BFH, Beschluss vom 24.07.2008 - VIII B 132/08
Fundstelle
openJur 2011, 85477
  • Rkr:
Gründe

1. Der Senat entscheidet über die Beschwerde zeitgleich mit der Ablehnung des zu dem Beschwerdeverfahren unter dem Aktenzeichen VIII S 24/08 (PKH) anhängig gemachten Prozesskostenhilfeantrags.

a) Eine vorherige Bescheidung des Begehrens auf Prozesskostenhilfe (PKH) ist allerdings erforderlich, wenn dies im Interesse effektiven Rechtsschutzes geboten ist, mithin die mögliche Einschaltung eines beizuordnenden Anwalts oder Steuerberaters Einfluss auf die Sachentscheidung des Gerichts haben kann (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 1. Kammer des 1. Senats vom 13. Juli 1992  1 BvR 99/90, Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1993, 382; Bundesfinanzhof --BFH--, Beschluss vom 9. Juli 1996 VII S 16/95, BFH/NV 1997, 143).

Kann aber die Beiordnung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters an der Entscheidung zur Hauptsache wegen der Eindeutigkeit der Rechtslage --wie hier angesichts der Unstatthaftigkeit des Rechtsbehelfs (s. unter 2.a)-- nichts ändern, ist ein fehlender zeitlicher Abstand zwischen (negativer) Entscheidung über das PKH-Begehren und der Entscheidung zur Hauptsache für das Rechtsmittelverfahren ohne rechtliche Bedeutung (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1997, 143; vom 27. April 2001 XI S 16/00, BFH/NV 2001, 1417).

b) Auch kostenrechtliche Gesichtspunkte rechtfertigen nur ausnahmsweise eine andere Beurteilung.

aa) So hat der BFH die Entscheidung über einen bereits eingelegten Rechtsbehelf im Zeitpunkt der Beschlussfassung über das darauf bezogene PKH-Begehren nach richterlichem Ermessen zurückgestellt und die PKH-Entscheidung mit dem Hinweis auf die mögliche Prüfung einer Rechtsbehelfsrücknahme zur Vermeidung weiterer Gerichtskosten verbunden (vgl. BFH-Beschluss vom 1. April 2003 VII S 25/02 (PKH), BFH/NV 2003, 1077). Dafür kann indessen nur Anlass bestehen, wenn der ablehnende PKH-Beschluss materiell-rechtliche Ausführungen unter Berücksichtigung höchstrichterlicher Entscheidungen enthält, die für den bereits eingelegten Rechtsbehelf maßgeblich und für den Rechtsbehelfsführer ersichtlich neu sind. Bei dieser Sachlage kann mit einiger Berechtigung erwartet werden, dass der Rechtsbehelfsführer möglicherweise  durch den PKH-Beschluss zur Rücknahme des Rechtsbehelfs und damit zur Inanspruchnahme der Gebührenermäßigung nach Teil 6 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz veranlasst wird.

bb) Ist dagegen dem Rechtsbehelfsführer --wie im Streitfall-- der maßgebliche Grund für die fehlende Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache offenkundig klar (hier Kenntnis von der Unanfechtbarkeit der Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), besteht für die Erwartung einer Rechtsbehelfsrücknahme keine Basis.

Vielmehr zeigt in einem solchen Fall die Tatsache, dass der Rechtsmittelführer gleichzeitig den Rechtsbehelf eingelegt und den darauf bezogenen PKH-Antrag gestellt hat, das Interesse an der gerichtlichen Entscheidung zur Hauptsache unabhängig vom Ausgang des PKH-Verfahrens. Gegen die Annahme, das Rechtsbehelfsverfahren zur Hauptsache solle nur für den Fall der Bewilligung von PKH durchgeführt werden, spricht insbesondere, dass die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) auch nicht ansatzweise eine solche Verknüpfung zwischen den beiden Rechtsschutzbegehren zum Ausdruck gebracht haben.

2. Die Beschwerde, mit der sich die Kläger gegen den Kostenbeschluss des Finanzgerichts (FG) nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Beteiligten zu ihrem Einkommensteuerrechtsstreit vor dem FG wenden, ist unzulässig.

a) Abgesehen davon, dass den Klägern --für die sich Prozessbevollmächtigte nur im PKH-Verfahren VIII S 24/08 (PKH) bestellt haben-- wegen fehlender Postulationsfähigkeit nach § 62a FGO die Befugnis für die Einlegung der Beschwerde fehlt und sie deshalb Beschwerde erst nach Beiordnung eines postulationsfähigen Vertreters durch einen stattgebenden PKH-Beschluss hätten einlegen dürfen (vgl. BFH-Beschluss vom 7. März 1996 III B 180/94, BFH/NV 1996, 636), ist diese schon deshalb unstatthaft, weil § 128 Abs. 4 FGO die Beschwerde "in Streitigkeiten über Kosten" und damit auch über Kostenbeschlüsse i.S. des § 138 Abs. 1 FGO ausschließt (vgl. BFH-Beschluss vom 30. November 2005 VIII B 181/05, BFHE 211, 37, BStBl II 2006, 188).

b) Ob gegen die angefochtene Kostenentscheidung eine Gegenvorstellung mit der Begründung zulässig ist, die Entscheidung sei "greifbar gesetzwidrig" (vgl. BFH-Beschluss vom 26. April 2001 X B 167/00, BFH/NV 2001, 1413) oder diese Möglichkeit im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des BFH an den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes generell (vgl. BFH-Beschluss vom 26. September 2007 V S 10/07, BFHE 219, 27, BStBl II 2008, 60), zumindest aber im Fall der Kläger wegen fehlender sachlicher Voraussetzungen nicht in Betracht kommt, kann der Senat dahinstehen lassen.

Zum einen hat darüber allein das FG zu befinden. Es hat die bereits erhobene Gegenvorstellung als unstatthaft verworfen; dagegen ist ein Rechtsbehelf nicht gegeben (vgl. BFH-Beschluss vom 23. Februar 2005 IX B 177/04, BFH/NV 2005, 1128).

Zum anderen haben die Kläger ihre Einwendungen unter Bezugnahme auf die §§ 128, 129 FGO ausdrücklich als "sofortige Beschwerde" geltend gemacht; eine solche Beschwerde ist aber --wie ausgeführt-- ebenso unstatthaft wie eine sog. außerordentliche Beschwerde (BFH-Beschluss vom 26. Januar 2005 VII B 332/04, BFH/NV 2005, 905).

c) Schließlich können die Kläger eine Überprüfung der angefochtenen Entscheidung nicht mit ihrem Vortrag erreichen,

-  eine Erledigung sei offensichtlich noch nicht eingetreten, bzw.

-   der Rechtsstreit hätte wegen streitiger Grundlagen über die Kostenentscheidung nicht in der Hauptsache für erledigt erklärt werden dürfen.

Zum einen tritt die verfahrensbeendende Wirkung der übereinstimmenden Erledigungserklärungen selbst dann ein, wenn der Rechtsstreit tatsächlich nicht in der Hauptsache erledigt ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. Januar 2005 I S 8/04, BFH/NV 2005, 1109; vom 20. Mai 2005 VIII R 103/03, BFH/NV 2005, 1830, m.w.N.). Zum anderen können Erledigungserklärungen nicht wegen Willensmängeln angefochten (BFH-Beschluss vom 15. Februar 1968 V B 46/67, BFHE 91, 514, BStBl II 1968, 413) und nach Abgabe der korrespondierenden Erklärung des Gegners nicht widerrufen werden (BFH-Urteil vom 9. März 1972 IV R 170/71, BFHE 105, 3, BStBl II 1972, 466). Schließlich ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass ein zur Fortsetzung des Verfahrens führendes Fehlen oder eine ausnahmsweise zu bejahende Unbeachtlichkeit einer Erklärung (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. August 1999 XI B 83/99, BFH/NV 2000, 208, betreffend fehlerhafte Annahme einer Erledigungserklärung; vom 7. Februar 2003 V B 202/01, BFH/NV 2003, 1060, betreffend Vorliegen eines Restitutionsgrundes i.S. des § 580 der Zivilprozessordnung) oder ein sonstiger Fortführungsgrund --wie z.B. wegen Nichteinhaltung von Zusagen eines Beteiligten (BFH-Urteil vom 16. November 2000 XI R 28/99, BFHE 193, 494, BStBl II 2001, 303, m.w.N.)-- gegeben ist.