BFH, Beschluss vom 09.10.2008 - VII B 31/08
Fundstelle
openJur 2011, 85704
  • Rkr:
Tatbestand

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) beantragte im Juli 2006 die Erteilung verbindlicher Zolltarifauskünfte (vZTA) für spiralförmig verstärkte durchsichtige Kunststoffschläuche, z.T. mit Verbindungsstücken aus weichem Kunststoff, welche sie als "Beatmungsschläuche für Atemtherapiezwecke = medizinisches Zubehör für Beatmungsgeräte sowie CPAP-Geräte" bezeichnete und für die sie die Einreihung in die Unterpos. 9019 20 00 der Kombinierten Nomenklatur (KN) vorschlug. Mit den daraufhin erteilten, auf Einreihungsgutachten der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) gestützten vZTA wurden die Waren jedoch in die Unterpos. 3917 32 31 bzw. 3917 33 00 KN eingereiht.

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG urteilte, dass die Einreihung in die Unterpos. 9019 20 00 KN nicht in Betracht komme, weil es nicht i.S. der Anm. 2 b zu Kap. 90 KN erkennbar sei, dass die streitigen Schläuche Zubehör für Beatmungsgeräte seien. In Anbetracht der objektiven Beschaffenheitsmerkmale der Schläuche gemäß der unstreitigen Warenbeschreibung durch die ZPLA und des Ergebnisses der Inaugenscheinnahme der übersandten Warenproben entspreche der optische Eindruck in allen Fällen dem eines Schlauches, der nicht ohne weiteres einem medizinischen Beatmungsgerät zugeordnet werden könne. Das Material der Schläuche und der Verbindungsstücke lege zwar die Annahme nahe, dass die Schläuche für spezielle Verwendungen bestimmt seien; welcher Art diese Verwendungen seien, lasse sich jedoch nicht ersehen. Auch die seitens der Klägerin hervorgehobenen besonderen Qualitätsmerkmale des Materials ließen, sofern diese Qualitätsmerkmale überhaupt optisch erkennbar seien, für den durchschnittlichen Betrachter nicht den Rückschluss auf die spezielle Verwendung zu. Gleiches gelte für die Normierung der Anschlussstücke. Ebenso wenig komme es darauf an, wie die Waren bezeichnet seien und ob auf ihren Verwendungszweck auf beiliegenden Gebrauchsanweisungen hingewiesen werde. Allein die Beschaffenheitsmerkmale der Waren seien entscheidend, nicht aber die Art ihrer Verpackung. Die mit den angefochtenen vZTA vorgenommene Einreihung der streitigen Waren sei somit nicht zu beanstanden.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Fortbildung des Rechts sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.

Gründe

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe jedenfalls nicht vorliegen, weshalb der Senat auf die Mängel bezüglich der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen schlüssigen Darlegung der Zulassungsgründe nicht näher eingehen muss.

1. Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache noch zur Fortbildung des Rechts erforderlich, denn der Streitfall wirft keine Rechtsfragen auf, deren Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt, und er gibt auch keine Veranlassung, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen.

Ebenso wie das FG geht die Beschwerde davon aus, dass für die Einreihung der streitigen Schläuche als Zubehör von Beatmungsgeräten die Voraussetzungen der Anm. 2 b zu Kap. 90 KN erfüllt sein müssen. Danach sind Teile und anderes Zubehör, wenn zu erkennen ist, dass sie ausschließlich oder hauptsächlich für eine bestimmte Maschine, einen bestimmten Apparat oder ein bestimmtes Gerät oder Instrument oder für mehrere Maschinen, Apparate, Geräte oder Instrumente der gleichen Position bestimmt sind, der Position für diese Maschinen, Apparate, Geräte oder Instrumente zuzuweisen. Der beschließende Senat hat mit Urteil vom 17. Oktober 2006 VII R 41/05 (BFH/NV 2007, 289) in einem dem Streitfall vergleichbaren Fall entschieden, dass die nach vorgenannter Anm. 2 b zu Kap. 90 KN erforderliche ausschließliche oder hauptsächliche Verwendungseignung von Kunststoffschläuchen als Zubehör für Beatmungsgeräte im Augenblick der Zollabfertigung und auf der Grundlage durchschnittlicher Sachkunde anhand der objektiven Beschaffenheitsmerkmale der Ware erkennbar sein muss. Ausgehend von dieser Rechtsprechung hat das FG im Streitfall die Frage, ob die zu tarifierenden Kunststoffschläuche erkennbar Zubehör für Beatmungsgeräte sind, verneint.

Die von der Beschwerde formulierte Frage, welche objektiven und subjektiven Kriterien für die durchschnittliche Sachkunde gelten, ist keine klärungsbedürftige Rechtsfrage. Es unterliegt grundsätzlich der Beurteilung des Tatrichters im Einzelfall, ob die Erkennbarkeit der Eigenschaft einer bestimmten Ware als Zubehör einer bestimmten Maschine bzw. Apparats, Geräts oder Instruments des Kap. 90 KN eine besondere Sachkunde auf einem bestimmten Gebiet erfordert oder insoweit die bei einem Abfertigungsbeamten im Allgemeinen zu erwartende Sachkunde ausreicht. Die weitere Frage der Beschwerde, welche Beschaffenheitsmerkmale der Ware dabei zugrunde zu legen sind, ist fraglos dahin zu beantworten, dass sämtliche objektiven Beschaffenheitsmerkmale zu berücksichtigen sind. Soweit die Beschwerde meint, dass die Beschaffenheitsmerkmale der streitigen Schläuche, wie der spiralförmig verstärkte, durchsichtige dünne Innenschlauch, die Flexibilität des Materials sowie die weichen Verbindungsstücke, auf einen Einsatz der Schläuche als Bestandteil eines medizinischen Beatmungsgeräts schließen lassen, setzt sie der Tatsachenwürdigung des FG lediglich ihre eigene Würdigung entgegen, zeigt jedoch keinen Grund für die Zulassung der Revision auf.

Da sich --wie ausgeführt-- die Zubehöreigenschaft der betreffenden Ware aus ihren objektiven Beschaffenheitsmerkmalen erkennbar ergeben muss, kann es --wie das FG zutreffend entschieden hat-- auch nicht darauf ankommen, ob sich aus der Verpackung der Schläuche sowie den beiliegenden Gebrauchsanweisungen Hinweise auf ihre Verwendung als Zubehör für Beatmungsgeräte ergeben. Die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), auf die sich die Beschwerde insoweit beruft, sind im Streitfall nicht einschlägig. Sie beziehen sich auf Tarifpositionen, die eine Aufmachung der betreffenden Ware für den Einzelverkauf verlangen, bzw. auf solche, welche gerade die bestimmte Verwendung einer Ware voraussetzen. Darum geht es im Streitfall jedoch nicht. Im Übrigen hat der EuGH in dem angeführten Urteil vom 19. April 2007 C-229/06, (EuGHE 2007, I-3251) ausgeführt, dass der Verwendungszweck einer Ware, soweit er im Einzelfall ein Tarifierungskriterium ist, der betreffenden Ware innewohnen muss, was anhand der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware zu beurteilen ist. Die Frage, ob sich anhand der objektiven Merkmale und Eigenschaften der im Streitfall zu tarifierenden Schläuche ein diesen innewohnender bestimmter Verwendungszweck feststellen lässt, hat das FG aber verneint. Darüber hinaus bestätigt das weitere von der Beschwerde angeführte EuGH-Urteil vom 9. August 1994 C-395/93 (EuGHE 1994, I-4027), dass der sich aus den objektiven Beschaffenheitsmerkmalen ergebende Verwendungszweck einer Ware, soweit er für ihre Tarifierung überhaupt maßgeblich ist, im Zeitpunkt der Zollabfertigung feststellbar sein muss, wie der beschließende Senat mit Urteil in BFH/NV 2007, 289 entschieden hat.

Die Behauptung der Beschwerde, dass es für Waren des Streitfalls gleichwertige Waren divergierende vZTA in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft gebe, ist unsubstantiiert geblieben und ist daher nicht geeignet, Zweifel an der vom FG gefundenen Tarifauffassung zu wecken.

2. Der geltend gemachte Verfahrensmangel der Verletzung der dem FG obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) liegt nicht vor. Nach dem --insoweit maßgeblichen-- Rechtsstandpunkt des FG kam es für die Tarifierung der Kunststoffschläuche auf ihren Verwendungszweck nicht an, sondern allein auf die Frage, ob ihre angebliche Zweckbestimmung als Zubehör für Beatmungsgeräte anhand ihrer objektiven Beschaffenheitsmerkmale im Augenblick der Zollabfertigung auf der Grundlage durchschnittlicher Sachkunde erkennbar ist. Das FG musste somit nicht den unter Beweis gestellten Behauptungen der Klägerin nachgehen, wonach die Schläuche in der europäischen Gemeinschaft als Medizinprodukte verwendet werden, sie hinsichtlich ihrer Qualität strengen technischen und gesetzlichen Anforderungen unterliegen und passgenau auf Beatmungsgeräte zugeschnitten sind.