BFH, Beschluss vom 01.08.2008 - V B 25/08
Fundstelle
openJur 2011, 85686
  • Rkr:
Gründe

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet. a) Hat das Finanzgericht (FG) sein Urteil kumulativ begründet, d.h. auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, so muss wegen jeder der Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dargelegt werden und vorliegen (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. November 2007 XI B 101/06, BFH/NV 2008, 396; vom 22. April 2008 X B 64/07, BFH/NV 2008, 1345, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. b) Das FG hat die Versagung des Vorsteuerabzugs aus den von der X-GmbH in Rechnung gestellten Leistungen zum einen damit begründet, dass die X-GmbH als "Scheinfirma vorgeschoben wurde", es sich bei den auf dem Namen der X-GmbH lautenden Rechnungen um "Abdeckrechnungen" gehandelt habe und sich dies der Klägerin mangels geschäftlichen Kontakts mit diesem Unternehmen über dessen angegebenen Firmensitz und aufgrund der unüblichen Zahlungsweise durch Barzahlungen habe aufdrängen müssen. Zum anderen sei der Vorsteuerabzug auch zu versagen, da nach den Feststellungen der Steuerfahndung die X-GmbH bereits im Januar 2001 nicht "existierte" und die Firma der X-GmbH von Amts wegen am ... Mai 2001 rückwirkend zum ... September 2000 abgemeldet worden sei, während die Leistungen erst im Zeitraum Juli bis Oktober 2001 bezogen worden seien. Der Vorsteuerabzug sei daher auch deshalb zu versagen, da der in den Rechnungen angegebene Sitz der X-GmbH im Zeitraum der Leistungserbringung nicht mehr bestanden habe. c) Im Hinblick auf die zweite rechtlich selbständig tragende Begründung ist die Revision entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Durch die Rechtsprechung ist bereits hinreichend geklärt, dass der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die Feststellungslast dafür trägt, dass der in der Rechnung angegebene Sitz des Leistenden bei Leistungsausführung und Rechnungsausstellung tatsächlich bestanden hat, wobei es zu den Obliegenheiten des Leistungsempfängers gehört, sich über die Richtigkeit der Rechnungsangaben zu vergewissern (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27. Juni 1996 V R 51/93, BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620, und zuletzt vom 6. Dezember 2007 V R 61/05, BFH/NV 2008, 907, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH--, insbesondere des EuGH-Urteils vom 28. Juni 2007 Rs. C-73/06, Planzer Luxembourg, BFH/NV Beilage 2007, 418). Nach Maßgabe dieser Rechtsprechung ist es entgegen der Beschwerde nicht klärungsbedürftig, ob der gute Glaube an die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs, hier die Rechnungsangaben hinsichtlich des Sitzes des Leistenden, zu schützen ist und welche konkreten Maßnahmen der Leistungsempfänger zu treffen hat, um Leistungsbezüge von Scheinunternehmen zu verhindern und um sicherzustellen, dass der in Rechnung angegebene Sitz tatsächlich besteht. Es ist auch nicht fraglich, dass die Verpflichtung, sich über die Richtigkeit der Rechnungsangaben zu vergewissern, auch dann besteht, wenn es sich um einen weit entfernt liegenden Geschäftssitz des leistenden Unternehmers handelt. d) Soweit sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde weiter gegen die Annahme des FG wendet, wonach sie von der Umsatzsteuerhinterziehung durch die X-GmbH wusste oder von dieser zumindest hätte wissen müssen und fraglich sei, wie die Rechtsprechungsgrundsätze des EuGH zur Versagung des Vorsteuerabzugs auszulegen und zu konkretisieren seien, betrifft das insoweit geltend gemachte Erfordernis der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) nur die erste Begründungsalternative und ist daher im Hinblick auf die kumulative Urteilsbegründung und das Fehlen eines Zulassungsgrundes hinsichtlich der zweiten Begründungsalternative unbeachtlich. e) Auch auf den von der Klägerin gerügten Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) kommt es nicht an, da sich die Frage, ob das FG ohne ausreichende tatsächliche Feststellungen davon ausgegangen ist, dass die Klägerin von der Umsatzsteuerhinterziehung der X-GmbH wusste, nur die erste, nicht aber auch die zweite Begründungsalternative betrifft.