OLG Nürnberg, Beschluss vom 23.03.2011 - 10 W 84/11
Fundstelle
openJur 2011, 89223
  • Rkr:

Ist eine Grundschuld mit Ausnahme von rückständigen Zinsen abgetreten worden, bedarf die Löschung der Grundschuld nicht der Zustimmung des ursprünglichen Gläubigers.

Tenor

1. Auf die Beschwerde wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Fürth - Grundbuchamt - vom 6.12.2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Entscheidung über den Eintragungsantrag vom 04.10.2010 an das Amtsgericht Fürth zurückgegeben.

2. Der Beschwerdewert wird auf 7.158,11 € festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Urkunde des Notars Dr. B. vom 2.7.2010, URNr. W ... , haben die Grundstückseigentümer G. und R. S. das im Grundbuch des Amtsgerichts Fürth für V., Blatt ..., eingetragene Grundstück Z.-weg ... an die Eheleute Prof. Dr. T. und E. W. veräußert.

Abschnitt IV Nr. 3 des Vertrags enthält folgende Regelung:

"Der Veräußerer schuldet den lastenfreien Besitz- und Eigentumsübergang des Vertragsgegenstands und dessen Freiheit von Rechten Dritter mit Ausnahme etwa in dieser Urkunde ausdrücklich übernommener Belastungen.

Die in Abteilung II des Grundbuches eingetragenen Belastungen übernimmt der Erwerber zur weiteren Duldung und Verpflichtung.

Den zur Lastenfreistellung erforderlichen Erklärungen, insbesondere Löschungsbewilligungen, wird zugestimmt und deren Vollzug beantragt."

Mit Schreiben vom 4.10.2010 hat der beurkundende und bevollmächtigte Notar Dr. B. unter Bezugnahme auf die im notariellen Kaufvertrag abgegebenen Erklärungen und unter Bezugnahme auf Löschungsbewilligungen der Deutschen Bank AG und der Deutschen Bank Privat- und Geschäftskunden AG vom 22.7.2010 beantragt, die zu Gunsten der Bank im Grundbuch von V. Band ... Blatt ... unter der laufenden Nr. ... der Abteilung III eingetragenen Grundschulden zu löschen.

Zu diesen Grundschulden ist es aufgrund folgender Vorgänge gekommen: Die ursprünglich mit Urkunde des Notars Dr. G. vom 20.3.1978 zu Gunsten der Bayerischen Vereinsbank bestellte Grundschuld in Höhe von 140.000,00 DM nebst Jahreszinsen in Höhe von 15 % ab 20.3.1978 wurde am 15.1.1988 in Höhe eines letztrangigen Teilbetrages von 70.000,00 DM nebst Zinsen seit dem Tag der Eintragung der Grundschuld (1.6.1978) an die BHW Bausparkasse abgetreten. Am 20.7.1994 wurde diese Grundschuld an die Commerzbank abgetreten; Abtretung der noch für die Bayerische Vereinsbank mit einem erstrangigen Teilbetrag von 70.000,00 DM bestehenden Grundschuld nebst Zinsen ab dem 1.6.1978 an die Commerzbank erfolgte am 8.8.1994. Die Commerzbank wiederum hat mit Abtretungserklärung vom 25.2.1999 die Grundschuld in Höhe eines letztrangigen Teilbetrages von 40.000,00 DM an die Deutsche Bank abgetreten, und am 17.5.2004 in Höhe von 100.000,00 DM an die Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG.

Mit Zwischenverfügung vom 6.12.2010 hat der Rechtspfleger beim Grundbuchamt Fürth darauf hingewiesen, dass zur Eintragung der Löschung des in Abteilung III/... eingetragenen Rechts noch die Löschungsbewilligung der ursprünglichen Grundschuldgläubigerin, der Bayerischen Vereinsbank bzw. deren Rechtsnachfolgerin, erforderlich sei. Die ursprüngliche Grundschuld sei ab 20.3.1978 zu verzinsen, während die Abtretungen lediglich die Zinsen ab 1.6.1978 (Tag der Eintragung der Grundschuld) erfasst hätten. Gläubigerin der im Zeitraum vom 20.3.1978 bis 31.5.1978 entstandenen Zinsen sei daher nach wie vor die Bayerische Vereinsbank, sodass auch deren Zustimmung zur Löschung der Grundschuld erforderlich sei.

Mit der "für alle Beschwerdeberechtigten" form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde macht der beurkundende Notar geltend, eine Löschungsbewilligung der ursprünglichen Gläubigerin sei nicht erforderlich. Mit der Löschung des Grundpfandrechts für das Kapital erlösche auch das Grundpfandrecht für die Zinsen, da letzteres gesetzlich auflösend bedingt sei durch das Bestehen des Grundpfandrechts für die Hauptforderung.

In seinem Nichtabhilfebeschluss vom 5.1.2011 hat der Rechtspfleger die Meinung vertreten, dass die bis zur Abtretung aufgelaufenen Zinsen, die kapitalisiert werden könnten, nach wie vor dinglich gesichert seien und es nicht angehen könne, dem Zinsgläubiger ohne dessen Zustimmung die dingliche Sicherungsstellung zu entziehen. Letztendlich sei die Höhe der rückständigen, nicht abgetretenen Zinsen eindeutig bestimmbar im Sinn des § 1113 Abs. 1 BGB. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Nichtabhilfebeschlusses Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung der Zwischenverfügung.

In der Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob ein Zinsgrundpfandrecht mit der Löschung des Kapitalgrundpfandrechts "automatisch" erlischt, also auch ohne Zustimmung des Gläubigers des Zinsgrundpfandrechts.

Die herrschende Meinung (siehe OLG Braunschweig in Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts, Bd. 15, S. 336, 338; LG Regensburg, MittBayNot 1987, 102; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rn 2751, 2744; Kuntze/Munzig, GBR, 6. Aufl., § 27, Anm. 27) geht davon aus, dass die Haftung des Grundstücks für die Zinsrückstände an die Haftung des Grundstücks für die Kapitalforderung gebunden ist. Dieser Meinung nach bilden Zinsen keinen selbstständigen Gegenstand der Eintragung, solange sie nicht als kapitalisierte selbstständige Forderungen, z.B. im Rahmen der Eintragung einer Zwangssicherungshypothek, geltend gemacht werden. Begründet wird diese Auffassung mit der Nichteintragungsfähigkeit einer noch nicht kapitalisierten Zinsforderung im Grundbuch. Konsequenterweise führt diese Auffassung zu dem Ergebnis, dass Zinsen nur als Nebenleistungen gesichert werden und dass Grundpfandrechte für die Zinsen mit dem Kapitalgrundpfandrecht erlöschen (siehe LG Regensburg, a.a.O.).

Die Gegenmeinung (vgl. etwa Meikel/Böttcher, GBO, 10. Aufl., § 27, Rn. 23; Münchner Kommentar/Eickmann, Rn. 11 zu § 1159 BGB) geht unter Berufung auf §§ 1159, 401 BGB davon aus, dass die rückständigen Zinsen als selbstständige Forderung unabhängig vom Bestand der Kapitalforderung durch die Grundschuld abgesichert sind. Dementsprechend sehen die Vertreter dieser Auffassung es als notwendig an, dass zur Löschung der Grundschuld auch die Löschungsbewilligung des Zinsgläubigers als Rechtsinhaber im Sinn des § 875 BGB beigebracht wird.

Beide Meinungen weisen gewisse Unstimmigkeiten auf (vgl. auch Staudinger/Wolfsteiner, 2009, § 1159 BGB, Rn. 16 ff).

Die von der herrschenden Meinung vertretene Auffassung, dass die Zinsrückstandsgrundschuld erlischt, sobald die Kapitalgrundschuld gelöscht ist, findet im Gesetz keine unmittelbare Stütze. Andererseits würde die von der Mindermeinung vertretene Ansicht voraussetzen, dass die rückständige Zinsforderung als solche im Grundbuch selbstständig eintragbar wäre. Dies scheitert jedoch an der Vorschrift des § 1115 BGB, der über § 1192 BGB zur Anwendung gelangt. Gemäß § 1115 BGB ist zur Eintragung der Geldbetrag anzugeben; eintragungsfähig ist danach nur eine zahlenmäßig bestimmte Summe (Palandt/Bassenge, BGB, 70. Aufl., § 1115, Rn. 8). Dass vorliegend die Höhe der rückständigen Zinsen errechenbar ist, genügt diesen Anforderungen nicht. Nur die exakte Angabe einer Summe kann dem Bestimmtheitserfordernis des Grundbuches gerecht werden. Sind die rückständigen Zinsen jedoch nur als Prozentsatz der Hauptforderung aufgeführt, sind sie nicht eintragungsfähig (s.a. Kammergericht in JW 38, 2406). Nicht eintragungsfähige Forderungen können aber auch keine selbstständige dingliche Rechtsposition im Sinn von § 875 BGB vermitteln. Mangels eigenständiger dinglicher Rechtsposition bedarf es daher auch keiner Zustimmung des Gläubigers der rückständigen Zinsen zur Löschung der Grundschuld.

Die im Hinblick auf Art. 14 GG geäußerten Bedenken der Gegenauffassung teilt der Senat nicht. Wer eine Grundschuld abtritt, hat es in der Hand, für eine Sicherung nicht abgetretener Zinsen zu sorgen.

Eine Kostenentscheidung nach § 81 FamFG ist nicht veranlasst.

Die Festsetzung des Geschäftswertes folgt aus § 30 Abs. 1 KostO und entspricht 1/10 des Wertes des löschenden Rechts.

Eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist mangels Beschwer der Beteiligten nicht veranlasst (vgl. OLG München, Beschluss vom 5.2.2010, Az. 34 Wx 116/09).