OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.10.1999 - 7 A 998/99
Fundstelle
openJur 2011, 82803
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 3 K 2797/97
Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Im vorliegenden Verfahren wendet sich der Kläger gegen die ihm unter Zwangsgeldandrohung aufgegebene Beseitigung eines Gebäudes.

Der Kläger ist Miteigentümer des Grundstücks B. straße 11, Gemarkung L. , Flur 8, Flurstück 4120. Das Grundstück ist mit einem Mehrfamlienwohnhaus bebaut, in dem 3 Eigentumswohnungen vorhanden sind. Der Kläger ist Eigentümer der im Dachgeschoß gelegenen Wohnung und bewohnt diese selbst. An das Grundstück B. straße 11 grenzt östlich das Grundstück B. straße 5/7, Gemarkung L. , Flur 8, Flurstück 4503 an, das im Eigentum des Beigeladenen im Verfahren 7 A 999/99 steht und mit einem Wohnhaus bebaut ist. Der Kläger erwarb seine Eigentumswohnung von der Firma Wohnbau T. GmbH. Dieser war unter dem 5. März 1991 die Baugenehmigung für den "Neubau von 3 Eigentumswohnungen" nebst 2 Garagen auf dem vorbezeichneten Grundstück erteilt worden. Bei einer Überprüfung des Bauvorhabens - auf eine Eingabe des Beigeladenen im Verfahren 7 A 999/99 vom 2. September 1991 - stellte der Beklagte fest, daß der Giebel des Gebäudes um etwa 1 m und der First um etwa 1,40 m höher als in der Baugenehmigung vom 5. März 1991 genehmigt erstellt worden waren. Hierauf reichte die Firma Wohnbau T. GmbH unter dem 6. Dezember 1991 einen Bauantrag für den "Neubau von 3 Eigentumswohnungen Nachtrag" ein. In den hierzu beigefügten Bauvorlagen war eine 45° Abwalmung der Dachgiebel und eine teilweise Abschrägung der zum Grundstück des Beigeladenen gelegenen seitlichen Gebäudeabschlußwand vorgesehen. Hierzu legte die Firma Wohnbau T. GmbH eine Abstandsflächenberechnung des öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs S. vor, die eine Berechnung der Abstandflächen zum Grundstück des Beigeladenen hin enthält. Diese kommt zu dem Ergebnis, daß die Abstandflächen auf dem Grundstück B. straße 11 zum Grundstück des Beigeladenen hin eingehalten sind. Dabei hatte der Vermessungsingenieur zwei Wandabschnitte gebildet und für die jeweiligen Wandabschnitte eine gesonderte - jeweils zugehörige - Abstandfläche ermittelt. Der erste Wandabschnitt ist hiernach 10,27 m lang und reicht bis zu einem Punkt an dem das Gelände nach den Feststellungen des Vermessungsingenieurs S. um 0,14 m nach oben "verspringt", die Länge des hieran anschließenden Wandabschnitts beträgt 3,87 m. Nach der Berechnung beträgt die Tiefe der Abstandfläche des 10,27 m langen Wandabschnitts 3,28 m, und die des weiteren Wandabschnitts 3,03 m, wobei Herr S. den vorhandenen Abstand des Gebäudes zur Grundstücksgrenze in diesem Bereich mit ebenfalls 3,03 m ermittelt hatte. Diese Berechnung ergänzte Herr S. dann unter dem 25. Februar 1993 um eine Abstandflächenberechnung auch für die anderen Gebäudeseiten des Hauses B. straße 11. Hiernach reicht die von der zur B. straße hin gelegenen Gebäudeseite ausgelöste Abstandfläche über die Straßenmitte hinaus, im übrigen liegen die Abstandflächen auf dem Grundstück B. straße 11. Mit Bescheid vom 9. Februar 1994 erteilte der Beklagte der Firma Wohnbau T. GmbH die Baugenehmigung zum "Neubau von 3 Eigentumswohnungen - Nachtrag -", unter gleichzeitiger Erteilung einer Befreiung von der Einhaltung der Abstandfläche zur Straßenmitte hin. Hierbei wurden die unter dem 6. Dezember 1991 eingereichten Bauvorlagen mittels Grüneintrag als zur erteilten Baugenehmigung zugehörig gekennzeichnet. Hiergegen erhob der Beigeladene des Verfahrens 7 A 999/99 unter dem 25. März 1994 Widerspruch, den der Oberkreisdirektor des Kreises B. mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 1994 u.a. mit der Begründung zurückwies, daß das Bauvorhaben die Abstandflächen unter Inanspruchnahme des sog. Schmalseitenprivilegs einhalte, was nach den Feststellungen des öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs S. unzweifelhaft sei. Das von dem Beigeladenen des Verfahrens 7 A 999/99 hiergegen angestrengten Klageverfahren - VG B. 3 K 3131/94 - wurde durch Vergleich vom 25. Oktober 1994 beendet. In diesem Vergleich war unter anderem vorgesehen, daß die Firma Wohnbau T. GmbH nachträglich Bauunterlagen vorlegen sollte, die den tatsächlichen Zustand auf ihrem Grundstück und des errichteten Gebäudes wiedergeben sollten. Dem lag zugrunde, daß das Gericht bei der durchgeführten Ortsbesichtigung festgestellt hatte, daß die genehmigten Unterlagen den tatsächlichen Geländeverlauf, jedenfalls an der Grundstücksgrenze zum Grundstück des Beigeladenen des Verfahrens 7 A 999/99 nicht zutreffend wiedergäben. Hierauf reichte die Firma Wohnbau T. GmbH unter dem 25. November 1994 einen weiteren Bauantrag betreffend das Bauvorhaben B. straße 11 ein, dem unter anderem nochmals die - unveränderten - Berechnungen des öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs S. sowie eine Schnittzeichnung des Bauvorhabens beigefügt waren. In dieser Schnittzeichnung ist die Höhe der östlichen Seitenwand des Hauses B. straße 11 an der der B. straße zugewandten Ecke mit 6,73 m und am rückwärtigen Ende mit 6,46 m über der Geländeoberfläche angegeben. Mit Bescheid vom 24. Januar 1995 erteilte der Beklagte der Firma Wohnbau T. GmbH die Baugenehmigung "Nachtrag - Neubau von 3 Eigentumswohnungen". Dies teilte der Beklagte dem Beigeladenen des Verfahrens 7 A 999/99 mit Schreiben vom 13. Februar 1995 mit. Mit Schreiben vom 8. März 1995 erhob dieser "Widerspruch ... gegen Bescheid vom 13. Februar 1995". Zur Begründung führte er im wesentlichen aus, daß die nach dem gerichtlichen Vergleich vorzulegenden Unterlagen durch die Firma Wohnbau T. GmbH nicht vorgelegt worden seien. Im weiteren Verlauf des Widerspruchsverfahrens legte der Beigeladene die Abstandflächenberechnung eines von ihm beauftragten öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs - des Herrn H. - vom 10. Oktober 1995 vor. Diese kommt zu dem Ergebnis, daß die Abstandfläche teilweise (max. 45 cm) auf dem Grundstück des Beigeladenen liegt. Herr H. hatte bei seiner Berechnung keine Wandabschnitte gebildet, sondern die mittlere Wandhöhe der östlichen Gebäudewand zugrundegelegt. Ferner hatte er die Abwalmung im Giebelbereich mit 51° angenommen. Nachdem Herr S. durch eine erneute Vermessung und Berechnung die Abwalmung des Giebels nochmals mit 45° festgestellt hatte, legte Herr H. in einer geänderten Abstandflächenberechnung vom 18. März 1996 ebenfalls diesen Wert zugrunde. Nach der geänderten Berechnung erstreckt sich die Abstandfläche über eine Länge von 4,22 m in einer Tiefe von 0,27 m (auf 0,00 m auslaufend) auf das Grundstück des Beigeladenen.

Der Beklagte gab dem Kläger mit Schreiben vom 13. September 1996 Gelegenheit zur Stellungnahme zu der von ihm beabsichtigten Beseitigungsverfügung. Mit Bescheid vom 10. Oktober 1996 (Az. 00488-96-06) forderte der Beklagte den Kläger auf, das Gebäude B. straße 11 innerhalb von drei Monaten nach Bestandskraft der Ordnungsverfügung zu beseitigen. Gleichzeitig drohte er dem Kläger ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,--DM für den Fall der Nichteinhaltung der zur Beseitigung gesetzten Frist an. Zur Begründung führte der Beklagte im wesentlichen aus: Das Gebäude B. straße 11 sei abweichend von der am 5. März 1991 erteilten Baugenehmigung errichtet worden. Es könne für das Bauvorhaben auch keine nachträgliche Baugenehmigung erteilt werden, weil nach der Abstandflächenberechnung von Herrn H. die Abstandfläche teilweise auf das Nachbargrundstück B. straße 5/7, Gemarkung L. , Flur 8, Flurstück 4503 erstrecke und dessen Eigentümer nicht bereit sei, die Abstandfläche auf sein Grundstück zu übernehmen. Die Abstandflächenberechnung von Herrn S. , nach der die Abstandflächen auf dem Grundstück B. straße 11 eingehalten seien, könne nicht zugrundegelegt werden, da diese auf der unzutreffenden Prämisse beruhe, daß zwei Wandabschnitte zu bilden seien. Der Kläger sei als Rechtsnachfolger der Firma Wohnbau T. GmbH als jetziger Eigentümer nach § 18 OBG für die Beseitigung in Anspruch zu nehmen. Bei der gebotenen Ermessensausübung erweise sich die angeordnete Beseitigung als geeignet, erforderlich und verhältnismäßig. So sei es aus rechtlichen Gründen nicht möglich, dem Kläger nur die Absenkung des Daches aufzugeben, da dies die Gestaltungsfreiheit des Bauherrn in unzulässiger Weise beeinträchtigen würde. Weiter werde der Eigentümer des Nachbargrundstücks B. straße 5/7 durch die auf seinem Grundstück liegende Abstandfläche beeinträchtigt. Auf den hiergegen u.a. von dem Kläger erhobenen Widerspruch vom 11. November 1996 hob der Beklagte seine Ordnungsverfügung vom 10. Oktober 1996 mit Bescheid vom 23. April 1997 auf. Mit Bescheid vom gleichen Tag (Az. 00719-97-06) forderte er den Kläger auf, das Gebäude B. straße 11 innerhalb von drei Monaten nach Bestandskraft der Ordnungsverfügung und rechtskräftiger Aufhebung der Baugenehmigung vom 24. Januar 1995 zu beseitigen, wobei die Begründung derjenigen der vorhergehenden Abrißverfügung entsprach. Gleichzeitig drohte er dem Kläger ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,--DM für den Fall der Nichteinhaltung der zu Beseitigung gesetzten Frist an. Dieser Verfahrensweise lag zugrunde, daß der Oberkreisdirektor des Kreises B. den Beklagten darauf hingewiesen hatte, daß die Beseitigungsverfügung gegenüber dem Kläger rechtmäßig erst dann erfolgen könne, wenn zuvor noch die der Firma Wohnbau T. GmbH erteilte Baugenehmigung vom 24. Januar 1995 zurückgenommen worden sei. Dem war der Beklagte mit Bescheid vom 22. April 1997 an den Beigeladenen des Verfahrens 7 A 999/99 nachgekommen, in dem er auf dessen Widerspruch vom 9. März 1995 die Nachtragsbaugenehmigung vom 24. Januar 1995 aufhob. Mit Schreiben vom 21. Mai 1997 erhob u.a. der Kläger, bezugnehmend auf die "Ordnungsverfügung vom 23. April 1997" Widerspruch. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus, daß das Bauvorhaben nach der Abstandflächenberechnung des Herrn S. genehmigungsfähig sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 1997 wies der Oberkreisdirektor des Kreises B. den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus: Die Auslegung des Begehrens des Klägers ergebe, daß sich der Widerspruch gegen die Abrißverfügung und die Androhung des Zwangsgeldes richte. Diese seien aber aus den Gründen des Ausgangsbescheides rechtmäßig. Insbesondere sei das Ermessen zutreffend ausgeübt worden. Der Beklagte habe rechtmäßig davon abgesehen, dem Kläger anstelle des Abrisses des Gebäudes dessen Rückbau aufzugeben, da andernfalls der Kläger in seiner Dispositionsfreiheit verletzt sei. Der Kläger sei jedoch seinerseits berechtigt, den Rückbau als Austauschmittel gemäß § 21 OBG anzubieten. Auch sei die Inanspruchnahme des Klägers als Zustandsstörer nicht zu beanstanden, da dieser als Eigentümer der Dachgeschoßwohnung von einem Austauschmittel am direktesten betroffen sei. Gegenüber den übrigen Miteigentümern des Wohnhauses seien Duldungsverfügungen erlassen worden.

Hiergegen hat der Kläger am 19. September 1997 Klage erhoben. Zur Begründung hat er im wesentlichen ausgeführt: Es sei unverhältnismäßig, von ihm den Abriß des Gebäudes B. straße 11 zu fordern. Denn die Unterschreitung der Abstandfläche sei geringfügig, während das Gebäude B. straße 11 einen Wert von 700.000,--DM bis 750.000,--DM aufweise.

Der Kläger hat beantragt,

die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 23. April 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Oberkreisdirektors des Kreises B. vom 19. August 1997 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er im wesentlichen sein Vorbringen aus den angefochtenen Bescheiden wiederholt und vertieft.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte habe dem Kläger rechtsfehlerfrei den Abriß des Gebäudes B. straße 11 aufgegeben. Insbesondere habe der Beklagte das ihm zustehende Ermessen zutreffend ausgeübt. Sein Entschließungsermessen sei auf Null reduziert gewesen, da die Baurechtswidrigkeit des Gebäudes auf einem Verstoß gegen die nachbarschützenden Abstandflächenvorschriften beruhe. Auch eine lediglich geringfügige Überschreitung der Abstandflächen löse einen nachbarlichen Abwehranspruch aus.

Gegen das ihm am 13. Januar 1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. Februar 1999 die Zulassung der Berufung beantragt. Der Senat hat mit Beschluß vom 30. Juli 1999 die Berufung zugelassen, der den Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 5. August 1999 zugestellt worden ist. Mit am 19. August 1999 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger die Berufung begründet und einen Berufungsantrag gestellt.

Zur Begründung der Berufung trägt er im wesentlichen vor: Die Abrißverfügung sei fehlerhaft. Dies ergebe sich zunächst daraus, daß die Baugenehmigung aus den im Verfahren 7 A 999/99 dargelegten Gründen nicht habe aufgehoben werden dürfen. Sie sei aber jedenfalls ermessensfehlerhaft erlassen worden. Denn eine Beeinträchtigung des Nachbarn durch die - unterstellte - Unterschreitung der Abstandfläche sei hier nicht gegeben. Da das auf dem Grundstück des Nachbarn vorhandene Gebäude 10 m entfernt vom Grundstück B. straße 11 liege, könne der Nachbar eine etwaige Erweiterung seines Gebäudes auch dann verwirklichen, wenn die streitige Abstandfläche teilweise auf seinem Grundstück liege. Ferner führe die Unterschreitung der Abstandfläche angesichts ihrer Geringfügigkeit auch nicht zu einer spürbaren Beeinträchtigung des Nachbarn unter den Gesichtspunkten der Belichtung und Belüftung seines Grundstücks. Weiter stehe der Abriß des Gebäudes angesichts des damit verbundenen wirtschaftlichen Schadens in keinem Verhältnis zu der geringfügigen Unterschreitung der Abstandfläche.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern, und nach dem Schlußantrag erster Instanz zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt er in Ergänzung zu seinem erstinstanzlichen Vorbringen vor: Für die Frage der Verletzung der Abstandflächenvorschriften sei unerheblich, ob die Unterschreitung der Abstandfläche den Nachbarn spürbar beeinträchtige.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens, des Verfahrens 7 A 999/99 und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 23. April 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Oberkreisdirektors des Kreises B. vom 19. August 1997 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die an den Kläger gerichtete Aufforderung, das Gebäude B. straße 11 binnen drei Monaten nach Bestandskraft der Ordnungsverfügung und rechtskräftiger Aufhebung der Baugenehmigung vom 24. Januar 1995 zu beseitigen, ist durch die Ermächtigungsgrundlage des § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NW gedeckt.

Das Gebäude B. straße 11 ist formell illegal errichtet worden. Es wird durch die der Firma Wohnbau T. GmbH erteilte Baugenehmigung vom 5. März 1991 nicht gedeckt. Denn der Baukörper war nach den - unbestrittenen - Feststellungen des Beklagten erheblich abweichend von den genehmigten Bauvorlagen erstellt worden, indem der Giebel des Gebäudes um etwa 1 m und der First um etwa 1,4 m höher als in der Baugenehmigung vom 5. März genehmigt errichtet worden waren. Das gleiche gilt für die mit Bescheid vom 9. Februar 1994 erteilte Baugenehmigung zum "Neubau von 3 Eigentumswohnungen - Nachtrag". Denn auch von den hierzu gehörenden Bauvorlagen wurde erheblich abgewichen, indem z.B. in der in den Bauvorlagen enthaltenen Schnittzeichnung die Höhe der östlichen Gebäudeabschlußwand mit 6,08 m angegeben ist, während deren Höhe nach der Schnittzeichnung zur Baugenehmigung vom 24. Januar 1995 an den Gebäudeecken 6,73 m bzw. 6,46 m beträgt. Die Baugenehmigung vom 24. Januar 1995 scheidet als Genehmigungsgrundlage für das Bauvorhaben aus, da diese aus den Gründen des Urteils des Senats vom heutigen Tag im Verfahren 7 A 999/99 wirksam durch den Beklagten aufgehoben worden ist.

Das Gebäude B. straße 11 ist aufgrund der im Urteil des Senats vom heutigen Tag im Verfahren 7 A 999/99 festgestellten Unterschreitung der Abstandfläche und des weiteren Umstandes, daß der Eigentümer des Nachbargrundstücks B. straße 5/7 nicht bereit ist, die Abstandfläche auf sein Grundstück zu übernehmen, auch nicht gemäß § 75 Abs. 1 BauO NW genehmigungsfähig (sog. materielle Illegalität).

Der Beklagte hat bei dem Erlaß der streitgegenständlichen Abrißverfügung das ihm zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt (§ 114 Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird zutreffend ausgeführt, daß vorliegend das Ermessen des Beklagten sowohl hinsichtlich des "Ob" als auch des "Wie" des Einschreitens dahingehend "auf Null" reduziert war, daß ermessensfehlerfrei nur die Beseitigung des Gebäudes B. straße 11 angeordnet werden konnte.

Ergänzend und mit Rücksicht auf das Berufungsvorbringen des Klägers ist lediglich noch folgendes auszuführen:

Die allein als ermessensfehlerfrei getroffene Entscheidung des Beklagten ist zutreffend auf den vollständigen Abbruch des Gebäudes B. straße 11 gerichtet. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht dem nicht entgegen. Der Rückbau des Hauses B. straße 11 auf ein zulässiges, die Einhaltung der Abstandfläche sicherstellendes Maß, ist kein milderes Mittel, das der Beklagte anstelle des vollständigen Abrisses wählen könnte und müßte. Eine solche Wahl ist ihm vielmehr aus Rechtsgründen verschlossen. Es sind nämlich viele Möglichkeiten denkbar, wie der Rückbau hier erfolgen könnte und dem Bauherrn darf nicht eine bestimmte Form des Gebäudes aufgedrängt werden.

Vgl. OVG NW, Urteil vom 22. Januar 1996 - 10 A 1464/92 -.

Dementsprechend hat hier der Kläger die Möglichkeit, nach § 21 Satz 2 OBG in dem ordnungsbehördlichen Verfahren eine bestimmte andere, die Einhaltung der Abstandflächen gewährleistende, Form der baulichen Gestaltung des Gebäudes B. straße 11 als Austauschmittel anzubieten und damit den vollständigen Abriß des Gebäudes abzuwenden.

Der Beklagte konnte bei der von ihm getroffenen Ermessensentscheidung fehlerfrei davon absehen zu berücksichtigen, inwieweit die Unterschreitung der Abstandfläche hier zu einer Wertminderung des Nachbargrundstücks und zu einer tatsächlichen Beeinträchtigung des Nachbarn führt. Denn bereits allein die Nichteinhaltung der nach § 6 BauO NW erforderlichen Abstandfläche löst unabhängig vom Grad der mit der Abstandunterschreitung verbundenen Beeinträchtigung des Nachbarn einen nachbarlichen Abwehranspruch aus,

vgl. OVG NW, Urteil vom 14. Januar 1994 - 7 A 2002/94 -; OVG NW Beschluß vom 27. Juni 1995 - 7 B 1413/95 -, OVG NW, Beschluß vom 10. Februar 1999 - 7 B 974/98 -, dem der Beklagte hier mit der Abrißverfügung Rechnung zu tragen hatte. Maßgeblich für diese Sichtweise ist, daß der Landesgesetzgeber mit der Bestimmung fester und durch Messung überprüfbarer Maße für den Grenzabstand nicht etwa unterstellt hat, daß eine Beeinträchtigung des Nachbarn bei einem die Abstandflächenregelung nicht vollständig ausnutzenden Bauwerk völlig fehlt und erst dann abrupt einsetzt, wenn die Abstandwerte unterschritten werden. In § 6 BauO NW ist vielmehr lediglich gesetzlich verankert, daß das Heranrücken eines Bauwerks und die damit immer verbundene Beeinträchtigung des Nachbarn erst dann rechtlich mit der Folge des Entstehens eines nachbarlichen Abwehranspruchs relevant wird, wenn die gesetzlich festgelegten Abstandmaße unterschritten werden.

Vgl. OVG NW, Beschluß vom 10. Februar 1999 - 7 B 974/98 -.

Danach kommt es - entgegen dem Vorbringen des Klägers - nicht darauf an, inwieweit hier die bauliche Nutzbarkeit des Nachbargrundstücks eingeschränkt ist und die Unterschreitung der Abstandfläche zu einer tatsächlichen Beeinträchtigung des Nachbarn führt.

Nicht zu beanstanden ist auch, daß der Beklagte die wirtschaftlichen Interessen des Klägers an einem Erhalt des Gebäudes nicht mit in die Ermessensentscheidung eingestellt hat. Errichtet ein Bauherr rechtswidrig ein Nachbarrechte verletzendes Gebäude, so handelt er vielmehr auf eigenes - wirtschaftliches - Risiko.

Vgl. OVG NW, Urteil vom 17. Mai 1983 - 7 A 330/81 -, BRS 40 Nr. 191.

Dies muß sich der Kläger als Rechtsnachfolger der Firma Wohnbau T. GmbH bzgl. des Eigentums entgegenhalten lassen, unabhängig davon, ob er von der Verletzung von Rechten des Nachbarn Kenntnis hatte oder nicht.

Schließlich hat der Beklagte auch zu Recht den Kläger zur Beseitigung des Gebäudes in Anspruch genommen. Verantwortlich für den Zustand eines Gebäudes ist nach § 18 Abs. 1 Satz 1 OBG der Eigentümer. Dabei ist hier unerheblich, daß der Kläger nur Miteigentümer des Grundstücks B. straße 11 ist. Denn die Ordnungsbehörde kann nach der ständigen Rechtsprechung des Senats jeden Miteigentümer für sich mit dem Ziel des Abbruchs des gesamten Abbruchs in Anspruch nehmen.

Vgl. OVG NW, Urteil vom 2. Mai 1996 - 7 A 5454/94 -.

Im übrigen sind hier auch Duldungsverfügungen gegen die übrigen Miteigentümer ergangen, deren Fehlen allerdings ohnehin nur zu einem behebbaren Vollzugshindernis führen würde.

Vgl. OVG NW, Urteil vom 2. Mai 1996 - 7 A 5454/94 -.

Die Ordnungsverfügung vom 23. April 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Oberkreisdirektors des Kreises B. vom 19. August 1998 ist auch insoweit rechtmäßig als der Beklagte ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,--DM angedroht hat. Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage der §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 Abs. 1, 63 VwVG NW sind erfüllt. Insbesondere ist der Kläger in der Lage, der Ordnungsverfügung auch nachzukommen, ohne hieran durch zivilrechtliche Rechte der übrigen Miteigentümer gehindert zu sei. Denn der Beklagte hat - nach den unwidersprochenen Feststellungen des Widerspruchsbescheides - Duldungsverfügungen gegen die übrigen Miteigentümer erlassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 und 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.