LG Bochum, Beschluss vom 15.01.1999 - 7 T 470/98
Fundstelle
openJur 2011, 82886
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 20 M 3631/97
Tenor

Der angefochtene Beschluss wird teilweise aufgehoben.

Das Amtsgericht wird angewiesen, unter Absehen von den im angefochtenen Beschluss geäußerten Be-denken das Verfahren zur Ergänzung der eidesstattlichen Versicherung wegen folgender Fragen fortzu-setzen:

1.

Wie lauten, mit vollem Namen unter Angabe der Rechtsform und der ladungsfähigen Anschrift, die Kun-den und Auftraggeber des Schuldners, welche er in den letzten zwölf Monaten bedient hat?

2.

Welche Umsätze hat der Schuldner mit jedem einzelnen Kunden und Auftraggeber in den letzten zwölf Monaten getätigt?

3.

Welche Art von Leistung hat der Schuldner für jeden einzelnen Kunden und Auftraggeber erbracht?

4.

Welche Leistungen hat der Schuldner seinen Auftraggebern in Rechnung gestellt und welche Vergütung hat er insoweit jeweils erhalten?

Im Übrigen wird der Ergänzungsantrag der Gläubigerin vom 19.02.1998 zurückgewiesen. Die weiterge-hende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Schuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,-- DM festgesetzt.

Gründe

Die Gläubigerin betreibt aufgrund eines Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts Hagen vom 30.09.1996 (96-6491142-0-1) die Zwangsvollstreckung wegen einer Hauptforderung in Höhe von 3.547,05 DM zuzüglich Zinsen und Kosten gegen den Schuldner. Aufgrund des Antrags eines anderen Gläubigers hat der Schuldner am 12.12.1997 in dem Verfahren 20 M 425/97, Amtsgericht Recklinghausen, die eidesstattliche Versicherung gemäß § 807 ZPO abgegeben. In der eidesstattlichen Versicherung hat der Schuldner angegeben, er sei Pferdewirtschaftsmeister und unterhalte Geschäfts- und Lagerräume an der Trabrennbahn in S. In dem Ergänzungsblatt I zum Vermögensverzeichnis hat der Schuldner drei Auftraggeber für seine Dienstleistungen genannt und im Übrigen angegeben, die Forderungen seien bezahlt. Ausweislich des Protokolls vom 12.12.1997 hat der Schuldner über Hauptblatt und Ergänzungsblatt I hinaus angegeben, seine Auftraggeber seien "z.B." die drei im Ergänzungsblatt genannten Kunden. Weitere Auftraggeber seien ihm jetzt nicht bekannt und wechselten häufig. Wegen der Einzelheiten der eidesstattlichen Versicherung wird auf BI. 6 ff. der Akte 20 M 425/97, Amtsgericht Recklinghausen, verwiesen.

Mit Antrag vom 19.02.1998 hat die Gläubigerin unter Hinweis auf Rechtsprechung die Nachbesserung des Vermögensverzeichnisses vom 12.12.1997 beantragt und einzelne Fragen aufgeführt, die dem Schuldner in einem neuen Termin gestellt werden sollten. Wegen der Fragen im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 19.02.1998 (Bl. 13, 14 GA) verwiesen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht diesen Antrag der Gläubigerin auf Nachbesserung der eidesstattlichen Versicherung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Schuldner habe ein vollständiges Vermögensverzeichnis abgegeben, weil er seine letzten Kunden angegeben und erklärt habe, dass zum damaligen Zeitpunkt keine Außenstände vorlagen. Allgemeiner Ausforschung oder Gläubigerbefragung auf Verdacht sei der Schuldner nicht ausgesetzt.

Gegen diesen ihren Prozessbevollmächtigten am 02.04.1998 zugestellten Beschluss hat die Gläubigerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 08.04.1998, bei Gericht eingegangen am 11.04.1998, Erinnerung eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das am 12.12.1997 abgegebene Vermögensverzeichnis sei unvollständig, weil der Schuldner sich nicht in zugriffsfähiger Art und Weise geäußert habe. Dem Gläubiger stehe ein über das vorgedruckte Formular hinausgehendes Fragerecht zu, das sowohl im Termin als auch durch Vorlage eines schriftlichen Fragenkatalogs bei Antragstellung ausgeübt werden könne. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Erinnerungsschrift vom 08.04.1998 (Bl. 20 ff. GA) verwiesen.

Bei dem Rechtsmittel der Gläubigerin handelte es sich zunächst um eine sofortige Erinnerung gemäß §§ 11 RechtspflG a.F., 793 ZPO. Diese gilt, nachdem die Vollstreckungsrichterin beim Amtsgericht nicht abgeholfen hat, mit der Vorlage an das Landgericht als sofortige Beschwerde. Sie ist zulässig und teilweise begründet.

Der Schuldner ist verpflichtet, den von der Gläubigerin überreichten Fragenkatalog in dem im Tenor genannten Umfang ergänzend zu ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 12.11.1997 zu beantworten und eidesstattlich zu versichern.

Sinn und Zweck einer Vermögensoffenbarung nach § 807 ZPO ist es, den Gläubiger über Vermögenswerte zu informieren, auf die im Wege der Zwangsvollstreckung Zugriff genommen werden kann. Dem gemäß hat der Schuldner alle Vermögenswerte, die er besitzt, zu bezeichnen. Seine Angaben müssen so genau und vollständig sein, dass der Gläubiger Vollstreckungsmaßnahmen einleiten kann. Zu diesem Zweck übersendet das Amtsgericht bereits mit der Vorladung zum Vermögensoffenbarungstermin das Vermögensverzeichnis ZP 325 und ZP 328, das der Schuldner vollständig ausfüllt. Im Termin hat der Rechtspfleger dieses Vermögensverzeichnis mit dem Schuldner eingehend zu erörtern und notfalls ergänzende und vertiefende Fragen zu stellen, um den Sachverhalt und Zweifelsfragen zu klären (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 19. Aufl., 1995, § 900, Rn. 18). Grundsätzlich hat der Gläubiger das Recht, über das Vermögensverzeichnis hinaus zusätzliche Fragen zu stellen, um hinreichend informiert zu werden (vgl. LG Göttingen, Rechtspfleger 1994, 368; LG Freiburg und LG Mannheim, DGVZ 1994, 118; Stöber, Rechtspfleger 1994, 321 f.). Dieses Fragerecht kann sich aber nur auf Punkte beziehen, die nicht bereits Gegenstand des Vermögensverzeichnisses ZP 325 und ZP 328 gewesen und mithin beantwortet sind. Vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Vermögensverzeichnis unvollständig ist, oder es müssen Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen können, dass weiteres verwertbares Vermögen vorhanden ist, auf das Zugriff genommen werden könnte (OLG Köln, JurBüro 1994, 408 und JurBüro 1996, 49). Der Schuldner ist aber nicht verpflichtet, sich einem unbeschränkten Fragerecht des Gläubigers zu stellen. Er ist insbesondere nicht verpflichtet, Fragen zu beantworten, die der Ausforschung seiner persönlichen Verhältnisse dienen und mit einer weiteren Vollstreckung erkennbar nichts zu tun haben (vgl. LG Tübingen, JurBüro 1995, 326; LG Berlin u Traunstein, RechtspflG 1996, 34 f.).

In Anwendung dieser Grundsätze ist das am 12.12.1997 abgegebene Vermögensverzeichnis des Schuldners unvollständig und ungenau. Bei den im Ergänzungsblatt angegebenen Kunden handelt es sich keineswegs um eine erschöpfende Aufzeichnung der Auftraggeber. Dies kommt darin zum Ausdruck, dass der Schuldner ausweislich seiner protokollierten Erklärung diese Kunden nur als Beispiele genannt hat ("z.B.") und er weitere jetzt nicht nennen könne. Bei einem Kunden hat er auch im Ergänzungsblatt keine Anschrift genannt. Des weiteren hat er erklärt, er erziele durch seine selbständige Tätigkeit Einkommen von ca. 1.500,-- bis 2..500,-- DM monatlich. Diese Umstände deuten darauf hin, dass noch weitere Auftraggeber vorhanden sind.

Nach der überzeugenden Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln, welcher die Kammer sich anschließt, hat ein selbständiger Gewerbetreibender alle Auftraggeber der letzten zwölf Monate und auch Art und Umfang seiner für diese ausgeübte Tätigkeit sowie die Höhe der jeweiligen Vergütung anzugeben. Des weiteren ist mitzuteilen, jeweils wann und für wie lange er tätig geworden ist und welche Vergütung er insoweit jeweils erhalten hat (OLG Köln, JurBüro 1994, 408). Die im Tenor genannten Fragen entsprechen diesen Grundsätzen. Dabei ist der Zwölfmonatszeitraum ab dem vom Amtsgericht nunmehr neu anzuberaumenden Termin zurückzuberechnen. Die Ansicht, nach der die Rückrechnung vom Zeitpunkt der unvollständigen Versicherung - hier am 12.12.1997 - zu erfolgen hat (OLG Hamm, RPfl. 1979, 468 f.), überzeugt für den vorliegenden Fall nicht. Die eidesstattliche Versicherung dient zur Vorbereitung eines konkreten Vollstreckungszugriffs; dazu sind Angaben für das Jahr 1997 wenig hilfreich. Im Übrigen kann sich der Schuldner auf den Schutzgedanken des § 903 ZPO nicht berufen, weil er seine Verpflichtung gemäߧ 807 ZPO nicht vollständig erfüllt hat.

Die Zulassung der weiteren im Schriftsatz vom 19.02.1998 genannten Fragen kann die Gläubigerin nicht verlangen. Die Ermittlung des Gesamtumsatzes kann sie durch Zusammenrechnung der Einzelangaben des Schuldners unschwer selbst vornehmen. Die Frage, ob alle erbrachten Leistungen in Rechnung gestellt wurden, ist in der im Tenor genannten Frage 4. enthalten.

Auch die Frage nach Erbringung von Schwarzarbeitsleistungen ist zurückzuweisen. Der Schuldner hat alle Auftraggeber anzugeben. Dazu dient die Beantwortung der Frage 1.. Über die steuer- und sozialabgabenrechtliche Behandlung der Einnahmen - mithin über die Qualifizierung als Schwarzarbeit - verhält sich das Vermögensverzeichnis nicht. Letztlich zielt die Frage nach Schwarzarbeit auf eine Offenbarung verschwiegener Geschäftsbeziehungen. Hierfür fehlen jedoch nach dem Sachverhalt jegliche Anhaltspunkte und werden auch von der Gläubigerin nicht vorgetragen (vgl. hierzu OLG Köln, JurBüro 1996, 49). Die Frage, welche Auftraggeber ihre Leistungen verweigern, betrifft letztlich das Verhältnis zu etwaigen Drittschuldnern und ist im Rahmen des § 840 ZPO zu klären.

Die Frage nach der Gewerbeanmeldung dient letztlich der bloßen Ausforschung der Lebensverhältnisse. Insoweit ist keine Unvollständigkeit des Vermögensverzeichnisses festzustellen, da der Schuldner angegeben hat, er unterhalte Geschäftsräume an der Trabrennbahn S.

Der Beschluss ist deshalb teilweise aufzuheben. Das Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist hinsichtlich der eingangs genannten Fragen fortzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 788 ZPO. Hinsichtlich der abgelehnten Fragen kommt eine Auferlegung von Kosten auf die Gläubigerin nicht in Betracht, weil diese Fragen wertmäßig nicht abzugrenzen sind und auch nicht zu einer Erhöhung der Verfahrenskosten führen. Entscheidend ist, dass das Vermögensverzeichnis auf Antrag der Gläubigerin zu ergänzen ist.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wurde gemäß §§ 12 Abs. 1 GKG, 57 Abs. 2 Nr. 4 BRAGO festgesetzt. Auch insoweit kommt eine gesonderte Bewertung der zurückgewiesenen Fragen nicht in Betracht.