OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.01.1999 - 6 B 2096/98
Fundstelle
openJur 2011, 82254
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 2 L 5055/97
Tenor

Der angefochtene Beschluß wird geändert.

Der Antrag auf Erlaß einer einst-weiligen Anordnung wird in vollem Umfang abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme außer-gerichtlicher Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst zu tragen hat.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 4.000,-- DM festgesetzt.

Gründe

Die (zugelassene) Beschwerde mit dem sinngemäß gestellten Antrag,

den angefochtenen Beschluß zu ändern und den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung in vollem Umfang abzulehnen,

ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsgegner unter Ablehnung des weitergehenden Anordnungsantrages untersagt, die Stelle des Leiters bzw. der Leiterin der Schule für Geistigbehinderte in Grevenbroich-Hemmerden bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Beförderungsbegehren der Antragstellerin mit dem Beigeladenen zu besetzen. Nach Auffassung des Senats fehlt es jedoch an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Demgemäß ist der angefochtene Beschluß zu ändern und ist der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung auch insoweit abzulehnen.

Der Dienstherr hat bei der Entscheidung darüber, welchem von mehreren in Betracht kommenden Beamten er eine Beförderungsstelle übertragen will, das Prinzip der Bestenauslese zu beachten und Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Konkurrenten zu bewerten und zu vergleichen (Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes, § 7 Abs. 1 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - LBG NW -). Sofern ein Bewerber besser qualifiziert ist, darf er nicht übergangen werden. Im übrigen - bei im wesentlichen gleicher Qualifikation - ist die Entscheidung in das pflichtgemäße Ermessen des Dienstherrn gestellt. Der einzelne Bewerber hat insoweit lediglich ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bei der Stellenbesetzung. Dieses Recht ist nach § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sicherungsfähig.

Die Antragstellerin hat eine Verletzung ihres Rechts auf eine fehlerfreie Entscheidung bei der Besetzung der Beförderungsstelle (Besoldungsgruppe A 14 Fn. 2 LBesO) nicht glaubhaft gemacht. Nach der im Rahmen des vorliegenden Verfahrens gebotenen summarischen Überprüfung wird die vom Antragsgegner zugunsten des Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung einer Überprüfung im Hauptsacheverfahren standhalten.

Die Antragstellerin als Sonderschulrektorin der Besoldungsgruppe A 14 LBesO und der Beigeladene als Sonderschulkonrektor ebenfalls der Besoldungsgruppe A 14 LBesO sind, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, als gleichgut qualifiziert anzusehen. Die ihnen aus Anlaß der Besetzung der Stelle, um die es geht, von Schulamtsdirektor Steger, Schulamt für den Kreis O. , unter dem 00.00.0000 erteilten dienstlichen Beurteilungen enthalten übereinstimmend das Gesamturteil "Die Leistungen entsprechen den Anforderungen in besonderem Maße (sehr gut)." Eine Abstufung zwischen diesen Spitzenprädikaten im Rahmen der textlichen Bestandteile der Gesamturteile, mit denen ein Qualifikationsvorsprung trotz im Ergebnis gleichen Gesamturteils erkennbar und nachvollziehbar zum Ausdruck gebracht werden kann,

ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NW), Beschluß vom 14. Februar 1996 - 6 B 75/96 -, m.w.N.,

ist nicht erfolgt. Die Gesamturteile enthalten keine Zusätze. Allerdings kann die Ernennungsbehörde einen Qualifikationsvorsprung auch aus Einzelaussagen einer dienstlichen Beurteilung herleiten, die z.B. erkennen lassen, daß der Beurteilte dem Anforderungsprofil eines Dienstpostens im besonderem Maße gerecht wird.

Vgl. OVG NW, Beschluß vom 29. Januar 1997 - 6 B 2684/96 -, m.w.N.

Auch dies ist jedoch nicht geschehen. Der Antragsgegner stützt seine Auffassung, der Beigeladene sei für den Dienstposten des Leiters der Sonderschule für Geistigbehinderte in H. -I. deutlich besser als die Antragstellerin qualifiziert, auf das Ergebnis der persönlichen Vorstellung beider Bewerber bei dem Schulausschuß des Schulträgers, des Kreises O. . Das reicht wegen der überragenden Bedeutung einer dienstlichen Beurteilung für Personalentscheidungen des Dienstherrn nicht dafür aus, den Beigeladenen als (noch) besser qualifiziert als die Antragstellerin einzustufen.

Auf der Grundlage der dienstlichen Beurteilungen ergibt sich ebensowenig ein Qualifikationsvorsprung des Antragstellers. Insbesondere ist der Antragsgegner zutreffend davon ausgegangen, daß der Antragstellerin gegenüber dem Beigeladenen kein höherwertiges Amt verliehen worden ist; beide haben ein Amt mit dem gleichen Endgrundgehalt inne (vgl. § 25 Abs. 1 LBG NW). Die dienstliche Beurteilung der Antragstellerin hat somit kein größeres Gewicht als die des Beigeladenen.

Hiernach war die Auswahl zwischen der Antragstellerin und dem Beigeladenen im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens nach weiteren Kriterien ("Hilfskriterien") zu treffen. Der Dienstherr kann - nach sachgerechten Gesichtspunkten und lediglich beschränkt durch das Willkürverbot - frei darüber befinden, welchen zusätzlichen Gesichtspunkten er bei im wesentlich gleicher Qualifikation der Konkurrenten größere Bedeutung beimißt.

Ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa OVG NW, Beschluß vom 6. Juli 1992 - 6 B 2483/92 -, m.w.N.

Dies dürfte hier im Ergebnis in rechtlich nicht zu beanstandender Weise geschehen sein:

In diesem Zusammenhang ist zunächst der vom Antragsgegner herangezogene, bereits erwähnte Gesichtspunkt von Bedeutung, der Beigeladene habe im Hinblick auf das Anforderungsprofil des Beförderungsdienstpostens einen "konkretfunktionellen Eignungsvorsprung", er, der Antragsgegner, habe sich insoweit den Erwägungen des Schulträgers bei dessen Vorschlag, den Beigeladenen zu befördern, angeschlossen. Der Beigeladene hatte nach dem Vorbringen des Antragsgegners anläßlich seiner und der Antragstellerin persönlichen Vorstellung beim Schulausschuß des Schulträgers die Mehrzahl der Mitglieder des Schulausschusses insbesondere bezüglich der praktischen Erfahrungen im Unterricht und im Umgang mit geistig behinderten Kindern in höherem Maße als die Antragstellerin überzeugt; sein ehrenamtliches Engagement und seine Erfahrung in der Lebenshilfe für Geistigbehinderte in der Stadt O. waren ebenfalls als Vorteil gesehen worden.

Diese der Wortwahl "konkretfunktioneller Eignungsvorsprung" nach nicht umproblematischen Ausführungen laufen in der Sache auf im Rahmen der Hilfskriterien durchaus berücksichtigungsfähige Erwägungen zum Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle hinaus. Solche Überlegungen müssen sich nicht notwendigerweise aus den Einzelmerkmalen der dienstlichen Beurteilung ableiten lassen. Sie sind verwaltungsgerichtlich nur auf ihre Sachgerechtheit hin überprüfbar. Es ist Sache des Dienstherrn, die Anforderungen und sonstigen sachlichen Umstände zu gewichten, die mit dem konkreten Amt verbunden sind. Insbesondere obliegt dem Dienstherrn im Rahmen seiner Organisationshoheit die Beschreibung des Anforderungsprofils.

Ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa OVG NW, Beschluß vom 21. März 1995 - 6 B 505/95 -, m.w.N.

Des weiteren hat der Antragsgegner im Rahmen der Hilfskriterien seine Auswahlentscheidung auch auf den Schulträgervorschlag (vgl. § 21 a des Schulverwaltungs- gesetzes) als solchen gestützt; dieser habe für die Beförderungsentscheidung ebenfalls eine erhebliche, wenn auch nicht absolut bindende Bedeutung gehabt. Eine Beförderung, die auf einen sachgerechten Vorschlag des Schulträgers hin erfolgt und bei der die Schulaufsichtsbehörde die schulfachliche Eignung des ausgewählten Bewerbers für die zu besetzende Stelle jedenfalls in gleicher Weise wie für den Mitbewerber bejaht hat, kann grundsätzlich rechtlich nicht beanstandet werden.

Ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa OVG NW, Beschluß vom 14. Februar 1996 - 6 B 75/96 -, m.w.N.

Zusätzlich hat der Antragsgegner sich darauf berufen, zwischen der Antragstellerin und dem Schulträger bestehe ein besonderes Spannungsverhältnis, die Antragstellerin könne dem Schulträger als Schulleiterin zur Zeit nicht vermittelt werden. Diese - zuletzt in den Mittelpunkt seiner Überlegungen gestellte - Ermessenserwägung des Antragsgegners läßt schon für sich betrachtet die Auswahlentscheidung als rechtlich beanstandungsfrei erscheinen. Wie ausgeführt worden ist, kann der Dienstherr nach sachgerechten Gesichtspunkten und lediglich beschränkt durch das Willkürverbot des Art. 3 GG frei darüber befinden, welche zusätzlichen Aspekte er im Rahmen seiner Ermessensentscheidung berücksichtigt. Wenn er in diesem Zusammenhang maßgeblich sein läßt, daß zwischen dem Schulträger und einem der Bewerber um eine Schulleiterstelle Spannungen bestehen, ist das sachgerecht. Das ergibt sich ohne weiteres aus dem zutreffenden Argument des Antragsgegners, ein Schulleiter habe in äußeren Schulangelegenheiten eng mit dem Schulträger zusammenzuarbeiten. Daß hier erhebliche Spannungen zwischen der Antragstellerin und dem Kreis O. als Schulträger entstanden sind, die einer Zusammenarbeit hinderlich sein dürften, hat der Antragsgegner auch glaubhaft gemacht. Der Landrat des Kreises O. hat der Ministerin für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen in einem Schreiben vom 00.00.0000 mitgeteilt, die Antragstellerin habe sich, nachdem der Schulträger den Beigeladenen für die Besetzung der Schulleiterstelle vorgeschlagen habe, mehrfach mündlich und schriftlich in einer Art und Weise in dieser Angelegenheit geäußert, die ihre Verwendung an dieser Schule als nicht mehr vertretbar erscheinen lasse. Hierzu verweist der Antragsgegner u.a. auf ein an die "Schulleiterkolleginnen und Schulleiterkollegen" gerichtetes Schreiben der Antragstellerin vom 00.00.0000, in welchem sie ausführte, Schulamtsdirektor Steger habe sich "gründlich daran beteiligt", daß gegen sie "im Vorfeld fleißig Stimmung" gemacht worden sei, ihr habe auch "ein Beinchen gestellt werden" sollen. In einem an die Bezirksregierung Düsseldorf gerichteten Schreiben vom 00.00.0000 hatte die Antragstellerin zudem geltend gemacht, der Vorschlag des Schulträgers zugunsten des Beigeladenen sei "reine Willkür". An der Sachgerechtheit der Erwägung des Antragsgegners, wegen der zwischen der Antragstellerin und dem Schulträger aufgetretenen Spannungen sei dem Schulträger eine Ernennung der Antragstellerin zur Schulleiterin nicht zuzumuten, ändert nichts die von der Antragstellerin ausgesprochene Erwartung, sie könne die Verärgerung des Schulträgers innerhalb kürzester Zeit beseitigen, wenn man ihr Gelegenheit zur Übernahme der Schule gebe. Das gilt auch unter Berücksichtigung des an die Bezirksregierung E. gerichteten Schreibens der Antragstellerin vom 00.00.0000 mit dem Betreff "Mein Brief vom 00.00.00". Darin hat sie ausgeführt, es habe ihr ferngelegen, Schulamtsdirektor T. zu diskreditieren, falls er sich durch die eine oder andere Bemerkung diskreditiert fühle, nehme sie diese mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück. Eine positive Reaktion des Schulträgers hierauf ist dem Akteninhalt nicht zu entnehmen.

Diesen Hilfskriterien durfte der Antragsgegner gemessen an ihrem Gewicht und jedenfalls in ihrer Zusammenschau auch den Vorrang vor dem zugunsten der Antragstellerin sprechenden gesetzgeberischen Ziel der Frauenförderung geben.

Gemäß § 25 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 1 LBG NW sind, soweit im Bereich der für die Beförderung zuständigen Behörde im jeweiligen Beförderungsamt der Laufbahn weniger Frauen als Männer sind, Frauen bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 11. November 1997 - Rs.C-409/95 -, Recht im Amt 1998, 37, ist diese Vorschrift mit der Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/EWG vom 9. Februar 1976 vereinbar, wenn sie den männlichen Bewerbern, die die gleiche Qualifikation wie die weiblichen Bewerber besitzen, in jedem Einzelfall garantiert, daß die Bewerbungen Gegenstand einer objektiven Beurteilung sind, bei der alle die Person der Bewerber betreffenden Kriterien berücksichtigt werden und der den weiblichen Bewerbern eingeräumte Vorrang entfällt, wenn eines oder mehrere dieser Kriterien zugunsten des männlichen Bewerbers überwiegen, und solche Kriterien gegenüber den weiblichen Bewerbern keine diskriminierende Wirkung haben.

Der Senat läßt dahingestellt, ob § 25 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 1 LBG NW unter diesen Voraussetzungen nicht mehr den in seiner bisherigen Rechtsprechung geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt,

vgl. etwa OVG NW, Beschlüsse vom 20. September 1995 - 6 B 1826/95 -, Zeitschrift für Beamtenrecht 1996, 27, sowie vom 27. März 1998 - 6 B 431/98 -,

wies dies der 12. Senat des OVG NW angenommen hat,

vgl. dessen Beschluß vom 29. Mai 1998 - 12 B 247/98 -, NWVBl. 1998, 400.

Der Vorrang der Frauenförderung greift unabhängig davon nicht durch. Bei Berücksichtigung aller die Person der Antragstellerin und des Beigeladenen betreffenden Kriterien durfte der Antragsgegner rechtsfehlerfrei davon ausgehen, daß die zugunsten des Beigeladenen sprechenden Gesichtspunkte überwiegen. Das gilt insbesondere für den vom Antragsgegner als "negative Eignung der Antragstellerin für die zu besetzende Stelle" herangezogenen Umstand, daß zwischen der Antragstellerin und dem Schulträger erhebliche Spannungen aufgetreten sind, die einer gedeihlichen Zusammenarbeit glaubhaft entgegenstehen.

Für die von der Antragstellerin beantragte mündliche Verhandlung sieht der Senat in diesem Beschlußverfahren keinen Anlaß.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes.