OLG Rostock, Urteil vom 15.07.2010 - 3 U 134/09
Fundstelle
openJur 2011, 91759
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 4 O 93/09
Tenor

1.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 09.09.2009 wird zurückgewiesen.

2.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Nebenintervenientin, die diese selbst trägt.

3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 60.000,00 €.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt aus einem notariellem Grundstückskaufvertrag die Einhaltung einer Bauverpflichtung und Zahlung einer Vertragsstrafe.

Der Kläger war Eigentümer von acht Baugrundstücken in P., Xstraße, von denen er zumindest sechs zu verkaufen beabsichtigte. Die Nebenintervenientin beauftragte er mit dem Entwurf eines entsprechenden Kaufvertrags inklusive einer Klausel, die seinem Wunsch gerecht werden sollte, dass die zu errichtenden Einfamilienhäuser sich in die Umgebung einfügen und Fassaden aus Klinkern erhalten.

Mit notariellem Grundstückskaufvertrag vom 18.08.2008 erwarb die Beklagte vom Kläger das knapp 600 qm große Baugrundstück Xstraße 18 c. In § 11 des Grundstückskaufvertrags, dessen Entwurfstext die Beklagte ca. 1 Monat vor Vertragsschluss erhielt, heißt es:

"Bauverpflichtung

1.

Der Verkäufer und der Käufer vereinbaren, dass das Grundstück gem. § 34 BauGB bebaubar ist. Hinsichtlich Art und Umfang verpflichtet sich der Käufer zur Einhaltung der folgenden Auflagen:

Das Wohnhaus ist mit einer Klinkerfassade zu versehen und die Dachneigung des Gebäudes ist mit mindestens 45° festzulegen.

2.

Der Verkäufer hat das Recht, von dem Käufer die Zahlung einer Vertragsstrafe bis zur Höhe von EUR 25.000,00 zu verlangen, falls dieser gegen die vorstehend übernommene Verpflichtungen verstößt (§ 339 BGB). Der Verkäufer bestimmt innerhalb des vorstehenden Rahmens die Höhe der Vertragsstrafe (§ 315 BGB). Der Käufer verpflichtet sich zur Zahlung der Vertragsstrafe.

Unbenommen von der Erhebung der Vertragsstrafe bleibt der Anspruch auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes und die vertragsgemäße Einhaltung der Verpflichtung."

Auf dem Grundstück ließ die Beklagte ein Einfamilienhaus mit einer zweischaligen Fassade, die Vorsatzmauerschale aus bossierten, weißen Kalksandsteinen, errichten. Die Außenfassade wurde von Mitte Januar bis Mitte Februar 2009 errichtet. Bereits im Januar war der Kläger auf der Baustelle erschienen und hatte den Bautenstand bemerkt, mit Schreiben vom 16.02.2009 monierte er die unterlassene Verwendung von Klinkern. Für spätere Vertragsabschlüsse ließ er den Vertragsentwurf ausdrücklich dahin ändern, dass rot gebrannte Ziegel zu verwenden seien.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen unstreitigen und streitigen Parteivorbringens wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts vom 09.09.2009 Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die von der Beklagtenseite vertretene Definition der Klinkerfassade sei dem Kaufvertrag zugrunde zu legen, da gem. § 305 e Abs. 2 BGB von der verwenderfeindlichen Auslegung auszugehen sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Er beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,
1.
das Gebäude, welches auf dem Grundbesitz errichtet ist, den die Beklagte vom Kläger mit Urkunde der Notarin G., vom 18. August 2008 (UR-Nr. x/2008) erworben hat (Adresse: Xstraße 18 c, P.), mit einer Fassade, bestehend aus Klinkern (gebrannten Tonprodukten), zu versehen;
2.
an den Kläger 25.000,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Nebenintervenientin schließt sich dem Antrag des Berufungsklägers an.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und der Nebenintervenientin nimmt der Senat auf die zu Gericht gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht mit dem angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen.

Weder aus § 11 Nr. 2 Abs. 2 i.V.m. Nr. 1 des Vertrages, noch aus einem anderen Rechtsgrund ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf Herstellung des von der Beklagten errichteten Wohnhauses mit einer Fassade aus gebrannten Tonziegeln und damit auf Austausch der vorhandenen Kalksandsteinfassade. Der im Vertrag gewählte Begriff der "Klinkerfassade" ist so zu verstehen, dass sie sich durch die Optik einer Stein auf Stein hergestellten Fassade von einer verputzten oder holzverschalten oder auf andere Weise als Stein auf Stein gefertigten Fassade abgrenzen sollte. Dies ergibt sich aus der gemäß § 305 c Abs. 2 BGB gebotenen Auslegung der Vertragsklausel.

Bei den im Kaufvertrag geregelten Bedingungen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen nach § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt.

Ob es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, hat der Senat entgegen der Auffassung der Berufung auch ohne, dass sich eine Partei darauf beruft, zu prüfen. Zwar trifft es zu, dass die Partei, die sich auf den Schutz der AGB-Regeln beruft, das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen darlegen und beweisen muss. Dies gilt allerdings nur, soweit sich Tatsachenfragen stellen, nur dann bleibt Raum für eine Verteilung der Darlegungs- und ggfs. Beweislast (Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 307 Rn.5 mit Nachweisen). Ergibt sich aus dem unstreitigen Vortrag, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen vorliegen, hat das Gericht die entsprechenden Rechtsvorschriften anzuwenden. So ist es hier, denn der Kläger hat sich nach seinem eigenen, unbestrittenen Vortrag die Kaufverträge für ursprünglich mindestens 6 Verträge von der Nebenintervenientin vorformulieren lassen und diesen Vertragstext der Beklagten vorgelegt.

Der Annahme, dass es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, steht nicht entgegen, dass die Beklagte den Vertrag gemäß § 17 Abs. 2 a Nr. 2 BeurkG mindestens 14 Tage vor der Beurkundung erhalten hat. Auch ein notariell beurkundeter Vertrag kann Allgemeine Geschäftsbedingungen enthalten (so zum Bauträgervertrag: BGH, Urteil vom 29.05.2009, V ZR 201/08, NJW-RR 2010, 63-64). Insbesondere ergibt sich kein Anhaltspunkt dahin, dass die Beklagte Gelegenheit hatte, auf Basis des Vertragsentwurfs Verhandlungen mit dem Kläger zu führen, denn aus seinem Vortrag ergibt sich, dass § 11 des Vertrags für ihn nicht verhandelbar war, da er eine einheitliche Gestaltung des Wohngebiets wollte.

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem typischen Sinn auszulegen. Es kommt darauf an, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise an solchen Geschäften beteiligten Kreise verstanden werden. Ansatzpunkt für die bei einem Formularvertrag gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut (BGH, Urt. v. 19.01.2005, XII ZR 107/01, BGHZ 162, 39-48 m. w. N.). Ist der Wortlaut eines Formularvertrages nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Verbleibende Zweifel an der richtigen Auslegung gehen gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders, da er nach Treu und Glauben gehalten ist, die Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und überschaubar darzustellen (zu alldem BGH, Urt. v. 19.01.2005, a.a.O.).

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass eine Fassade der vertraglich vereinbarten "Klinkerfassade" entspricht, wenn sie Stein auf Stein - gleich welchen Materials - gesetzt ist.

Der Wortlaut des § 11 des Vertrags ist nicht eindeutig, sondern lässt diese Auslegung ebenso zu wie die des Klägers, dass gebrannte Tonziegel zu verwenden seien. Zwar trifft es zu, dass unter "Klinker" baufachtechnisch und auch nach einem Blick in Lexika, wie sie der Kläger zitiert, ein Baustein aus bei hohen Temperaturen gebrannten Materialien mit Tonanteil verstanden wird. Definitionen aus Lexika oder Wörterbüchern geben indes nicht zwingend den allgemeinen Sprachgebrauch wieder. Es kann nicht ohne weiteres angenommen werden, ein durchschnittlicher Mensch, der ein Eigenheim errichten will, verstehe unter dem Begriff Klinkerfassade, dass er sein Haus aus gebrannten Ziegel mit Tonanteil bauen lassen müsse. Denn vielmehr ist zu berücksichtigen, dass der Begriff des Klinkers, wenn er mit dem Wort "Fassade" verbunden wird, hinsichtlich seiner Materialzusammensetzung an Bedeutung verliert, da das Grundwort "Fassade" den Schwerpunkt auf das äußere Erscheinungsbild und damit den optischen Eindruck setzt, der sich als Bauweise "Stein auf Stein" verstehen lassen kann. Dies gilt umso mehr, als eine Farbgebung nicht geregelt ist und auch weiße Steine verwendet werden könnten.

Bei der Auslegung des Vertragstextes aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise ist zu berücksichtigen, dass die beim Kauf eines Grundstücks, das mit einem Einfamilienhaus bebaut werden soll, Beteiligten in der Regel - und auch im vorliegenden Fall - nicht über spezielle bautechnische Kenntnisse verfügen. Dass der Beklagten bekannt war, was "Klinker" im eigentlichen Sinne sind, kann nicht allein deswegen unterstellt werden, weil sie vor dem Beurkundungstermin in Begleitung des mit dem Hausbau beauftragten Bauunternehmers auftrat. Aus Sicht eines verständigen Eigenheimerbauers ist das Verständnis, das der Kläger von der Regelung hat, jedenfalls nicht zwingend. Die Formulierung im Grundstückskaufvertrag kann so verstanden werden, dass die Fassade allgemein aus Steinen zu bestehen hat. Da eine Farbgebung nicht vorgeschrieben ist und es auch Klinker (im engeren Sinne) in einer Vielzahl von Farbtönen gibt, ergibt sich nicht mit der notwendigen Eindeutigkeit, dass die Steine aus hartgebranntem Material mit Tonanteilen bestehen sollten. Die vom Kläger zitierte Entscheidung des OLG Köln (Urt. v. 15.03.1995, 2 U 101/94, NJW-RR 1995, 881) steht der Entscheidung des Senats nicht entgegen, da es im dem OLG Köln vorliegenden Fall auf die Abgrenzung von Steinen zu Riemchen bei dem Begriff "verklinkert" im Zusammenhang mit dem Wärmeschutz des Hauses ankam.

Ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe ist unabhängig von der Frage der Wirksamkeit der Regelung des § 11 Nr. 2 des Kaufvertrags jedenfalls mangels Verstoßes der Beklagten gegen die Verpflichtung aus § 11 Nr. 1 des Kaufvertrags nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wurde gemäß §§ 3 ZPO, 39ff GKG festgesetzt.

Anlass, die Revision gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, 2 ZPO zuzulassen, sieht der Senat nicht, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.