OLG Hamm, Urteil vom 09.11.1998 - 6 U 147/98
Fundstelle
openJur 2011, 82396
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 4 O 487/97
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 6. Mai 1998 verkün-dete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschwer des Klägers: unter 7.000,00 DM.

Gründe

I.

Der Kläger befuhr am 25.08.1997 in C (innerorts) mit seinem Pkw Opel Vectra die W-Straße, die in Form einer T-Einmündung auf die I-Straße stößt. Im Einmündungsbereich ist durch Richtungspfeile ein Fahrstreifen für Rechtsabbieger und einer für Linksabbieger gekennzeichnet; zwischen ihnen sind Fahrstreifenbegrenzungen markiert. Auf dem rechten Fahrstreifen parkten kurz vor dem Einmündungstrichter mehrere Pkw am rechten Fahrbahnrand. Der Kläger hielt im Einmündungsbereich an, um vor dem vorderen der parkenden Pkw ebenfalls selbst am rechten Fahrbahnrand zu parken. Der Beklagte zu 1) befuhr mit einem bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversicherten Lastzug der Beklagten zu 2) die W-Straße in die gleiche Richtung. Er wollte an der T-Einmündung nach rechts in die I-Straße einbiegen. Bei der Annäherung mußte er wegen der am rechten Fahrbahnrand parkenden Pkw mit dem Lastzug teilweise den Linksabbiegerfahrstreifen mit in Anspruch nehmen. Beim Einbiegen nach rechts stieß er mit der rechten Seite des Hängers gegen den Pkw des Klägers und beschädigte ihn an der Fahrertür und im Bereich des vorderen linken Kotflügels.

Mit der Klage hat der Kläger vollen Ersatz seines mit 18.756,84 DM bezifferten Schadens verlangt. Das Landgericht hat ihm 12.504,56 DM zugesprochen und im übrigen die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger müsse 1/3 seines Schadens selbst tragen, weil er den Unfall dadurch mitverschuldet habe, daß er im Einmündungsbereich verbotenerweise gehalten habe.

Gegen diese quotenmäßige Kürzung wendet sich der Kläger mit der Berufung und macht geltend, er habe im Einmündungsbereich nicht verbotenerweise gehalten, sondern nur zulässigerweise gewartet. Ein etwaiger Verstoß gegen § 12 StVO sei nicht unfallursächlich geworden; zumindest könne er keinen Abzug von 1/3 rechtfertigen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung ist nicht begründet.

Über den vom Landgericht zuerkannten Betrag hinaus hat der Kläger gegen die Beklagten keine weiteren Ansprüche gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, §§ 823, 831 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG, denn das Landgericht hat den Eigenverantwortungsanteil des Klägers zu Recht mit 1/3 bemessen.

Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d i.V.m. § 41 Abs. 3 Nr. 5 StVO (Zeichen 297) durfte der Kläger an der Unfallstelle nicht halten, weil dort auf der Fahrbahn Pfeile nebeneinander angebracht sind, die in verschiedene Richtungen weisen; zwischen ihnen sind Fahrstreifenbegrenzungen markiert.

Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, der Stillstand seines Fahrzeugs sei nicht als Halten im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Halten ist die gewollte, nicht durch die Verkehrslage oder eine Anordnung veranlaßte Fahrtunterbrechung auf der Fahrbahn. Wer also lediglich wegen der Verkehrslage oder aufgrund einer Anordnung auf der Fahrbahn wartet, also beispielsweise im Stau oder vor Rot zeigender Ampel oder um der Wartepflicht zu genügen, verstößt nicht gegen das Halteverbot; derartige Fahrtunterbrechungen werden als Warten bezeichnet (vgl. Jagusch/Hentschel, § 12 StVO Rdn. 19). Hier war die Fahrtunterbrechung des Klägers nicht durch die Verkehrslage veranlaßt. Er ist seiner eigenen Darstellung zufolge an der Unfallstelle vielmehr stehengeblieben, um zurückzusetzen und zu dem dort ebenfalls verbotenen Parken überzugehen.

Entgegen der Auffassung des Klägers liegt es keinesfalls außerhalb des Schutzzwecks der von ihm übertretenen Norm, wenn sein Verkehrsverstoß bei der Haftungsabwägung gemäß § 17 StVG berücksichtigt wird. Das von ihm verletzte Halteverbot dient gerade dazu, in Kreuzungs- und Einmündungsbereichen den Verkehr auf den - meist engeren - Fahrstreifen, die durch nebeneinander angebrachte und in verschiedene Richtungen weisende Pfeile gekennzeichnet sind, flüssig zu halten, das Abbiegen zu erleichtern und damit solche Unfälle wie den vorliegenden zu verhindern.

Der Kläger kann auch nicht damit gehört werden, daß er an der Unfallstelle u.U. auch erlaubtermaßen hätte warten können, etwa um Fußgänger oder bevorrechtigten Querverkehr vorbeizulassen, und daß dann der Unfall sich in gleicher Weise abgespielt hätte; denn dann hätte auch der Beklagte zu 1) warten müssen, und es wäre nicht zu dem Konflikt zwischen dem fließenden und dem stehenden Verkehr gekommen, dem durch die Halteverbotsregelung vorgebeugt werden soll.

2.

Das Landgericht hat die Haftung durch die Anspruchskürzung um 1/3 bei der Abwägung gemäß § 17 StVG angemessen quotiert. Zwar ist neben der Unaufmerksamkeit des Beklagten zu 1) die hohe Betriebsgefahr des Lastzuges zu berücksichtigen, dessen Hänger mit einem kleineren Radius abbiegt als das Zugfahrzeug und dessen rechte Seite beim Abbiegen vom Fahrzeugführer schlecht beobachtet werden kann, weil der rechte Außenspiegel beim Abbiegen den Winkel nur unvollkommen erfaßt. Dem fahrlässigen Verhalten des Beklagten zu 1) steht auf seiten des Klägers, der durch sein verbotenes Halten die erste Ursache für den Unfall gesetzt hat, ein vorsätzlicher Verkehrsverstoß entgegen. Es ist deshalb gerechtfertigt, seinen Mitverantwortungsanteil jedenfalls mit 1/3 anzusetzen.

3.

Die Schadenshöhe ist in dieser Instanz nicht mehr im Streit.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 II, 708 Nr. 10, 713, 546 ZPO.

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