OLG Hamm, Urteil vom 15.01.1999 - 35 U 30/98
Fundstelle
openJur 2011, 81427
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 42 O 21/98
Tenor

Die Berufung gegen das am 13. März 1999 verkündete Teil-Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufungsinstanz.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das Urteil beschwert keine Partei um mehr als 60.000,00 DM.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz um den Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Buchauszuges für die Zeit vom 01. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 1997.

Seit dem 01. August 1992 ist der Kläger aufgrund des Handelsvertretervertrages vom 13. Juli/18. Juli 1992 für die Beklagte tätig. Diese vertreibt Präsentartikel. Dem Kläger wurde die Vertretung in einem Vertretungsbezirk - Nordbayern - übertragen. Seine Tätigkeit wurde verprovisioniert. Bemessen war die Provision nach den eingegangenen Rechnungsbeträgen aus Aufträgen, die der Beklagten aus dem Vertreterbezirk zugingen. Die Provisionsabrechnungen sollten nach dem Vertrag monatlich erstellt und der errechnete Betrag ausgezahlt werden. § 10 des Vertrages enthielt folgende Regelung:

Der Anspruch des Handelsvertreters auf Provision verjährt in sechs Monaten nach Fälligkeit der Provision. Der Anspruch des Unternehmers auf Erstattung der Provision verjährt ebenfalls in sechs Monaten.

Mit Schreiben vom 02. Juli 1997 kündigte der Kläger das Vertragsverhältnis. In dem Kündigungsschreiben teilte er mit, er habe sich entschlossen, das gegenseitige Handelsvertragsverhältnis aus gesundheitlichen Gründen ausgleichserhaltend zum 31.08.1997 zu kündigen. Sein Gesundheitszustand lasse ihm leider keine andere Wahl mehr. Durch den Wirtschaftsverband C e.V. ließ er unter dem 02. Oktober 1997 den Ausgleichsanspruch in Höhe von 53.414,37 DM netto geltend machen. Ebenso ließ er die restlichen Überhangprovisionen von ca. 15.000,00 DM einfordern. Die Beklagte erteilte dem Kläger eine Abrechnung bezüglich der Überhangprovisionen. Den errechneten Betrag von 10.176,55 DM netto zahlte sie. Weitere Zahlungen lehnte sie jedoch ab.

Im Wege der Stufenklage hat der Kläger einen Buchauszug über alle provisionspflichtigen Geschäfte im Vertreterbezirk in dem Zeitraum vom 01. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 1997 sowie die Zahlung der sich danach ergebenden Provisionen verlangt. Zugleich hat er den Ausgleichsanspruch in Höhe von 54.286,63 DM netto beansprucht.

Der Kläger hat beantragt,

1.

die Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen,

a)

dem Kläger einen vollständigen Buchauszug über alle provisionspflichtigen Geschäfte im Vertreterbezirk für den Zeitraum 01.01.1994 bis 31.12.1997 zu erteilen,

b)

den nach Vorlage des Buchauszugs sich ergebenden Provisionsbetrag und 5 % Zinsen seit dem 30. des auf die Erteilung des Buchauszugs folgenden Monat an den Kläger zu zahlen,

2.

die Beklagte zu verurteilen, 54.286,63 DM netto zuzüglich 15 % Mehrwertsteuer als Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB nebst 5 % Zinsen seit dem 01.09.1997 an ihn zu zahlen,

3.

hilfsweise ihm Vollstreckungsnachlaß zu gewähren,

4.

ferner ihm zu gestatten, eine etwaige Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer Bank oder Sparkasse mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland leisten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges nicht zu, da er keine Provisionsansprüche habe. Sie hat gegenüber Provisionsansprüchen die Einrede der Verjährung unter Hinweis auf § 10 des Handelsvertretervertrages erhoben.

Gegenüber dem Anspruch auf Zahlung eines Handelsvertreterausgleichs hat sie die Auffassung vertreten, dieser stehe dem Kläger wegen der Eigenkündigung nicht zu. Auch seien die sonstigen Voraussetzungen für dessen Höhe nicht gegeben.

Das Landgericht hat mit dem Teilurteil vom 13. März 1998 die Beklagte verurteilt, dem Kläger einen vollständigen Buchauszug über alle provisionspflichtigen Geschäfte in seinem Vertreterbezirk für den Zeitraum vom 01. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 1997 zu erteilen. Dazu hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger könne einen Buchauszug verlangen, auch wenn die Provisionsansprüche aus der Zeit bis zum 18. August 1997 nach der vertraglichen Regelung verjährt seien. Zwischenzeitlich dürften jedoch Provisionszahlungen erfolgt sein. Um eine Gesamtabrechnung vornehmen, den Saldo ermitteln und die Frage der Verjährung für den verbleibenden Anspruch zuverlässig beurteilen zu können, bedürfe es einer Abrechnung über den gesamten Zeitraum.

Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie erstrebt die Abweisung der Klage und meint dazu, als Hilfsanspruch könne der Buchauszug dann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn Provisionsansprüche nicht mehr durchgesetzt werden könnten. Dies sei der Fall für alle Ansprüche aus der Zeit bis zum 17. August 1997, denn diese seien verjährt. Darauf habe sie sich auch berufen. Die in dem Vertrag getroffene Regelung, die mit dem Kläger ausgehandelt worden sei, werde den Interessen beider Parteien angemessen gerecht. Insbesondere liege eine Interessenbeeinträchtigung des Klägers nicht vor. Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges bestehe auch für die Zeit vom 18. August bis zum 31. Dezember 1997 nicht mehr, da die Provisionsansprüche wegen Erfüllung gemäß § 362 BGB erloschen seien. Auch im Hinblick auf den Ausgleichsanspruch habe der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges.

Die Beklagte beantragt,

abändernd das Teilurteils des Landgerichts Essen vom 13.03.1998 (42 O 21/98) aufzuheben und die Klage auf Erteilung eines Buchauszuges für den Zeitraum vom 01.01.1994 bis zum 31.12.1997 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dazu trägt er vor, die Verkürzung der Verjährungsfrist in dem Handelsvertretervertrag sei unwirksam. Es handele sich um einen für eine Vielzahl von Fällen vorformulierten Vertrag der Beklagten. Diesen habe sie mit sämtlichen Handelsvertretern abgeschlossen. Die vertragliche Regelung beachte nicht das Gebot der Gleichbehandung der Ansprüche von Handelsvertreter und Unternehmer. Es bleibe offen, wann der Lauf der Verjährungsfrist für die Erstattung der Provision beginnen solle. Dies sei eine von der Beklagten bewußt gewollte Regelungslücke. Zudem sei der Beginn der Verjährung der Ansprüche des Handelsvertreters nur an die Fälligkeit der Provisionsansprüche geknüpft. Im Gegensatz zum Unternehmer könne der Handelsvertreter die Höhe seiner Provisionsansprüche erst nach einer Abrechnung des Unternehmers feststellen. Demgegenüber sei dies dem Unternehmer anhand der ihm vorliegenden Unterlagen jederzeit möglich. Ein anerkennenswertes Interesse der Beklagten an einer derart drastischen Verkürzung der Verjährungsfrist auf sechs Monate sei nicht gegeben.

Der Buchauszug sei auch für die Zeit ab 18. August 1997 zu erteilen, da die vorgelegten Abrechnungen in keiner Weise die Anforderungen erfüllten, die an einen Buchauszug zu stellen seien.

Wegen des weitergehenden Vortrages wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst ihren Anlagen verwiesen.

Der Geschäftsführer der Beklagten hat vor dem Senat erklärt:

Jeder einzelne Punkt des Handelsvertretervertrages ist bei Vertragsschluß angesprochen worden. Wir haben bewußt die zwei Faktoren - Provisionsanspruch einerseits und Rückforderungsanspruch andererseits - angesprochen. Wir wollten insoweit die Regelung verständlich machen. Wir sind auf die Verkürzung der Verjährungsfrist gekommen, da wir viele Unterlagen nicht länger als zwei Jahre aufbewahren. Der Handelsvertreter bekommt zudem eine monatliche Aufstellung, aus der er den Auftragsbestand im einzelnen erkennen kann.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht durch das angefochtene Teil-Urteil die Beklagte verurteilt, einen Buchauszug für die Zeit vom 01. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 1997 zu erteilen.

1.

Nach § 87 c Abs. 2 HGB kann der Handelsvertreter bei der Abrechnung einen Buchauszug über alle Geschäfte verlangen, für die ihm nach § 87 HGB Provision gebührt. Erforderlich ist lediglich ein Verlangen des Handelsvertreters. Eine Begründung für dieses Verlangen muß er nicht geben. Ebensowenig sind Zweifel an der Vollständigkeit der erteilten Provisionsabrechnungen Voraussetzung für den Anspruch. Auch hohe Kosten machen das Verlangen nach einem Buchauszug nicht mißbräuchlich.

Soweit die Beklagte sich gegen dieses Verlangen stellt mit dem Hinweis, angesichts der vollständig erteilten Provisionsabrechnungen bedürfe der Kläger des Buchauszuges nicht, dies lasse sein Verlangen als schikanös erscheinen, ist dieser Einwand nicht erheblich. Es ist nämlich zu differenzieren zwischen dem Anspruch des Handelsvertreters auf Abrechnung der Provisionen nach § 87 c Abs. 1 HGB und dessen Anspruch auf Erteilung des Buchauszuges nach § 87 c Abs. 2 HGB. Die Abrechnungspflicht des Unternehmers dient dem Zweck, dem Handelsvertreter darüber Aufschluß zu geben, auf welche Provisionen er Anspruch hat. Die Abrechnung soll ihm ermöglichen, unter Vergleich mit seinen eigenen Unterlagen zuverlässig nachzuprüfen, ob alle ihm zustehenden Provisionen und sonstigen Vergütungen lückenlos erfaßt sind (Hopt, Handelsvertreterrecht, § 87 c Rdn. 3). Über diese Intention hinaus geht indes der Anspruch des Handelsvertreters auf Erteilung eines Buchauszuges. Dieser soll dem Handelsvertreter in Ergänzung der Abrechnung und insbesondere zu ihrer Nachprüfung umfassend Kenntnis und Auskunft über alle provisionspflichtigen Geschäfte vermitteln. Es ist deshalb anerkannt, daß sich der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges auch auf solche Geschäfte erstreckt, bei denen die Entstehung eines Provisionsanspruches zwischen den Parteien streitig ist. Die Beklagte kann danach nicht den Buchauszug mit der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgebrachten Behauptung erfolgreich entgegentreten, sie habe alle Ansprüche des Klägers tatsächlich abgerechnet und erfüllt. Diese Behauptung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, ist gerade Sinn und Zweck des Buchauszuges.

2.

Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges ist für die Zeit ab 01.01.1994 auch nicht gegenstandslos geworden. Dies kann der Fall sein, wenn der Provisionsanspruch, dessen Geltendmachung er dienen soll, verjährt ist oder aus anderen Gründen nicht mehr durchgesetzt werden kann. Als Hilfsanspruch verliert der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges in diesen Fällen seine Bedeutung.

Provisionsansprüche des Klägers für die Zeit ab 01.01.1994 sind nicht verjährt. Für sie gilt die allgemeine Verjährungsfrist des § 88 HGB. Es gilt nicht die vertragliche Regelung in § 10 des Handelsvertretervertrages, wonach der Anspruch des Handelsvertreters auf Provision in 6 Monaten nach Fälligkeit der Provision verjährt. Dieser vertraglichen Regelung ist die Wirksamkeit zu versagen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei dieser Regelung um eine formularmäßige, für alle Verträge der Beklagten mit ihren Handelsvertretern gültige Vertragsgestaltung handelt, wie der Kläger behauptet, oder ob sich die getroffene Regelung als Ergebnis einer individuellen Vertragsaushandlung darstellt.

Der Senat hat eine in einem formularmäßigen Vertrag getroffene Regelung, wonach Ansprüche aus einem Handelsvertreterverhältnis in 6 Monaten verjähren, nach § 9 AGBG als unwirksam erachtet, wenn nicht für den Beginn des Laufs der Verjährung der abgekürzten Frist die Kenntnis von der Anspruchsentstehung zur Voraussetzung gemacht ist (Senatsurteil vom 16.12.1996 - 35 U 43/95 - OLGR Hamm 1997, 54; dazu auch BGH NJW-RR 1991, 35; NJW 1996, 2097). Dabei hat der Senat die Unwirksamkeit der vertraglichen Regelung nicht allein daraus hergeleitet, daß die Verjährungsfrist des § 88 HGB auf die äußerst kurze Dauer von sechs Monaten reduziert wurde. Für eine Abkürzung der Verjährungsfrist auf diesen kurzen Zeitraum können anerkennenswerte Interessen der Parteien, zumindest des Unternehmes sprechen. Auf diese Weise kann eine zügige Abwicklung des Vertrages und eine baldige Klärung der beiderseitigen Rechte und Pflichten bewirkt werden. Eine derartige Regelung hat jedoch zu beachten, daß die kurze Verjährungsfrist sowohl für Ansprüche des Handelsvertreters als auch für solche des Unternehmers gelten muß. Die Regelung muß zudem ausschließen, daß die Interessen des Handelsvertreters unangemessen benachteiligt werden. So liegt es jedoch nicht, wenn die Abkürzung der Verjährung auch Provisionsansprüche umfaßt, bevor der Handelsvertreter überhaut von ihrer Existenz Kenntnis erlangt hat. Es ist ein Gebot von Treu und Glauben, daß die Verjährung eines Anspruchs zu Lasten des Berechtigten nicht beginnen kann, solange dieser nicht in der Lage ist, den Anspruch geltend zu machen und eine bereits laufende Verjährung durch Klageerhebung zu unterbrechen.

Auch eine in einem Individualvertrag ausgehandelte Regelung, die diesen Erfordernissen nicht gerecht wird, verstößt gegen Treu und Glauben. Sie beinhaltet eine unangemessene Benachteiligung des Handelsvertreters und ist unwirksam (vgl. auch BGH NJW 1996, 2097, 2099 zu 2 b) aa).

Eine derartige Fallgestaltung kennzeichnet die zwischen den Parteien getroffene Regelung. Nach § 10 des Vertrages verjährt der Anspruch des Handelsvertreters auf Provision in sechs Monaten nach Fälligkeit der Provision. Die Kenntnis von der Entstehung des Anspruchs ist nicht zum Gegenstand der Verjährungsregelung gemacht worden. In Ermangelung einer abweichenden vertraglichen Regelung tritt die Fälligkeit nach §§ 87 a Abs. 4, 87 c Abs. 1 HGB mit dem letzten Tag des Monats ein, in dem abzurechnen ist. Die so getroffene Regelung kann daher zu einer nicht hinnehmbaren Verkürzung der Rechte des Handelsvertreters führen, die durch das Interesse des Unternehmers an einer zügigen Abwicklung der Provisionsansprüche nicht mehr gerechtfertigt werden kann.

4.

Der Anspruch auf Erteilung des Buchauszuges ist ebensowenig durch Erfüllung erloschen.

Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges ist erst dann erfüllt, wenn der Handelsvertreter eine geordnete, aus sich selbst heraus verständliche Übersicht über alle Geschäfte des Unternehmers mit den dem Handelsvertreter vertraglich zugewiesenen Kunden erhält. Die Aufstellung muß eine bis ins einzelne gehende Bestandsaufnahme der Kundenbeziehungen des Unternehmers enthalten. Aus der Aufstellung muß sich das Schicksal des jeweiligen Geschäfts von seinem Zustandekommen bis zu seiner endgültigen Abwicklung entnehmen lassen. Deshalb muß ein Buchauszug in der Regel Angaben zum Namen und der Anschrift des Kunden, zur Kundennummer, zum Datum der Auftragserteilung, zum Umfang des erteilten Auftrags, zum Datum der Auftragsbestätigung, zum Datum der Lieferung, zum Umfang der Lieferung, zum Datum und der Nummer der Rechnung, zum Rechnungsbetrag, zum Datum der Zahlung und zur Höhe der gezahlten Beträge enthalten. Nur wenn die dem Handelsvertreter erteilten Abrechnungen diesen Erfordernissen genügen, kann der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges als erfüllt gelten.

So liegt es im Streitfall jedoch nicht. Die Beklagte verweist auf die zu den Akten gereichten Aufstellungen. Diese enthalten lediglich das Rechnungsdatum, den Namen des Kunden, den provisionspflichtigen Umsatz, den Provisionssatz und die daraus errechnete Provision. Zu den zuvor genannten weiteren Erfordernissen verhalten sich die Aufstellungen hingegen nicht.

5.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.