OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.11.1998 - 3 A 706/91
Fundstelle
openJur 2011, 81490
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 12 K 4467/89
Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten es übereinstimmend hinsichtlich eines Teilbetrages von 537,95 DM für in der Hauptsache erledigt erklärt haben. Insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 26. November 1990 wirkungslos.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlußberufung des Beklagten wird das angefochtene Urteil teilweise geändert, soweit es den Bescheid des Beklagten vom 5. Juli 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 1989 und des Änderungsbescheides vom 17. Juni 1991 in einem über die Beitragsfestsetzung von 8.532,92 DM hinausgehenden Umfang aufgehoben hat, und die Klage auch insoweit abgewiesen.

Die weitergehende Anschlußberufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen der Kläger neun Zehntel und der Beklage ein Zehntel.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für die endgültige Herstellung eines Abschnitts der Straße Am T. zwischen der G.----straße und dem zwischen den Grundstücken Am T. Nr. 25 und 27 abzweigenden Verbindungsfußweg zur G.----straße .

Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke Gemarkung B. , Flur 19, Flurstücke 639, 637 und 581 in X. . Die Parzelle 639 ist mit einem Wohnhaus bebaut. Sie ist über das etwa 20 m lange und 5 m breite Flurstück 637 von der Straße Am T. her mit Kraftfahrzeugen erreichbar. Für den Erwerb der letztgenannten Parzelle und deren Ausbau als Zufahrt hat der Kläger - nach seinen Angaben - mehr als 10.000 DM aufgewandt. Die Parzelle ist im maßgeblichen Bebauungsplan Nr. 3/69 A als private, mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zu belastende Fläche ausgewiesen; aufgrund Baulastübernahme vom 23. Mai 1978 ist das Grundstück als Zuwegung zu den Flurstücken 639 und 646 jederzeit von baulichen Anlagen und sonstigen Hindernissen freizuhalten. Die Parzelle 581 ist 32 qm groß und liegt außerhalb der im Bebauungsplan durch Baugrenzen festgesetzten überbaubaren Grundstücksflächen.

Die Straße Am T. zwischen der G.----straße und dem zwischen den Grundstücken Am T. Nr. 25 und 27 abzweigenden Verbindungsfußweg zur G.----straße wurde in den Jahren 1977 bis 1985 von der Stadt X. ausgebaut, während die Reststrecke zwischen dem Verbindungsweg und der L. -G1. -Straße zwischen 1975 und 1978 aufgrund eines Erschließungsvertrages vom 30. Mai 1975 durch einen privaten Erschließungsträger programmgemäß hergestellt wurde. Die L. -G. -Straße und die von dieser abzweigende Q. -T. -Straße waren ebenfalls von dem Erschließungsträger hergestellt worden. Die straßenrechtliche Widmung der gesamten Straße Am T. wurde am 12. Dezember 1985 öffentlich bekannt gemacht.

Mit Bescheid vom 5. Juli 1989 zog der Beklagte den Kläger für die Flurstücke 639 und 581 zu einem einheitlichen Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der von der Stadt ausgebauten Strecke der Straße Am T. in Höhe von 9.489,55 DM heran. Am 17. Juli 1989 legte der Kläger Widerspruch ein. Ein Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Bescheides blieb ohne Erfolg (VG Düsseldorf, Beschluß vom 24. Oktober 1989 - 12 L 1249/89 -; OVG NW, Beschluß vom 20. Februar 1990 - 3 B 3474/89 -). Am 12. September 1989 beschloß der Rat der Stadt X. , zum Zwecke der Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die Erschließungsanlage Am T. einen Abschnitt im eingangs beschriebenen Umfang zu bilden (Bekanntmachungsanordnung vom 25. September 1989, Veröffentlichung im Amtsblatt des Kreises W. vom 5. Oktober 1989). Mit Bescheid vom 11. Oktober 1989 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Der Kläger hat am 28. Oktober 1989 Klage erhoben und im wesentlichen geltend gemacht: Seine Grundstücke würden nicht von der abgerechneten Erschließungsanlage, sondern allein von der auf seine Kosten angelegten privaten Zuwegung erschlossen. Mit seiner jetzigen Heranziehung setze sich der Beklagte in Widerspruch zu seiner im Baugenehmigungsverfahren vertretenen Auffassung, als er die Erteilung der Baugenehmigung von dem vorherigen Erwerb und Ausbau der Parzelle 637 abhängig gemacht habe, weil das Flurstück 639 nicht hinreichend erschlossen sei. Jedenfalls müßten seine (des Klägers) Aufwendungen auf den geltend gemachten Erschließungsbeitrag angerechnet werden. Außerdem sei die Verteilung des umlagefähigen Aufwands insofern fehlerhaft, als das Grundstück Am T. Nr. 18 (Flurstück 692) teilweise am Aufwand zu beteiligen sei.

Der Kläger hat (sinngemäß) beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 5. Juli 1989 und dessen Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 1989 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und insoweit auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid und auf den Inhalt des im Eilverfahren ergangenen Beschlusses vom 24. Oktober 1989 Bezug genommen.

Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf das Bezug genommen wird, die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit mit ihnen ein 7.561,85 DM übersteigender Beitrag gefordert wird, und im übrigen die Klage abgewiesen.

Hiergegen haben der Kläger am 8. März 1991 Berufung und am 1. Juni 1991 der Beklagte Anschlußberufung eingelegt.

Zur Begründung trägt der Kläger im wesentlichen vor: Er habe - zumal aufgrund der Lage des streitbefangenen Grundstücks in einem im Bebauungsplan als zusammenhängendes reines Wohngebiet ausgewiesenen Gelände - davon ausgehen dürfen, daß das Grundstück durch die Gemeinde entsprechend ihrem Erschließungsauftrag aus § 123 Abs. 1 BBauG erschlossen werde. Als ihm auf seinen Bauantrag die Baugenehmigung wegen fehlender Erschließung des Grundstücks verweigert worden sei, habe er einen Normenkontrollantrag gestellt; daraufhin habe der Beklagte ihm angeboten, er werde die Baugenehmigung erteilen, wenn er (der Kläger) die Parzelle 637 erwerbe, sein Grundstück über diese Parzelle privat erschließe und den Normenkontrollantrag zurücknehme. Hierauf hätten sich die Beteiligten dann geeinigt. Diese Vereinbarung sei kein Erschließungsvertrag im Sinne von § 123 Abs. 3 BBauG, weil der Beklagte dann gemäß § 129 Abs. 1 BBauG mindestens 10 % des Erschließungsaufwandes hätte übernehmen müssen. Er (der Kläger) sehe sich nunmehr unangemessen benachteiligt. Dies könne nur behoben werden, wenn man das gesamte System der Straßen Am T. , G.- ---straße und L. -G. -Straße einschließlich seiner Erschließungsmaßnahme (Parzelle 637) als ein einheitliches Erschließungsgebiet ansehe. Hierfür sei allerdings eine (bislang nicht erfolgte) Übernahme seiner privaten Erschließungsmaßnahme durch die Gemeinde erforderlich. Zwar sei es grundsätzlich richtig, ihn an den Kosten der abgerechneten Erschließungsanlage zu beteiligen, doch müßten dann auch sämtliche Erschließungsanlagen erfaßt werden, die zur Erschließung der als Bauland ausgewiesenen Grundstücke erforderlich seien, mithin auch sein Aufwand für die von ihm durchgeführte Erschließungsmaßnahme. Seine Ausklammerung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Sein Gegenanspruch für den Erwerb und Ausbau der Parzellen belaufe sich auf 10.381,26 DM und übersteige die Beitragsforderung. Im übrigen sei höchstrichterlich anerkannt, daß ein Beitragserlaß wegen unbilliger Härte in Betracht zu ziehen sei, wenn ein Anlieger bereits Kosten des Ausbaus einer unselbständigen Privatstraße zu tragen hatte.

Mit Änderungsbescheid vom 17. Juni 1991 hat der Beklagte den Ausgangsbescheid in Höhe eines (auf die Parzelle 581 entfallenden) Betrages von 537,95 DM aufgehoben und die (mithin allein die Parzelle 639 betreffende) Beitragsforderung auf 8.951,60 DM reduziert. Hinsichtlich des aufgehobenen Betrages haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern, den Bescheid des Beklagten vom 5. Juli 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 1989 und des Änderungsbescheides vom 17. Juni 1991 aufzuheben und die Anschlußberufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor: Das Flurstück 637 sei nicht Bestandteil der Erschließungsanlage Am T. , sondern sichere aufgrund der auf ihm ruhenden Baulast die Erschließung des Hinterliegergrundstücks 639, mit dem der Kläger folglich beitragspflichtig sei. Zu Unrecht gehe das Verwaltungsgericht davon aus, daß es eines Abschnittsbildungsbeschlusses bedurft habe. Angesichts der vorliegenden Fallkonstellation, daß ein Teilstück der Straße bereits aufgrund eines Erschließungsvertrages ausgebaut worden war, habe in der Frage der Abschnittsbildung für ihn (den Beklagten) kein Entscheidungsspielraum mehr bestanden, sondern ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null vorgelegen. Da ein Fall der rechtlichen Abschnittsbildung vorliege, bestünden Bedenken gegen die vom Verwaltungsgericht in die Berechnung einbezogenen Flurstücke. Jedenfalls die Einbeziehung des Flurstückes 510 sei fehlerhaft, weil dieses als Hinterliegergrundstück über den Wohnweg zur Erschließungsanlage L. -G. -Straße erschlossen sei.

Im Erörterungstermin vom 15. Mai 1996 haben die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens, des vorangegangenen Eilverfahrens VG Düsseldorf 12 L 1249/89 (OVG 3 B 3474/89) sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Soweit die Beteiligten im Erörterungstermin vom 15. Mai 1996 das Verfahren hinsichtlich des auf die Parzelle 581 entfallenden Teilbetrages von 537,95 DM für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und das angefochtene Urteil gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO insoweit für wirkungslos zu erklären.

Hinsichtlich der danach allein noch streitigen Erschließungsbeitragsfestsetzung betreffend die Parzelle 639 in Höhe von 8.951,60 DM ist auf die (insoweit erfolgreiche) Anschlußberufung das erstinstanzliche Urteil zu ändern und sind die angefochtenen Bescheide nur insoweit aufzuheben, als darin ein höherer als der im Tenor ausgewiesene Erschließungsbeitrag festgesetzt und gefordert wird, die Klage somit im Umfang der Urteilsänderung abzuweisen und die weitergehende Anschlußberufung sowie die (gänzlich ohne Erfolg bleibende) Berufung zurückzuweisen.

Die angefochtenen Bescheide sind in Höhe des im Tenor ausgewiesenen Betrages rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie finden ihre Rechtsgrundlage in den §§ 123 ff. des Baugesetzbuches (BauGB) sowie der maßgeblichen Erschließungsbeitragssatzung der Stadt X. vom 15. Dezember 1981 (EBS 1981), die der Senat, soweit hier einschlägig, als wirksames Ortsrecht ansieht.

1. Gegenstand der Beitragspflicht ist vorliegend die Teilstrecke der Straße Am T. zwischen der G.----straße und dem zwischen den Grundstücken Am T. Nr. 25 und 27 abzweigenden Verbindungsfußweg zur G.----straße . Allein diese Teilstrecke - und nicht etwa zusätzlich die weitere Teilstrecke der Straße bis zur Einmündung in die L. -G. -Straße - ist die einer Abrechnung durch Erschließungsbeiträge zugängliche (beitragsfähige) Erschließungsanlage i.S.d. §§ 127 ff. BauGB.

Das Baugesetzbuch enthält in seinem Sechsten Teil mit den §§ 123 bis 126 (Erster Abschnitt) allgemeine Vorschriften zum Erschließungsrecht, namentlich zur Erschließungslast der Gemeinden, die denjenigen über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen durch die Gemeinden (§§ 127 bis 135; Zweiter Abschnitt) vorangestellt sind und insoweit auch systematische Vorgaben enthalten. Nach § 123 Abs. 1 BauGB ist die Erschließung grundsätzlich Aufgabe der Gemeinden. Nach § 124 Abs. 1 BauGB kann die Gemeinde die Erschließung durch Vertrag auf einen Dritten übertragen.

Mit der Entscheidung, durch den Abschluß eines Erschließungsvertrages i.S.v. § 124 Abs. 1 BauGB einen Dritten, in der Regel einen privaten Unternehmer, als Erschließungsträger mit der Herstellung einer Erschließungsanlage auf dessen Rechnung zu beauftragen, anstatt dies selbst und auf eigene Rechnung durchzuführen, trifft die Gemeinde eine grundsätzliche Weichenstellung über das zur Anwendung gelangende Rechtsregime, auf dessen Grundlage die Anlieger an den Kosten der Herstellung der Anlage beteiligt werden:

Während bei einer aufgrund eines Erschließungsvertrages hergestellten Erschließungsanlage der Erschließungsträger in der Regel die ihm entstandenen Kosten für die Herstellung der Erschließungsanlage privatrechtlich - meistens im Rahmen des Kaufvertrages über ein (Bau-) Grundstück auf dessen Erwerber - abwälzt (und die Gemeinde hierauf keinen Einfluß hat), muß die Gemeinde, wenn sie selbst die Erschließungsanlage herstellt, den ihr entstandenen (anderweitig nicht gedeckten) Aufwand nach Maßgabe der §§ 127 ff. BauGB durch die Erhebung von Erschließungsbeiträgen (re-)finanzieren. Mit dem Abschluß eines Erschließungsvertrages trifft eine Gemeinde somit zugleich eine "Regimeentscheidung" darüber, ob die Abgeltung der Kosten für die Herstellung einer Erschließungsanlage im Rahmen des privaten Rechtsgeschäftes zwischen dem Erschließungsträger und dessen Vertragspartner oder aber über die öffentlichrechtliche Refinanzierung durch Erhebung von Erschließungsbeiträgen nach den §§ 127 ff. BauGB erfolgt. Schließen zwei Straßenstrecken unmittelbar aneinander an, von denen die eine im Rahmen eines (wirksamen) Erschließungsvertrages, die andere von der Gemeinde selbst hergestellt worden ist, so liegt an ihrer Schnittstelle zugleich die Grenze des anzuwendenden Rechtsregimes. Dem Refinanzierungssystem des Erschließungsbeitragsrechts unterliegt dann, da die Gemeinde mit den jenseits der erwähnten Schnittstelle entstandenen Herstellungskosten "nichts zu tun" hat, nur die von der Gemeinde selbst hergestellte Verkehrsanlage, nur sie ist die "beitragsfähige Erschließungsanlage" i.S.d. §§ 127 ff. BauGB.

Dies gilt auch dann, wenn die erwähnte Schnittstelle im Verlaufe eines Straßenzuges liegt, der bei natürlicher Betrachtungsweise als eine (einheitliche) Erschließungsanlage erscheint. Zwar ist bei der Beurteilung, ob und in welchem Umfang eine Verkehrsanlage eine (selbständige) Erschließungsanlage darstellt, grundsätzlich auf den Gesamteindruck abzustellen, den die jeweilige Anlage nach den tatsächlichen Verhältnissen vermittelt.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. September 1979 - 4 C 55.76 - Buchholz 406.11 § 130 BBauG Nr. 24 S. 23 (25) und vom 22. März 1996 - 8 C 17.94 - BVerwGE 101, 12 (16); Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 4. Aufl. 1995, § 12 Rdnr. 10 ff. m.w.N.

Allerdings kann ausnahmsweise von dieser grundsätzlich gebotenen natürlichen Betrachtungsweise abzuweichen sein. So können insbesondere Rechtsgründe maßgeblich dafür sein, daß eine einheitliche Verkehrsanlage in mehrere selbständig abrechenbare (beitragsfähige) Erschließungsanlagen zerfällt. Dies ist etwa der Fall bei einer Stichstraße (Sackgasse), die zwar bei natürlicher Betrachtungsweise als Bestandteil der Anbaustraße erscheint, von der sie abzweigt, aber erst nach der endgültigen Herstellung und dem Entstehen der sachlichen Beitragspflichten für die Anbaustraße angelegt worden ist,

vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1990 - 8 C 80.88 - NVwZ 1991, 77 (78),

oder bei einer zum Anbau bestimmten Straßenteilstrecke, um die eine vorhandene (und damit aus Rechtsgründen nicht beitragsfähige) Erschließungsanlage i.S.v. § 242 Abs. 1 BauGB verlängert worden ist,

vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Oktober 1984 - 8 C 41.83 - DVBl. 1985, 294 (295); Driehaus, a.a.O., § 12 Rdnr. 15 m.w.N.,

oder bei der Verlängerung einer bestehenden Innenbereichsstraße um eine Strecke, die im bisherigen Außenbereich verläuft,

vgl. BVerwG, Urteil vom 27. September 1982 - 8 C 145.81 - DVBl. 1983, 135 (136) = KStZ 1983, 95 (97).

Nichts anderes gilt, wenn eine Gemeinde durch den Abschluß eines Erschließungsvertrages und die darin liegende Regimeentscheidung eine Weichenstellung dahingehend vorgenommen hat, daß innerhalb eines (bei natürlicher Betrachtungsweise) einheitlichen Straßenzuges die Herstellungskosten der im Gebiet des Erschließungsvertrages gelegenen Teilstrecke privatrechtlich abgewickelt werden, während die verbleibende Reststrecke von ihr selbst herzustellen und damit über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen abzurechnen ist. Auch dann ist die verbleibende Reststrecke aus Rechtsgründen, eben weil nur sie dem Rechtsregime des Erschließungsbeitragsrechts unterworfen ist, die (allein beitragsfähige) Erschließungsanlage i.S.d. §§ 127 ff. BauGB.

Legt man dies zugrunde, so bedurfte es vorliegend (entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts) keines (weiteren) Willensentschlusses der Gemeinde, wie er für eine Abschnittsbildung i.S.v. § 130 Abs. 2 Satz 2 BauGB erforderlich wäre. Deshalb kommt es nicht darauf an, daß hier die "Abschnittsbildung" vom Rat der Stadt X. erst am 12. September 1989 und damit nach dem Entstehen der sachlichen Beitragspflichten beschlossen wurde, als eine Abschnittsbildung nicht mehr zulässig war.

Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1983 - 8 C 112.82 - BVerwGE 68, 249 (258 f.); Driehaus a.a.O., § 14 Rdnrn.13 und 20.

Der Senat kann offen lassen, ob die Entscheidung einer Gemeinde zum Abschluß eines Erschließungsvertrages in vergleichbarer Weise am Willkürverbot zu messen ist wie eine Abschnittsbildung, die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht vorgenommen werden darf, wenn die Ausbaukosten je Quadratmeter Straßenfläche ausstattungsbedingt in dem einen Abschnitt über ein Drittel höher liegen als in dem anderen Abschnitt.

Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 7. Juni 1996 - 8 C 30.94 - BVerwGE 101, 225 (232 ff.).

Denn angesichts der verhältnismäßig geringen Unterschiede in den Straßenbreiten - regelmäßig ca. 9 Meter im "Beitragsgebiet" und (abgesehen von einer Verengung auf ca. 9 Meter im Einmündungsbereich zur L. -G. -Straße) regelmäßig ca. 11 Meter im Gebiet des Erschließungsvertrages - ist hier kein Anhaltspunkt für eine solche Verzerrung der Kostenlasten zwischen den beiden Teilstrecken der Straße Am T. gegeben.

2. Entgegen der Ansicht des Klägers, der dies in den Mittelpunkt seines Vorbringens stellt, ist er für die erstmalige Herstellung des streitgegenständlichen Teils der Straße Am T. beitragspflichtig, weil das Flurstück 639 durch die Straße Am T. i.S.v. § 131 Abs. 1 und § 133 Abs. 1 BauGB erschlossen wird.

Bei der Parzelle 639 handelt es sich um ein sog. Hinterliegergrundstück, da sie von der Anbaustraße durch ein Anliegergrundstück, die (Wege-) Parzelle 637 (im übrigen auch durch das vorgelagerte, in fremdem Eigentum stehende Flurstück 638), getrennt ist. Ein solches Hinterliegergrundstück ist, unabhängig davon, ob das trennende Anliegergrundstück (Parzelle 637) selbständig bebaubar ist oder nicht (hier ist Letzteres der Fall) und ob Anlieger- und Hinterliegergrundstück im Eigentum derselben Person stehen (was hier der Fall ist), jedenfalls dann von der betreffenden Anbaustraße erschlossen i.S.v. § 131 Abs. 1 BauGB (und unterliegt der Beitragspflicht nach § 133 Abs. 1 BauGB), wenn in dem maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten (§ 133 Abs. 2 BauGB) eine Zufahrt von der Anbaustraße über das Anliegergrundstück zum Hinterliegergrundstück tatsächlich vorhanden ist und diese Zufahrt in einer Weise rechtlich gesichert ist, die den bauordnungsrechtlichen Anforderungen an eine hinreichende Erreichbarkeit genügt.

Vgl. Driehaus, a.a.O., § 17 Rdnr. 70 unter Berufung auf BVerwG, Urteile vom 14. Januar 1983 - 8 C 81.81 - NVwZ 1983, 669 und vom 3. Februar 1989 - 8 C 78.88 - NVwZ 1989, 1072.

Erforderlich ist danach, daß die abgerechnete Straße die Möglichkeit eröffnet, unter Inanspruchnahme des die Erschließung vermittelnden - privaten - Zuwegs mit Personen- und Versorgungsfahrzeugen bis an die Grenze des Hinterliegergrundstücks zu fahren und dieses von da ab zu betreten.

Vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 20. August 1986 - 8 C 58.85 - DVBl. 1987, 628 und vom 3. November 1987 - 8 C 77.86 - DVBl. 1988, 242 (243); OVG NW, Urteil vom 31. Januar 1989 - 3 A 922/97 - NWVBl. 1990, 304 (306).

Liegen - wie hier - im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht das Anliegergrundstück (die Wege-Parzelle 637) und das Hinterliegergrundstück 639 in der Hand desselben Eigentümers (des Klägers), so ist das Erfordernis des Erschlossenseins i.S.v. § 131 Abs. 1 wie von § 133 Abs. 1 BauGB ohne weiteres zu bejahen, weil es bei einer solchen Konstellation in der Hand (eben) des Eigentümers liegt, den vom Bebauungs- wie vom Bauordnungsrecht verlangten Erreichbarkeitsanforderungen zu genügen.

So Driehaus, a.a.O., § 17 Rdnr. 75.

Vorliegend ist durch die öffentlichrechtliche Absicherung des Zufahrtsrecht sogar ein "Mehr" getan als nach den damaligen (und gegenwärtigen) Eigentümerverhältnissen gefordert gewesen wäre (bzw. ist).

Vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 31. Januar 1989, a.a.O.

Zu den Hinterliegergrundstücken im obigen Sinne gehört auch ein Grundstück, das - wie hier - mit der Anbaustraße durch einen von dieser abzweigenden unselbständigen, aber tatsächlich wie rechtlich befahrbaren Privatweg verbunden ist.

Vgl. Driehaus, a.a.O., § 17 Rdnr. 78 (mit dem weiteren Beispiel einer ebenfalls unselbständigen öffentlichen Zufahrt von etwa 20 m Tiefe).

Eine abweichende Betrachtung ergäbe sich nur dann, wenn es sich bei der vom Kläger angelegten Verkehrsfläche um eine selbständige, private Erschließungsanlage handelte; dies ist vorliegend nach den hierfür maßgeblichen Kriterien wie Länge (hier nur ca. 20 m) und Anzahl der an die Anlage grenzenden Grundstücke (hier vier) zu verneinen.

Vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 11. September 1984 - 8 C 77.83 - BVerwGE 70, 247 (250) und vom 25. Januar 1985 - 8 C 106.83 - NVwZ 1995, 753 sowie Driehaus, a.a.O., § 5 Rndr. 6 ff.

3. Der Beklagte hat - abgesehen von dem zusätzlich einzubeziehenden Grundstück Am T. Nr. 18 (Flurstück 692) - der Beitragserhebung einen insgesamt zutreffend gebildeten Ermittlungsraum zugrunde gelegt.

a) Das Flurstück 692 (Am T. 18) ist in die Abrechnung einzubeziehen, weil es mit einem Teil seiner südlichen Grundstücksgrenze (in einer Breite von ca. 3,5 Metern) an der Erschließungsanlage gelegen ist und somit von dieser erschlossen wird. Das Flurstück ist mit seiner gesamten Grundstücksfläche von 490 qm in die Abrechnung einzustellen. Eine Anwendung der Zwei-Drittel-Vergünstigung des § 6 D Abs. 1 EBS 1981 für mehrfach erschlossene Grundstücke auf dieses Flurstück kommt nicht in Betracht. Dem steht der eindeutige Wortlaut der Regelung des § 6 D Abs. 2 Buchst. b EBS 1981 entgegen, wonach diese Vergünstigung nicht gilt, wenn ein Erschließungsbeitrag nur für eine Erschließungsanlage erhoben wird und Beiträge für weitere Anlagen weder nach geltendem Recht noch nach vergleichbaren Rechtsvorschriften erhoben worden sind oder erhoben werden dürfen. Bei dem anderen (zum Gebiet des Erschließungsvertrages gehörenden) Teilstück der Straße Am T. , an das das Flurstück 692 mit seiner restlichen Frontlänge angrenzt, handelt es sich um eine "weitere (nämlich selbständige Erschließungs-) Anlage" in diesem Sinne, für die - weil sie nicht dem Rechtsregime der §§ 127 ff. BauGB unterworfen ist - Erschließungsbeiträge weder erhoben worden sind noch erhoben werden dürfen. Zwar dürften die zum (Erschließungs-) Vertragsgebiet gehörenden Anlieger regelmäßig über den Kaufpreis für den Erwerb ihres Grundstücks an den Kosten der Herstellung dieses Teilstücks beteiligt worden sein mit der Folge, daß der Eigentümer des Flurstücks 692 unter einem zweifachen Gesichtspunkt (nach zwei Rechtsregimen) kostenpflichtig wäre. Dies beruht jedoch auf der besonderen Lage gerade dieses Grundstücks an der Schnittstelle der beiden Rechtsregime. Angesichts der Tatsache, daß das "Ob" und "Wie" einer Vergünstigung für Mehrfacherschließung weitestgehend im (Gestaltungs-) Ermessen der Gemeinde liegt, würde das Gericht mit einer Anwendung der Zwei-Drittel-Vergünstigung auf den vorliegenden Fall - und über den Wortlaut des § 6 D Abs. 2 Buchst. b EBS 1981 hinaus - im Ergebnis sein Ermessen an die Stelle desjenigen der Gemeinde setzen. Dies ist dem Gericht verwehrt. Sollte hier aus Gründen der Billigkeit Abhilfe nötig werden, wäre diese ggfs. im Rahmen der Erlaßvorschrift des § 135 Abs. 5 BauGB zu schaffen.

b) Weitere Grundstücke, die an dem zwischen den Grundstücken Am T. 25 und 27 abzweigenden (etwa drei Meter breiten) Verbindungsfußweg zur G.----straße in einer Entfernung von bis zu 50 Metern von der Straße Am T. gelegen sind, namentlich die Flurstücke 422, 510 und 509 (Am T. 27, L. -G. -Straße 34 und 26) sind nicht in das Abrechnungsgebiet einzubeziehen: Sie sind bereits anderweitig erschlossen und ihnen wird über den erwähnten Verbindungsfußweg durch die hier streitige Erschließungsanlage keine weitergehende Erschließung (Ersterschließung) vermittelt. Denn das Flurstück 422 wird unmittelbar durch den zum Gebiet des Erschließungsvertrages gehörenden Teil der Straße Am T. selbst, hingegen werden das Flurstück 510 über die (mit einem Geh-, Fahr- und Leitungsrecht zu belastende) Wegeparzelle 431 und das Flurstück 509 über die Wegeparzelle 447 durch die L. -G. -Straße erschlossen. Insoweit fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, daß der erwähnte Verbindungsfußweg - jedenfalls in der hier interessierenden Teilstrecke - zum Anbau bestimmt wäre bzw. zu der für eine Bebauung erforderlichen (Erst-) Erschließung dieser Flurstücke etwas beitragen könnte (§ 127 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 BauGB). Dasselbe gilt für das Flurstück 501 (L. -G. -Straße 18), das zwar über die Wegeparzellen 552/448 in einer Entfernung von unter 50 Metern zur abgerechneten Erschließungsanlage liegt, jedoch seine plangemäße Erschließung (in Form der Anfahrbarkeit) über die mit einem Geh-, Fahr- und Leitungsrecht zu belastenden Wegeparzellen 468/469 durch die L. -G. -Straße erfährt.

4. Soweit der Kläger geltend macht, daß seine Aufwendungen für den Ausbau der Parzelle 637 als Zufahrt Anlaß für einen Billigkeitserlaß (§ 135 Abs. 5 BauGB) seien, ist dem hier schon deshalb nicht weiter nachzugehen, weil hierüber in einem gesonderten (zunächst Verwaltungs-) Verfahren zu entscheiden wäre.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 1984 - 8 C 124.82 - BVerwGE 70, 96 (97 ff.); Driehaus, a.a.O., § 26 Rdnr. 38 f.

5. Die Verkleinerung des Abrechnungsgebietes um das klägerische Flurstück 581 und seine Vergrößerung um das Flurstück 692 ergeben eine Gesamt-Beitragsfläche (Flächeneinheiten) im Abrechnungsgebiet von 10.476,66 Einheiten. Bei einem unveränderten umzulegenden Erschließungsaufwand von 177.374,17 DM errechnet sich hieraus ein Beitragssatz von 16,930411 DM/Einheit, woraus für das Flurstück 639 (504 qm oder Einheiten) ein Erschließungsbeitrag von 8.532,92 DM folgt.

Die Kosten hinsichtlich des für erledigt erklärten Teilbetrags von 537,95 DM sind nach § 161 Abs. 2 VwGO dem Beklagten aufzuerlegen, weil er durch die Beitragsreduzierung (Änderungsbescheid vom 17. Juni 1991) dem Klagebegehren insoweit entsprochen hat. Im übrigen sind die Kosten entsprechend dem Maß des (endgültigen) Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten aufzuteilen (§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Hinsichtlich der streitig gebliebenen Beitragsforderung in Höhe von 8.951,60 DM obsiegt der Kläger in Höhe eines Teilbetrages von 418,68 DM (der Differenz zu dem oben errechneten zutreffenden Erschließungsbeitrag in Höhe von 8.532,92 DM). Zusammen mit dem erledigten Teil führt dies zu der im Tenor ausgewiesenen Kostenquote.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat läßt gemäß § 132 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, weil die Frage grundsätzliche Bedeutung hat, ob bei einer Verkehrsanlage, die hinsichtlich einer Teilstrecke Gegenstand eines Erschließungsvertrages i.S.v. § 124 Abs. 1 BauGB, hinsichtlich der anderen Teilstrecke dagegen von der Gemeinde selbst hergestellt worden ist, die gemeindliche Strecke aus Rechtsgründen, nämlich weil allein sie dem Regime der §§ 127 ff. BauGB unterliegt, eine Erschließungsanlage darstellt mit der Folge, daß es insoweit vor einer Beitragserhebung keines (weiteren) Willensentschlusses der Gemeinde, insbesondere keiner Entscheidung über eine Abschnittsbildung i.S.v. § 130 Abs. 2 Satz 2 BauGB, bedarf.