OLG Köln, Urteil vom 18.08.2000 - 6 U 54/00
Fundstelle
openJur 2011, 82541
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 42 O 95/99
Tenor

1.) Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.12.1999 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen - 42 O 95/99 - wird zurückgewiesen. 2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.4.) Die Beschwer der Beklagten wird auf 20.000 DM festgesetzt.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Klage ist aus § 339 BGB begründet. Das Vertragsstrafeversprechen ist wirksam zustandegekommen und die Vertragsstrafe ist durch die streitgegenständliche Passage in dem Schreiben der Beklagten vom 12.1.1998 verwirkt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Vertragsstrafeversprechen in § 1 Abs.1 und 4 der Vergleichsvereinbarung vom 23./25.9.1997 - zunächst ungeachtet des Einwandes, es habe sich lediglich um eine "deklaratorische" Erklärung gehandelt - wirksam. Allerdings trifft es zu, dass ein Vertragsstrafeversprechen in ausreichender Weise erkennen lassen muss, was Gegenstand der strafbewehrten Vereinbarung ist (vgl. z.B. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage, Kap. 20 RZ 5 m.w.N.). Das gilt auch dann, wenn die Unterlassungserklärung nicht zur Abwehr eines bestehenden gesetzlichen Anspruches, sondern - wie im Streitfall - ohne vorliegenden oder drohenden Verstoß zur Regelung des zukünftigen Nebeneinanders der Parteien getroffen wird. Diese Voraussetzung ist indes erfüllt. Der Beklagten ist allerdings einzuräumen, dass nach dem Wortlaut der Vereinbarung, wonach die Parteien sich gegenseitig verpflichtet haben, "die deutschen Wettbewerbsgesetze, insbesondere die §§ 1,3 UWG, einzuhalten" diese nicht erkennen lässt, in welchen Grenzen ein wettbewerbswidriges Verhalten der Parteien den Vertragsstrafeanspruch auslösen soll. Die Unterlassungsvereinbarung ist aber - wie alle Verträge - der Auslegung fähig. Dabei ist eine restriktive Bindung an eine - drohende oder schon eingetretene - konkrete Verletzungsform bzw. deren Kern nicht geboten (vgl. BGH GRUR 92,61,62 - "Preisvergleichsliste"), zumal die Erklärung - anders als etwa eine einstweilige Verfügung oder gar ein Hauptsachetitel - nicht Vollstreckungsgrundlage sein kann, sondern es immer noch einer Überprüfung im Vertragsstrafeverfahren bedarf. Bei der gebotenen Auslegung sind alle - auch ungeschriebenen - Umstände heranzuziehen, die zum Abschluss der Vereinbarung geführt haben. Tut man dies, so gewinnt die Vereinbarung indes eine hinreichend klare Kontur.

Auslöser für die Vertragsverhandlungen im Jahre 1997 waren zwei Abmahnungen der Beklagten gegenüber der Klägerin, von denen eine angebliche Herabsetzungen der Produkte der Beklagten durch die Klägerin und Herrn Prof. K. zum Gegenstand hatte. Dies haben die Parteien übereinstimmend, nämlich die Klägerin mit der Klageerwiderung vom 18.11.1999 und die Beklagte in der Berufungsbegründung, geschildert. Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte zunächst die von den Parteien a.a.O. übereinstimmend wiedergegebene Fassung einer Vereinbarung vorgeschlagen. Darin war deren § 1 Abs.1 noch sinngemäß um die Konkretisierung ergänzt, dass Prof. K. und die Klägerin sich verpflichteten, negative Äußerungen über die Beklagte oder deren Produkte und die Behauptung der Patentverletzung zu unterlassen. Allein auf diesen Teil bezog sich in dem Entwurf das Vertragsstrafeversprechen. Auf die Weigerung der Klägerin hin hat man die Konkretisierung weggelassen und das Vertragsstrafeversprechen auf beide Seiten ausgedehnt.

Vor diesem Hintergrund ergibt die Auslegung der Vereinbarung, dass - zumindest - Herabsetzungen des anderen oder von dessen Produkten sowie die (unzutreffende) Behauptung von Patentverletzungen von der Vereinbarung erfasst sind. Denn die Weigerung der Klägerin, die ursprünglich vorgeschlagene einseitige Verpflichtung einzugehen, ändert nichts daran, dass gerade solche Herabsetzungen und ihre zukünftige Vermeidung Gegenstand der Verhandlungen waren. Schließlich hindert allein der Umstand, dass damals nur umgekehrt der Klägerin der Vorwurf der Herabsetzung gemacht worden war, nicht, auch die Verpflichtung der Beklagten als auf solche Herabsetzungen bezogen anzusehen. Denn derartige Verfehlungen haben zumindest einen wesentlichen Teil des ihr Wettbewerbsverhalten betreffenden Verhandlungsgegenstandes ausgemacht.

Zumindest mit diesem Inhalt ist die strafbewehrte Unterlassungsvereinbarung auch verbindlich vereinbart worden. Entgegen dem Vortrag der Beklagten, die allerdings von einer bloß "deklaratorischen" Wirkung spricht, war der Text nicht als lediglich unverbindliche Absichtserklärung gemeint. Dies vermag der Senat ohne Durchführung einer Beweisaufnahme festzustellen, weil alle Umstände für eine Vereinbarung sprechen und die Beklagte nicht hinreichend konkret dargetan hat, dass die Parteien übereinstimmend gleichwohl die Vereinbarung nicht als verbindlich aufgefasst haben.

Für die Verbindlichkeit auch der Regelung in § 1 Abs.1 und 4 der Vereinbarung, die die streitgegenständliche strafbewehrte Unterlassungsvereinbarung enthält, spricht zunächst deren Wortlaut. Dieser ist eindeutig und artikuliert eine Regelung, die deswegen als verbindlich zu verstehen ist, weil irgendwelche Formulierungen, die auf eine bloße Absichtserklärung hindeuten könnten, nicht vorhanden sind. Zudem ist eine konkrete bezifferte Vertragsstrafenregelung getroffen worden. Eine solche stünde indes im Widerspruch zu einer bloßen übereinstimmenden Absichtserklärung, weil es diese gerade ausmacht, dass eine Nichtbefolgung sanktionslos bleibt. Für die Annahme einer bloßen Absichtserklärung spricht auch nicht der Umstand, dass der frühere Entwurf einer Vereinbarung einen ausführlicheren Text enthalten hatte und der zuletzt allein noch verbliebene Wortlaut von § 1 Abs.1 der Vereinbarung auch anfangs Bestandteil des Absatzes 1 gewesen war und in seiner Stellung vor der Konkretisierung möglicherweise als reiner "Goodwill" Satz aufgefasst werden konnte. Es ist schon zweifelhaft, ob die Passage in der ursprünglichen Fassung wirklich als unverbindliche Absichtserklärung aufzufassen war. Das kann aber dahinstehen, weil sie es jedenfalls in der letzten, allein streitgegenständlichen Fassung nicht (mehr) ist. Dies belegt aus den dargelegten Gründen neben dem Wortlaut vor allem die Vereinbarung einer Vertragsstrafe. Letzteres gilt deswegen umso mehr, weil der Wortlaut der Vertragsstrafenvereinbarung in § 1 Abs.4 sogar dem neuen, nunmehr wechselseitigen Charakter der Vereinbarung angepasst worden ist. Es kommt hinzu, dass es sich bei den Verhandlungsführern um zwei Rechtsanwälte gehandelt hat oder diese doch zumindest maßgeblich an den Verhandlungen beteiligt waren. Außerdem hat der auf Seiten der Klägerin tätige Rechtsanwalt L. seine Partei mit Schreiben vom 16.2.1999 (Anlage 5 zur Klageschrift) darauf hingewiesen, dass wegen der Fassung des Textes ein Gericht die Vereinbarung als lediglich deklaratorisch ansehen könne. Das spricht dafür, dass jedenfalls die Klägerseite die Vereinbarung schon vor der Auseinandersetzung für wirksam gehalten hat.

Neben den vorstehenden Gesichtspunkten belegen weitere Umstände die Verbindlichkeit der Vereinbarung. Zunächst hatten die Verhandlungen reale Verletzungsfälle bzw. deren Behauptung zum Gegenstand. Außerdem hat die Beklagte bezüglich der im Verfahren 42 O 22/98 LG Aachen erlassenen einstweiligen Verfügung, die den streitgegenständlichen Vorwurf zum Gegenstand hatte, eine Abschlusserklärung abgegeben und damit die Berechtigung des auf der Vereinbarung beruhenden Unterlassungsanspruches anerkannt. Dass dies allein aus Kostengründen geschehen sei, ist nicht plausibel, weil die Beklagte in einem Hauptsacheverfahren mit denselben Beweismitteln wie im vorliegenden Verfahren ihre Position hätte durchsetzen und so - die Richtigkeit ihres Vortrages unterstellt - Kosten sogar hätte sparen können. Überdies ist ihre Erklärung des Zustandekommens der einstweiligen Verfügung mit einem "Übersetzungsfehler" ebenso unplausibel, weil es hierzu an jeglichem Vortrag fehlt.

Vor diesem Hintergrund hätte es der Beklagten oblegen, im einzelnen nachvollziehbar darzulegen, dass und mit welcher Motivation die Parteien den Vertragstext gewählt haben sollen, obwohl sie eine verbindliche Vereinbarung nicht treffen wollten. Die Beklagte hätte - die Richtigkeit ihres Vortrages unterstellt - als Vertragspartnerin auch die Möglichkeit gehabt, im einzelnen darzulegen, warum so verfahren worden sei.

Diesen Anforderungen genügt ihr Vorbringen indes nicht, weswegen ohne Beweiserhebung von dem Zustandekommen einer verbindlichen Unterlassungsvereinbarung auszugehen ist. Die Beklagte trägt lediglich vor, es sei "beiden Parteien klar" gewesen, dass ein so weit gefasstes Verbot eine wirksame Verpflichtung nicht habe begründen können. Diese Behauptung enthält keine Ausführungen über die Motivation der Parteien, trotz dieser angeblichen übereinstimmenden Rechtsauffassung den streitgegenständlichen Text zu verwenden, und erklärt auch die geschilderten Widersprüche zu dem weiteren Verhalten der Beklagten nicht.

Die mithin verbindlich vereinbarte Vertragsstrafe ist schließlich auch verwirkt. Die streitgegenständliche Äußerung stellt eine Herabsetzung der Klägerin dar und unterfällt damit nach den vorstehenden Feststellungen der Unterlassungsvereinbarung. Das bedarf angesichts des Satzes: "wir wissen, dass unsere Konkurrenten nicht über solche notwendigen Erfahrungen verfügen, ..." keiner Begründung.

Die Äußerung war auch nicht als Reaktion auf ein Verhalten der Klägerin gerechtfertigt. Die Beklagte hat schon die angebliche Anfrage der S & T C. Industries nicht vorgelegt. Außerdem stellt das beanstandete Schreiben nicht die behauptete Antwort auf eine Referenzanfrage dieses Unternehmens dar, sondern steht ersichtlich im Zusammenhang mit dem eigenen Bestreben der Beklagten, den Auftrag (noch) zu erhalten. In dem Schreiben wird die Betroffenheit zum Ausdruck gebracht darüber, dass die S & T C., ohne ein vereinbartes weiteres Gespräch zu führen, den Auftrag an Wettbewerber vergeben wolle. In diesem Zusammenhang ist die herabsetzende Äußerung gefallen. Dass diese gegen die Klägerin gerichtet war, bestreitet die Beklagte nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.

Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festgesetzte Beschwer der Beklagten entspricht dem Wert ihres Unterliegens im Rechtsstreit.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 20.000 DM.