darum, den unvermeidbaren unfreiwilligen Kontakt der Bewohner und Besucher von M mit Taubenkot zu reduzieren. Damit nichts zu tun hat, wenn sich jemand freiwillig den mit der Haltung eines Haustiers verbundenen Risiken aussetzt, zumal diese in gewissem Umfang durch Impfungen etc. auch beherrschbar sind.

Das Taubenfütterungsverbot ist auch erforderlich. Andere Mittel, die mit einem vergleichbar geringen Verwaltungsaufwand und bei vergleichsweise geringer Eingriffsintensität zu einem auch nur annähernd gleichen Ergebnis kommen, sind nicht ersichtlich. Dass andere Städte so genannte Taubenhäuser aufstellen, in denen amtliche und/oder freiwillige Helfer Taubeneier gegen Plazebos austauschen und/oder den Tauben empfängnisverhütende Mittel verabreichen, ist allein politischen Erwägungen geschuldet. Eine Rechtspflicht, vor Erlass eines Fütterungsverbots zu einem derartigen Mittel zu greifen, besteht schon deshalb nicht, weil jeweils selbständig tragend die Eignung dieses Mittels durchaus umstritten ist und weil der Aufwand deutlich höher ist.

Gegen die Angemessenheit des Taubenfütterungsverbotes bestehen ebenfalls keine Bedenken. Das Verbot ist zunächst nicht deshalb unverhältnismäßig im engeren Sinn, weil es ganzjährig und damit auch in nach örtlichregionalen Maßstäben eher strengeren Wintern Geltung beansprucht. Es ist vielmehr gewollter Zweck des Verbots, Taubenpopulationen dadurch zurückzudrängen, dass sich deren Bestand in kalten Wintern um diejenigen schwachen oder kranken Tiere vermindert, die auf Grund ihrer Konstitution den klimatischen Bedingungen weniger entgegenzusetzen haben als gesunde und starke Tiere. Eine generelle Ausnahme vom Fütterungsverbot im Winter würde daher den Zweck konterkarieren. Das Fütterungsverbot stellt auch keine zielgerichtete Tötung von Tauben dar, an die tierschutzrechtlich strengere Maßstäbe zu setzen wären. Der Kläger verwechselt Unterlassen ("Nichtfüttern") mit aktiven Tun (Töten durch Abschießen oder sonst aktives Handeln). An die Rechtfertigung aktiven Handelns stellen sich naturgemäß höhere Anforderungen als an schlichtes Unterlassen; Unterlassen ist nur bei Bestehen einer Handlungspflicht relevant. Dass und warum die Beklagte verpflichtet sein könnte, Tauben zu füttern, erläutert der Kläger aber nicht. Das ganzjährige Verbot ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil anderweitig zum Füttern der heimischen Wildvögel in strengen Wintern aufgefordert wird. Denn Tauben finden ihr Futter auf anderem Wege als heimische Wildvögel. In Städten sesshafte Tauben ernähren sich vorwiegend von menschlichen Nahrungsresten, die grundsätzlich auch in strengen Wintern zur Verfügung stehen.

Dass das Fütterungsverbot nur Tauben und nicht auch andere Vögel betrifft, ist sachgerecht. Die Differenzierung ist gerechtfertigt durch den Umstand, dass Taubenkot im Verhältnis zu Kot anderer Vogelarten als vorrangiges Problem angesehen wird, weil andere Vogelarten in M nach Einschätzung der Verantwortlichen in geringerer Häufigkeit und durch kleinere und also auch im Einzelfall weniger Kot absondernde Tiere vertreten sind. Gegen diese Differenzierung ist nichts einzuwenden. Dass die tatsächlichen Verhältnisse eine derartige Differenzierung nicht erlauben, hat der Kläger nicht vorgetragen.

Andere Gründe, die der Verordnung entgegen stehen könnten, liegen nicht vor. Die bewusste und gewollte Gestaltung des Rathausdaches als Biotop hindert den Rat der Stadt nicht, ein Taubenfütterungsverbot zu erlassen. Ein Verstoß gegen früheres Handeln ist darin nicht zu erkennen. Dass das Dach gerade deshalb als Biotop gestaltet worden ist, um Tauben anzulocken, behauptet der Kläger ins Blaue hinein und wird von der Beklagten zurückgewiesen. Objektive Anhaltspunkte dafür sind nicht ersichtlich. Dachbegrünungen dienen allgemein der Verbesserung der kleinklimatischen Verhältnisse und nicht dazu, Tauben einen Brutplatz oder sonstigen Lebensraum zu verschaffen. Ungeachtet dessen hat der Kläger auch nicht hinreichend schlüssig dargelegt, dass es sich bei dem Dach überhaupt um einen vorrangigen Brut- und Nistplatz von Tauben handeln könnte.

Die mit dem ersten Hilfsantrag verfolgte Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Ausnahme vom Taubenfütterungsverbot ist zulässig, aber unbegründet ( § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Von dem Taubenfütterungsverbot in § 10 Abs. 3 der Verordnung kann grundsätzlich keine Ausnahme erteilt werden, weil dies Sinn und Zweck des Verbots aushebeln würde. Das Vorhandensein einer generellen Ermächtigung zum Erlass von Ausnahmen in § 15 der Verordnung ist ersichtlich auf eine Vielzahl von in der Verordnung enthaltenen Verbotstatbestände gerichtet und daher generellen Charakters. Es kann einen bestimmten Regelungsgegenstand betreffend aus Sachgründen leer laufen, wenn dieser Ausnahmen nicht erlaubt. Hinsichtlich des Regelungsgegenstands Taubenfütterungsverbot und bezogen auf die vom Kläger beantragte Ausnahme ist dies der Fall. Denn bei erstmaliger Erteilung einer Ausnahme an den Kläger aus den von diesem geltend gemachten Gründen und in dem von diesem begehrten Umfang müsste die Beklagte aus Gründen der Selbstbindung der Verwaltung und Gleichbehandlung aller Normbetroffenen (Art. 20 Abs. 3 und Art. 3 Abs. 1 GG) in allen gleich gelagerten Fällen antragsgemäß eine Ausnahme in entsprechendem Umfang erteilen. Wenn jeder potentielle Tierfreund im Stadtgebiet der Beklagten eine entsprechende Ausnahme erhielte, und zwar auch nur für jeweils eine beschränkte Anzahl an Tauben, und von ihr Gebrauch machen würde, liefe das Verbot, welches ohnehin nur fütterungswillige Tierfreunde anspricht, leer. Dies gilt auch, soweit sich der Kläger auf den besonders strengen Winter beruft. Abgesehen davon, dass eine Abgrenzung zwischen normalem und strengem Winter in der Sache nur schwer möglich ist, hat der Kläger durch seinen vorgerichtlichen Antrag den Streitgegenstand bestimmt. Dieser Antrag beschränkt sich nicht auf besonders strenge Winter, andernfalls sich das Begehren ohnehin erledigt hätte. Der Kläger will vielmehr in jedem Winter füttern, wie er mit der Klagebegründung und auch in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt und deshalb auch beantragt hat. Müsste die Beklagte aber jedem Tierfreund die beschränkte Gabe von Körnern in Wintermonaten erlauben, wäre dies die faktische Preisgabe des Fütterungsverbots im Winter. Gerade im Winter ist jedoch, trotz des grundsätzlich gegebenen Futterangebots, der potentielle Einfluss des Verbots auf die Taubenpopulation noch am Größten. Eine generelle Ausnahme im Winter würde daher das Verbot im Ergebnis nahezu leer laufen lassen. Aus diesen Gründen, auf die der angefochtene Bescheid im Ergebnis zutreffend abstellt, kann dem Kläger keine Ausnahme erteilt werden. Ermessensfehler sind bereits nicht möglich, weil das Ausnahmeermessen aus Sachgründen bereits nicht eröffnet ist.

Der zweite Hilfsantrag ist unbegründet. Über den Antrag des Klägers kann bei zutreffender Sachbehandlung nur unter den vorbenannten Erwägungen entschieden werden.

Das Gericht verkennt nicht, dass die Verbotsnorm, von der eine Ausnahme hier nicht erteilt werden kann, nicht nur die allgemeine Handlungsfreiheit, sondern auch die Religionsausübungsfreiheit (Art. 4 Abs. 2 GG) des Klägers berührt. Die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG steht jedoch schon nach dem ausdrücklichen Wortlaut unter einem einschränkenden Vorbehalt, der hier durch die Rechtsverordnung in legitimer und damit verfassungskonformer Weise ausgeübt wird. Nichts anderes muss aber auch für die Religionsausübungsfreiheit gelten. Es steht im Ergebnis außer Frage, dass das Grundrecht der Religionsfreiheit nicht das Recht gibt, Leben und Gesundheit anderer Menschen, die nach Art. 2 Abs. 2 GG ebenfalls den Schutz der Verfassung genießen, gravierenden Gesundheitsgefahren auszusetzen.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24. Oktober 1997, - 3 BN 1.97 -, Juris.

Dies schließt nach Auffassung der Kammer auch ein, im Einzelfall nach konkreter Abwägung der Interessen durch eine Rechtsverordnung das Grundrecht der Religionsausübungsfreiheit zurücktreten zu lassen, wenn es, wie hier, um den Schutz vor jedenfalls erheblichen Gesundheitsgefährdungen und gleichzeitig auch vor erheblichen Bausubstanzschäden (Art. 14 Abs. 1 GG) an einer Vielzahl von Gebäuden im privatem und öffentlichem Eigentum geht. In der vorliegenden Konstellation muss sich der Kläger daher darauf verweisen lassen, sein Interesse am Tierschutz im Allgemeinen und an der Förderung des Wohlergehens der 21 Tauben auf dem L-Platz im Besonderen auf anderem Wege zu verwirklichen.

Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. September 2005, a.a.O. Randnummer 32.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 167 Abs. 2 und 1 VwGO, 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Dem Verwaltungsgericht eröffnete Berufungszulassungsgründe liegen angesichts der übereinstimmenden obergerichtlichen Rechtsprechung zur grundsätzlichen Zulässigkeit von Taubenfütterungsverboten nicht vor.