BFH, Urteil vom 17.09.2008 - IX R 64/07
Fundstelle
openJur 2011, 85880
  • Rkr:

Absetzungen für außergewöhnliche Abnutzung aus wirtschaftlichen Gründen können als Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abgezogen werden, wenn sich nach der Kündigung des Mietverhältnisses herausstellt, dass das auf die Bedürfnisse des Mieters ausgerichtete Gebäude nicht mehr oder nur noch eingeschränkt nutzbar ist und auch durch eine (nicht steuerbare) Veräußerung nicht mehr sinnvoll verwendet werden kann.

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr (2001) zu 25 % an einer (inzwischen aufgelösten) GbR beteiligt, und zwar neben seinem Sohn, dem Beigeladenen, der 75 % der Anteile hielt.

Die GbR erzielte bis zum 30. November des Streitjahres Einkünfte aus der Vermietung eines Grundstücks an einen Lebensmittelkonzern (Mieter). Damit hat es folgende Bewandtnis: Auf dem Grundstück war in den Jahren 1976 und 1977 das Gebäude eines Lebensmittelmarktes zur entgeltlichen Gebrauchsüberlassung an den Mieter errichtet worden. In der unmittelbaren Umgebung unterhielt der Mieter einen weiteren Lebensmittelmarkt unter anderem Namen. Der Mietvertrag war auf 15 Jahre geschlossen, wobei dem Mieter jeweils eine Option auf eine fünfjährige Verlängerung eingeräumt war. Im Jahr 1984 baute die GbR die Räumlichkeiten nach detaillierten Vorgaben des Mieters um weitere 200 qm aus. Das Objekt wies danach eine Nutzfläche von ca. 800 qm auf, wovon 450 qm auf die Verkaufsfläche entfielen.

Im September 2000 kündigte der Mieter den Mietvertrag mit Wirkung zum 31. Dezember des Streitjahres, um den Standort des Lebensmittelmarktes aufzugeben. Der Kläger und der Beigeladene bemühten sich vergeblich um Vermietungsalternativen. Auch eine zunächst geplante Verwendung der Gebäude durch den Mieter als Getränkemarkt scheiterte im Mai des Streitjahres.

Die GbR veräußerte das Grundstück am 30. November des Streitjahres an eine Bauherrengemeinschaft, die darauf nach Abriss des Gebäudes ein Geschäftshaus errichtete.

In ihrer Feststellungserklärung machte die GbR bei ihren Einkünften aus der Vermietung des Lebensmittelmarktes Absetzungen für außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) geltend, deren Berücksichtigung der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) versagte. Der hiergegen gerichtete Einspruch des Klägers und des Beigeladenen für die mittlerweile aufgelöste GbR wurde als unbegründet zurückgewiesen: Wegen der Veräußerung fehle der notwendige Zusammenhang mit der Einkunftsart.

Die Klage war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) bejahte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 122 veröffentlichten Urteil die Abziehbarkeit einer AfaA in Höhe von 380 974 DM mangels wirtschaftlicher Nutzbarkeit des Gebäudes. Der Lebensmittelmarkt sei speziell auf die Bedürfnisse eines bestimmten Mieterkreises ausgerichtet und nach der Kündigung durch den Mieter nicht mehr weiter vermietbar gewesen. Eine Überlagerung des Zusammenhangs durch die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung durch den nachfolgenden Verkauf komme nicht in Betracht. Denn das die außergewöhnliche Abnutzung begründende Ereignis sei durch die Nutzung veranlasst; der Entschluss zum Verkauf sei erst gefasst worden, als sich die Unvermietbarkeit herauskristallisiert habe.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Zwar sei das Gebäude wirtschaftlich abgenutzt und nicht weiter vermietbar gewesen. Ein innerer wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Vermietungstätigkeit sei aber durch den Verkauf des Grundstücks nicht mehr gegeben.

Das FA beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Gründe

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zutreffend hat das FG AfA als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgesetzt.

1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG) sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie bei ihr erwachsen und das heißt, durch die sie veranlasst sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Januar 2008 IX R 45/07, BStBl II 2008, 572). Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG auch Absetzungen für Abnutzung (AfA), wozu nach § 7 Abs. 1 Satz 6 EStG auch AfaA gehören.

a) Ein bestehendes Wirtschaftsgut (hier Gebäude) ist wirtschaftlich außergewöhnlich abgenutzt, wenn seine Nutzungsmöglichkeit durch Einwirken im Zusammenhang mit seiner steuerbaren Nutzung eingeschränkt wird (BFH-Urteil vom 14. Januar 2004 IX R 30/02, BFHE 205, 79, BStBl II 2004, 592, unter II.1.a, m.w.N.). So verhält es sich z.B., wenn bei Beendigung eines Mietverhältnisses erkennbar wird, dass das Gebäude wegen einer auf den bisherigen Mieter ausgerichteten Gestaltung nur eingeschränkt an Dritte vermietbar ist (BFH-Urteil vom 28. Oktober 1980 VIII R 34/76, BFHE 132, 41, BStBl II 1981, 161, unter I.2.b; vgl. zu weiteren Fällen Blümich/Brandis, § 7 EStG Rz 532, m.w.N.). Der objektive Zusammenhang, in dem die eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit mit der Vermietungstätigkeit steht, darf aber nicht durch eine Verknüpfung mit der nicht einkommensteuerbaren Grundstücksveräußerung überlagert werden (vgl. dazu BFH-Urteil vom 31. Juli 2007 IX R 51/05, BFH/NV 2008, 933, zur außergewöhnlichen technischen Abnutzung m.w.N. auch zu Abbruchkosten; allgemein zum Überlagerungsgedanken BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004 IX R 34/03, BFHE 208, 232, BStBl II 2005, 343). So kann es liegen, wenn der Steuerpflichtige sein Gebäude zwar selbst nicht mehr nutzen kann, es   mit einer Veräußerung aber noch sinnvoll verwendet.   Ob dies der Fall ist, beurteilt sich in erster Linie nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls (vgl. dazu BFH-Urteil vom 15. Februar 1989 X R 97/87, BFHE 156, 423, BStBl II 1989, 604). Dafür kann z.B. sprechen, wenn der Steuerpflichtige mit dem Grundstückskaufpreis (wertmäßig) nicht nur eine Gegenleistung für das (unbebaute) Grundstück, sondern auch für das aufstehende Gebäude erlangt, dagegen, wenn auch der Grundstückskäufer keine Nutzungsmöglichkeit sieht, das Gebäude in Abbruchabsicht erwirbt und auch nach dem Erwerb abreißt.

b) Das FG hat hierzu für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellt: Der GbR war nach Ausspruch der Kündigung seitens des Mieters eine Neuvermietung des auf den Mieter ausgerichteten Gebäudes auch zu deutlich ungünstigeren Konditionen und zu anderen Zwecken als bisher (also nicht als Lebensmittelmarkt) trotz erheblicher Bemühungen nicht mehr möglich.

Der hieraus vom FG gezogene Schluss, eine AfaA sei wegen Fortfalls der Verwendungsmöglichkeit gerechtfertigt und beruhe auf der bisherigen Vermietungstätigkeit der GbR, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

c) Das FG hat zutreffend auch eine Überlagerung dieser in der bisherigen Nutzung gründenden AfaA durch die anschließende Veräußerung des Grundstücks verneint. Zum einen entsprach der Kaufpreis --wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen-- im Wesentlichen allein dem Wert des (unbebauten) Grundstücks. Außerdem wurde nach den Feststellungen des FG der Verkaufsentschluss erst zu einem Zeitpunkt erfasst, als sich die Unvermietbarkeit des Grundstücks bereits eindeutig herausgestellt hatte. Darüber hinaus hatte die erwerbende Bauherrengemeinschaft das Marktgebäude sofort abgerissen.

2. Dem FG ist auch darin beizupflichten, dass die AfaA im Streitjahr als dem Jahr zu berücksichtigen sind, in dem ihre Voraussetzungen, die hier in der fehlenden Möglichkeit der Weitervermietung liegen, eingetreten sind (vgl. zum Absetzungszeitpunkt Blümich/Brandis, a.a.O., § 7 EStG Rz 396, m.w.N.). Dies war entgegen der Revision nicht das Jahr der Kündigung (2000); denn erst im Streitjahr stellte sich nach dem Scheitern von Nachverhandlungen mit dem Mieter über eine eventuelle Nutzung des Gebäudes als Getränkemarkt sowie weiterer Vermietungsbemühungen und des schließlich im November erfolgenden Verkaufs die Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten heraus. Dies war aber auch nicht das Jahr des Abrisses der Gebäude. Zwar war das Gebäude im Jahr 2002 abgerissen worden, aber eben nicht von der GbR, sondern von der erwerbenden Bauherrengemeinschaft. Auch die von der Bauherrengemeinschaft für Dezember des Streitjahres vereinnahmte Miete beruhte nicht auf deren Vermietungstätigkeit und einer fortlaufenden Nutzung des Gebäudes durch den Mieter, sondern allein darauf, dass dieser wegen der Kündigungsfrist bis zum 31. Dezember des Streitjahres weiterhin Miete zahlen musste, die nach Gefahrübergang der Bauherrengemeinschaft gebührte (§§ 446, 100, § 99 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches).