BFH, Urteil vom 25.02.2009 - IX R 33/07
Fundstelle
openJur 2011, 86746
  • Rkr:
Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger ist Landwirt mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei abweichendem Wirtschaftsjahr. Zu seinem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen zählten 1998 (Streitjahr) auch ... Aktien einer Zucker-AG (ZAG).

In der Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 1998/1999 waren u.a. sonstige Einlagen in Höhe von 118 800 DM angegeben, die dem Kläger im Juli 1998 auf sein laufendes Betriebskonto von einem Rechtsanwaltsbüro überwiesen worden waren. Der Überweisung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Seinerzeit bestand die Absicht, die ZAG mit einem überregionalen Zuckerverbund (ZV) zu fusionieren. Gegen die Fusion hatten vier Aktionäre der ZAG (Landwirte) geklagt. Zwar hatte sich der Kläger, auch ein Fusionsgegner, an dem Rechtsstreit selbst nicht beteiligt. Er hatte sich aber um die Angelegenheit gekümmert, an Versammlungen teilgenommen und Gespräche und Telefonate geführt. Insbesondere hatte er sich politisch gegen die Fusion gewandt, auch um die Eigenständigkeit der ZAG als größten Arbeitgeber vor Ort zu erhalten. Den klagenden Aktionären hatte er im Wirtschaftsjahr 1997/1998 mit einem Betrag von 10 000 DM für die Prozessführung geholfen. Nachdem die klagenden Aktionäre ihr Klagevorhaben durch einen Vergleich beendet hatten, beteiligten sie den Kläger entsprechend dem Anteil seiner Aktien an der Vergleichssumme und überwiesen ihm den Betrag von 118 800 DM.

Im Anschluss an die beim Kläger durchgeführte, auch das Streitjahr betreffende Betriebsprüfung sah der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) darin eine Betriebseinnahme des Klägers, da dessen Beteiligung an der Klage in direktem Zusammenhang mit seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit und den im Betriebsvermögen gehaltenen Zuckeraktien stehe. Dementsprechend änderte das FA die bisher erklärungsgemäß erfolgte Steuerfestsetzung für das Streitjahr, indem es den Betrag hälftig (59 400 DM) als Betriebseinnahme berücksichtigte.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Die Zahlung an den Kläger sei nicht betrieblich veranlasst und daher als Einlage anzusehen, weil sie in keinem wirtschaftlichen Zusammenhang mit seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit stehe. Sein (regional)politisches Engagement sei auf Verhinderung der Fusion der heimischen Zuckerfabrik und auf Erhalt der Eigenständigkeit des größten Arbeitgebers vor Ort gerichtet. Die Zahlung sei auch nicht nach § 22 Nr. 3 EStG zu erfassen; denn der Kläger hätte keine Leistung erbracht, für die er von den klagenden Aktionären bezahlt worden wäre.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 22 Nr. 3 EStG). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei die auf der Basis des Aktienbestandes berechnete Zahlung an den Kläger bei diesem als sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen, da er sie als Gegenleistung angenommen habe.

Das FA beantragt,

das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG lägen nicht vor. Nach der BFH-Rechtsprechung führe nicht jede Einnahme, der eine Tätigkeit gegenüberstehe, auch zu Einkünften gemäß § 22 Nr. 3 EStG; denn die Norm erfasse in Ergänzung der übrigen Einkunftsarten das Ergebnis einer Erwerbstätigkeit und setze wie diese die allgemeinen Merkmale des Erzielens von Einkünften nach § 2 EStG voraus. Der Kläger habe kein wirtschaftliches Interesse am Prozess der klagenden Aktionäre gehabt; vielmehr habe er wegen regionalpolitischer und grundsätzlicher Bedenken, also nicht aus wirtschaftlichen Erwägungen, die Fusion verhindern wollen. Daher sei der Kläger nicht erwerbsgerichtet tätig gewesen und habe für seine Unterstützung auch keine Gegenleistung erwartet. Jedenfalls könne in der Entscheidung des Klägers, das Geld zu behalten, kein Umstand gesehen werden, der den Einkunftscharakter der ideell und regionalpolitisch motivierten Tätigkeit des Klägers begründen würde. Die bloße faktische Kausalität könne den erforderlichen Veranlassungszusammenhang nicht begründen. Ansonsten würde die BFH-Rechtsprechung die Grenzen einer zulässigen Auslegung der Vorschrift überschreiten und zu einer verfassungswidrigen Ausweitung des § 22 Nr. 3 EStG im Sinne eines Auffangtatbestands führen. Zudem liege zivilrechtlich eine Schenkung vor.

Gründe

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und zur Abweisung der Klage. Die Einkommensteuerfestsetzung des Streitjahres ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das FG hat aber zu Unrecht den Betrag von 118 800 DM beim Kläger nicht als Einkünfte aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG der Besteuerung unterworfen.

1. Nach § 22 Nr. 3 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten noch zu den Einkünften i.S. der Nummern 1, 1a, 2 oder 4 der Vorschrift gehören, z.B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen. Um eine solche Leistung handelt es sich im Streitfall; sie ist als sonstige Leistung steuerbar.

Die Vorinstanz hat eine betriebliche Veranlassung der vom Kläger gewährten Prozesskostenunterstützung mit seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 EStG) verneint. Zwar hielt der Kläger die Aktien der ZAG in seinem Betriebsvermögen. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat daher bindenden Feststellungen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) konnte das FG aber --aufgrund des "Ergebnisses der mündlichen Verhandlung und der Anhörung des Klägers"-- einen wirtschaftlichen Zusammenhang der Zahlung mit der landwirtschaftlichen Tätigkeit des Klägers wegen seines regionalpolitischen Engagements (Verhinderung der Fusion ZAG mit dem ZV, Erhalt des größten Arbeitgebers vor Ort) nicht feststellen. Diese Würdigung des FG ist zwar nicht zwingend, aber zumindest möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze; sie ist daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

2. a) Eine (sonstige) Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und das eine Gegenleistung auslöst. An dem auf ein synallagmatisches Verhältnis von Leistung und Gegenleistung hindeutenden Merkmal "um des Entgelts willen erbracht" hält der BFH nicht mehr fest (vgl. BFH-Urteil vom 21. September 2004 IX R 13/02, BFHE 207, 284, BStBl II 2005, 44, m.w.N.). Abgesehen davon war schon bisher ein gegenseitiger Vertrag für die Annahme einer sonstigen Leistung nicht erforderlich (vgl. BFH-Urteile vom 26. Mai 1993 X R 108/91, BFHE 171, 500, BStBl II 1994, 96; vom 18. Dezember 2001 IX R 74/98, BFH/NV 2002, 643, m.w.N.).

b) Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, ob die Gegenleistung (das Entgelt) durch das Verhalten des Steuerpflichtigen veranlasst ist. Hinreichend ist ein wirtschaftlicher Zusammenhang in der Weise, dass die Gegenleistung durch das Verhalten "ausgelöst" wird (BFH-Urteile in BFHE 171, 500, BStBl II 1994, 96; in BFH/NV 2002, 643; in BFHE 207, 284, BStBl II 2005, 44, m.w.N.). So verhält es sich, wenn für eine Tätigkeit nachträglich ein Entgelt gezahlt und vom Empfangenden als angemessene Gegenleistung für das von ihm erbrachte Verhalten angenommen wird (so schon BFH-Urteil vom 21. September 1982 VIII R 73/79, BFHE 137, 251, BStBl II 1983, 201). Durch Anknüpfen an die wirtschaftliche Veranlassung als Korrektiv ist der Tatbestand des § 22 Nr. 3 EStG hinreichend konkretisiert (Bestimmtheitsgebot), ohne dadurch eine Art Generaltatbestand zu eröffnen (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 13. August 1986  1 BvR 587/86, Deutsche Steuer-Zeitung/Eildienst 1986, 334; vom 30. September 1998  2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88, Neue Juristische Wochenschrift 1998, 3769, unter B.II.2.; BFH-Urteil vom 17. Mai 1995 X R 64/92, BFHE 177, 479, BStBl II 1995, 640, unter I.2.a).

c) Zwar führt nicht jede Einnahme, die durch eine Tätigkeit ausgelöst wird, auch zu Einkünften gemäß § 22 Nr. 3 EStG. Die Norm erfasst, ergänzend zu den übrigen Einkunftsarten, das Ergebnis einer Erwerbstätigkeit oder Vermögensnutzung und setzt wie diese die allgemeinen Merkmale des Erzielens von Einkünften nach § 2 EStG voraus (BFH-Urteil vom 14. September 1999 IX R 88/95, BFHE 189, 424, BStBl II 1999, 776, m.w.N.). Das bedeutet aber --entgegen der Ansicht der Kläger-- nicht, der Leistende müsste bereits beim Erbringen seiner Leistung eine Gegenleistung erwarten. Ausreichend ist vielmehr, dass er eine im wirtschaftlichen Zusammenhang mit seinem Tun, Dulden oder Unterlassen gewährte Gegenleistung als solche annimmt. Auf diese Weise ordnet er sein Verhalten der erwerbswirtschaftlich und damit auch steuerrechtlich bedeutsamen Sphäre zu (BFH-Urteil in BFHE 207, 284, BStBl II 2005, 44; ähnlich bereits BFH-Urteil in BFHE 137, 251, BStBl II 1983, 201).

d) Ist die Entgeltszahlung durch die Leistung "ausgelöst", so ist unerheblich, wann das Entgelt erbracht wird, ob vor der Vornahme der Leistung oder nachträglich (BFH-Urteil in BFHE 137, 251, BStBl II 1983, 201; Leisner-Egensperger, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 22 Rz D 140) und ob das Entgelt vom Leistungsempfänger oder von einem Dritten gezahlt wurde (BFH-Urteil vom 12. November 1985 IX R 183/84, BFHE 147, 305, BStBl II 1986, 890). Zwar gilt auch bei Einkünften gemäß § 22 Nr. 3 EStG grundsätzlich das Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 26. Januar 2000 IX R 87/95, BFHE 191, 274, BStBl II 2000, 396; vom 31. Mai 2000 IX R 73/96, BFH/NV 2001, 25). Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG) sind jedoch bei den Einkünften aus einmaligen sonstigen Leistungen auch dann im Jahr des Zuflusses der Einnahme abziehbar, wenn sie vor diesem Jahr angefallen sind (BFH-Urteil vom 3. Juni 1992 X R 91/90, BFHE 168, 272, BStBl II 1992, 1017, und die herrschende Meinung im Schrifttum: z.B. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 27. Aufl., § 22 Rz 143; Blümich/Stuhrmann, § 22 EStG Rz 184).

3. Diesen Grundsätzen entspricht die Vorentscheidung nicht; sie ist daher aufzuheben. Das FG hat unzutreffend den Veranlassungszusammenhang der vom Kläger zuvor gewährten finanziellen Unterstützung mit der an ihn gezahlten Gegenleistung (118 800 DM) verneint und --aus seiner Sicht folgerichtig-- den Prozesskostenzuschuss (10 000 DM) bei der Ermittlung der sonstigen Einkünfte unberücksichtigt gelassen. Dabei kann offenbleiben, wie ein ausschließlich privat motiviertes Verhalten (z.B. ein rein altruistisches oder politisches Engagement) zu beurteilen ist; im Streitfall hat der Kläger als Aktionär der ZAG und durch den finanziellen Beitrag jedenfalls auch wirtschaftliche Interessen verfolgt. Insoweit hat der Kläger eine Art entgeltlicher Vorleistung erbracht, so dass eine Schenkung an ihn ausscheidet.

a) Ob dem vom Kläger gewährten Prozesskostenzuschuss --ähnlich wie in den BFH-Urteilen vom 16. Januar 2007 IX R 48/05 (BFH/NV 2007, 886), vom 10. Juli 2008 IX R 47/07 (BFH/NV 2008, 2009) und vom 8. Mai 2008 VI R 50/05 (BFHE 221, 157, BStBl II 2008, 868)-- eine entsprechende gegenseitige Vereinbarung zugrunde lag, kann dahinstehen. Denn es reicht aus, dass die betreffende Gegenleistung (hier: 118 800 DM) durch ein Verhalten des Klägers (hier: Hingabe eines Prozesskostenzuschusses) ausgelöst wurde und damit dadurch veranlasst war, ohne dass er in Erwartung einer solchen gehandelt hat. Auch hat der Kläger den überwiesenen Betrag als Entgelt angenommen und damit sein --möglicherweise ursprünglich nicht darauf bezogenes-- Verhalten erwerbsgerichtet dem Erzielen von Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 7, § 22 Nr. 3 EStG zugeordnet. Zudem ist im Streitfall der vor dem Zufluss der Einnahme vom Kläger gewährte Prozesskostenzuschuss (das die Einnahme auslösende Verhalten des Klägers) als Werbungskosten zu berücksichtigen.

b) Die Sache ist spruchreif. Der Kläger hat die erhaltene Zahlung von 118 800 DM als Einnahme abzüglich des von ihm gewährten Prozesskostenzuschusses von 10 000 DM als Werbungskosten und damit Einkünfte aus sonstigen Leistungen nach § 22 Nr. 3 EStG in Höhe von 108 800 DM im Streitjahr zu versteuern. Dabei kann angesichts der Ausführungen unter 2. d) dahinstehen, ob der Zuschuss von 10 000 DM im Streitjahr oder bereits vorher gemäß § 11 Abs. 2 EStG abgeflossen ist. An dieser höheren Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr ist der Senat aber wegen des Verböserungsverbots gehindert, so dass es beim Regelungsgehalt des angefochtenen Steuerbescheids (zusätzliche Einkünfte in Höhe von 59 400 DM) mit der Maßgabe der Umqualifizierung der erfassten Einkünfte in solche gemäß § 22 Nr. 3 EStG verbleibt.