BFH, Beschluss vom 04.11.2010 - VII B 60/10
Fundstelle
openJur 2011, 89092
  • Rkr:
Tatbestand

  I. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) meldete zwischen Januar 2007 und September 2008 aus Drittländern eingeführte TFT-Farbmonitore mit Flüssigkristallanzeigen (LCD) unter der Unterpos. 8528 51 00 (Zollsatz: frei) der Kombinierten Nomenklatur (KN) zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an.

Auf eine Zollanmeldung vom 12. September 2008 hin untersuchte die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt X die Monitore und kam in einem Gutachten vom 1. Dezember 2008 zu dem Ergebnis, dass die Waren in die Unterpos. 8528 59 90 KN (Zollsatz: 14 %) einzureihen seien. Deshalb erhob der Beklagte und Beschwerdeführer (das Hauptzollamt --HZA--) mit zwei Bescheiden vom 12. Dezember 2008 den Zoll nach.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin gegen die Nacherhebung Klage. Weil die Mehrzahl der angemeldeten Monitore doch in die Unterpos. 8528 51 00 KN einzureihen seien, erließ das HZA in der Folge insoweit den Zoll; die Hauptsache wurde insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Bei den streitig gebliebenen Farbmonitoren handelt es sich um Flachbildschirme, die eine Bildschirmdiagonale von 21, 24, 26 oder 27 Zoll sowie ein Bildschirmformat von 16:10 aufweisen. Sie haben eine Auflösung von 1 920 x 1 200 bzw. 1 680 x 1 050 Pixel. Sie verfügen teilweise über eine PiP-Funktion (Bild in Bild-Darstellung) sowie über Audioanschlüsse und eingebaute Lautsprecher. Die Monitore sind mit Anschlussmöglichkeiten ausgestattet, die es gestatten, sowohl von einer automatischen Datenverarbeitungsmaschine als auch von anderen Geräten, wie z.B. einem DVD-Abspielgerät, stammende Bilder wiederzugeben. Über einen Anschluss zur Wiedergabe von Fernsehsignalen verfügen sie nicht. Einige Modelle sind in der Lage, über analoge Videoschnittstellen unter bestimmten Übertragungsfrequenzstandards zu arbeiten. Sämtliche noch in Rede stehenden Monitore haben geringe elektromagnetische Feldemissionen, verstellbare Drehgelenke und spiegelungsfreie Oberflächen, die eine flimmerfreie Darstellung ermöglichen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und hob die Nachforderungsbescheide auf. Die fraglichen Monitore seien zwar nicht von der ausschließlich, aber von der hauptsächlich in einem automatischen Datenverarbeitungssystem verwendeten Art im Sinne der Unterpos. 8528 51 KN. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 19. Februar 2009 C-376/07 --Kamino-- (Slg. 2009, I-1167, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2009, 217) hielt es das FG für unschädlich, dass die Monitore sowohl von einer automatischen Datenverarbeitungsmaschine als auch von anderen Geräten, wie z.B. einem DVD-Abspielgerät, stammende Bilder wiedergeben könnten. Auch die Art und die Anzahl der Anschlüsse seien nicht allein ausschlaggebend. Für die Entscheidung, ob Monitore hauptsächlich in einem automatischen Datenverarbeitungssystem verwendet würden, seien weitere technische Merkmale zu berücksichtigen. Im Einzelnen überprüfte das FG die Monitore anhand der vom EuGH gewürdigten und in den Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) zu Pos. 8528 aufgeführten Merkmale. Insbesondere stünden danach die Audioanschlüsse und eingebauten Lautsprecher der Einreihung in die Unterpos. 8528 51 00 KN nicht entgegen.

Mit der Beschwerde will das HZA die Zulassung der Revision erreichen, da die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordere und die Rechtssache darüber hinaus grundsätzliche Bedeutung habe. Zu klären sei die Rechtsfrage, welche Kriterien für die Einreihung von Monitoren relevant seien. Insbesondere sei das Vorhandensein eines Audioschaltkreises ein entscheidendes Kriterium, wie die Europäische Kommission im Rahmen der 17. Sitzung des Ausschusses für den Zollkodex vom 30. September bis 2. Oktober 2009 bestätigt habe. Klärungsbedarf bestehe deshalb, weil der EuGH sich zwar mit der Einreihung von Monitoren als Einheiten von der hauptsächlich in automatischen Datenverarbeitungssystemen verwendeten Art auseinandergesetzt, aber keine verbindlichen Aussagen über die Einreihungsrelevanz der hier in Rede stehenden Einreihungskriterien getroffen habe und weil aufgrund der Ausführungen der Kommission im Rahmen der 17. Sitzung des Ausschusses für den Zollkodex davon auszugehen sei, dass die Anwendung dieser Kriterien zu einer unterschiedlichen Einreihungspraxis innerhalb der Europäischen Union führe.

Das FG habe entgegen der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden ErlHS zu Pos. 8528 (A) nicht sämtliche, sondern nur einzelne der dort aufgeführten Merkmale gewürdigt, während es die übrigen als nicht tarifierungserheblich bezeichnet habe. Bei gehöriger Prüfung (insbesondere der Anschlussmöglichkeit zur Wiedergabe von Fernsehsignalen, des Vorhandenseins von Audioschaltkreisen und bestimmter Übertragungsfrequenz-Standards, des Bildformats, der Auflösung und der Bildschirmgröße) sei aber gerade nicht festzustellen, dass es sich bei den Monitoren um solche handele, die hauptsächlich in automatischen Datenverarbeitungssystemen verwendet werden, sondern lediglich, dass die Monitore mehrere Funktionen erfüllen können. Das FG habe versäumt, zur Frage der Hauptsächlichkeit bei mehreren Funktionsmöglichkeiten Stellung zu nehmen.

Die Klägerin ist der Beschwerde entgegengetreten.

Gründe

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die aufgeworfenen Fragen sind weder von grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) noch bedarf es insoweit der Rechtsfortbildung.

1. Geht es --wie im Streitfall-- allein darum, ob die Zollverwaltung die betreffende Ware zutreffend in den Zolltarif eingereiht hat, beschränkt sich also die Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zukommen soll, auf die Frage der zutreffenden Tarifierung, so kommt, wie der beschließende Senat in seinem Beschluss vom 11. Februar 2002 VII B 136/01 (BFHE 198, 242, ZfZ 2002, 229) ausgeführt hat, der Klärungsbedürftigkeit der Tarifierungsfrage und ihrer Klärungsfähigkeit entscheidende Bedeutung zu.

2. Das HZA will mit der Zulassung der Revision erreichen, dass der Senat die Einreihungsrelevanz der hier in Rede stehenden Einreihungskriterien --insbesondere die Anschlussmöglichkeit zur Wiedergabe von Fernsehsignalen, das Vorhandensein von Audioschaltkreisen und bestimmter Übertragungsfrequenz-Standards, das Bildformat, die Auflösung und die Bildschirmgröße-- rechtsverbindlich und allgemein klärt, um zu vermeiden, dass die Anwendung dieser Kriterien zu einer unterschiedlichen Einreihungspraxis innerhalb der Europäischen Union führt.

Insoweit besteht kein Klärungsbedarf, weil durch die Entscheidung des EuGH in Slg. 2009, I-1167, ZfZ 2009, 217 sowie durch das Senatsurteil vom 23. September 2009 VII R 42/07 (BFHE 226, 570, ZfZ 2010, 51) klargestellt ist, dass Monitore, die sowohl Signale von einer automatischen Datenverarbeitungsmaschine als auch von anderen Quellen darstellen können, Einheiten von der "hauptsächlich" in automatischen Datenverarbeitungssystemen verwendeten Art im Sinne der Unterpos. 8528 51 KN (Unterpos. 8471 60 90 KN in der vom EuGH anzuwendenden Fassung) sein können. Eine dem widersprechende Auslegung der ErlHS zu Pos. 8528 (damals zu 8471 KN) dahin, dass sie eine Einreihung aller solcher Monitore in die Unterpos. 8471 60 90 KN ausschließt, müsse --so der EuGH-- zum Anwendungsausschluss dieser ErlHS führen, weil diese Auslegung eine Einschränkung der Tragweite der Anmerkung 5 C (damals 5 B Buchst. a) zu Kap. 84 KN bewirke. Konkretisierend führt der EuGH dazu aus, dass die Anzahl und die Art der Anschlussmöglichkeiten, mit denen solche Monitore ausgestattet sind, nicht die allein ausschlaggebenden Kriterien für die Tarifierung sein können; bei dieser Tarifierung seien sowohl der Grad der Fähigkeit der Monitore, mehrere Funktionen auszuführen, als auch das von ihnen in Ausführung dieser Funktionen erreichte Leistungsniveau auch im Vergleich zu anderen Kriterien und unter Berücksichtigung ihrer objektiven Merkmale und Eigenschaften zu prüfen, wobei die ErlHS zu Pos. 8471 (im vorliegenden Streitzeitraum ErlHS zu Pos. 8528 (A), heranzuziehen seien.

Verallgemeinert und zusammengefasst heißt das: Die Feststellung, ob ein Monitor von der hauptsächlich in einem automatischen Datenverarbeitungssystem verwendeten Art ist, hängt von einer Einzelfallbewertung der verschiedenen Funktionen und Merkmale ab, die nach den genannten Anmerkungen und Erläuterungen zu den Pos. 8471 und 8528 KN maßgeblich sind, wobei eine nicht der automatischen Datenverarbeitung dienende Funktion nicht von vornherein dazu führen darf, dass ein Gerät nicht als Teil eines automatischen Datenverarbeitungssystems angesehen wird.

Auch die Kommission geht ausweislich des vom HZA vorgelegten Ausschussprotokolls davon aus, dass sich die Tarifierung eines auch in der Datenverarbeitung einsetzbaren Monitors nicht zwingend durch Abarbeitung einer den ErlHS zu entnehmenden "check-list" ergibt. Vielmehr sei eine umfassende Einzelfallbeurteilung der Ware "case by case" notwendig, wobei das Vorhandensein eines Audioschaltkreises nur eines unter mehreren Parametern darstelle, die jeder für sich genommen die Datenverarbeitungsfunktion weder bestimme noch ausschließe.

Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, welche grundsätzlichen Erwägungen der Senat zu dieser weitgehend auf den Einzelfall gerichteten Betrachtung hinzufügen könnte. Nach alledem ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht zu bejahen und es ist auch kein Rechtsfortbildungsbedarf ersichtlich.

3. Mit dem Vorbringen, das FG habe einzelne Kriterien, die nach den ErlHS bei der Tarifierung der Monitore zu beurteilen gewesen seien, außer Acht gelassen (die Anschlussmöglichkeit zur Wiedergabe von Fernsehsignalen, das Vorhandensein von Audioschaltkreisen und bestimmter Übertragungsfrequenz-Standards, das Bildformat, die Auflösung und die Bildschirmgröße) legt das HZA keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO dar, sondern rügt in der Art einer Revisionsbegründung fehlerhafte Rechtsanwendung des FG. Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des finanzgerichtlichen Urteils einschließlich der Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls sind revisionsrechtlich aber grundsätzlich unbeachtlich. Denn die Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten.

Im Übrigen ist der Vorhalt nicht gerechtfertigt. Das FG hat ausdrücklich festgestellt, dass die Monitore nicht über einen Anschluss zur Wiedergabe von Fernsehsignalen verfügen. Mit den übrigen genannten Kriterien hat es sich mit der Feststellung befasst, dass sämtliche Merkmale auch bei den vom EuGH beurteilten Monitoren vorgelegen und dort nicht zur Ausweisung aus der Unterpos. 8471 60 90 KN --im Streitzeitraum Unterpos. 8528 51 00 KN-- geführt hätten (FG-Urteil S. 7, 8).