Sächsisches OVG, Urteil vom 08.03.2011 - 4 A 918/10
Fundstelle
openJur 2011, 91709
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 6 K 182/10

1. Die Einleitung des Abwahlverfahrens eines Bürgermeisters durch Beschluss des Gemeinderats nach § 51 Abs. 9 SächsGemO ist nicht an bestimmte sachliche Voraussetzungen geknüpft, die der gerichtlichen Kontrolle zugänglich wären.

2. Einzelfall einer rechtswidrigen Bürgermeisterabwahl wegen Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 29. Juli 2010 - 6 K 182/10 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts, in dem festgestellt wurde, dass die Abwahl der Klägerin als Bürgermeisterin rechtswidrig erfolgt ist.

Die Klägerin trat als gewählte ehrenamtliche Bürgermeisterin ihr Amt am 1. August 2008 an. In der öffentlichen außerordentlichen Sitzung des Gemeinderates am 3. November 2009 beschloss der aus dreizehn Mitgliedern bestehende Gemeinderat mit zwölf Ja-Stimmen und einer Enthaltung die Einleitung eines Abwahlverfahrens nach § 51 Abs. 7 SächsGemO. Dem Beschluss ging eine Erklärung des zweiten stellvertretenden Bürgermeisters voraus, in der 15 Gründe dargelegt wurden, die den Gemeinderat zur Einleitung des Abwahlverfahrens bewogen hatten. Der Wahltag wurde auf den 24. Januar 2010 festgelegt. Die Frage lautete: „Sind Sie dafür, dass Bürgermeisterin ........... abgewählt wird?“

Am 17. Januar 2010 erschien im SonntagsWochenBlatt eine Anzeige, die sich an die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde T...... wandte und diese zur Abwahl der Bürgermeisterin aufrief. Die Anzeige enthielt das Logo/Wappen der Gemeinde T...... und war mit „Gemeinde- und Ortschaftsräte der Gemeinde T......“ als Verfasser überschrieben. Sie enthielt unter anderem die Aufforderung: „Erteilen Sie der Diktatur der Frau ...... eine Abfuhr!“

Am 24. Januar 2010 fand die Abstimmung statt. Nach den Feststellungen des Gemeindewahlausschusses nahmen von den 1.214 Stimmberechtigten 986 an der Wahl teil. 12 Stimmen waren ungültig, 831 Stimmberechtigte votierten für die Abwahl, 143 Stimmberechtigte dagegen. Der Gemeindewahlausschuss stellte daraufhin die Abwahl der Klägerin fest und teilte dieser das Ergebnis mit Schreiben vom 25. Januar 2010 mit.

Nach erfolglosem vorläufigem Rechtsschutzverfahren erhob die Klägerin am 24. Februar 2010 Klage. Es sei mehrfach gegen anerkannte Wahlgrundsätze verstoßen worden. Bereits die Einleitung des Abwahlverfahrens durch den Gemeinderat sei rechtswidrig erfolgt. Die Abstimmung der Gemeinderäte hätte geheim erfolgen müssen. Die vorgetragenen Gründe für die Einleitung des Abwahlverfahrens seien nicht zutreffend gewesen. Auch die Veröffentlichung des Abstimmungsverhaltens im Gemeinderat verstoße gegen den Grundsatz der geheimen Wahl. Die Gleichheit der Wahl sei nicht gewährleistet gewesen. Die Gemeinderäte hätten unter Zuhilfenahme der ........ Zeitung ständig Beschuldigungen erhoben, denen sie sich nicht gleichermaßen habe zur Wehr setzen können. Die Gemeinderäte und Mitglieder des Wahlausschusses hätten ihre amtliche Stellung für unzulässige Abwahlwerbung genutzt. Die Wählerschaft sei durch die falschen Anschuldigungen in der Presse und durch Aushänge derart beeinflusst worden, dass die Freiheit der Wahl nicht gewährleistet gewesen sei.

Die Beklagte trat der Auffassung der Klägerin entgegen. Für die Einleitung eines Abwahlverfahrens durch Beschluss des Gemeinderates bedürfe es keiner besonderen sachlichen Gründe; es genüge vielmehr ein gestörtes Vertrauensverhältnis. Die Gemeinderäte hätten auch nicht geheim abstimmen müssen, weil es sich bei dem Einleitungsverfahren nicht um eine Wahl handele. Wahlgrundsätze seien nicht verletzt worden. Die sich in der Öffentlichkeit äußernden Personen hätten als Privatpersonen und nicht in ihrer amtlichen Eigenschaft gehandelt. Selbst bei einer Verletzung des Sachlichkeitsgebots sei die Ergebniserheblichkeit von Wahlfehlern nicht gegeben.

Nach der Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 29. Juli 2010 wurde nach Erörterung der Sach- und Rechtslage ein Fortsetzungstermin auf einen späteren Zeitpunkt desselben Tages und ein sich unmittelbar anschließender Erörterungstermin bestimmt. In dem Erörterungstermin erklärten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Beklagten ohne nähere Konkretisierung Rechtsmittelverzicht. Nachdem der Erörterungstermin geschlossen worden war, wurde die mündliche Verhandlung fortgesetzt, die Anträge gestellt und der Beschluss verkündet, dass eine Entscheidung zugestellt werde. Anschließend erklärte der Vorsitzende, dass im Falle eines Obsiegens der Klägerin diese am nächsten Tag ihren Dienst wieder antreten könne.

Das Verwaltungsgericht Leipzig stellte mit Urteil vom 29. Juli 2010 fest, dass die Abwahl der Klägerin vom 24. Januar 2010 rechtswidrig erfolgte. Die Einleitung des Abwahlverfahrens durch die Gemeinderäte sei zu Unrecht erfolgt, so dass auch das Abwahlverfahren selbst fehlerhaft sei. Die Einleitung des Abwahlverfahrens nach § 51 Abs. 9 SächsGemO sei eine Ausnahmeentscheidung für die der Gemeinderat Gründe benennen müsse. Der diese Gründe tragende Sachverhalt müsse zutreffend und seine rechtliche Bewertung fehlerfrei sein. Dies unterliege der gerichtlichen Kontrolle. Die von dem zweiten stellvertretenden Bürgermeister benannten Gründe seien nicht geeignet, ein Abwahlverfahren einzuleiten. Auf der Grundlage dieses Urteils nahm die Klägerin ihre Tätigkeit als Bürgermeisterin zum 30. Juli 2010 wieder auf.

Gegen das am 3. September 2010 zugestellte Urteil, das keine Rechtsmittelbelehrung enthielt, hat die Beklagte am 4. Oktober 2010 (Montag) Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Der Senat hat mit Beschluss vom 9. Dezember 2010 - 4 A 745/10 -, der der Beklagten am 27. Dezember 2010 zugestellte wurde, die Berufung zugelassen.

In der Zwischenzeit wurde durch ein Bürgerbegehren ein weiteres Abwahlverfahren eingeleitet, in dem die Klägerin am 10. Oktober 2010 erneut abgewählt wurde. Die hiergegen erhobene Klage beim Verwaltungsgericht Leipzig wurde rechtskräftig abgewiesen.

Die Beklagte wiederholt und vertieft in ihrer Berufungsbegründung vom 25. Januar 2011 ihre bisherigen Erwägungen; ein Antrag wird nicht ausdrücklich formuliert. Darüber hinaus legt sie dar, warum aus ihrer Sicht, die Berufung trotz des erklärten Rechtmittelverzichts zulässig sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 29. Juli 2010 - 6 K 182/10 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an ihrer Meinung der Unzulässigkeit der Berufung wegen Rechtsmittelverzichts fest. Im Übrigen hält sie die Begründung des Verwaltungsgerichts in seinem Urteil für zutreffend.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 25. Februar 2011 im Hinblick auf ihre Abwahl am 10. Oktober 2010 den Rechtsstreit für den Zeitraum ab 11. Oktober 2010 für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich dieser Erklärung nicht angeschlossen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin zu Protokoll gegeben, die Erledigungserklärung lediglich angekündigt zu haben und eine solche Erklärung in der mündlichen Verhandlung nicht mehr abgeben zu wollen. Die Beklagte ist dem entgegen getreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte (drei Bände), die Gerichtsakte des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Leipzig (6 L 17/10) sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten (zwei Ordner) verwiesen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig (vgl. unten 1.), aber unbegründet (vgl. unten 2.). Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass die Abwahl der Klägerin als Bürgermeisterin am 24. Januar 2010 rechtswidrig erfolgte.

1. Der Zulässigkeit der Berufung steht weder der erklärte Rechtsmittelverzicht (vgl. unten 1.1.) noch die Tatsache, dass die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung keinen konkreten Antrag formuliert hat (vgl. unten 1.2.), entgegen.

1.1. Der Senat hat sich in seinem Beschluss über die Zulassung der Berufung vom 9. Dezember 2010 zu dem erklärten Rechtsmittelverzicht wie folgt geäußert:

„Der Zulässigkeit des fristgemäß gestellten Antrages steht der Rechtsmittelverzicht, den die Beklagte in dem Erörterungstermin am 29.7.2010 zu Protokoll erklärt hatte, nicht entgegen. Dabei mag dahinstehen, ob ein Verzicht auf Rechtsmittel durch einseitige Erklärung gegenüber dem Gericht vor Erlass der rechtsmittelfähigen Entscheidung, hier vor Erlass des nunmehr angefochtenen Urteils, überhaupt wirksam erfolgen kann (bejahend etwa: Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Mai 2010, Vorb § 124 Rn. 59 unter Hinweis auf die Änderung des § 514 ZPO a. F.; verneinend: HessVGH, Urt. v. 27.1.2005, NVwZ-RR 2005, 211; SächsOVG, NK-Urt. v. 8.12.1993, SächsVBl. 1994, 180). Denn die zu Protokoll gegebene Erklärung ist zu unbestimmt und damit unwirksam.
Ein Rechtsmittelverzicht muss als Prozesshandlung eindeutig sein. In der Erklärung muss daher zweifelsfrei und unmissverständlich zum Ausdruck kommen, worauf verzichtet werden soll und dass auch wirklich ein Verzicht im Sinne eines Rechtsverlustes erklärt werden soll (SächsOVG, NK-Urt. v. 8.12.1993, a. a. O. mit weiteren Nachweisen). Dabei bestimmen sich Inhalt und Reichweite eines gegenüber dem Gericht erklärten Verzichts danach, wie er bei objektiver Betrachtung zu verstehen ist und nicht danach, wie ihn die Beteiligten verstanden haben (BGH, Beschl. v. 8.7.1981, NJW 1981, 2816). Ausgehend hiervon lässt sich nicht zweifelsfrei bestimmen, worauf sich der in dem Erörterungstermin erklärte Rechtsmittelverzicht bezieht.
Die insoweit zu Protokoll genommene Erklärung ist nicht ergiebig. Sie enthält das Objekt des Rechtsmittelverzichts nicht. Das Urteil, welches aus Sicht der Klägerin wegen des Rechtsmittelverzichts nicht mehr angreifbar sein soll, war noch nicht erlassen worden. Angesichts der Erklärung des Verzichts in einem Erörterungstermin, auf dessen Grundlage ein Urteil nicht erlassen werden kann (§ 101 Abs. 1 VwGO), kann auch nicht unterstellt werden, dass zum Zeitpunkt der Erklärung des Verzichts feststand, dass das Verfahren durch ein Urteil beendet würde und der Verzicht sich deshalb darauf bezöge. Dem übrigen Inhalt der Sitzungsniederschrift lässt sich hierfür ebenfalls nichts entnehmen, da der Inhalt der geführten Rechtsgespräche nicht protokolliert wurde. Es wäre daher bei rein objektiver Betrachtung auch denkbar, dass die Beteiligten auf Rechtsmittel gegen eine andere gerichtliche Entscheidung verzichtet haben. Damit fehlt die für eine Prozesshandlung erforderliche Eindeutigkeit.“

An dieser Einschätzung hält der Senat auch nach nochmaliger Befassung fest. Eine Prozesshandlung wie der Rechtsmittelverzicht muss aus sich heraus verständlich sein, was nur dann der Fall ist, wenn klar zum Ausdruck kommt, auf welches Rechtsmittel die Beteiligten verzichtet haben. In einem Fall wie hier, in dem in jedenfalls ungewöhnlicher Verfahrensweise in eine mündliche Verhandlung ein Erörterungstermin eingeschoben wird und in dem Erörterungstermin Verzichtserklärungen abgegeben werden, ohne dass deren konkreter Bezug genannt wird und ohne dass sich aus der Sitzungsniederschrift die im Erörterungstermin in Aussicht gestellten Entscheidungen ersehen lassen, ist die für Prozesserklärungen erforderliche Klarheit nicht gegeben.

1.2. Die Berufung ist auch nicht nach § 124a Abs. 6 Satz 3 i. V. m. Abs. 3 Sätze 4 und 5 VwGO unzulässig, weil in der Berufungsbegründungsschrift kein Antrag formuliert worden ist.

Dem Erfordernis, dass die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten muss, ist auch Genüge getan, wenn ein solcher Antrag zwar nicht ausdrücklich formuliert worden ist, sich aber das Ziel der Berufung aus dem fristgerecht eingereichten Schriftsatz deutlich ergibt (BVerwG, Beschl. v. 16. Dezember 2004 - 1 B 59/04 -, juris). Das ist hier der Fall. Die Beklagte bringt deutlich zum Ausdruck, dass und warum sie die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Abwahl vom 24. Januar 2010 sei rechtswidrig gewesen, für fehlerhaft hält. Ihr Vortrag ist darauf gerichtet, die Rechtmäßigkeit der Abwahl und damit zugleich ihr Ziel, das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage der Klägerin gegen die Abwahl abzuweisen, zu verdeutlichen.

2. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die im Streitgegenstand unverändert gebliebene Feststellungsklage (vgl. unten 2.1.) ist zulässig (vgl. unten 2.2.) und begründet (vgl. unten 2.3.).

2.1. Die von der Klägerin erhobene Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abwahl hat sich durch die einseitig gebliebene teilweise Erledigungserklärung der Klägerin nicht teilweise in eine Feststellungsklage dahingehend geändert, dass ab dem 11. Oktober 2010 Erledigung eingetreten sei. Dabei kann dahinstehen, ob die Erklärung der Klägerin vom 25. Februar 2010 bereits als verbindliche Prozesserklärung verstanden werden müsste oder noch als bloße Ankündigung angesehen werden könnte. Denn jedenfalls hat die Klägerin die Erklärung wirksam widerrufen bzw. zurückgenommen. Im Übrigen ginge die Erledigungserklärung auch ins Leere.

Eine einseitige Erledigungserklärung kann bis zu dem Zeitpunkt, zu dem auch der Prozessgegner eine entsprechende Erklärung abgibt, jederzeit zurückgenommen oder widerrufen werden (BVerwG, Urt. v. 15. November 1991, NVwZ-RR 1992, 276 mit zahlreichen Nachweisen). Mit der Erklärung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, sie wolle die Erledigungserklärung nicht verbindlich abgeben, hat sie hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass sie im Falle der Annahme einer verbindlichen Prozesserklärung durch ihren Schriftsatz an der Erklärung jedenfalls nicht festhalten wolle. Auch ihr uneingeschränkt auf Zurückweisung der Berufung gestellter Antrag, der letztlich ein Festhalten an dem in erster Instanz gestellten Feststellungsantrag beinhaltet, verdeutlicht dies.

Im Übrigen wäre die teilweise Erledigungserklärung aber auch nicht geeignet, den Streitgegenstand zu ändern. Gegenstand einer Feststellungsklage ist nach § 43 Abs. 1 VwGO ein strittiges Rechtsverhältnis, im vorliegenden Fall die Frage, ob die Abwahl der Klägerin zu Recht erfolgte, sie mithin das Amt als Bürgermeistern aufgrund dieser Abwahl verlor. Die Feststellung schließt hingegen nicht die Frage ein, wie lange die Klägerin im Falle einer rechtswidrigen Abwahl im Amt der Bürgermeisterin verbliebe. Die Tatsache, dass die Klägerin aufgrund der zweiten Abwahl am 10. Oktober 2010 zum drauffolgenden Tag tatsächlich ihr Amt verlor, lässt die Frage nach dem sich aus der ersten Abwahl ergebenden Rechtsverhältnis unberührt. Bezieht sich die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Abwahl jedoch nicht auf einen Zeitraum, kann auch eine Erledigungserklärung, die diesen Zeitraum einzugrenzen versucht, keine Wirkungen entfalten. Die inzwischen rechtskräftige zweite Abwahl könnte allenfalls Auswirkungen auf das berechtigte Interesse an einer Feststellung der Rechtmäßig- bzw. -widrigkeit der ersten Abwahl haben, weil das ursprünglich mit der Feststellungsklage verfolgte Ziel, das Amt der Bürgermeisterin wieder ausüben zu können, durch die zweite Abwahl nicht mehr realisierbar ist. Sollte hierdurch das Feststellungsinteresse entfallen sein - was vorliegend jedoch nicht der Fall ist (vgl. unten 2.2.) -, könnte theoretisch eine Erledigung eintreten, die dann aber keine besonderen Zeiträume, sondern die Feststellungsklage insgesamt träfe.

2.2. Die Feststellungsklage der Klägerin ist statthaft und im Übrigen zulässig.

Der Senat teilt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass weder die Abwahl des Bürgermeisters durch das Gemeindevolk noch die Feststellung des Gemeindewahlausschusses nach § 51 Abs. 7 Satz 4 SächsGemO Verwaltungsaktsqualität besitzt (dahingehend OVG Bbg, Beschl. v. 4. September 1996, LKV 1997, 174, HessVGH, Urt. v. 4. Januar 1989, DVBl. 1989, 934; VG Frankfurt, Urt. v. 3. August 2005, NVwZ 2006, 720, a. A. Wahl, in: Quecke u. a., Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen, Stand: November 2010, § 51 Rn. 216ff.). Insbesondere die Feststellung der Abwahl durch den Gemeindewahlausschuss bewirkt nicht das Ausscheiden aus dem Amt als Bürgermeisterin, vielmehr tritt diese Rechtsfolge kraft Gesetzes zu einem näher bezeichneten Zeitpunkt nach Feststellung des Wahlergebnisses ein, so dass mangels Regelung im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG kein Verwaltungsakt gegeben ist.

Die Klägerin besitzt auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abwahl. Ein solches ist insbesondere bei in der Vergangenheit liegenden Rechtsverhältnissen gegeben, wenn sich aus dem früheren Bestehen oder Nichtbestehen noch konkrete, überschaubare Auswirkungen ergeben können oder aus sonstigen Gründen ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin besteht (BVerwG, Urt. v. 3. November 1988, BVerwGE 80, 355). Zwar kann das Interesse der Klägerin aufgrund der zweiten Abwahl nicht mehr dahin gehen, das Amt der Bürgermeisterin wieder auszuüben. Jedoch wäre im Falle der Rechtswidrigkeit der Abwahl die Klägerin für die Zeit vom 25. Januar 2010 bis 10. Oktober 2010 im Amt der Bürgermeisterin verblieben, im Falle der Rechtmäßigkeit der Abwahl wäre sie bereits im Januar 2010 aus dem Amt ausgeschieden. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung ihres Status nach der ersten Abwahl. Im Übrigen kann der Senat auch nicht ausschließen, dass eine - wie auch immer geartete - Feststellung finanzielle Folgen für die Klägerin, die in diesem Zeitraum teilweise als Bürgermeisterin tätig war und eine Aufwandsentschädigung erhalten hat, haben kann.

2.3. Die Feststellungsklage ist auch begründet. Die Abwahl der Klägerin am 24. Januar 2010 erfolgte rechtswidrig. Zwar weist die Einleitung des Abwahlverfahrens nach § 51 Abs. 9 SächsGemO entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts keine Rechtsmängel auf (vgl. unten 2.3.1.), so dass dahinstehen kann, ob die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass Mängel im Einleitungsverfahren zwangsläufig auch die Abwahl rechtswidrig werden lassen, zutreffend ist. Jedoch ist das Abwahlverfahren wegen Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot rechtswidrig gewesen (vgl. unten 2.3.2.).

2.3.1. Der Rechtmäßigkeit der Einleitung des Abwahlverfahrens steht weder entgegen, dass nach Auffassung der Klägerin hierfür keine tragenden Gründe vorhanden gewesen seien (vgl. unten a)) noch, dass die Beschlussfassung im Gemeinderat nicht geheim erfolgte (vgl. unten b)) und dass das Abstimmungsverhalten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde (vgl. unten c)).

a) Die Einleitung des Abwahlverfahrens durch Beschluss des Gemeinderats nach § 51 Abs. 9 SächsGemO ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgericht nicht an bestimmte sachliche Voraussetzungen geknüpft, die der gerichtlichen Kontrolle zugänglich wären.

Nach § 51 Abs. 9 SächsGemO kann das Abwahlverfahren durch das Gemeindevolk nach § 51 Abs. 7 SächsGemO neben der Möglichkeit der Einleitung durch ein Bürgerbegehren (§ 51 Abs. 8 SächsGemO) auch durch einen Gemeinderatsbeschluss eingeleitet werden, der mit mindestens drei Viertel der Stimmen aller Mitglieder des Gemeinderates zu fassen ist. Das Gesetz stellt folglich für die Einleitung der Abwahl lediglich verfahrensrechtliche Vorgaben, aber keine sachlichen Voraussetzungen auf. Insbesondere wird nicht verlangt, dass der Gemeinderatsbeschluss etwa zu begründen wäre oder nur unter bestimmten sachlichen Voraussetzungen gefasst werden könnte.

Auch Verfassungsrecht gebietet keine erweiternde Auslegung des § 51 Abs. 9 SächsGemO dahingehend, dass Beschlüsse zur Einleitung des Abwahlverfahrens sachlich begründet und hinsichtlich ihrer tragenden Gründe gerichtlich überprüfbar sein müssten. Nach der vom erkennenden Senat geteilten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 15. März 1989, BVerwGE 81, 318, Urt. v. 15. Dezember 1989, NVwZ 1990, 772), der der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Oktober 1957 (BVerfGE 7, 155) zugrunde liegt, ist die vorzeitige Abberufung bzw. Abwahl von kommunalen Wahlbeamten auch unter Berücksichtigung des Art. 33 Abs. 5 GG grundsätzlich zulässig, wenn der Gesetzgeber sie vor unbedachten und einseitigen Abwahlentscheidungen schützt. Hierfür ist maßgebend, dass die Rechtsstellung der Wahlbeamten mit der der politischen Beamten vergleichbar und damit einer erleichterten Aufhebung zugänglich ist (BVerwG, Urt. v. 15. Dezember 1989, a. a. O.). Der Senat hat daher für die Abwahl von Beigeordneten unmittelbar durch den Gemeinderat nach § 56 Abs. 4 SächsGemO entschieden, dass die Abwahl kommunaler Wahlbeamter, zu denen neben den Beigeordneten auch die Bürgermeister zählen (§ 158 Nr. 1 und 3 SächsBG), nicht an bestimmte sachliche Voraussetzungen geknüpft ist, sondern sich als politischer Akt durch die Tatsache des Vertrauensverlustes rechtfertigt. Auf die Gründe, die zu dem Vertrauensverlust geführt haben, komme es grundsätzlich nicht an (SächsOVG, Urt. v. 15. März 2005, SächsVBl. 2006, 12 und Beschl. v. 9. Juni 2009 - 4 B 411/07 -, juris).

Für die Einleitung des Abwahlverfahrens nach § 51 Abs. 9 SächsGemO durch Gemeinderatsbeschluss gilt Vorstehendes erst recht. Der Gemeinderatsbeschluss nach § 51 Abs. 9 SächsGemO führt abweichend von den Fällen der vorzitierten Rechtsprechung nicht unmittelbar zur Abberufung oder Abwahl des Bürgermeisters, sondern „nur“ zur Einleitung des Abwahlverfahrens. Die Entscheidung, ob der Bürgermeister tatsächlich sein Amt verliert, obliegt hingegen nicht dem Gemeinderat, sondern nach § 51 Abs. 7 SächsGemO ausschließlich den wahlberechtigten Bürgern der Gemeinde. Werden jedoch bei einer Abberufung oder Abwahl eines kommunalen Wahlbeamten unmittelbar durch den Gemeinderat die Gründe, die zu dem Vertrauensverlust geführt haben, regelmäßig nicht geprüft, muss dies erst recht für einen Beschluss des Gemeinderats gelten, der das Verfahren zur Abwahl durch die Bürger erst einleitet. Denn das Missbrauchsrisiko, welches durch das Abstellen auf sachliche Gründe vermieden werden soll, ist im Falle einer originären Abwahl durch den Gemeinderat weitaus höher als dann, wenn der Gemeinderat durch einen Beschluss „lediglich“ das Abwahlverfahren durch die Bürger einleiten kann. Die für die Abwahl durch die Gemeindevertretung - also den Gemeinderat - in der Rechtsprechung diskutierten Missbrauchsfälle sind bei einer zwingend durchzuführenden Abwahl durch das Gemeindevolk nicht vorstellbar. Abgesehen davon, dass eine Erforschung der Gründe, die das Gemeindevolk zur Abwahl des Bürgermeisters bewogen haben, schon im Hinblick auf das Wahlgeheimnis ausgeschlossen ist, so ist das Gemeindevolk auch - anders als eine (qualifizierte) Gemeinderatsmehrheit - nicht in der Lage, Spannungen gezielt herbeizuführen, um eine sonst nicht gerechtfertigte Abwahl durchsetzen zu können (Wahl, in: Quecke u. a., Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen, Stand November 2010, § 51, Rn. 203). Hinzu kommt, dass der kommunale Wahlbeamte vor unzumutbaren Eingriffen in seine persönliche Unabhängigkeit durch besondere verfahrensrechtliche Sicherungen weitgehend geschützt ist. Sowohl der Gemeinderatsbeschluss zur Einleitung des Abwahlverfahrens (drei Viertel der Stimmen der Gemeinderatsmitglieder) als auch die Abwahl selbst (mindestens fünfzig von Hundert der Bürger und der Wahlberechtigten) sind an qualifizierte Mehrheiten gebunden, die zweifelsfrei vor unbedachten und einseitigen Abwahlentscheidungen schützen. So werden gerade mit der qualifizierten Mehrheit in § 51 Abs. 7 Satz 2 SächsGemO gegenüber den Vorschriften des Bürgerentscheids stark erhöhte Anforderungen gestellt, die nicht nur in größeren Gemeinden nur schwer zu erreichen sein werden. Für eine Abwahl werden daher persönliche Differenzen innerhalb des Gemeinderats oder bloße Änderungen parteipolitischer Präferenzen kaum genügen, vielmehr wird sie nur in Fällen weitreichenden Konsenses innerhalb des Gemeinderats eingeleitet werden können und nur bei extremer Unzufriedenheit breiter Wählerschichten erfolgreich sein. Es besteht daher - insbesondere auch angesichts der gesetzlich angeordneten Quoren - verfassungsrechtlich keine Veranlassung, § 51 Abs. 9 SächsGemO erweiternd im Sinne der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung auszulegen.

Auch die von dem Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung herangezogene Rechtsprechung trägt dessen Schlussfolgerungen nicht. Der zitierte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Oktober 1957, a. a. O. befasst sich mit der Frage der sachlichen Gründe für die Einleitung einer Abwahl bzw. für die Abwahl oder Abberufung nicht. Das Bundesverfassungsgericht erklärte hingegen die Abberufung hauptamtlicher Bürgermeister durch die Gemeindevertretung mit qualifizierter Mehrheit und aufgrund zweimaliger Beratung und Abstimmung für verfassungsgemäß, ohne sachliche Gründe für die Abberufung zu verlangen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt vom 3. August 2005, NVwZ 2006, 720 diskutiert nicht die Frage der sachlichen Gründe für die Einleitung eines Abwahlverfahrens und deren gerichtlichen Überprüfbarkeit, sondern die Frage, ob nach Einleitung des Abwahlverfahrens das aus Sicht des Verwaltungsgericht maßgebliche Sachlichkeitsgebot gewahrt wurde, ob also Amtspersonen in unzulässiger Art und Weise die bevorstehende Abwahl zu beeinflussen versucht haben. Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.9.1992, a. a. O stützt die Auffassung des Verwaltungsgerichts ebenfalls nicht. Bereits im Leitsatz wird die Entscheidung dahingehend zusammengefasst, dass die Abberufung eines kommunalen Wahlbeamten, der nicht mehr das Vertrauen des Gemeinderats besitzt, schon allein durch die Tatsache des Vertrauensverlustes gerechtfertigt wird, ohne dass es noch auf die für diese Tatsache maßgeblichen Gründe ankäme. Dass das Bundesverwaltungsgericht darüber hinaus festgestellt hat, dass hierdurch die Prüfung, ob der Rat im Einzelfall von seiner Abberufungsbefugnis aus unsachlichen Motiven Gebrauch gemacht habe, nicht ausgeschlossen sei, lässt nicht die vom Verwaltungsgericht getroffene Schlussfolgerung zu, der Gemeinderatsbeschluss zur Einleitung einer Abwahl müsse gerichtlich überprüfbar sachlich begründet sein. Denn das Verwaltungsgericht kehrt damit - ohne dies indes hinreichend zu begründen - das vom Bundesverwaltungsgericht zu Grunde gelegte Regel-, Ausnahmeverhältnis um, welches die Prüfung von eklatanten Missbrauchsfällen ermöglichen soll. Schließlich rechtfertigt auch der Verweis auf den Aufsatz von Priebe (SächsVBl. 1997, 149) die Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht, weil sich der Autor weder mit der sachlichen Begründung des Beschlusses des Gemeinderats noch mit der gerichtlichen Überprüfbarkeit der Gründe auseinandersetzt.

b) Die Beschlussfassung des Gemeinderats über die Einleitung des Abwahlverfahrens ist nicht deshalb rechtswidrig, weil sie offen erfolgte. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob es sich bei der Beschlussfassung über die Einleitung des Abwahlverfahrens nach § 51 Abs. 9 SächsGemO um eine im Regelfall offene Abstimmung (§ 39 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 SächsGemO) oder eine im Regelfall geheime Wahl (§ 39 Abs. 5 Satz 1, Abs. 7 Satz 1 Halbsatz 1 SächsGemO) handelt. Denn auch eine Wahl kann nach § 39 Abs. 7 Satz 1 Halbsatz 2 SächsGemO offen erfolgen, wenn kein Gemeinderatsmitglied der offenen Wahl widerspricht. Nach dem Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 3. November 2009 wurde vor Beschlussfassung festgelegt, dass diese offen erfolgt. Ein Widerspruch hiergegen ist nicht verzeichnet. Damit läge selbst bei Annahme, die Beschlussfassung nach § 51 Abs. 9 SächsGemO sei eine Wahl, mangels Widerspruchs eines Gemeinderats kein Verstoß gegen den Grundsatz der geheimen Wahl vor.

c) Auch die Tatsache, dass das Abstimmungsverhalten der Gemeinderäte durch die Presse veröffentlicht wurde, führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Einleitungsverfahrens.

Der Beschluss des Gemeinderates erfolgte - was auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt wurde - zutreffend in einer öffentlichen Sitzung, so dass weder die Gemeinderäte noch die Bürgermeisterin nach § 37 Abs. 2 SächsGemO zur Verschwiegenheit verpflichtet waren bzw. sind.

2.3.2. Das Abwahlverfahren selbst unterliegt jedoch Rechtsmängeln. Durch die Anzeige vom 17. Januar 2010 im SonntagsWochenBlatt wurde das Sachlichkeitsgebot verletzt. Es bedarf daher im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung, ob die Abwahl nach § 51 Abs. 7 SächsGemO eine Wahl darstellt, die über die Wahlrechtsgrundsätze der Freiheit und Gleichheit der Wahl das - strengere - Neutralitätsgebot auslöste und ob weitere von der Klägerin beanstandete Äußerungen von Gemeinderäten und Mitgliedern des Gemeindewahlausschusses eine unzulässige Wahlbeeinflussung darstellten.

Wenn Gemeindeorgane sich im Vorfeld einer anstehenden Abwahl einer Bürgermeisterin durch die Bürger in amtlicher Eigenschaft äußern, so müssen sie sich nicht nur innerhalb ihrer kommunalverfassungsrechtlichen Kompetenzen halten, sondern die in der Abwahl als Ausdruck unmittelbarer Demokratie den Bürgern zukommende Teilnahmefreiheit, also deren Meinungs- und Willensbildungsprozess, wahren und andererseits die hoheitliches Handeln bestimmenden Gebote der Wahrhaftigkeit und Sachlichkeit als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips beachten (BVerfG, Urt. v. 2. März 1977, BVerfGE 44, 125 bezogen auf die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung im Vorfeld von Bundestagswahlen; OVG NRW, Beschl. v. 16. Dezember 2003, NVwZ-RR 2004, 151; HessVGH, Beschl. v. 25. Juni 2004, DÖV 2004, 966; BayVerfGH, Entsch. v. 19. Januar 1994, NVwZ-RR 1994, 529). Aus diesem Sachlichkeitsgebot folgt, dass mitgeteilte Tatsachen zutreffend wiedergegeben werden müssen und Werturteile nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen und den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten dürfen. Von einer unzulässigen Beeinflussung ist dann auszugehen, wenn amtliche Äußerungen inhaltlich über Informationen und Bewertungen hinausgingen und eine eindeutige, unmittelbare Abstimmungsempfehlung enthielten (BayVerfGH, Entsch. v. 19. Januar 1994, a. a. O.).

Der Aufruf in dem SonntagsWochenBlatt „Erteilen Sie der Diktatur der Frau ...... eine Abfuhr!“ ist zweifelsohne eine unsachliche, diffamierende Äußerung, die über zulässige Informationen und Bewertungen hinausgeht und den sachlich gebotenen Rahmen überschreitet. Der Senat hat auch keine Zweifel, dass diese Aussage das Ziel verfolgte, die Wählerschaft dahingehend zu beeinflussen, für eine Abwahl der Klägerin zu stimmen. Sie ist den Gemeinde- und Ortschaftsräten der Gemeinde T...... auch als amtliche Äußerung zurechenbar.

Unzulässige Beeinflussungen des Wahlvorgangs können nur bei solchen Äußerungen und Handlungen angenommen werden, die von staatlichen oder kommunalen Amtsträgern in amtlicher Eigenschaft erfolgt sind (vgl. nur SächsOVG, Urt. v. 13. Februar 2007, SächsVBl. 2007, 134), wobei genügt, dass eine Anzeige den Eindruck eines amtlichen Wahlaufrufs erweckt (BVerwG, Beschl. v. 19. April 2001, NVwZ 2001, 928). Letzteres ist hinsichtlich der Anzeige im SonntagsWochenBlatt der Fall. Die Anzeige vermittelt den Eindruck, dass sie von den Gemeinde- und Ortschaftsräten der Gemeinde T...... verfasst worden ist. Sie trägt das Logo/Wappen der Gemeinde T...... und wendet sich - wie für amtliche Äußerungen üblich - an die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde. Sie nimmt auf den Beschluss des Gemeinderates zur Einleitung der Abwahl Bezug und befasst sich mit den Differenzen zwischen der Bürgermeisterin und dem Gemeinderat sowie mit Verstößen der Klägerin gegen die Sächsische Gemeindeordnung, die ebenfalls darauf schließen lassen, dass hier eine amtliche Äußerung von Gemeinde- und Ortschaftsräten vorliegt, da letztlich nur diese über entsprechende Kenntnisse verfügen können.

Hiergegen kann die Beklagte nicht mit Erfolg einwenden, die Anzeige sei nicht von den Gemeinde- und Ortschaftsräten, sondern von einer Bürgerinitiative geschaltet worden. Der Senat hat angesichts des erstinstanzlichen Vorbringens der Beklagten bereits Zweifel, ob diese Aussage inhaltlich zutreffend ist. Auf die in der Klageschrift enthaltene Behauptung der Klägerin, der Gemeinderat T..... hätte in dieser Anzeige die Abwahl gefordert, hatte die Beklagte erstinstanzlich vorgetragen (Seite 2 vorletzter Absatz der Erwiderung vom 7. April 2010), auch der Auszug aus dem SonntagsWochenBlatt stelle eine Lesermeinung des Herrn T..... dar, die er nicht in seiner Funktion als Gemeinderatsmitglied geäußert habe. Darüber hinaus spricht auch das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übergebene Protokoll zum nichtöffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung vom 9. Februar 2010, welches von drei Gemeinderäten unterzeichnet ist, gegen den nunmehrigen Vortrag der Beklagten. Dort wurde unter dem Ordnungspunkt „Anzeige des Gemeinderates im SonntagsWochenblatt“ festgehalten, dass betreffs der Abwahl von Frau ...... eine große Anzeige mit Kosten von 275 €, die vorerst der erste stellvertretende Bürgermeister bezahlt habe, geschaltet worden sei und nunmehr um einen Obolus der Gemeinderäte von je 20 € gebeten werde. Bereits die Bezeichnung „Anzeige des Gemeinderates“ legt nahe, dass die Anzeige tatsächlich mit Wissen und Wollen der Gemeinderäte veröffentlicht worden ist und daher eine Äußerung derselben in amtlicher Eigenschaft darstellt. Dass sich das protokollierte Geschehen nicht auf die vom Senat beanstandete Anzeige vom 17. Januar 2010 bezog, wurde in der mündlichen Verhandlung nicht eingewendet. Aber selbst wenn die Annahme zur Urheberschaft unzutreffend sein sollte, müssten sich die Gemeinde- und Ortschaftsräte die Anzeige im SonntagsWochenBlatt zurechnen lassen, weil sie hierauf nicht mit einer Richtig- oder Gegendarstellung reagiert haben. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass derartige Erklärungen nicht erfolgt sind. Ungeachtet der Frage, ob die Gemeinde nicht bereits nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 SächsOWiG zu einem Einschreiten verpflichtet gewesen wäre, hätten sich die Gemeinderäte gerade im Vorfeld einer Wahlentscheidung durch die Bürger von unsachlichen wahlbeeinflussenden Äußerungen, die den Anschein einer von ihnen stammenden amtlichen Äußerung erweckten, durch Richtigstellung distanzieren müssen. Dass hierfür möglicherweise das SonntagsWochenBlatt nicht mehr zur Verfügung stand, steht dem nicht entgegen, da für die Gemeinderäte neben Tageszeitungen auch sonstige Bekanntmachungsorgane - etwa Bekanntmachungstafeln - zur Verfügung stehen. Darüber hinaus dürften sich die Gemeinderäte - wie dem Protokoll über die Gemeinderatssitzung vom 9. Februar 2010 entnommen werden kann - jedenfalls teilweise die Anzeige zu Eigen gemacht haben.

Der damit vorliegende Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot hat auch die Erheblichkeitsschwelle überschritten. Zwar führen Wahlfehler nur dann zur Ungültigerklärung einer Wahl, wenn diese wesentlich sind und das Wahlergebnis beeinflusst haben können (SächsOVG, Urt. v. 13. Februar 2007, a. a. O), was nicht nur die theoretische, sondern eine nach allgemeiner Lebenserfahrung konkrete und nicht ganz fernliegende Möglichkeit verlangt. Es ist nicht fernliegend, dass ohne die wahlbeeinflussende Anzeige im SonntagsWochenBlatt die Abwahl einen anderen Ausgang genommen hätte. Das SonntagsWochenBlatt erreicht mit einer wöchentlichen Gesamtauflage von etwa 129.000 in den Regionen ........ , ........, ............ und ...... eine Haushaltsabdeckung von etwa 97% (vgl. HYPERLINK "http://www.sonntagswochenblatt.de/seiten/service/mediadat" www.sonntagswochenblatt.de/seiten/service/mediadat), so dass davon ausgegangen werden kann, dass die überwiegende Anzahl der 1.214 für die Abwahl Stimmberechtigten Zugang zu dieser Zeitschrift hat. Die Anzeige wurde zudem am letzten Wochenende vor der Abwahl und damit in zeitlicher Nähe veröffentlicht und hatte durch den vermittelten Eindruck einer amtlichen Wahlaufforderung und Wahlempfehlung besonderes Gewicht. Insbesondere wenn Gemeinderäte das Handeln einer Bürgermeisterin als Diktatur bezeichnen, dürfte die Möglichkeit der dadurch verursachten Beeinflussung des Wahlverhaltens nahe liegen. Auch wenn sich im vorliegenden Fall 831 Bürger für die Abwahl entschieden haben, ist dennoch die Möglichkeit, dass sich ohne die Anzeige im SonntagsWochenBlatt weniger als die notwendigen 607 Bürger hierfür ausgesprochen hätten oder die Wahlbeteiligung entsprechend geringer ausgefallen wäre, nicht fern liegend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an der Streitwertfestsetzung durch das Verwaltungsgericht, gegen die Einwände nicht erhoben wurden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).