OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.11.2000 - 8 A 1968/99
Fundstelle
openJur 2011, 83003
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 1 K 2073/97
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 2. März 1999 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt vom Beklagten eine Befreiung von den Festsetzungen des Landschaftsplanes / . Sie ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung , Flur , Flurstück / , das seit Mitte der 50-er Jahre als Grünlandfläche verpachtet und zuvor als Ackerfläche bewirtschaftet wurde. Das langgestreckte Grundstück ist etwa 60 m breit und wird entlang seiner Ostgrenze durch die Böschung zum Grund des Sieks " " begrenzt.

Am 4. November 1995 trat der Landschaftsplan / in Kraft, der das Grundstück der Klägerin als Landschaftsschutzgebiet ausweist. Der Rat der Gemeinde hatte zuvor am 12. Oktober 1995 beschlossen, das Grundstück der Klägerin einschließlich sich westlich und südlich angegrenzender Grundstücke in eine Abrundungssatzung gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 4 a BauGB-MaßnG einzubeziehen. Auf Beanstandung der Bezirksregierung , die mit Rücksicht auf die Schutzausweisung im Landschaftsplan erfolgte, nahm die Gemeinde durch Beschluss vom 29. Februar 1996 die im Landschaftsplan unter Schutz gestellten Flächen aus dem Abrundungsgebiet heraus und gab die Satzung mit dem geänderten Geltungsbereich am 26. März 1996 öffentlich bekannt. Das Gebiet der Abrundungssatzung endet jetzt an der westlichen und südlichen Grenze des Grundstücks der Klägerin.

Am 11. Juli 1996 beantragte die Klägerin beim Beklagten, den in einem Lageplan bezeichneten, westlichen Teil ihres Grundstücks aus dem Landschaftsschutzgebiet des Landschaftsplanes / auszunehmen, hilfsweise ihr eine Befreiung von den Festsetzungen des Landschaftsplanes zu erteilen. Zur Begründung wies sie auf die ursprüngliche Planungsabsicht der Gemeinde hin. Der Landschaftsplan berücksichtige die topographischen Verhältnisse des Grundstücks nicht. Der westliche/nordwestliche Teil sei ursprünglich Ackerland gewesen und für eine Bebauung geeignet. Durch den östlichen und südöstlichen Teil verlaufe im Geländeeinschnitt ein Graben. Dieses Gelände entziehe sich einer nutzbringenden landwirtschaftlichen Bewirtschaftung und sei zur Bebauung ungeeignet. Das Ackerland sei damals wegen der Erkrankung ihres Ehemannes zu Grasland umgebrochen worden. Nur in diesem Bereich wolle sie eine Wohnbebauung verwirklichen. In bestehe ein ungedeckter Bedarf an Wohnbebauung. Diesen habe die Gemeinde decken wollen. Im Übrigen könne sie mit den Pachteinnahmen die Belastung der Grundstücksfläche nicht decken.

Mit Bescheid vom 19. August 1996 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Aufhebung des Landschaftsschutzes für den von ihr bezeichneten Grundstücksbereich und den Antrag auf Befreiung von den Verboten des Landschaftsplanes / ab. Die Klägerin habe während der öffentlichen Auslegung des Planes keine Einwände erhoben. Der Verbleib der betreffenden Fläche im Landschaftsschutzgebiet sei erforderlich, da sie schutzwürdig sei. Die Vorausssetzungen für eine Befreiung nach § 69 Abs. 1 LG NRW lägen nicht vor. Überwiegende Gründe des Allgemeinwohls erforderten die Befreiung nicht, weil nur eine sehr geringfügige Entlastung des Wohnungsmarktes durch das Bauvorhaben angenommen werden könne. Die Belange des Landschaftsschutzes überwögen demgegenüber. Eine nicht beabsichtigte Härte sei ebenfalls nicht gegeben, weil die finanziellen Probleme der Klägerin nicht berücksichtigt werden könnten. Das Bauverbot entspreche dem Zweck des Landschaftsplanes. Das Grundstück der Klägerin liege im Landschaftsschutzgebiet "Siek östlich ", einem Teil des Tal- und Sieksystems des . Der Schutzzweck werde in diesem Landschaftsschutzgebiet insbesondere durch die Erhaltung des Grünlandes konkretisiert. Die Fläche sei Bestandteil eines kleinen Wiesentälchens. Neben einem deutlich tiefer liegenden Bereich gehörten auch einige etwas höher liegende Flächen zu diesem Bachtälchen hinzu. Diese Flächen seien deutlich ausgeprägt zum tiefer liegenden Bereich ausgerichtet. Die geplante Bebauung habe eine Zerstörung des Grünlandes unmittelbar zur Folge. Darüber hinaus werde die angrenzende tiefer liegende Fläche erheblich beeinträchtigt. Der gesamte Siekbereich verliere seine bisherige Funktion als naturnaher Bereich mit Lebensstätten für an diesen Standort angepasste Tier- und Pflanzenarten. Dieser Verlust können nicht kompensiert werden. Auch wenn die für die Bebauung vorgesehene Fläche höher liege, so stelle sie dennoch eine Einheit mit der durch eine kleine Böschung abgesetzten tiefer liegenden Fläche dar. Es bestehe eine deutlich ausgeprägte Böschung im nördlichen Bereich, die dann in eine zur tiefer liegenden Teilfläche geneigten schiefen Ebene münde. Dies sei in der Örtlichkeit ablesbar und werde durch den Höhenlinienplan der Deutschen Grundkarte bestätigt. Aufgrund der topographischen Ausprägung und des vorhandenen Bestandes sei die Fläche in der vorliegenden Abgrenzung schutzwürdig.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 23. September 1996 wies die Bezirksregierung mit Bescheid vom 17. April 1997 zurück. Eine Anfechtung des Landschaftsplanes sei nicht mehr möglich. Dieser sei rechtskräftig geworden. Im Übrigen seien weder formelle noch materielle Mängel des Landschaftsplanes ersichtlich. Eine Befreiung komme aus den Gründen des angefochtenen Bescheides nicht in Betracht. Die Grünlandfläche sei vom Artenspektrum her als artenarme Intensivgrünlandfläche mit einzelnen Nährstoffzeigern zu klassifizieren. Sie sei von der Exposition her klar dem angrenzenden Siekbereich zuzuordnen. Der eigentliche engere Siekbereich werde durch die typischen steileren Randböschungen nach Westen und nach Osten begrenzt. Im Übergangsbereich zwischen beantragter Baufläche und der Sieksohle sei der Böschungsabschnitt gehölzfrei, so dass ein unmittelbarer Zusammenhang optisch und auch funktional gegeben sei. Durch die beidseitig vorhandene Siedlungsbebauung entlang der Gemeindestraße Straße werde das Siek im Norden begrenzt. Durch die Bebauung habe eine Abtrennung des betreffenden Siekabschnitts von dem ursprünglich zusammengehörigen übergeordneten Sieksystems des - - stattgefunden, so dass der noch erhalten gebliebene Teil des Sieks als Insellage nur noch sehr eingeschränkt mit vergleichbaren Biotopen im Umfeld vernetzt sei. Gerade dieser Umstand mache es aus landschaftsfachlicher Sicht erforderlich, die verbleibenden Flächen einschließlich der Siekrandfläche als Bestandteil des Landschaftsschutzgebietes zu erhalten und weiter gehende Beeinträchtigungen zu unterlassen. Mit der beantragten Bebauung würde ein deutlicher Flächenverlust und eine Nutzungsintensivierung von Grünland zu Hausgärten verbunden sein. Das stelle den Schutzcharakter des Siekbereichs insgesamt in Frage. Die bereits bestehenden Vorbelastungen des Siekabschnitts in Form von Bebauung und Zerschneidung seien vorhanden, rechtfertigten jedoch keine weiteren Vorhaben, die das Siek substantiiell beeinträchtigten.

Am 15. Mai 1997 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ergänzend vorgetragen, sie sei mit Einwendungen gegen den Landschaftsplan nicht ausgeschlossen. Sie mache einen Abwägungsmangel geltend, weil ihr Grundstückseigentum durch die Planungsabsichten der Gemeinde zu Bauerwartungsland geworden sei, was in die Abwägung mit den Belangen des Landschaftsschutzes jedenfalls hätte eingestellt werden müssen. Im Übrigen seien diese auch nicht so schwerwiegend wie in den angefochtenen Bescheiden ausgeführt. Tier- und Pflanzenarten, die im Siek anzutreffen seien, seien auf ihrem früheren Ackerland nicht vorhanden. Ein funktionaler Zusammenhang mit dem Siek bestehe somit nicht. Auch ein optischer Zusammenhang sei tatsächlich nicht gegeben. Die für die Bebauung vorgesehene Fläche weise nur eine geringe Neigung zum Siek aus, die erst außerhalb der zu bebauenden Fläche in eine Böschung übergehe. Ihr Grundstück unterscheide sich auch nicht wesentlich von den südöstlich gelegenen Flächen entlang des Gemeindeweges, die bebaut werden dürften. Eine Gefällemessung ihres Architekten zeige, dass ein erheblicher Unterschied zu dem bebaubaren südöstlich gelegenen Grundstück nicht bestehe. Der Feuchtigkeitshaushalt könne durch technische Maßnahmen erhalten bleiben.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 19. August 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung vom 17. April 1997 zu verpflichten, ihr eine Befreiung von den Festsetzungen des Landschaftsplanes für das Grundstück Gemarkung , Flur , Flurstück / zum Zwecke der Wohnbebauung zu erteilen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat zur Begründung auf die Gründe der angefochtenen Bescheide verwiesen und ergänzend geltend gemacht, auf einen Abwägungsmangel könne sich die Klägerin schon deshalb nicht berufen, weil sie bei der öffentlichen Auslegung im Aufstellungsverfahren keine Einwände geltend gemacht habe. Die Gemeinde habe sogar in einem Schreiben vom 10. September 1981 den Wunsch geäußert, die betreffende Fläche in den Landschaftsschutz einzubeziehen und sich bei Aufstellung des Landschaftsplanes auch nicht gegen die Einbeziehung ausgesprochen. Die im Rahmen des § 69 LG NRW vorgenommene Interessenabwägung sei rechtsfehlerfrei. Die Erwartung der Klägerin, Bauland zu erhalten, löse keine Rechtsansprüche aus. Das Grundstück der Klägerin sei als Siekrandfläche schutzbedürftig und schutzwürdig. Es sei aufgrund seiner deutlichen Neigung zum eigentlichen Siek und durch die vorhandene Grünlandnutzung eindeutig optisch und funktional dem Siek zuzuordnen. Jegliche Bebauung würde die in Ansätzen vorhandene Verinselung des Siekbereichs manifestieren. Die Einbeziehung einer Pufferzone könne den beabsichtigten Schutz überhaupt erst wirksam werden lassen. Das Grundstück der Klägerin unterscheide sich auch von dem unmittelbar südlich angrenzenden Flurstück, das bebaut werden dürfe, weil es ein deutlich höheres Gefälle zum Siek aufweise als das benachbarte Grundstück. Darüber hinaus werde das in der Abrundungssatzung liegende Grundstück im Osten durch einen Gemeindeweg begrenzt, an den sich eine mindestens 2 m hohe mit Gehölzen bewachsene Böschung anschließe. Dadurch sei eine Abgrenzung zum Siek hin erfolgt. Letztlich sei das Grundstück damals ackerbaulich genutzt worden, während dasjenige der Klägerin Grünlandnutzung aufweise. Der Landschaftsplan beruhe auf umfangreichen Fachgutachten. Im ökologischen Fachbeitrag zum Landschaftsplan sei der fragliche Bereich als Landschaftsraum dem Sieksystem des zugeordnet worden. Eine Bebauung würde neben den schon genannten Störungen auch die Grundwasserverhältnisse negativ verändern. Sieke erhielten einen Teil ihrer Feuchtigkeit durch Hangdruckwasser. Selbst wenn der Siekrandbereich nicht im engeren Sinne schutzwürdig sei, so sei die Einbeziehung als Pufferzone nicht zu beanstanden.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach Durchführung einer Ortsbesichtigung durch Urteil vom 2. März 1999 - der Klägerin zugestellt am 26. März 1999 - abgewiesen.

Auf Antrag der Klägerin vom 23. April 1999 ist die Berufung durch Beschluss vom 19. Juli 1999, der Klägerin zugestellt am 26. Juli 1999, zugelassen worden.

Mit der am 24. August 1999 eingereichten Berufungsbegründung trägt die Klägerin ergänzend vor: Bei ihrem Grundstück handele es sich um Ackerbrache. Die Grünlandnutzung sei erst nach der Erkrankung ihres Ehemannes und der anschließenden Verpachtung erfolgt, weil die Fläche für eine Ackernutzung zu klein gewesen sei. Der Flächennutzungsplan teile ihr Grundstück in Längsrichtung auf und ordne nur den östlichen Grundstücksstreifen dem Siek zu. Auch die Gemeinde habe das Siek entsprechend abgegrenzt und ihr Grundstück im westlichen Bereich als Bauland ausweisen wollen. Mit dem Satzungsbeschluss vom 12. Oktober 1995 sei ihr Grundstück insoweit Bauerwartungsland geworden. Auch die Bezirksregierung habe zunächst unter dem 27. November 1995, sogar noch nach Offenlegung des Landschaftsplanes, den Sichtvermerk auf der Satzung angebracht. Es sei unverständlich, warum die Begrenzung des Sieks für ihr Grundstück und das südlich liegende unterschiedlich gehandhabt werde. Dort sei die Bebauung zwischenzeitlich realisiert. Die Einbeziehung von Vorland- bzw. Pufferzonen in einen Landschaftsplan dürfe nur vorsichtig gehandhabt werden, weil andernfalls der Bereich der Landschaftspläne beliebig über die schutzwürdigen Flächen hinaus ausgedehnt werden könne. Im Übrigen sei ihr Grundstück auch nicht als Pufferzone ausgewiesen, sondern als vermeintlicher Teil eines Sieks in das Landschaftsschutzgebiet einbezogen. Die Ermessensentscheidung, die der Beklagte im Rahmen des § 69 LG NRW getroffen habe, sei fehlerhaft, weil er von der Schutzwürdigkeit der Fläche ausgegangen sei.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 19. August 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung vom 17. April 1997 zu verpflichten, ihr eine Befreiung von den Festsetzungen des Landschaftsplanes für das Grundstück Gemarkung , Flur , Flurstück / zum Zwecke der Wohnbebauung zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er entgegnet, der Flächennutzungsplan der Gemeinde stelle den gesamten Bereich als Fläche für die Landwirtschaft dar. Der von der Klägerin vorgelegte Plan stamme aus dem Aufstellungsverfahren der Satzung der Gemeinde . Die Ausweisung des strittigen Bereichs als Landschaftsschutzgebiet sei fachlich geboten und erforderlich. Die Fläche sei keine weniger schutzwürdige Pufferzone, sondern Teil des Sieks, welcher auch Pufferwirkung entfalte. Eine Aufteilung sei mit den Gegebenheiten vor Ort nicht zu vereinbaren.

Am 14. September 2000 hat eine Ortsbesichtigung durch die Berichterstatterin stattgefunden; auf die Niederschrift vom gleichen Tage wird Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Beiakte Heft 1 - 5) verwiesen.

Gründe

Die zugelassene Berufung, über die im Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO), ist auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

A) Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt der Klägerin nicht das erforderliche Sachbescheidungsinteresse mit Rücksicht darauf, dass die - neben der begehrten landschaftsrechtlichen Befreiung - für die Realisierung des Vorhabens erforderliche Baugenehmigung aussteht. Die Genehmigungsfähigkeit des Wohnbauvorhabens ist auch mit Blick auf § 35 Abs. 1 und 2 BauGB nicht von vornherein ausgeschlossen, weil die Erweiterung der vorhandenen Abrundungssatzung der Gemeinde gemäß § 34 Abs. 4 BauGB 1998 möglich ist und der planerische Wille der Gemeinde nicht von vornherein entgegensteht. Ursprünglich war das Grundstück der Klägerin von der Abrundungssatzung der Gemeinde erfasst. Die Klägerin hat vorgetragen, dass entsprechender Wille nach wie vor besteht. Die Niederschrift über die Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses der Gemeinde vom 22. Februar 1996 und die Beschlussvorlage für die Ratssitzung am 29. Februar 1996 belegen dies. Danach soll die Möglichkeit, die Satzung nach positivem Abschluss des Verfahrens der Klägerin zu erweitern, offen gehalten werden.

B) Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von den entgegenstehenden landschaftsrechtlichen Verboten zur Errichtung von Wohnbauvorhaben auf ihrem Grundstück nicht zu. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 19. August 1996 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung vom 17. April 1997 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Die Klägerin bedarf zur Verwirklichung ihres Wohnbauvorhabens einer landschaftsrechtlichen Befreiung gemäß § 69 LG NRW in der nunmehr geltenden Fassung vom 21. Juli 2000 (GVBl. NRW 791), die allerdings hinsichtlich des Begehrens der Klägerin keine Änderung erfahren hat (I.). Die tatbestandlichen Voraussetzungen dafür liegen jedoch nicht vor (II.).

I. Das Vorhaben der Klägerin, auf ihrem Grundstück Gemarkung , Flur , Flurstück / mehrere Wohnhäuser zu errichten, widerspricht dem im Landschaftsplan / des Kreises vom 30. Juni 1995 für das Landschaftsschutzgebiet "Tal- und Sieksystem des " (3.2.1.2. der textlichen Festsetzungen des Landschaftsplanes), Teilgebiet "Siek östlich " (3.2.1.2.5) bestimmten Verbot, baulichen Anlagen im Sinne der BauO NRW zu errichten (3.2.3.1.a)). Das Grundstück der Klägerin wird von dieser Schutzausweisung erfasst.

Der Landschaftsplan, der unter Geltung des Landschaftsgesetzes vom 15. August 1994 (GVBl. NRW S. 710) - LG NRW 1994 - beschlossen und in Kraft gesetzt worden ist, ist wirksam.

1. Formelle Mängel des Landschaftsplanes sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Beteiligung der Gemeinde als Träger öffentlicher Belange ausweislich des Planes erfolgt (S. 74 des textlichen Teils des Landschaftsplans). Ungeachtet dessen ist eine Verletzung der Vorschriften über die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange unbeachtlich für die Rechtswirksamkeit des Landschaftsplanes, da sie nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung schriftlich gegenüber dem Träger der Landschaftsplanung geltend gemacht wurde (§ 30 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 LG NRW 1994).

2. Materielle Mängel im hier maßgeblichen Teil des Landschaftsplanes sind auch nicht feststellbar.

Die Klägerin ist allerdings mit der Rüge materieller Abwägungsmängel nicht von vornherein ausgeschlossen, obgleich sie im Rahmen der Bürgerbeteiligung und öffentlichen Auslegung des Planes (vgl. §§ 27 b und c LG NRW 1994) keine Bedenken erhoben hat. Denn die Ausschlussfristen des § 30 Abs. 3 LG NRW sind noch nicht verstrichen. Die von der Klägerin erhobenen Rügen begründen jedoch keine zur Rechtsunwirksamkeit des Plans führenden Abwägungsmängel. Sonstige Fehler, die auf die Wirksamkeit des Landschaftsplanes durchschlagen könnten, sind nicht erkennbar und der Senat ist auch nicht gehalten, darüber hinaus ungefragt in eine umfassende Prüfung der formellen und materiellen Voraussetzungen des Landschaftsplanes einzutreten.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. September 1998 - 10 A 5572/97 -, S. 4.

Gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 LG NRW sind Mängel im Abwägungsvorgang für die Rechtswirksamkeit des Landschaftsplanes nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Für das Abwägungsergebnis ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Landschaftsplan maßgebend (§ 30 Abs. 2 Satz 2 LG NRW).

a) Rechtsgrundlage für die Aufstellung des Landschaftsplanes ist § 16 LG NRW 1994. Nach dieser Vorschrift sind die örtlichen Erfordernisse und Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Landschaftsplan darzustellen und rechtsverbindlich festzusetzen. Der Geltungsbereich des Landschaftsplanes erstreckt sich auf den baulichen Außenbereich im Sinne des Bauplanungsrechts (§ 16 Abs. 1 Satz 1 und 2 LG NRW). Nach dem vorliegenden Kartenmaterial, den Lichtbildern und dem Ergebnis der Ortsbesichtigung, das die Berichterstatterin dem Senat vermittelt hat, liegt das Grundstück der Klägerin im Außenbereich der Gemeinde . Der Bebauungszusammenhang endet am Ortsrand der Siedlung , der sich unbebaute landwirtschaftliche Flächen, einschließlich des Grundstücks der Klägerin, in Nord- und Ost-Richtung anschließen. Das Grundstück der Klägerin wird von der Abrundungssatzung der Gemeinde vom 12. Oktober 1995, geändert durch Beschluss vom 7. Februar 1996, nicht erfasst.

b) Die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Landschaftsschutzgebietes gemäß § 21 LG NRW 1994 sind für die hier betroffene Fläche erfüllt. Mit dem Landschaftsplan werden für den Bereich des Tal- und Sieksystems des die speziellen Zwecke verfolgt, dort die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes und der Flussauen als bedeutendem Lebens- und Rückzugsraum für wild lebende Pflanzen- und Tierarten in einem durch Siedlung, Landwirtschaft, Verkehr, Gewerbe und Erholung stark beanspruchten Landschaftsraum sicherzustellen und wiederherzustellen (3.2.2.2.a)) und das für das typische, durch das Tal- und Sieksystem vielfältig strukturierte Landschaftsbild zu erhalten (3.2.2.2.b)) der textlichen Festsetzungen des Landschaftsplanes, Seite 37). Dies entspricht den ökologischen und ästhetischen Schutzwecken des § 21 a und b LG NRW. Die von § 21 LG NRW geforderte Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit der Fläche,

vgl. dazu: OVG NRW, Urteil vom 8. August 1990 - 10 A 2215/87 -, UA S. 7; Carlsen, Rechtsfragen und Anwendungsmöglichkeiten des Landschaftsschutzes, NuR 1993, S. 311 (314),

ist zu bejahen.

aa) Mit dem Schutzzweck der Erhaltung und Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes werden die im geschützten Landschaftsraum gegebenen Wirkungszusammenhänge des Naturhaushaltes als des komplexen Wirkungsgefüges aller natürlicher Faktoren wie Boden, Wasser, Luft, Klima, Pflanzen und Tierwelt erfasst.

Vgl. Gesetzesmaterialien zum Bundesnaturschutzgesetz, BT-Drucksache 7/886, S. 28 (Begründung zum Entwurf der Bundesregierung); OVG NRW, Urteil vom 7. März 1985 - 7 A 372/84 -, DÖV 1985, S. 734 = NuR 1985, S. 288; Urteil vom 3. März 1999 - 7 A 2883/92 -, NVwZ 2000, S. 581; vgl. Schink, Naturschutz- und Landschaftspflegerecht Nordrhein-Westfalen, Rdn. 161 und 597.

Zur Feststellung der tatsächlichen ökologischen Voraussetzungen einschließlich deren Wertigkeit im gesamten Plangebiet ist der ökologische Fachbeitrag zum Landschaftsplan zugrundezulegen. Ihm kommt nach den gesetzlichen Bestimmungen des Landschaftsgesetzes NRW die Aufgabe zu, eine Bestandsaufnahme und Analyse von Natur- und Landschaft zu erarbeiten und daraus Leitbilder und Empfehlungen zur Sicherung, Pflege und Entwicklung von Natur und Landschaft abzuleiten (vgl. § 15 a LG NRW, § 8 Abs. 1 DVO zum LG NRW in der Fassung vom 22. Oktober 1986, GV Bl. S. 683). Der ökologische Fachbeitrag trifft Feststellungen und Aussagen, die die Landschaftsbehörde als Abwägungsmaterial bei der Planung und Entscheidung über landschaftsrechtliche Schutzausweisungen einzustellen hat.

Vgl. Schink, Naturschutz- und Landschaftspflegerecht Nordrhein-Westfalen, Rdn. 478; allgemein auch: Schmidt-Aßmann, Der Umweltschutz im Spannungsfeld zwischen Staat und Selbstverwaltung, NVwZ 1987, S. 265 (279).

Die Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten (früher: Landesanstalt für Ökologie, Landschaftsentwicklung und Forstplanung, siehe § 14 Abs. 1 LG NRW vom 26. Juni 1980), mit deren Abstimmung der ökologische Fachbeitrag zum Landschaftsplan / erstellt wurde (siehe Textteil Seite 5), ist eine öffentliche Einrichtung, die mit wissenschaftlichen Methoden gutachterlich tätig wird (vgl. § 14 Abs. 1 LG NRW 1994).

Vgl. dazu Schink, a.a.O., Rdn. 141.

Die Aussagen zur Bedeutung des Sieksystems innerhalb des Naturhaushaltes, die im ökologischen Fachbeitrag zum Landschaftsplan enthalten sind, belegen die Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit der Sieke des einschließlich der sie umgebenden Grünlandflächen aus ökologischer Sicht. Es besteht danach eine Wechselbeziehung zwischen dem Siekbereich im engeren Sinne, der aus Siekgrund und -böschung besteht und den angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen in mehrfacher Hinsicht. Siek und Randflächen können zunächst das Kleinklima bis hin zu Siedlungsbereichen bestimmen. Den Sieken kommt eine kleinklimatisch wichtige Funktion als Kaltluftbahnen zu; die landwirtschaftlichen Flächen, die zum Siek geneigt sind, lassen die Kaltluft, die sie produzieren, zum Siek hin abfließen. Die Feuchtigkeitsverhältnisse, die durch abfließendes Hangdruckwasser von zum Siek geneigten Flächen bestimmt wird, sind für die Ausprägung der dort vorhandenen Flora und Fauna bestimmend. Die Ungestörtheit des Sieks ist maßgebliche Voraussetzung der Ausbildung der Sieke als Refugialbereich für die Tierwelt (vgl. ökologischer Fachbeitrag zum Landschaftsplan, Seite 52). Die relative Störungsfreiheit der Siekbereiche wird insbesondere durch naturnahe Grünlandflächen in extensiver Bewirtschaftung gewährleistet. Die das Siek umgebenden Grünlandterrassen stellen kein Vorfeld im Sinne einer Pufferzone dar, die das eigentliche zu schützende Gebiet abschirmen soll, sondern sie bilden mit dem Siek eine ökologische Einheit, die nur als solche die kleinklimatische Funktion erfüllen und als bedeutender Lebens- und Rückzugsbereich für Vögel, Kleinsäuger, Amphibien, Schmetterlinge und Libellen dienen kann (vgl. ökologischer Fachbeitrag zum Landschaftsplan, BA 5, Seite 52 und 67). Der Landschaftsplan stellt dementsprechend die Einbeziehung der das Siek umgebenden Grünlandflächen als Konkretisierung des Schutzzwecks besonders heraus (Textteil Seite 37). Die hohe Empfindlichkeit des Naturraumes Siek ist ebenso wie die Schutzwürdigkeit dieser Fläche auch durch Untersuchungen der Gemeinde im Rahmen der Aufstellung der Abrundungssatzung bestätigt worden. Eine Aufteilung des Gründlandes in eine landschaftsrechtlich zu schützende und eine nicht schutzwürdige bzw. -bedürftige Fläche in der von der Klägerin angestrebten Weise wäre ökologisch nicht zu begründen, sondern willkürlich. Sie rechtfertigt sich nach der dargelegten ökologischen Funktion und Wechselbeziehung zwischen Siek und Umgebungsbereich nicht.

bb) Auch landschaftsästhetische Gesichtspunkte, die im Landschaftsplan unter b) als Schutzzweck für das Tal- und Sieksystem des festgesetzt sind, belegen die Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit des Gebiets. Das Landschaftsbild als Schutzgut des Bundesnaturschutzgesetzes und des Landschaftsgesetzes NRW wird maßgeblich durch die optisch wahrnehmbaren Gegebenheiten der vorhandenen landschaftsprägenden Elemente bestimmt, wobei eine Betrachtungsweise von gewisser Großzügigkeit zugrundezulegen ist. Insbesondere kommt es nicht auf das einzelne Flurstück, sondern auf seine Bedeutung für die Landschaft an.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Juni 1993 - 7 A 3157/91 -, OVGE 43, 128 (134); Urteil vom 5. Juli 1993 - 11 A 2122/90 -, OVGE 43, 141 (142 f.); Beschluss vom 15. August 1994 - 7 A 2883/92 -, Beschlussabdruck S. 17; Urteil vom 4. Juli 1996 - 7 A 4193/93 -, UA S. 15; Urteil vom 3. März 1999 - 7 A 2883/92 -, NWVBl. 2000, 92 (93) m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 12. Juli 1956, BVerwGE 4, 57 (58).

Nach den vorliegenden Fotos und dem dem Senat vermittelten Ergebnis der Ortsbesichtigung wird die Landschaft durch die zum Siek optisch wahrnehmbar geneigte Grünfläche und die Siekböschung nebst Gehölzen strukturiert und geprägt. Die Grünlandfläche bildet - darauf weisen bereits die angefochtenen Bescheide hin - insbesondere aufgrund ihrer Neigung zum Siek optisch mit diesem eine Einheit, die durch die relativ geringe Breite des Grundstücks verstärkt wird. Der gesamte Bereich wird aufgrund der weitgehenden Naturbelassenheit auch des Grünlandes optisch als naturnaher Raum empfunden. Das Heranrücken von Wohnbebauung einschließlich der damit einhergehenden Versiegelung von Flächen und einer intensiven Hausgartennutzung zerstört das vorhandene Landschaftsbild. Die optische Beziehung der Fläche zum Siek wird aufgehoben, so dass das Siek insgesamt nicht mehr als naturnaher Raum, sondern nur noch als schmaler Geländeeinschnitt wahrnehmbar ist. Eine Nutzung des Grünlandes zu Wohnbauzwecken bis zu seiner Mitte hinterlässt einen Grünlandstreifen, der so schmal ist, dass er die über die Fläche verlaufenden Neigungen und seine Beziehung zum eigentlichen Siek nicht mehr deutlich wahrnehmen lässt.

cc) Die hiernach gegebene ökologische und ästhetische Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit auch der Siekrandfläche machen die Unterschutzstellung erforderlich im Sinne des § 21 LG NRW. Der Begriff der Erforderlichkeit im Sinne des § 21 LG NRW kennzeichnet den Handlungsspielraum der Landschaftsbehörde, der in erster Linie durch eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtende Würdigung der sich gegenüberstehenden Interessen des Landschaftsschutzes und der Nutzungsinteressen des Grundstückseigentümers geprägt ist. Es müssen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die gesetzlichen Schutzgüter ohne die vorgesehenen Maßnahmen abstrakt gefährdet werden. Dabei ist die Landschaftsbehörde nicht gehalten, die tatsächlichen oder mutmaßlichen Nutzungsinteressen eines jeden betroffenen Grundstückseigentümers in den Blick zu nehmen und mit den sonstigen Interessen abzuwägen. Es genügt vielmehr, wenn sie die Interessen der Grundstückseigentümer generell durch ein System von Verbots-, Ausnahme- und Befreiungsregelungen berücksichtigt und dadurch eine Würdigung der konkreten Situation im Rahmen der Einzelfallbeurteilung ermöglicht.

Vgl. zu der im Wesentlichen gleich lautenden Vorschrift des § 15 BNaturschutzG: BVerwG, Beschluss vom 16. Juni 1988 - 4 B 102.88 -, NVwZ 1988, 1020 = NuR 1989, 37 f.; OVG NRW, Urteil vom 18. Februar 1994 - 7 A 3455/91 -, UA S. 12 f.

Den Handlungsspielraum hat die Landschaftsbehörde bei Aufstellung des Planes in nicht zu beanstandender Weise ausgefüllt.

Beachtliche Abwägungsfehler (§ 30 Abs. 2 LG NRW) sind nicht feststellbar.

aaa) Die beanstandete Schutzausweisung tastet den Kernbereich der Planungshoheit der Gemeinde nicht an. Die in der bundes- und landesverfasssungsgerichtlichen Rechtsprechung offene Frage, ob dieser zum unantastbaren Kernbereich des verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsrechts gehört (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 78 LV NRW),

vgl. zuletzt: VerfGH NRW, Urteil vom 17. Januar 1995 - VerfGH 11/93 -, NWVBl. 1995, 126 (128) m.w.N.; BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 1980 - 2 BvR 584, 598, 599, 604/76 -, BVerfGE 56, 298 (312); Beschluss vom 23. Juni 1987 - 2 BvR 826/83 -, BVerfGE 76, 107 (119),

bedarf keiner Erörterung. Auch die Frage, ob ein dahingehender Abwägungsfehler von der Klägerin mit Erfolg geltend gemacht werden könnte oder nur im Verfahren der Gemeinde als Trägerin der Planungshoheit beachtlich wäre, kann offen bleiben. Die Planungshoheit der Gemeinde umfasst das ihr als Selbstverwaltungskörperschaft zustehende Recht auf Planung der Bodennutzung in ihrem Bereich (vgl. § 1 Abs. 1 BauGB). Dieses Recht wird durch eine überörtliche Fachplanung nicht schon deshalb beeinträchtigt, weil diese das Gemeindegebiet berührt und damit notwendigerweise die Ausgangslage für zukünftige Planungen der Gemeinde beeinträchtigt. Eine Rechtsbeeinträchtigung ist vielmehr - abgesehen von der hier nicht vorliegenden Verletzung von Beteiligungsrechten der Gemeinde - nur möglich, wenn einerseits bereits eine hinreichend bestimmte örtliche Planung vorliegt, die allerdings nicht verbindlich zu sein braucht, und zum anderen die Störung dieser Planung durch den überörtlichen Fachplan nachhaltig ist, d.h. unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die Planung hat.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Mai 1984 - 4 C 83/80 -, NVwZ 1984, 584 m.w.N.; Urteil vom 14. Februar 1969 - IV C 215.65 -, BVerwGE 31, 263 (266); vgl. auch VerfGH NRW, Urteil vom 17. Januar 1995, a.a.O., S. 129; Urteil vom 15. Dezember 1989 - VerfGH 5/88 -, NWVBl. 1990, 51 (53).

Vorliegend fehlt es zwar nicht an einer hinreichend konkreten und den Festsetzungen des Landschaftsplanes entgegenstehenden Planung der Gemeinde . Diese kommt allerdings nicht im Flächennutzungsplan der Gemeinde zum Ausdruck. Denn er stellt die Fläche einheitlich als landschaftwirtschaftliche Fläche dar. Ungeachtet dessen trifft der Flächennutzungsplan einer Gemeinde grundsätzlich keine qualifizierte Standortzuweisung für land- und forstwirtschaftliche Flächen, sondern er enthält lediglich eine Darstellung der Flächen des Außenbereichs - ohne hinreichende Bestimmtheit der unterschiedlichen, außenbereichstypischen Funktionen der Grundstücke (vgl. auch § 5 BauGB).

Vgl. dazu VerfGH NRW, Urteil vom 17. Januar 1995, a.a.O., S. 129.

Planungsabsichten in Bezug auf die Bodennutzung der hier betroffenen Fläche ergeben sich jedoch aus der gewollten Einbeziehung des Grundstücks der Klägerin in die Abrundungssatzung gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 2 a BauGB-MaßnG, die der Rat der Gemeinde am 12. Oktober 1995 beschlossen hat. Diese konkrete Planung erfolgte vor Genehmigung des Landschaftsplanes durch die Bezirksregierung , die am 13. Oktober 1995 erfolgt ist (textlicher Teil des Landschaftsplanes, Seite 76). Der Aufstellungsvorgang zur Abrundungssatzung der Gemeinde belegt ferner, dass die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange, zu denen auch der Beklagte und dessen untere Landschaftsbehörde gehört, vor der Beschlussfassung über den Landschaftsplanentwurf (17. Juni 1994, siehe Textteil Blatt 75) im Oktober 1993 erfolgt ist. Die Einbeziehung des Grundstücks in die Abrundungssatzung wäre der landschaftsschutzrechtlichen Ausweisung zuwider gelaufen, weil diese gemäß § 34 Abs. 4 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 2 a BauGB-MaßnG unmittelbares Baurecht hierfür geschaffen hätte. Die Fläche wäre nämlich aufgrund dessen dem im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinne des § 34 BauGB zuzurechnen gewesen. Die Entscheidung der Landschaftsbehörde, die betreffende Fläche trotz entgegenstehendem planerischem Willen der Gemeinde als Landschaftsschutzgebiet auszuweisen, verletzt jedoch die Planungshoheit der Gemeinde nicht substantiiell. Dadurch ist die Absicht der Gemeinde, Bauland zur Befriedigung des Wohnraumbedarfs zu schaffen, nicht obsolet geworden. Die Satzung ist vielmehr mit verändertem Geltungsbereich in Kraft getreten. Die Ausweisung des Landschaftsschutzes betrifft nur einen Teilbereich des zuvor geplanten Satzungsgebietes. Das Ziel der Gemeinde, seinerzeit dringenden Wohnbedarf zu befriedigen, wird durch die Herausnahme der unter Landschaftsschutz gestellten Flächen nicht in Frage gestellt. Auf dem einzig betroffenen Grundstück der Klägerin lassen sich nämlich - wie ihre Pläne zum Antragsverfahren zeigen - unter Berücksichtigung des Einfügensgebotes (§ 34 Abs. 1 BauGB) höchstens drei Wohnbauvorhaben verwirklichen. Ungeachtet dessen war auch eine Ausdehnung des Satzungsgebietes auf andere Flächen denkbar, was dem Rat der Gemeinde bei der Beschlussfassung über die geänderte Satzung ausweislich der Sitzungsniederschriften bewusst gewesen ist.

bbb) Die landschaftsrechtliche Unterschutzstellung ist auch im Übrigen nicht abwägungsfehlerhaft; sie erweist sich insbesondere als verhältnismäßig.

Die Landschaftsbehörde hat die konkreten Planungsabsichten der Gemeinde bei der Aufstellung des Landschaftsplanes berücksichtigt. Dies ergibt sich ungeachtet der Frage, ob die Gemeinde im Rahmen ihrer Beteilung entsprechende Einwände erhoben hat, was der Beklagte unter Hinweis auf ein Schreiben der Gemeinde aus dem Jahre 1981, in dem diese ausdrücklich die Unterschutzstellung des Sieks fordert, verneint, aus der vom Beklagten abgegebenen Stellungnahme gegenüber der Gemeinde vom 6. Dezember 1993, die den Standpunkt der unteren Landschaftsbehörde ausdrücklich wiedergibt. Wegen der besonderen Empfindlichkeit des Siekbereichs und der schon vorhandenen Beeinträchtigung durch Siedlungs- und Straßenbau im Norden, die das Siek vom übergeordneten Sieksystem des - - abschneiden, ist die landschaftsplanerische Entscheidung, den noch verbleibenen Inselbereich des Sieks als naturnahen Raum zu erhalten und vor Beeinträchtigungen zu schützen, auch mit Blick auf den Stellenwert, der dem Natur- und Landschaftsschutz nach der Verfassung des Landes NRW zukommt (Art. 29 a LG NRW), nicht abwägungsfehlerhaft. Die Schutzausweisung ist unter Berücksichtigung des topographischen und funktionalen Zusammenhangs der Grünlandfläche mit dem Siek willkürfrei erfolgt. Das Grundstück der Klägerin ist durch seine jahrzehntelange Nutzung als Grünland dem Siek ökologisch zugeordnet. Die Nutzung führt - im Unterschied zur Bewirtschaftung der südöstlich angrenzenden früheren Ackerlandfläche - zum Erhalt eines im Wesentlichen naturnahen Raumes. Auch optisch ist die Wechselbeziehung durch die wahrnehmbare Neigung zum Siek feststellbar. Die Höhenlinien der deutschen Grundkarte belegen diese Neigung. Ob die jetzt bebaute südöstliche Fläche ebenfalls eine Unterschutzstellung nach § 21 LG NRW erfordert hätte, ist nicht zu erörtern. Die fehlende Schutzausweisung lässt die besondere Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit der Fläche der Klägerin gerade nicht entfallen, sondern unterstreicht diese.

Dass die konkreten Bauabsichten der Klägerin bei der Aufstellung des Landschaftsplanes nicht im Blick waren, bedeutet ebenfalls keinen zu seiner Rechtsunwirksamkeit führenden Mangel. Die Klägerin hat entsprechende Einwände im Aufstellungsverfahren, die hätten Berücksichtigung finden können und müssen (vgl. § 27 b und c Abs. 1 Satz 4 LG NRW), nicht erhoben. Ungeachtet dessen ist die Planungsbehörde - wie dargelegt - wegen der Flächenbezogenheit der Ausweisung im Rahmen der Aufstellung des Landschaftsplanes grundsätzlich nicht gehalten, mögliche Nutzungen grundstückbezogen in den Blick zu nehmen.

Das grundsätzliche Bauverbot des Landschaftsplanes ist schließlich zur Verwirklichung des beabsichtigten Schutzes erforderlich, weil andernfalls die spezifische Ausprägung des Sieks ökologisch und ästhetisch nicht erhalten und entwickelt werden kann.

II. Die Voraussetzungen für eine Befreiung von dem im Landschaftsplan festgesetzten Bauverbot nach den hier allein in Betracht zu ziehenden Bestimmungen des § 69 Abs. 1 a) aa) und b) LG NRW liegen nicht vor. Für eine zugunsten der Klägerin ausgehende Ermessensbetätigung des Beklagten ist damit von vornherein kein Raum.

1. Die Durchführung des Bauverbots führt im Falle der Klägerin nicht zu einer nicht beabsichtigten Härte (§ 69 Abs. 1 a) aa) LG NRW). Nach gefestigter Rechtsprechung wird das Tatbestandsmerkmal der "im Einzelfall nicht beabsichtigten Härte", das dem des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a BNatSchG entspricht und sich rechtsähnlich in zahlreichen anderen Regelungsbereichen findet (vgl. etwa § 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB) nach allgemeinem Verständnis gekennzeichnet durch das Erfordernis eines atypischen Sachverhalts. Das Instrument der Befreiung aus Gründen einer nicht beabsichtigten Härte kann vorbehaltlich weiterer Voraussetzungen nur für solche Fälle herangezogen werden, in denen die Anwendung der Ge- oder Verbotsnorm zwar ihrem Tatbestand nach, nicht jedoch nach ihrem normativen Gehalt "passt", wenn mithin die Anwendung der Rechtsvorschrift im Einzelfall zu einem Ergebnis führen würde, dass dem Normzweck nicht mehr entspricht und deshalb normativ so nicht beabsichtigt ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. Juli 1999 - 10 A 1699/99 -, NVwZ-RR 2000, S. 210 f. m.w.N.; vgl. zu § 31 Abs. 1 Nr. 1 a BNatSchG auch: BVerwG, Beschluss vom 14. September 1992 - 7 B 130/92 -, NVwZ 1993, 583 f.

In Anwendung dieser Kriterien liegt in dem praktisch wichtigsten landschaftsrechtlichen Verbot, im festgesetzten Landschaftsschutzgebiet bauliche Anlagen im Sinne der Landesbauordnung zu errichten, für den Bauwilligen in aller Regel keine nicht beabsichtigte Härte. Die Bestimmung einer Liegenschaft zum Bestandteil eines Landschaftsschutzgebiets mit dem Ziel, dort die besonderen Schutzgründe des § 21 LG NRW nachhaltig zu verfolgen, schließt objektiv den sich aufdrängenden Willen des Normgebers ein, eine bauliche Nutzung im Schutzgebiet mittels der getroffenen Verbotsregelung generell auszuschließen. Dieses Bauverbot ist beabsichtigt, um Natur und Landschaft in ihrer spezifischen, die Unterschutzstellung tragenden Ausbildung zu erhalten bzw. weiter zu entwickeln. Einer besonderen Erwähnung dieses normativen Zieles etwa im Textteil des Landschaftsplanes bedarf es, weil auf der Hand liegend nicht.

OVG NRW, Urteil vom 21. Juli 1999, a.a.O.

In Anwendung dieser Grundsätze ist eine unbeabsichtigte Härte auch im Falle der Klägerin zu verneinen. In der Person der Klägerin liegende Härtegründe sind für das bodenbezogene Landschaftsrecht von vornherein unbeachtlich.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Juni 1996 - 10 A 188/96 -, S. 6.

Der Umstand, dass der Rat der Gemeinde noch vor Inkrafttreten des Landschaftsplanes die Abrundungssatzung mit erweitertem Plangebiet beschlossen hatte, begründet keine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte subjektive Rechtsposition zugunsten der Klägerin. Wie jede Rechtsnorm konnte die Satzung des Rates der Gemeinde vom 12. Oktober 1995 vor ihrer Verkündung, die in Form ihrer öffentlichen Bekanntmachung gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist (vgl. § 4 Abs. 4 GO NRW a.F., jetzt: § 7 Abs. 4 GO NRW,§ 34 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 22 Abs. 3 Satz 2 BauGB a.F.), keine Rechtswirksamkeit erlangen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 1983 - 2 BvL 25/81 -, BVerfGE 65, S. 283.

Baulandqualität im Sinne einer eigentumskräftig verfestigten Anspruchsposition,

vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1967 - IV C 33.65 -, BVerwGE 26, 111 (117); Urteil vom 13. April 1983 - 4 C 76.8 -, BVerwGE 67, S. 93 (96); grundsätzlich verneint: Urteil vom 10. August 1990 - 4 C 3.90 -, BRS 50, Nr. 2,

hat das Grundstück der Klägerin zuvor nicht gehabt, weil die Nutzung zum Zwecke der Wohnbebauung zu keinem Zeitpunkt rechtmäßig war, geschweige denn sich aufdrängte. Im Übrigen sind Regelungen, die die Nutzung von Grundstücken aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes beschränken, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts keine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG, sondern Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Als unzumutbare Beschränkungen der Eigentümerbefugnisse erweisen sich die Bestimmungen nur dann, wenn nicht genügend Raum mehr für einen privatnützigen Gebrauch des Eigentums oder für eine Verfügung über den Eigentumsgegenstand verbleibt oder wenn eine Nutzung, die bisher ausgeübt worden ist oder die sich nach Lage der Dinge objektiv anbietet, ohne jeglichen Ausgleich unterbunden wird.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 2000 - 6 BN 2.99 -, S. 5 m.w.N.; Beschluss vom 18. Juli 1997 - 4 BN 5.97 -, Buchholz 406, 401, § 13 BNatSchG Nr. 3 m.w.N.; vgl. zum Denkmalschutz auch: BVerfG, Beschluss vom 2. März 1999 - 1 BvL 7/91 -, BayVBl. 2000, S. 588 (589) m.w.N.

Das Bauverbot des Landschaftsplanes ist Folge der Belegenheit des Grundstücks der Klägerin im Außenbereich und der Zugehörigkeit zu einem schützenswerten Teil der offenen Landschaft. Eine konkrete, schon bestehende Nutzungsmöglichkeit wird durch den Landschaftsplan nicht entzogen. Denn die bisherige Nutzung als Grünland schließt der Landschaftsplan nicht aus.

2. Die Voraussetzungen nach § 69 Abs. 1 b LG NRW, wonach u.a. von den Verboten des Landschaftsplanes eine Befreiung erteilt werden kann, wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern, liegt ebenfalls nicht vor. Etwaiger dringender Wohnbedarf der Bevölkerung erfordert die geplanten Wohnvorhaben am vorgesehenen Standort nicht. Das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit ist nur erfüllt, wenn es vernünftigerweise geboten wäre, mit Hilfe der Befreiung das Vorhaben an der vorgesehenen Stelle zu verwirklichen.

Vgl. zu § 31 Abs. 2 Satz 1 BauGB: BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1978 - 4 C 54.75 -, BVerwGE 56, S. 71 (75 f.).

Das ist mit Rücksicht auf die dargelegte Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit der Fläche nicht der Fall. Denn die Gemeinde hat auch aus diesem Grunde auf die Einbeziehung der Fläche in die Abrundungssatzung verzichtet. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass - unter Beachtung der besonderen Bedeutung, der dem Landschaftsschutz zukommt (vgl. Art. 29 a Abs. 1 LV NRW) - für die Befriedigung dringenden Wohnbedarfs in vernünftigerweise die unter Landschaftschutz stehende Fläche in Anspruch zu nehmen wäre, auf der ohnehin nur einzelne Wohnbauvorhaben verwirklicht werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.