BFH, Beschluss vom 26.04.2010 - VII B 194/09
Fundstelle
openJur 2011, 88276
  • Rkr:
Tatbestand

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war im Handelsregister als einziger und damit einzelvertretungsberechtigter Vorstand einer AG eingetragen. Nach den Bestimmungen seines Anstellungsvertrags bedurfte er als Vorstand im Innenverhältnis für sämtliche Zahlungsvorgänge der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats der AG. Zahlungen waren ausdrücklich mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der AG, Herrn A (A) abzustimmen und durften erst nach dessen Freigabe vorgenommen werden. Aufgrund von Liquiditätsproblemen der AG Anfang des Jahres 2005 veranlasste der Kläger die Auszahlung der Netto-Arbeitslöhne an die Beschäftigten der AG für Februar und März 2005 erst in der Mitte des jeweiligen Folgemonats. Die hierfür fällig gewordenen Lohn- und Kirchensteuern nebst Solidaritätszuschlägen wurden zwar angemeldet, jedoch an den Beklagten und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) nicht abgeführt. Von A erhielt der Kläger am 9. April 2005 eine E-Mail mit folgendem Hinweis: "... pay the salary from the people for march, open vat for government and social payment will be done later ...." Mit Wirkung zum 19. Mai 2005 legte der Kläger im Innenverhältnis zur AG sein Amt als Vorstand mit sofortiger Wirkung nieder. Am 15. Juni 2005 wurde über das Vermögen der AG das Insolvenzverfahren eröffnet.

Da die Steuerforderungen gegenüber der AG nicht realisiert werden konnten, nahm das FA den Kläger für rückständige Lohnsteuern für die Monate Januar bis April 2005, für Kirchensteuern für die Monate Februar und März 2005 sowie für Solidaritätszuschläge für die Monate Januar bis April 2005 als Haftungsschuldner in Anspruch. Der Einspruch führte zu einer geringfügigen Herabsetzung der Haftungssumme. Die Klage hatte nur hinsichtlich der Lohnsteuern und Solidaritätszuschläge für den Monat April 2005 Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der Kläger den Haftungstatbestand des § 69 i.V.m. § 34 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) dadurch erfüllt habe, dass er die Löhne trotz der ihm bekannten finanziellen Schwierigkeiten der AG ungekürzt an die Arbeitnehmer ausbezahlt und es unterlassen habe, bereits im Zeitpunkt der Auszahlung der Nettolöhne eine unwiderrufliche Genehmigung der Bezahlung der darauf entfallenden Steuern sicherzustellen. Es komme deshalb nicht darauf an, ob er vor der Niederlegung seines Amtes betriebsinterne Anweisungen an die Buchhaltung zur Auszahlung der Steuern gegeben habe. Anlass zur weiteren Sachaufklärung in Bezug auf eine solche Anweisung bestehe daher nicht. Als ordnungsgemäß bestellter Vorstand der AG sei er verpflichtet gewesen, sich über den Umfang seiner Verantwortlichkeit in Kenntnis zu setzen.

Die E-Mail des A könne ihn nicht entlasten, denn ihr sei kein ausdrückliches Verbot der Bezahlung der Steuern zu entnehmen. Auch könne sich der Kläger nicht darauf berufen, dass seine Zahlungsanweisungen durch den Vorstandsvertrag von der Zustimmung des Aufsichtsratsvorsitzenden abhängig gewesen seien. Die Weisungsabhängigkeit habe ausschließlich im Innenverhältnis bestanden und habe seine Rechtsbefugnisse im Außenverhältnis nicht beschränken können. Die Situation sei nicht mit der Bestellung eines sog. starken Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt zu vergleichen, bei der zumindest eine Verfügungsbegrenzung nach außen bestehe. Durch die schuldhafte Pflichtverletzung sei dem Fiskus ein Vermögensschaden entstanden. Anhaltspunkte für eine Überschreitung oder einen Fehlgebrauch des dem FA zustehenden Ermessens seien nicht erkennbar. Anhaltspunkte dafür, dass A nach außen als Verfügungsberechtigter der AG i.S. von § 35 AO und damit als potentieller Haftungsschuldner nach § 69 AO aufgetreten sei, seien nicht ersichtlich.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob der einzige und alleinvertretungsberechtigte, im Handelsregister eingetragene Vorstand einer AG grob fahrlässig bzw. pflichtwidrig i.S. des § 69 AO handele, oder ob zu seinen Gunsten eine schuldbefreiende notstandsähnliche Zwangslage bestehe, wenn er nach seinem Vorstandsvertrag im Innenverhältnis für jeden Zahlungsvorgang die vorherige Zustimmung des Aufsichtsrats der AG, deren Vorsitz durch einen Vertreter der Alleinaktionärin ausgeübt werde, einzuholen habe und die durch den Aufsichtsrat freigegebenen Gelder aus der zu diesem Zeitpunkt einzigen Kreditlinie der Gesellschaft, für die der Aufsichtsratsvorsitzende persönlich hafte, auf dessen Anweisung hin zunächst ausschließlich zur Auszahlung der Nettolöhne an die Arbeitnehmer der AG verwende und die unwiderrufliche Anweisung des Vorstands zur Auszahlung der fällig gewordenen Lohnsteuer und Kirchensteuer sowie Solidaritätszuschläge durch den Aufsichtsratsvorsitzenden trotz Zusage der späteren Zahlung widerrufen und die Zahlung der Steuerbeträge verhindert werde. Der Streitfall sei mit dem vom Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 5. Juni 2007 VII R 19/06 (BFH/NV 2007, 2225) entschiedenen Fall vergleichbar, bei dem der vorläufige Insolvenzverwalter eine rechtzeitige Zahlung der Steuern verhindert habe.

Die E-Mail des A sei entgegen der Rechtsauffassung des FG als Genehmigung der Auszahlung der abzuführenden Steuerbeträge zu verstehen. Anfang Mai habe er, der Kläger, auf der Grundlage dieser Ermächtigung die unwiderrufliche Anweisung zur Entrichtung der Steuern gegeben, die jedoch von A verhindert worden sei. Aufgrund der allgemeinen Haftungsregelungen der §§ 92 Abs. 2 und 93 des Aktiengesetzes habe er sich in einem nicht aufzulösenden Spannungsverhältnis befunden. Insgesamt könne sein Verhalten nicht als grob fahrlässig angesehen werden. Die Nichtentrichtung der Steuern habe ausschließlich A zu vertreten. Eine Haftung scheide im Streitfall auch deshalb aus, weil der Zurechnungszusammenhang im Sinne der zivilrechtlichen Adäquanztheorie zwischen der nicht fristgerechten Steuerentrichtung und dem Steuerausfall beim Fiskus fehle. Auch diesbezüglich liege eine Klärungsbedürftigkeit vor.

Darüber hinaus werfe der Streitfall die Frage auf, ob der alleinige Aufsichtsratsvorsitzende einer AG, der sich für die einzige Kreditlinie der Gesellschaft persönlich verbürgt habe, sämtliche Zahlungsvorgänge der Gesellschaft an seine Zustimmungspflicht gebunden habe und für die Konten der Gesellschaft zeichnungs- und verfügungsbefugt sei, Verfügungsberechtigter i.S. des § 35 AO sei und die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1 AO) habe, soweit er sie tatsächlich und rechtlich erfüllen könne. Aus dem klaren Inhalt der Akten ergebe sich, dass A die Kreditlinie der AG bestellt und daher sämtliche Zahlungsvorgänge an seine Zustimmung gebunden sowie die Zeichnungs- und Verfügungsbefugnis über die Konten der AG gehabt habe. Aufgrund der Möglichkeit über Mittel der AG zu verfügen, komme dieser als Haftungsschuldner nach § 69 i.V.m. § 35 AO in Betracht. Hierfür genüge das Auftreten gegenüber Gesellschaftern und den Organen der Gesellschaft. Dies habe das FA verkannt und folglich das Auswahlermessen nicht ausgeübt. Dieser Rechtsfehler sei von solchem Gewicht, dass zur Korrektur des angefochtenen Urteils eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO erfolgen müsse.

Schließlich habe das FG den Gehörsanspruch aus Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) dadurch verletzt, dass es einen Beweisantrag übergangen habe. Am Ende der mündlichen Verhandlung sei der nicht protokollierte Beweisantrag auf Vernehmung der Assistentin des Klägers gestellt worden. Diese hätte bezeugen können, dass es während der Amtszeit des Klägers keine Eingriffe des A in die Geschäftsleitungsbefugnisse, insbesondere nicht in den Zahlungsverkehr gegeben habe. Die Beweiserhebung hätte sinngemäß ergeben, dass es für den Kläger nicht vorhersehbar gewesen sei, dass A die Anfang Mai 2009 erteilte Zahlungsanweisung nicht zur Ausführung kommen lassen würde. Von Amts wegen hätte das FG auch Herrn X, Frau Z als Leiterin des Rechnungswesens der AG sowie A als Zeugen vernehmen müssen.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten, die es für unzulässig hält.

Gründe

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Den aufgeworfenen Fragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor.

1. Eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt nur dann in Betracht, wenn die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, und vom 2. Dezember 2002 VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.). Die vom Kläger formulierte Frage hinsichtlich des Verschuldens des einzigen und alleinvertretungsberechtigten Vorstands einer AG bei Nichtabführung von Abzugssteuern ist auf die zahlreichen Besonderheiten des vorliegenden Streitfalls zugeschnitten. Es ist nicht anzunehmen, dass sich genau diese Frage in einer Vielzahl von Fällen stellen wird, so dass ihre Klärung im Interesse der Allgemeinheit liegt. Vielmehr hängt die Klärung der Frage, ob einem gesetzlichen Vertreter i.S. des § 34 Abs. 1 AO der Vorwurf einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Pflichtverletzung gemacht werden kann, von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, so dass sich allgemeingültige Aussagen hierzu nicht treffen lassen.

Im Übrigen könnte sich die vom Kläger aufgeworfene Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Denn das FG hat nicht ausdrücklich festgestellt, dass der Kläger eine unwiderrufliche Anweisung zur Auszahlung der fälligen Steuern und der Solidaritätszuschläge erteilt hat. Vielmehr hat es ausgeführt, dass es auf die Frage, ob der Kläger eine solche betriebsinterne Weisung an die Buchhaltung der AG gegeben hat, nicht ankomme. Auch fehlen hinreichende Feststellungen über eine Vereitelung der Abgabenentrichtung durch einen Widerruf des Aufsichtsratsvorsitzenden. In der Urteilsbegründung hat das FG lediglich den Vortrag des Klägers in Bezug auf die im Streit stehende Intervention des A wiedergegeben, ohne den behaupteten Widerruf ausdrücklich festzustellen. Schließlich hat das FG die schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers nicht allein in dem Umstand gesehen, dass dieser die Mittel ausschließlich zur Auszahlung der Nettolöhne verwendet hat. Entgegen der Fragestellung hat das FG die haftungsbegründende Pflichtverletzung bereits darin gesehen, dass sich der Kläger in seiner Eigenschaft als ordnungsgemäß bestellter Vorstand einer AG über den Umfang seiner Verantwortlichkeit keine ausreichende Kenntnis verschafft hat. Unter all diesen Gesichtspunkten wäre die vom Kläger aufgeworfene Frage in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig.

2. Dem übrigen Vorbringen in Bezug auf die Verschuldensfrage lässt sich keine grundsätzlich bedeutsame Frage entnehmen. Im Kern seiner Darlegungen stellt der Kläger seine eigene Rechtsansicht der rechtlichen Beurteilung des Falles durch das FG gegenüber und kommt zu dem Schluss, dass das FG zu Unrecht das Senatsurteil in BFH/NV 2007, 2225 nicht auf den Streitfall übertragen habe und dass ihn kein Verschulden treffe. Sofern die Beschwerde die Frage geklärt wissen will, "ob die zivilrechtlichen Überlegungen für das Steuerrecht Anwendung finden", genügen die diesbezüglichen Ausführungen auch nicht ansatzweise den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.

3. Auch der Frage, ob der alleinige Aufsichtsratsvorsitzende einer AG, der sich für die einzige freie Kreditlinie der Gesellschaft persönlich verbürgt, sämtliche Zahlungsvorgänge der Gesellschaft von seiner Zustimmung abhängig gemacht hat und für die Konten der Gesellschaft zeichnungs- und vertretungsbefugt ist, Verfügungsberechtigter i.S. des § 35 AO ist, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Person, die nicht gesetzlicher Vertreter ist, dennoch als Verfügungsberechtigter nach § 69 AO als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden kann, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beantworten. Dabei reicht es nach der Rechtsprechung des BFH nicht aus, dass eine Befugnis besteht, über fremdes Vermögen zu verfügen. Vielmehr ist ein Auftreten nach Außen erforderlich, das für andere erkennen lässt, dass der Verfügungsberechtigte von der ihm eingeräumten Verfügungsbefugnis auch Gebrauch gemacht hat (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1985 VII R 186/82, BFH/NV 1986, 192). Bleibt der Verfügungsberechtigte im Hintergrund und bedient er sich zur Ausübung seiner Verfügungsbefugnis der Unterstützung von weisungsabhängigen Personen, wird er nach § 35 AO nur dann verpflichtet, wenn die Weisungsabhängigkeit auch nach außen erkennbar wird und er die Gesellschaft faktisch leitet (BFH-Urteil vom 24. April 1991 I R 56/89, BFH/NV 1992, 76, m.w.N., und Jatzke in Beermann/ Gosch, AO, § 35 Rz 19). Die Würdigung, ob ein solch qualifiziertes Auftreten nach Außen vorliegt, ist anhand sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen, so dass die vom Kläger aufgeworfene Frage einer allgemeingültigen Klärung nicht zugänglich ist.

Der Streitfall bietet auch deshalb keinen Anlass, die von der Beschwerde formulierte Frage zu beantworten, weil das FG ein Auftreten des A nach Außen nicht festgestellt hat. Es hat ausgeführt, dass Anhaltspunkte dafür, dass A nach Außen als Verfügungsberechtigter der AG i.S. des § 35 AO aufgetreten ist, nicht ersichtlich sind. Diese Würdigung der besonderen Umstände des Streitfalls ist möglich; sie verstößt nicht gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze. Selbst der Kläger trägt vor, dass seine vom FG nicht vernommene Assistentin hätte bestätigen können, dass es während der Amtszeit des Klägers als Vorstand der AG keine Eingriffe des A in die Geschäftsleitungsbefugnisse des Klägers gegeben habe, er an der Erfüllung seiner Pflichten folglich nicht gehindert worden sei. Auch dieser Vortrag belegt, dass aus der Sicht des FG keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass A als faktischer Geschäftsführer der AG nach außen aufgetreten ist oder tatsächlich den Kläger aus seiner Position verdrängt hat.

4. Schließlich liegen die behaupteten Verfahrensmängel der Verletzung des Gehörsanspruchs aus Art. 103 Abs. 1 GG und der Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) nicht vor.

Wird geltend gemacht, das FG hätte den Sachverhalt auch ohne entsprechenden Antrag des Klägers von Amts wegen umfassender aufklären müssen, ist u.a. darzulegen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei der weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern bei der Beweiserhebung durch Zeugeneinvernahme eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiellen Rechtsstandpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Senatsbeschluss vom 28. August 2003 VII B 71/03, BFH/NV 2004, 493, zu II.1.a, m.w.N.). Schließlich gehört zur ordnungsgemäßen Darlegung des Verfahrensfehlers mangelhafter Sachaufklärung nach ständiger Rechtsprechung auch der Vortrag, dass die nicht zureichende Aufklärung des Sachverhalts und die Nichterhebung weiterer (angebotener) Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurden oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (vgl. BFH Urteil vom 20. April 1989 IV R 299/83, BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727, und Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2003 VII B 10/03, BFH/NV 2004, 529). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung) hat die Unterlassung der rechtzeitigen Rüge den endgültigen Rügeverlust --z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde-- zur Folge.

Das Übergehen eines Beweisantrags oder einer unvollständigen Zeugeneinvernahme kann deshalb im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der in der maßgeblichen Verhandlung selbst anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte, dem die Nichtbefolgung eines Beweisantrags oder die mangelhafte Sachaufklärung erkennbar war, den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597).

Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung hat der Kläger keine Beweisanträge gestellt. Den Antrag auf Protokollberichtigung, mit dem der Kläger eine Ergänzung des Protokolls um den Zusatz begehrte, dass er beantragt habe, seine Assistentin als Zeugin zu vernehmen, hat das FG mit unanfechtbarem Beschluss vom 30. November 2009  15 K 3609/06 abgelehnt. Sofern die Beschwerde gleichwohl an der Aufklärungsrüge festhält und darüber hinaus meint, dem FG hätte sich das Erfordernis einer weiteren Sachaufklärung von Amts wegen aufdrängen müssen, rechtfertigt dieses Vorbringen die Revisionszulassung nicht. Nach den Ausführungen des Klägers hätte mit der Vernehmung der Zeugin Beweis darüber geführt werden sollen, dass der Kläger Anfang Mai 2009 eine unwiderrufliche Anweisung zur Entrichtung der fälligen Steuerbeträge gegeben habe. Jedoch hat das FG in der Urteilsbegründung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es auf die Frage, ob der Kläger vor Niederlegung seines Amtes als Vorstand der AG eine solche betriebsinterne Weisung gegeben habe, nicht ankomme. Aus der maßgeblichen Sicht des FG war somit das Beweisthema nicht entscheidungserheblich.

Soweit der Kläger behauptet, dem FG hätte sich zur Ermittlung von Schuldausschließungs- bzw. Rechtfertigungsgründen und zur Prüfung der Frage, ob A als Verfügungsberechtigter i.S. des § 35 AO aufgetreten sei, von Amts wegen auch die Vernehmung weiterer Zeugen aufdrängen müssen, genügt dieses Vorbringen nicht den Darlegungserfordernissen. Wie bereits ausgeführt, hat das FG keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass A nach außen als Verfügungsberechtigter aufgetreten ist. Was die benannten Zeugen im Einzelnen ausgesagt hätten und warum ihre Aussage aus der maßgeblichen Sicht des FG entscheidungserheblich hätte sein können, versäumt die Beschwerde näher auszuführen.

5. Eine Zulassung der Revision kommt auch nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht in Betracht. Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nur dann betroffen, wenn dem FG bei der Auslegung und Anwendung des Rechts Fehler unterlaufen sind, die von so erheblichem Gewicht sind, dass sie, würden sie von einem Rechtsmittelgericht nicht korrigiert, geeignet wären, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen, etwa weil Verfahrensgrundrechte verletzt worden sind oder das aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG abzuleitende Recht eines Beteiligten auf eine willkürfreie gerichtliche Entscheidung durch das Urteil des FG nicht befriedigt wird (Senatsbeschluss vom 14. Februar 2002 VII B 141/01, BFH/NV 2002, 798, m.w.N.). Solche erheblichen Fehler des FG sind für den Senat nicht ersichtlich.