VG Düsseldorf, Beschluss vom 22.04.1999 - 22 L 1211/99
Fundstelle
openJur 2011, 80427
  • Rkr:
Tenor

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung

verpflichtet, unter Erteilung der Zustimmung darlehensweise

die Kaution für die Wohnung der Antragstellerinnen in der

Cstraße 00, 00000 E, in Höhe von 1.380,00 DM zu

übernehmen.

Im übrigen wird der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen An-

ordnung abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht er-

hoben werden, werden den Beteiligten je zur Hälfte auf-

erlegt.

Der Tenor der Entscheidung soll den Beteiligten vorab tele-

fonisch bekanntgegeben werden.

Gründe

Der am 1. April 1999 bei Gericht gestellte Antrag,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu

verpflichten,

1. darlehensweise die Kaution für die Wohnung der Antrag-

stellerinnen in der Cstraße 00, 00000 E, in

Höhe von 1.380,00 DM zu übernehmen,

2. darlehensweise einmalige Beihilfen zu gewähren für die

Renovierung der vorgenannten Wohnung sowie zur Beschaf-

fung von Teppichboden für 3 Zimmer, 4 Deckenlampen,

Kleiderstangen, Gardinen, 1 Waschmaschine, 1 Staubsauger,

1 Bügeleisen sowie einer Haushaltsgrundausstattung,

ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Der Erlaß einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, daß sowohl das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs (Anspruch auf die begehrte Leistung) als auch eines Anordnungsgrundes (Dringlichkeit der gerichtlichen Entscheidung) glaubhaft gemacht werden (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).

Hinsichtlich des Antrages zu 1. haben die Antragstellerinnen sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Sie haben gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Zustimmung zur Übernahme der Mietkaution und darlehensweise Gewährung dieser Kaution gemäß §§ 11 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 5, 6 der Verordnung zur Durchführung des § 22 des Bundessozialhilfegesetzes vom 20. Juli 1962 in der Fassung des Artikel 11 des Gesetzes zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996 (Regelsatzverordnung).

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 5 der Regelsatzverordnung können Mietkautionen bei vorheriger Zustimmung übernommen werden. Nach Satz 6 der Vorschrift soll eine Zustimmung erteilt werden, wenn der Umzug durch den Träger der Sozialhilfe veranlaßt wird oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zustimmung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann.

Die Antragsgegnerin ist für die Entscheidung über die Erteilung der Zustimmung zuständig. Zwar läßt sich aus § 3 Abs. 1 Satz 5 Regelsatzverordnung selbst nicht entnehmen, wessen vorherige Zustimmung für die Übernahme der Mietkaution einzuholen ist. Gesetzessystematisch knüpft die Regelung des Satzes 5 des § 3 Abs. 1 Regelsatzverordnung jedoch an die vorherigen Sätze dieses Absatzes an, insbesondere an dessen Satz 3, der in seinem 1. Halbsatz die Verpflichtung des Hilfeempfängers zur vorherigen Information des „dort", nämlich am Ort der neuen Unterkunft, zuständigen Sozialhilfeträger über die maßgeblichen Umstände normiert und im 2. Halbsatz den Anspruch des Hilfeempfängers auf Übernahme und angemessen hohe Aufwendungen von der Zustimmung eben dieses Sozialhilfeträgers abhängig macht. Dieser Regelungszusammenhang spricht dafür, daß auch § 3 Absatz 1 Satz 5 Regelsatzverordnung im Hinblick auf die Mietkaution auf die vorherige Zustimmung desselben Sozialhilfeträger abstellt. Mit der Kompetenz, über die Übernahme der Kaution vorab zu entscheiden, ist aber notwendig auch die Kostentragungspflicht im Verhältnis zum Hilfeempfänger verbunden. Andernfalls würde durch die Zustimmung des einen Sozialhilfeträgers ein anderer Sozialhilfeträger im Außenverhältnis gegenüber dem Hilfeempfänger gebunden. Dieses widerspräche - wie ein Vergleich wiederum mit § 3 Abs. 1 Satz 3 Regelsatzverordnung ergibt - der Konzeption des Verordnungsgebers. Schließlich entspricht es auch Sinn und Zweck der Regelung des § 3 Abs. 1 Regelsatzverordnung, die Entscheidung über die Angemessenheit der Miete wie der Kaution bei einem, und zwar bei dem Sozialhilfeträger, in dessen Zuständigkeitsbereich sich die neue Unterkunft befindet, zu konzentrieren. Denn zwischen Höhe des Mietzinses und Kaution bestehen in der Regel Abhängigkeiten in der Form, daß die zu erbringende Kaution das Doppelte oder Dreifache der Monatsmiete beträgt. Auch kann allein der mit den örtlichen Besonderheiten des Wohnungsmarktes vertraute Sozialhilfeträger beurteilen, ob die vom Vermieter gestellte Kautionsforderung ortsüblich ist. Aus diesen Gründen hat auch das Oberverwaltungsgericht Hamburg in seinem Beschluß vom 22. November 1995 - Bs IV 302/95 -, in: Fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs- und Sozialgerichte (FEVS) 46, 391 ff, zu § 3 Regelsatzverordnung alter Fassung die Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers, in dessen Bereich die zukünftige Unterkunft sich befindet, für die Zustimmung auch dann angenommen, wenn sich der Hilfeempfänger derzeit noch im Bereich eines anderen Sozialhilfeträgers aufhält:

„Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Regelsatzverordnung) wird angesichts der jeweiligen örtlichen Besonderheiten des Wohnungsmarktes von den Sozialhilfeträgern unterschiedlich beurteilt....

Spätestens mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Aufenthaltes

in der neuen Wohnung ist der dafür örtlich zuständige Sozialhilfeträger für die Gewährung von Unterkunftskosten nach § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG zuständig. Bei dieser Sachlage entspricht es Sinn und Zweck dieser Zuständigkeitsvorschrift, daß die einheitliche Beurteilung der Kostentragung für die (neue) Unterkunft dadurch gesichert wird, daß der für die zukünftige Wohnung zuständige Sozialhilfeträger gleichsam aus einer Vorwirkung der durch den bevorstehenden Einzug eintretenden Rechtslage... über die Kostenübernahme ggf. in Form einer Mietübernahmeerklärung entscheidet....".

Diese Erwägungen treffen nach dem oben gesagten in der gleichen Weise auf die mietvertragliche Kaution zu.

Das von der Antragsgegnerin zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. März 1998 - 5 C 12.97 - (FEVS 48, 433 ff) spricht nicht gegen die Rechtsauffassung der Kammer. Die Entscheidung behandelt die Frage der örtlichen Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers für Umzugskosten und beschäftigt sich demzufolge nicht mit einem Anspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 5 Regelsatzverordnung.

Darüber hinaus ist jedenfalls die Eilzuständigkeit der Antragsgegnerin für die Entscheidung über die Zustimmung zur Übernahme der Mietkaution und ihre Gewährung nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I gegeben. Nach dieser Vorschrift hat der zuerst angegangene Leistungsträger vorläufige Leistungen zu erbringen, sofern ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht und zwischen mehreren Leistungsträgern streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist. Er hat nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I Leistungen nach Satz 1 zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt; die vorläufigen Leistungen beginnen spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Antrags.

Auch diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Antragstellerin zu 1. hat am 17. März 1999 erstmals bei der Antragsgegnerin vorgesprochen und die Übernahme der Kaution beantragt. Es ist zwischen der Antragsgegnerin und dem Oberstadtdirektor der Stadt L streitig, wer von beiden zur Leistung verpflichtet ist. Auch auf einen derartigen Streit zwischen mehreren Trägern der Sozialhilfe ist § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I anwendbar.

Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom

26. September 1991 - 5 C 14.87 -, Entschei-

dungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE)

89, 81.

Die Antragsgegnerin war auch der zuerst von den Antragstellerinnen angegangene Leistungsträger, und der Anspruch auf Zustimmung zur Übernahme der Kaution und deren Gewährung ist gegeben, denn es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, daß der Umzug der Antragstellerinnen nach der Trennung der Antragstellerin zu 1. von ihrem Ehemann notwendig ist und ohne die Zustimmung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Eine Vermietung von Wohnungen gegen Kautionszusage ist allgemein üblich, so daß nicht mit der Möglichkeit zu rechnen ist, daß den Antragstellerinnen eine Wohnung ohne dieses Erfordernis angeboten werden würde. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 6 Regelsatzverordnung, unter denen eine Zustimmung zur Übernahme der Kaution erteilt werden „soll", sind damit gegeben, und es ist nicht ersichtlich und von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen, welche Gründe ausnahmsweise dagegen sprechen sollten.

Insoweit ist auch eine Dringlichkeit gegeben, da die Antragstellerin zu 1. dargelegt hat, daß ihr die angebotene Wohnung nur im Fall der Kautionsstellung überlassen werden wird und die Antragstellerinnen dringend auf eine Regelung dieser Angelegenheit - auch im Hinblick auf Kindergeldleistungen und Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz - angewiesen sind.

Hinsichtlich der mit dem Antrag zu 2 geltend gemachten Ansprüche sieht die Kammer einen Anordnungsgrund derzeit nicht als gegeben an, da sich der Bedarf der Antragstellerinnen im wesentlichen erst nach dem erfolgten Umzug in die Wohnung feststellen lassen wird. Angesichts der Eilbedürftigkeit des Antrages zu 1 würde die Durchführung weiterer Ermittlungen in diesem Verfahren seinen Abschluß für die Antragstellerinnen unzumutbar verzögern. Darüber hinaus geht die Kammer davon aus, daß, nachdem die Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die Kautionsgewährung geklärt sein dürfte, die Ausstattung der Wohnung der Antragstellerinnen in erforderlichem Umfang durch die Antragsgegnerin keine weiteren Schwierigkeiten bereiten dürfte.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.

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