OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.06.1998 - 20 B 1424/97
Fundstelle
openJur 2011, 80131
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Der angefochtene Beschluß wird geändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen Nr. 1 der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 20. Januar 1997 wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren einschließlich des Beschwerdezulassungsverfahrens auf 180.000,-- DM festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat Erfolg.

Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist, soweit er den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bildet, zulässig und begründet. Die nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Interessenabwägung fällt zum Nachteil des Antragsgegners aus. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der unter Nr. 1 der Ordnungsverfügung getroffenen Anordnung überwiegt nicht das Interesse der Antragstellerin, vorläufig von deren Vollziehung verschont zu bleiben.

Dem öffentlichen Interesse kommt bei der Interessenabwägung im allgemeinen dann der Vorrang zu, wenn der Rechtsbehelf, dessen aufschiebende Wirkung in Rede steht, aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Umgekehrt fehlt es an einem überwiegenden Vollzugsinteresse, wenn der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Trifft beides nicht zu, so ist die gesetzliche Entscheidung für die aufschiebende Wirkung als regelmäßige Rechtsfolge des Rechtsbehelfs in der Hauptsache (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zu beachten. Die sofortige Vollziehbarkeit kann dann nur Bestand haben, wenn öffentliche Interessen von besonderem Gewicht für die sofortige Vollziehung sprechen, denen keine zumindest gleichgewichtigen Interessen des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs gegenüberstehen.

Aufgrund der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung läßt sich die Erfolgsaussicht des Widerspruchs der Antragstellerin nicht verläßlich beurteilen; zum einen bedarf die Sachlage weiterer Aufklärung, die den Rahmen eines Eilverfahrens sprengen würde, zum anderen stellen sich in der Rechtsprechung noch weitgehend ungeklärte Rechtsfragen, denen genauer nachzugehen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muß. Ein Vollzugsinteresse von solchem Gewicht, daß dennoch das private Interesse der Antragstellerin an der ungehinderten Verbringung ihrer Sortierreste in die Müllverbrennungsanlage zurücktreten müßte, ist nicht gegeben.

Ob die durch Nr. 1 der Ordnungsverfügung vom 20. Januar 1997 geltend gemachte Pflicht zur Überlassung der in der Anlage der Antragstellerin anfallenden Sortierreste an den Antragsgegner besteht, läßt sich nicht zweifelsfrei feststellen.

Als Grundlage der Überlassungspflicht ist allein § 13 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 KrW-/AbfG näher in Betracht zu ziehen. Die Pflicht kann hingegen nicht unabhängig von der Gesetzeslage aus den Nebenbestimmungen II A 3 zu der für die Sortieranlage erteilten Genehmigung vom 2. Juli 1991 oder aus dem 1993 nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AbfG geschlossenen Vertrag über die Drittbeauftragung der Antragstellerin abgeleitet werden; ob mit Nr. 1 der Ordnungsverfügung überhaupt der Versuch unternommen wird, aus diesen Regelungen folgende Verpflichtungen durchzusetzen, und inwieweit das zulässig wäre, braucht deshalb nicht entschieden zu werden. Die Nebenbestimmung II A 3 bestimmt lediglich, welchen Entsorgungsanlagen "nicht für den Wirtschaftskreislauf zurückgewonnene Reststoffe" - in der Terminologie des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes "Abfälle zur Verwertung" - zuzuführen sind. Sie begründet mithin keine Überlassungspflicht, sondern regelt nur, wie eine als bestehend vorausgesetzte Überlassungspflicht zu erfüllen ist. In § 1 Abs. 2 des Vertrages über die Drittbeauftragung hat sich die Antragstellerin zur Einhaltung der aus dem Gesetz und den Nebenbestimmungen zu den Genehmigungen für die Sortieranlage folgenden Anforderungen an die Abfallentsorgung verpflichtet. Eine selbständige Überlassungspflicht ergibt sich daraus ebensowenig wie aus § 3 Abs. 6 des Vertrages, der eine gegenüber der erwähnten Nebenbestimmung II A 3 präzisierte Regelung über die Art und Weise enthält, in der die Überlassungspflicht zu erfüllen ist.

Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 KrW-/AbfG sind auch Erzeuger und Besitzer von Abfällen zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen als aus privaten Haushaltungen verpflichtet, diese den öffentlichrechtlichen Entsorgungsträgern zu überlassen, soweit sie diese Abfälle nicht in eigenen Anlagen beseitigen oder überwiegende öffentliche Interessen eine Überlassung erfordern. Die Überlassungspflicht kann also nur für Abfälle zur Beseitigung, nicht auch für Abfälle zur Verwertung greifen; außerdem setzt sie voraus, daß die Abfälle (zur Beseitigung) entweder nicht in einer eigenen Anlage des Erzeugers oder Besitzers beseitigt werden oder aber überwiegende öffentliche Interessen ihre Überlassung an den öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger erfordern.

Ob es sich bei den Sortierresten der Antragstellerin um Abfälle zur Verwertung oder zur Beseitigung handelt, läßt sich im vorliegenden Verfahren nicht abschließend klären.

§ 3 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG bezeichnet als Abfälle zur Verwertung solche Abfälle, die verwertet werden; Abfälle, die nicht verwertet werden, sind danach Abfälle zur Beseitigung. Diese Begriffsbestimmung stellt nach ihrem Wortlaut - anders als der sprachliche Gehalt des Begriffs selbst - nicht auf die Verwertungsabsicht, sondern auf die Tatsache der Verwertung ab. Die bloße Möglichkeit späterer Verwertung reicht deshalb nicht aus, um einen Abfall zum Abfall zur Verwertung zu machen.

Vgl. VG Bremen, Beschluß vom 22. November 1996 - 2 V 171/96 -, GewA 1997, 172 (173); VG Stade, Beschluß vom 9. Mai 1997 - 6 B 480/97 -, S. 13 des Beschlußabdrucks.

Andererseits wäre es zu eng, einen Abfall erst mit Beginn eines Verwertungsvorganges als Abfall zur Verwertung zu qualifizieren. Dieser Auslegung stünden gesetzessystematische Erwägungen entgegen. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz knüpft an den Begriff des Abfalls zur Verwertung wiederholt Pflichten, die dem Verwertungsvorgang vorausgehen (vgl. etwa § 5 Abs. 2 Satz 4, § 13 Abs. 4 Satz 2). Die einschlägigen Bestimmungen setzen mithin voraus, daß ein Abfall schon vor Beginn seiner Verwertung Abfall zur Verwertung sein kann. Auch § 4 Abs. 5 KrW-/AbfG verwendet den Begriff für Abfälle, deren Verwertung erst bevorsteht. Angesichts dessen muß es ausreichen, wenn die Verwertung des in Rede stehenden Abfalls konkret ansteht; der Abfallbesitzer muß konkrete Verwertungsmaßnahmen benannt oder zumindest die Möglichkeit einer zeitnahen Verwertung substantiiert aufgezeigt haben.

Vgl. Nds. OVG, Beschluß vom 6. Mai 1998 - 7 M 3055/97 -, S. 6 des Beschlußabdrucks; VG Stade a.a.O., S. 12 des Beschlußabdrucks; Kunig, NVwZ 1997, 209 (214); vgl. zum ähnlich gelagerten Problem der Qualifizierung von Abfall im objektiven Sinne nach dem außer Kraft getretenen Abfallgesetz bereits BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1993 - 7 C 10.92 -, NVwZ 1993, 990 (992).

Die Antragstellerin hat eine konkrete Maßnahme zur Behandlung der Sortierreste benannt, nämlich ihre Verbrennung in der Müllverbrennungsanlage .

Die Verbrennung von Abfällen kann - worauf das Verwaltungsgericht bereits hingewiesen hat - sowohl ein Verfahren zur energetischen Verwertung (§ 3 Abs. 2 KrW-/AbfG i.V.m. Anhang II B R 9) als auch ein Verfahren zur Beseitigung (§ 3 Abs. 2 KrW-/ AbfG i.V.m. Anhang II A D 10) darstellen. Daß die bei der Verbrennung in der Müllverbrennungsanlage frei werdende Energie gezielt zur Fernwärme- und Stromerzeugung genutzt wird, schließt nicht aus, die Verbrennung als Beseitigungsverfahren einzustufen, denn auch die bei der Abfallbeseitigung anfallende Energie ist soweit wie möglich zu nutzen (§ 10 Abs. 2 Sätze 3 und 4 KrW-/AbfG).

Maßgaben für die zentrale Frage der Abgrenzung zwischen der energetischen Verwertung und der thermischen Behandlung zum Zwecke der Beseitigung enthalten die §§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und Abs. 4, 6 Abs. 2 und 10 Abs. 2 KrW-/AbfG. Unter energetischer Verwertung versteht das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz die Nutzung von Abfällen zur Gewinnung von Energie (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b); diese Verwertungsform beinhaltet den Einsatz von Abfällen als Ersatzbrennstoff (§ 4 Abs. 4 Satz 1, 1. Halbsatz KrW-/AbfG). Die (thermische) Behandlung als Beseitigungsmaßnahme richtet sich demgegenüber darauf, die Menge und Schädlichkeit der behandelten Abfälle zu vermindern (§ 10 Abs. 2 Satz 2 KrW-/AbfG). Da beide Zwecke nebeneinander verfolgt werden können, ist nach § 4 Abs. 4 Satz 2 KrW-/AbfG auf den Hauptzweck der Maßnahme abzustellen. Dieses Kriterium wird wieder aufgenommen in § 10 Abs. 2 Satz 4 KrW-/AbfG. Danach ist die Behandlung auch dann als Abfallbeseitigung einzustufen, wenn die Nutzung der anfallenden Energie nur untergeordneter Nebenzweck der Maßnahme ist. Anders als § 4 Abs. 4 und § 10 Abs. 2 KrW-/AbfG regelt § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG unmittelbar nicht die Abgrenzung von Abfallverwertung und -beseitigung, sondern das Verhältnis von stofflicher und thermischer Verwertung. Vorbehaltlich einer verordnungsrechtlichen Vorrangregelung in diesem Verhältnis werden an die Zulässigkeit einer energetischen Verwertung bestimmte Mindestanforderungen gestellt. Wie der im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens veränderte Wortlaut verdeutlicht, gelten diese Anforderungen generell, also unabhängig von stofflichen Verwertungsalternativen.

Vgl. Fluck, NuR 1995, 233 (235); Schink, VerwArch 1997, 230 (259).

Knüpft § 6 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG die Zulässigkeit der energetischen Verwertung an bestimmte Voraussetzungen, so kommt dem aber - zumal angesichts des Verweises auf § 4 Abs. 4 KrW-/ AbfG - mittelbar auch Bedeutung für die Abgrenzung der energetischen Verwertung von der thermischen Behandlung zu. Ein Verbrennungsvorgang, der den Anforderungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG an die Zulässigkeit energetischer Verwertung u.a. hinsichtlich des Heizwertes des Abfalls und des Feuerungswirkungsgrades der Anlage nicht gerecht wird, kann nur als thermische Behandlung eingestuft werden.

Vgl. Weidemann in: Brandt/Ruchay/ Weidemann, KrW-/AbfG, Loseblatt, § 6 Rdnrn. 23, 28 und 47; Fluck, KrW-/AbfG, Loseblatt, § 4 Rdnrn. 172 bis 175, § 6 Rdnr. 47; Hösel/von Lersner, Recht der Abfallbeseitigung, Loseblatt, § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG Rdnr. 7; Nds. OVG a.a.O., S. 7 des Beschlußabdrucks; zum Rückgriff auf diese Kriterien zur Abgrenzung von Verwertung und Beseitigung auch bereits Senatsbeschluß vom 26. April 1995 - 20 B 2861/94 -, S. 6 des Beschlußabdrucks.

Unter welchen Voraussetzungen die Verbrennung von Abfällen deren Einsatz als Ersatzbrennstoff beinhaltet, erläutert § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG nicht näher. Mit dem Begriff "Ersatzbrennstoff" nimmt das Gesetz erkennbar Bezug auf sogenannte Primär- oder Regelbrennstoffe, die durch den Einsatz von Abfällen zur Verbrennung substituiert werden. Weit ausgelegt könnte die Regelung jede (auch) mit der Absicht der Nutzung frei werdender Energie durchgeführte Verbrennung von Abfällen umfassen, bei der mehr Energie freigesetzt als verbraucht, mithin ohne sonst nötigen Primärbrennstoff gewonnen wird. Eine solche Sicht würde aber weder dem Zweck des § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG gerecht, die energetische Verwertung von der thermischen Behandlung abzugrenzen, noch dem Sinnzusammenhang zwischen § 4 Abs. 4 und § 6 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG. Die letztgenannte Vorschrift stellt Mindestanforderungen an den Heizwert des als Brennstoff angesetzten Abfalls (Nr. 1) und an den Feuerungswirkungsgrad der Einsatzform, denen eine energetische Verwertung genügen muß. Auf diese Maßgaben ist deshalb zur Konkretisierung des § 4 Abs. 4 Satz 1, 1. Halbsatz KrW-/AbfG zurückzugreifen.

Vgl. Nds. OVG a.a.O., S. 7 f. des Beschlußabdrucks; VG Stade a.a.O., S. 16 des Beschlußabdrucks; VG Düsseldorf, Beschluß vom 25. März 1998 - 16 L 5700/97 -, S. 8 des Beschlußabdrucks; Dolde/Vetter, NVwZ 1997, 937 (942).

Diese Sicht wird bestätigt durch den Bericht des im Gesetzgebungsverfahren federführenden Bundestagsausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, in dem ausdrücklich betont wird, das Heizwerterfordernis des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 diene dazu sicherzustellen, daß es sich bei den eingesetzten Stoffen um Ersatzbrennstoff im Sinne des § 4 Abs. 4 handele, und § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 solle gewährleisten, daß der Verbrennungsvorgang auf die Nutzung des energetischen Stoffpotentials im Sinne von § 4 Abs. 4 gerichtet sei.

BT-Drucks. 12/7284, S. 14.

Weitergehende Anforderungen lassen sich dem Wortlaut des § 4 Abs. 4 Satz 1 KrW-/AbfG nicht entnehmen. Soweit der Antragsgegner die Auffassung vertritt, in Müllverbrennungsanlagen, die als Abfallbeseitigungsanlagen zugelassen seien, könne keine energetische Verwertung von Abfällen stattfinden, kann dem nicht gefolgt werden. Zur Abgrenzung von Verwertung und Beseitigung ist nach § 4 Abs. 4 Satz 2 KrW-/AbfG auf den (Haupt-)Zweck der konkreten Entsorgungsmaßnahme und nicht auf die generelle Zweckbestimmung der Anlage abzustellen, in der die Entsorgung stattfinden soll.

Ebensowenig ist aus dem Gesetz die vom Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein- Westfalen in Rundverfügungen vom 25. März und 30. April 1997 unter Berufung auf ein von der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) erarbeitetes Erläuterungspapier "Definition und Abgrenzung von Abfallverwertung und Abfallbeseitigung sowie von Abfall und Produkt nach dem KrW-/AbfG" (Entwurf, Stand 19. Dezember 1996) vertretene Auffassung ableitbar, eine energetische Verwertung komme in Müllverbrennungsanlagen allenfalls bei einem separaten Einsatz heizwertreicher Abfallfraktionen in Zusatzbrennern oder in ähnlichen Sondervorrichtungen, nicht dagegen bei der Aufbringung auf den allgemeinen Verbrennungsrost in Betracht. Dieser Auffassung folgt offenbar auch nicht der als sogenanntes Konsens-Papier von einer Bund-/Länder-Arbeitsgemeinschaft erarbeitete, von der Umweltministerkonferenz am 5./6. November 1997 zustimmend zur Kenntnis genommene Entwurf "Abfallbegriff, Abfallverwertung und Abfallbeseitigung nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz", der eine vergleichbare Einschränkung der Verwertung von Abfällen in Müllverbrennungsanlagen nicht enthält. Die von der LAGA eingenommene Position dürfte damit überholt sein.

Die erwähnte Einschränkung findet nicht etwa - woran allein zu denken wäre - im Anhang II B zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz eine Stütze, der im Rahmen des Verwertungsverfahrens R 9 die Verwendung als Brennstoff nur mit dem Klammerzusatz "außer bei Direktverbrennung" nennt. Die Formulierung im Anhang II B geht zurück auf die Umschreibung des betreffenden Verwertungsverfahrens im Anhang zu Art. 1 Buchst. f der EG-Abfallrichtlinie (75/442/EWG) und entspricht der dortigen ungenauen Übersetzung des maßgeblichen englischen Textes; dieser bezeichnet in korrekter Übersetzung das Verfahren als "Verwendung hauptsächlich als Brennstoff..." ("use principally as a fuel...").

Vgl. Bothe, UPR 1996, 170 (177).

Angesichts dessen erscheint es nicht angängig, aus dem Klammerzusatz Schlüsse für die Auslegung des § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG zu ziehen, zumal die Formulierung des einschlägigen Verfahrens (jetzt R 1) im deutschen Text des Anhangs II B zwischenzeitlich durch Entscheidung der Kommission vom 24. Mai 1996 (96/350/EG) klarstellend umformuliert worden ist.

Vgl. näher Nds. OVG a.a.O., S. 9 f. des Beschlußabdrucks; Baars, UPR 1997, 229 (230 f.); Bothe a.a.O., S. 177; Dieckmann/Graner, NVwZ 1998, 221 (223).

Ausgehend von diesen Grundsätzen läßt sich nicht verläßlich beurteilen, ob der Widerspruch der Antragstellerin Erfolg haben wird:

Die von der Antragstellerin vorgesehene Verbrennung der Sortierreste in der Müllverbrennungsanlage erfüllt zwar die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 KrW-/AbfG. Ausweislich einer von der Antragstellerin vorgelegten Bestätigung der Anlagen-GmbH vom 9. Juli 1997 überschreitet der Feuerungswirkungsgrad der Anlage den geforderten Wert von 75 % um mindestens 10 %. Die entstehende Wärme wird nach der Bestätigung teils zur Stromerzeugung genutzt, teils als Fernwärme in das Versorgungsnetz der Stadt eingespeist. Ebenso kann davon ausgegangen werden, daß der Anforderung des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrW-/AbfG entsprochen wird, da nach der erwähnten Bestätigung die entstehenden Reststoffe sogar einer schadlosen Verwertung zugeführt werden.

Ob darüber hinaus auch dem Heizwertkriterium des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG Genüge getan ist, läßt sich aber nicht klar feststellen. Die Antragstellerin hat hierzu einen Analysebericht des Hygiene-Instituts des , , vom 22. Februar 1997 vorgelegt, in dem den untersuchten Sortierresten ein Heizwert von 15.333 kj/kg bescheinigt wird. Dieser Befund bezieht sich indes nur auf eine Einzelprobe. Sie ist nicht ohne weiteres als repräsentativ zu betrachten, weil es sich bei den in der Anlage der Antragstellerin sortierten Abfällen um Mischfraktionen unterschiedlicher Herkunft handelt, die ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Aufstellungen der Antragstellerin über den Anlagen-Input und -Output in stark wechselnden Verhältnissen angeliefert werden. Gleichwohl kann dem Analysewert nicht jegliche Aussagekraft für die Beurteilung des Heizwerterfordernisses abgesprochen werden, zumal der ermittelte Heizwert im untersuchten Einzelfall den gesetzlichen Mindestwert um nahezu 40 % übersteigt. Den Sachverhalt insoweit genauer aufzuklären, wäre Sache des Antragsgegners gewesen, dem es obliegt, seine Ordnungsverfügung auch in tatsächlicher Hinsicht hinreichend abzusichern. Dies nachzuholen würde den Rahmen summarischer Prüfung sprengen und muß deshalb gegebenenfalls dem Widerspruchsverfahren vorbehalten bleiben.

Neben den tatsächlichen Unwägbarkeiten stellen auch rechtliche Aspekte die Bedeutung des Analyseergebnisses für die Beurteilung des Heizwerterfordernisses in Frage. § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG hebt - ebenso wie die Hauptzweckklausel des § 4 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG - ab auf den einzelnen Abfall. Darunter können auch Abfallgemische fallen.

So auch Nds. OVG a.a.O., S. 11 des Beschlußabdrucks; Baars a.a.O., S. 232.

Solche entstehen nämlich, wie der vorliegende Fall zeigt, nicht nur durch nachträgliche Vermischung sog. Monoabfälle, sondern auch schon dann, wenn Abfälle im Sinne des § 3 Abs. 5 1. Alternative KrW-/AbfG anfallen. Der mit dem Kriterium des einzelnen Abfalls verfolgte Zweck, die "Aufwertung" heizwertarmer Abfälle durch Beimischung heizwertreicher Abfälle zu Abfällen zur Verwertung zu verhindern, kommt in der erwähnten Fallgestaltung ersichtlich nicht zum Tragen. Das rechtfertigt die Auslegung, daß ursprünglich angefallene Abfallgemische dem Kriterium des "einzelnen Abfalls" entsprechen können. Der vorliegende Fall weist indes die Besonderheit auf, daß die Sortierreste mit Ausnahme der nach Angaben der Antragstellerin separat sortierten Baustellenabfälle ein Gemisch darstellen, das im Zuge des Sortiervorgangs aus verschiedenen Ausgangsgemischen entstanden ist. Die Frage, ob unter diesen Umständen als einzelner Abfall im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG das jeweilige Ausgangsgemisch oder das nach Sortierung entstandene Gemisch zu verstehen ist, wird unter Berufung auf den Gesetzeswortlaut und -zweck überwiegend im erstgenannten Sinne beantwortet.

Vgl. Nds. OVG a.a.O., S. 13 des Beschlußabdrucks; Hösel/von Lersner, § 6 Abs. 2 Rdnr. 8; Weidemann a.a.O., § 6 Rdnr. 24; Dieckmann/Graner a.a.O., S. 224; a.A. VG Stade a.a.O., S. 17 des Beschlußabdrucks.

Diese Auffassung erweist sich bei näherem Hinsehen als nicht unproblematisch. Durch den Sortiervorgang entsteht ein neuer, mit identischen Inhaltsstoffen vorher noch nicht vorhandener Abfall, den als "einzelnen Abfall" zu bewerten der Normtext jedenfalls nicht ausschließt. Ebenso deckt der Wortlaut die am Normzweck orientierte Auslegung, als Vermischung im Sinne der Vorschrift nur die gezielt auf eine Heizwertanreicherung hin erfolgende Vermischung zu verstehen, nicht hingegen eine solche, die den betrieblichen Erfordernissen einer Sortieranlage gehorcht, in der es sinnlos wäre, die jeweils angelieferten Abfallgemische trotz gleicher Sortierziele getrennt zu halten und zu sortieren. Ob die sich ergebenden Mißbrauchsmöglichkeiten dennoch die überwiegend vertretene Auffassung als vorzugswürdig erscheinen lassen, ist eine Frage, deren abschließende Beurteilung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muß.

Geht man von der - nach den vorstehenden Ausführungen freilich nicht hinreichend gesicherten - Annahme aus, daß die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG erfüllt sind, so kommt es für die Qualifizierung der Sortierreste als Abfälle zur Verwertung oder Beseitigung weiter auf das Hauptzweckkriterium des § 4 Abs. 4 Satz 2 KrW-/AbfG an. Ausgehend vom einzelnen Abfall, ohne Vermischung mit anderen Stoffen, bestimmen Art und Ausmaß seiner Verunreinigungen sowie die durch seine Behandlung anfallenden weiteren Abfälle und entstehenden Emissionen, ob der Hauptzweck auf die Verwertung oder die Behandlung gerichtet ist (§ 4 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG). Mit dieser Regelung sind die für eine Beseitigung sprechenden Gesichtspunkte benannt, die nach den Umständen des jeweiligen Falles gewichtet werden müssen. Diesen sind die für eine Verwertung sprechenden Gesichtspunkte mit dem ihnen jeweils zukommenden Gewicht gegenüberzustellen und mit ihnen ins Verhältnis zu setzen. Für das Gewicht der letztgenannten Gesichtspunkte bieten die Kriterien des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 KrW-/AbfG wesentliche Anhaltspunkte. Geboten ist eine konkrete Betrachtungsweise.

Bei der Anwendung der für die Hauptzweckprüfung maßgeblichen Kriterien ergeben sich besondere Schwierigkeiten für Stoffgemische stark wechselnder Zusammensetzung. Das gilt sowohl für den Heizwert als auch für die Schadstofffracht. Läßt sich die Schwankungsbreite auch nicht annähernd bestimmen, so mag dies es rechtfertigen, das Gemisch durchgängig als Abfall zur Beseitigung zu qualifizieren.

Für die Sortierreste aus der Anlage der Antragstellerin fehlt es ebenso wie für die ihnen zugrunde liegenden Ausgangsgemische an Anhaltspunkten, die auf eine besondere Belastung mit Schadstoffen hinweisen könnten. Der Antragsgegner hat hierzu selbst nichts von Gewicht geltend gemacht. Er hat auch keine Feststellungen zur Zusammensetzung der Sortierreste und den dabei etwa auftretenden Schwankungen getroffen. Ebensowenig ist erkennbar, daß die durch die vorgesehene Behandlung in der MVA anfallenden weiteren Abfälle sowie die bei der Verbrennung entstehenden Emissionen der auf Beseitigung gerichteten Zielsetzung ein maßgebliches Gewicht verschaffen. Das Gewicht der auf Verwertung gerichteten Zielsetzung läßt sich, wie aus den vorstehenden Ausführungen folgt, nicht verläßlich bestimmen. Geht man jedoch davon aus, daß die vorgesehene Behandlungsmaßnahme den Anforderungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 KrW-/AbfG entspricht, so wird dadurch eine erhebliche Bedeutung der auf Verwertung gerichteten Zielsetzung der Maßnahme indiziert. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß dem bereits erwähnten Schreiben der Müllverbrennungsanlage GmbH vom 9. Juli 1997 zufolge die gezielte Zuführung heizwertreicher Abfallstoffe notwendig ist, um eine schadlose Verbrennung in den Müllkesseln der Anlage ohne ständige Stützfeuerung unter Einsatz von Primärbrennstoffen zu gewährleisten. Daß es sich bei dieser Erklärung, die im summarischen Verfahren naturgemäß nicht näher auf ihre Tragfähigkeit untersucht werden kann, um eine Gefälligkeitsbescheinigung handelt, ist nicht ersichtlich. Die Prüfung des Hauptzwecks der Behandlungsmaßnahme wird deshalb, sofern die in Rede stehende Verbrennungsmaßnahme dem Heizwertkriterium des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG entsprechen sollte, im Hauptsacheverfahren möglicherweise zu dem Ergebnis führen, daß der Verwertungszweck im Vordergrund steht.

Auf die insoweit verbleibenden Unsicherheiten käme es nicht an, wenn die Antragstellerin nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG auch im Falle der Einstufung der Sortierreste als Abfälle zur Beseitigung nicht zur Überlassung verpflichtet wäre. Die dafür geltenden Voraussetzungen sind indes nicht erfüllt. Der Antragstellerin fehlt es bereits an einer eigenen Anlage im Sinne der Regelung, so daß offenbleiben kann, ob anderenfalls überwiegende öffentliche Interessen gleichwohl eine Überlassung erfordern würden. Der Begriff der eigenen Anlage im Sinne der genannten Bestimmung ist zwar umstritten und wird von einer im Schrifttum vereinzelt vertretenen Auffassung sogar auf solche Anlagen ausgedehnt, die sich dem Abfallerzeuger bzw. -besitzer gegenüber vertraglich zur Abnahme von Abfällen verpflichtet haben.

Vgl. so etwa Bartram/Schade, UPR 1995, 253 (255).

Abgesehen von Zweifeln, ob es mit Wortlaut und Zweck der gesetzlichen Regelung vereinbar wäre, eine ausschließlich in fremder Verantwortung betriebene Anlage allein aufgrund bestehender Abnahmeverpflichtungen als "eigene" Anlage zu qualifizieren, hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluß zu Recht darauf hingewiesen, daß die Antragstellerin nicht einmal im Verhältnis zur MVA über eine direkte vertragliche Rechtsposition verfügt.

Führt die rechtliche Prüfung somit zu dem Ergebnis, daß die Erfolgsaussicht des Widerspruchs der Antragstellerin offen ist, so bedarf es einer hiervon losgelösten allgemeinen Interessenabwägung. Der Senat gelangt dabei zu dem Ergebnis, daß öffentliche Interessen nicht überwiegen. Es unterliegt keinen Zweifeln und ist auch von dem Antragsgegner nicht in Frage gestellt worden, daß die Sortierreste in der MVA unter weitgehender Reduzierung des Schadstoffpotentials und umweltschonend verbrannt werden. Das Vollzugsinteresse reduziert sich damit auf den finanziellen Gesichtspunkt, die eigene Gebührenkalkulation zu halten. Dieser Aspekt hat Gewicht, kann aber keinen Vorrang vor dem wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin beanspruchen, für die die sofortige Befolgung der angegriffenen Anordnung ebenfalls mit beträchtlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre. Unter diesen Umständen muß es bei der gesetzlich vorgesehenen Regel bleiben, wonach der Widerspruch aufschiebende Wirkung entfaltet.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 VwGO. Die Kosten beider Rechtszüge sind danach insgesamt dem Antragsgegner aufzuerlegen. Soweit die Antragstellerin im erstinstanzlichen Verfahren ihren Antrag teilweise zurückgenommen hat, folgt dies aus dem Rechtsgedanken des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO; ihr wirtschaftliches Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Nr. 2 der Ordnungsverfügung vom 20. Januar 1997 tritt hinter der Bedeutung des übrigen Begehrens zurück.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.