OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09.02.1999 - 18 A 5156/96
Fundstelle
openJur 2011, 79496
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 8 K 3421/95
Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger zu 1. und 2. reisten Ende Januar 1990 zusammen mit ihren Kindern, den Klägern zu 3. bis 9., ohne Reisedokumente in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie bezeichneten sich als staatenlose kurdische Volkszugehörige und gaben an, alle in B. geboren zu sein. Der Kläger zu 1., der 1956 als sein Geburtsjahr bezeichnete, erklärte ferner, die Kläger hätten mehrmals vergeblich die libanesische Staatsbürgerschaft beantragt. Den Libanon hätten sie mit gefälschten Papieren verlassen und diese anschließend vernichtet. Nach erfolglosem Asylverfahren wurden alle Kläger wegen fehlender Paßpapiere geduldet. Seit ihrer Einreise haben sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts ununterbrochen zunächst Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz und zuletzt Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten.

Zum Haushalt der Kläger gehören ferner zwei weitere Kinder der Kläger zu 1. und 2., und zwar der seit dem 1. Oktober 1998 in einem Beschäftigungsverhältnis mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 2.700,- DM stehende A. Sehn und das am 12. Mai 1995 geborene Kind W. .

Unter dem 26. Oktober 1994 beantragten die Kläger die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen mit dem Hinweis darauf, daß ihre Paßlosigkeit unverschuldet sei. Sie übersandten die Kopie eines vom Bürgermeister von M. /Stadt B. unter dem 5. August 1994 ausgestellten Aufenthaltsscheins und erklärten, hieraus ergebe sich ihre ungeklärte Nationalität und Staatenlosigkeit. In dem Aufenthaltsschein wird u. a. bescheinigt, daß der 1965 in B. geborene A. R. Z. ungeklärter Nationalität ist und in B. wohnt.

Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 27. Juni 1995 ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung Münster durch Widerspruchsbescheid vom 10. November 1995 zurück.

Die Kläger haben fristgerecht Klage erhoben. Sie verweisen erneut auf die oben angeführte Bescheinigung sowie ihre daraus abzuleitende Staatenlosigkeit und sind der Ansicht, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach der Härtefallregelung der Innenministerkonferenz vom 29. März 1996 zu erfüllen.

Die Kläger haben beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 27. Juni 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Münster vom 10. November 1995 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihnen Aufenthaltsbefugnisse zu erteilen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, daß die Voraussetzungen der Härtefallregelung von den Klägern schon wegen des Sozialhilfebezugs nicht erfüllt werden. Daran ändere die vom Gesundheitsamt hinsichtlich des Klägers zu 1. bescheinigte Erwerbseinschränkung nichts, weil die Kläger vollständig auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen seien. Darüber hinaus erfüllten sie nicht die Paßpflicht. Trotz zahlreicher Aufforderungen hätten sie sich bei ihren Heimatbehörden nicht um die Ausstellung von Paßpapieren bemüht.

Das Verwaltungsgericht hat durch den angefochtenen Gerichtsbescheid, auf den Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.

Die Kläger haben fristgerecht Berufung eingelegt. Sie tragen vor, der Kläger zu 1. könne keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Zu schwerer körperlicher Arbeit sei er nicht in der Lage. Eine Büroarbeit komme nicht in Betracht, weil er die deutsche Sprache nicht gut genug beherrsche und er wegen seines Bandscheibenleidens nicht lange genug sitzen könne. Unter den gegebenen Verhältnissen sei es ihnen nicht möglich, von der Sozialhilfe unabhängig zu werden. Zudem verhinderten die immer nur kurzfristig für drei Monate erteilten Duldungen jede Arbeitsaufnahme. So habe sich der Sohn bzw. Bruder der Kläger A. S. bei mindestens zehn Firmen vergeblich um eine Erwerbstätigkeit bemüht.

Die Kläger beantragen,

den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 27. Juni 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Münster vom 10. November 1995 aufzuheben, soweit sie durch ihn betroffen sind, und den Beklagten zu verpflichten, ihnen Aufenthaltsbefugnisse zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat das Verfahren des A. S. vom Verfahren der Kläger abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 18 A 265/99 fortgeführt.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung über die Berufung durch den Berichterstatter des Senats einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist nicht begründet.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis.

Der Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen an die Kläger steht bereits entgegen, daß ihre Identität nicht geklärt ist.

Nach § 41 Abs. 1 AuslG sind bei bestehenden Zweifeln über die Person des Ausländers die zur Feststellung seiner Identität erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn der Ausländer u. a. eine Aufenthaltsgenehmigung - also etwa auch eine Aufenthaltsbefugnis, § 5 Nr. 4 AuslG - erteilt werden soll. Diese Vorschrift stellt klar, daß auf die Identitätsfeststellung vor Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht verzichtet werden kann.

Vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 41 Rn. 7.

Die Aufklärung der Identität des Ausländers ist zwingend.

Vgl. GK-AuslR, § 41 Rn. 12.

Führen die Maßnahmen zur Feststellung der Identität nicht zum Erfolg, so kommt die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung in der Regel nicht in Betracht, wenn der Ausländer die Gründe hierfür zu vertreten hat.

Vgl. Senatsbeschluß vom 5. Februar 1999 - 18 A 1765/94 -; BayVGH, Beschluß vom 9. Juni 1998 - 10 CE 98.797 -; Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Ausländerrecht, § 41 Rn. 12.

Dies ergibt sich bereits aus § 8 Abs. 1 Nr. 4 AuslG. Danach wird eine Aufenthaltsgenehmigung versagt, wenn die Identität des Ausländers ungeklärt ist und er - wie auch hier wegen fehlenden Passes - keine Berechtigung zur Rückkehr in einen anderen Staat besitzt. Hiervon sieht § 9 Abs. 1 Nr. 3 AuslG eine Ausnahme nur in einem begründeten Einzelfall vor, der grundsätzlich nicht vorliegt, wenn ein Ausländer seine ungeklärte Identität - wie vorliegend - in vorwerfbarer Weise selbst verursacht hat.

Die vorgenommene Bewertung steht nicht im Widerspruch zu § 30 Abs. 3 und 4 AuslG, wonach eine Aufenthaltsbefugnis abweichend von § 8 Abs. 1 Nr. 4 AuslG, also auch bei ungeklärter Identität des Ausländers, erteilt werden kann. Mit § 30 AuslG hat der Gesetzgeber eine Auffangreglung für atypische Geschehensabläufe geschaffen, die es rechtfertigen, abweichend von im allgemeinen zu erfüllenden Anspruchsvoraussetzungen eine Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen. Indessen liegt die dort vorausgesetzte Ausnahmesituation bei den Klägern nicht vor. Die sich vom Normalfall der ungeklärten Identität wesentlich abhebenden besonderen Umstände des hier zu beurteilenden Falles rechtfertigen es nicht, hinsichtlich der Kläger ausnahmsweise auf eine Identitätsfeststellung zu verzichten.

Die Kläger sind ihrer Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung ihrer Identität nicht hinreichend nachgekommen. Wenn auch insoweit die Ausländerbehörde durch § 41 AuslG gehalten ist, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, so ist sie doch auf die Mithilfe des Ausländers angewiesen, den letztlich - wie für die übrigen anspruchsbegründenden Umstände - auch insoweit die Darlegungs- und Beweislast trifft. Zwar ist es für einen Ausländer schwer zu beweisen, seine Identität nicht belegen zu können. Gerade deshalb kommt aber seinem Vortrag besondere Bedeutung zu. Dem Ausländer obliegt - wie § 70 Abs. 1 AuslG für das Verwaltungsverfahren und § 86 Abs. 1 Hs. 2 VwGO für das Gerichtsverfahren verdeutlichen - eine Pflicht zur Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachverhalts. Er hat alle Umstände, die einen Rückschluß auf seine Identität zulassen, schlüssig vorzutragen und ggf. zu belegen. Dazu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Läßt er es an konkreten Angaben fehlen, ist das Gericht nicht verpflichtet, von sich aus Ermittlungen anzustellen.

Vgl. hierzu Senatsurteil vom 30. September 1997 - 18 A 1198/95 -.

So ist es hier. Es wirkt zu Lasten der Kläger, daß sie mit einem gefälschten Paß den Libanon verlassen haben, ohne Reisedokumente nach Deutschland eingereist sind und bisher ernsthafte, nur ihnen mögliche Bemühungen zum Nachweis ihrer Identität, namentlich zur Beschaffung eines Passes bzw. eines Paßersatzpapieres, unterlassen haben. In derartigen Fällen hat ein Ausländer die sich aus seinem Verhalten ergebenden Nachteile grundsätzlich hinzunehmen und kann nicht darauf vertrauen, eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Vgl. BVerwG, Beschluß vom 30. April 1997 - 1 B 74/97 -, Juris Dokn. 524806.

Die von den Klägern vorgelegte Kopie eines vom Bürgermeister von M. /B. unter dem 5. August 1994 ausgestellten Aufenthaltsscheins hilft ihnen nicht weiter. Die Bescheinigung ist vom Ansatz her schon nicht geeignet, Rückschlüsse auf ihre Identität zuzulassen, weil sie jeglichen Bezug zu den Klägern vermissen läßt. Ungeachtet dessen, daß eine derartige Bescheinigung eine Registrierung der bezeichneten Person im Libanon und damit die Möglichkeit zur Erlangung eines Reisepapieres nahelegt, kann schon nicht festgestellt werden, daß sich die Bescheinigung auf einen der Kläger des vorliegenden Verfahrens bezieht. Ausgehend von der in dem Aufenthaltsschein benannten Person des A. R. Z. kommt nur in Betracht, daß die Bescheinigung dem Kläger zu 1. zugedacht sein soll, dessen Vornamen ebenfalls A. R. lautet. Aufgrund unterschiedlicher Bezeichnung von Namen und Geburtsjahr ist jedoch eine Identität ausgeschlossen. Der Kläger zu 1. führt den Nachnamen S. und ist nach seinen bisher in Deutschland gemachten Angaben nicht - wie in der Bescheinigung aufgeführt - 1965 sondern 1956 geboren. Er hält sich außerdem bereits seit 1990 in Deutschland auf, während ausweislich des Aufenthaltsscheines die dort benannte Person noch im August 1994 in B. wohnte.

Weitere Bemühungen zur Klärung ihrer Identität haben die Kläger nicht aufzuweisen. So gibt es nicht einen einzigen Hinweis dafür, daß sich die Kläger ggf. unter Einschaltung einer Mittelsperson direkt im Libanon um Dokumente und Auskünfte bemüht haben, die Aufschluß über ihre Identität geben könnten, wobei anzumerken ist, daß regelmäßig nur amtliche Dokumente und Auskünfte zur Beweisführung geeignet sein dürften. Zu deren Beschaffung ist es grundsätzlich auch zumutbar, einen Rechtsanwalt im Herkunftsland zu beauftragen. Möglicherweise können auch andere Familienmitglieder bei der Aufklärung der Identität behilflich sein. Es ist nicht auszuschließen, daß diese über schriftliche Unterlagen zu den Abstammungsverhältnissen bezüglich der Kläger verfügen.

Des weiteren erfüllen die Kläger für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis weder die Voraussetzungen der Härtefallregelung für ausländische Familien mit langjährigem Aufenthalt, Az.: SIK 09/25-1 - IMK-Beschluß vom 29. März 1996 - (MBl NW 1996 S. 1411, 1412), noch - sofern neben der Härtefallregelung überhaupt anwendbar - die Anforderungen des § 30 AuslG.

Auf die vorgenannte Härtefallregelung, die eine bundeseinheitliche Regelung im Sinne von § 32 AuslG darstellt, können sich die Kläger nicht berufen, weil sie die dort geforderten Integrationsleistungen nicht erbringen. Ihrem Begehren steht bereits entgegen, daß sie die Paßpflicht nicht erfüllen (vgl. III. 2. a.a.O.). Denn die Kläger sind ohne Reisedokument in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und besitzen keine gültigen Ausweispapiere. Ob die in der Härtefallregelung uneingeschränkt aufgestellte Paßpflicht als erfüllt gilt, wenn der Ausländer seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist, gleichwohl aber ein Paß noch nicht erlangt werden konnte (vgl. Innenministerium des Landes Nordrhein- Westfalen, Runderlaß vom 10. Juni 1996 - I B 3/44.40 -, Nr. 5.), kann offenbleiben. Es ist nämlich aus den vorstehend dargestellten Gründen weder von den Klägern substantiiert vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, daß sie ihren Mitwirkungspflichten nachgekommen sind und dennoch einen Paß nicht erlangen konnten. Ihr Vorbringen erschöpft sich darin, die Paßlosigkeit nicht verschuldet zu haben. Das reicht nicht. Sie haben vielmehr nachzuweisen, daß ihnen die Beschaffung eines Passes unmöglich oder unzumutbar ist. Die Kläger verkennen, daß der Besitz eines gültigen Passes zu den Obliegenheiten eines Ausländers gehört (vgl. § 4 Abs. 1 AuslG) und zudem ein ausreisepflichtiger Ausländer - wie die Kläger - alle zur Erfüllung seiner Ausreisepflicht erforderlichen Maßnahmen, und damit auch die Beschaffung eines gültigen Passes oder zumindest eines Paßersatzpapieres, grundsätzlich ohne besondere Aufforderung durch die Ausländerbehörde unverzüglich einzuleiten hat.

Vgl. Senatsbeschluß vom 15. April 1997 - 18 B 811/97 -.

Die Anwendung der Altfallregelung scheitert weiter daran, daß die Kläger ihren Lebensunterhalt seit Jahren ununterbrochen zunächst durch laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz und anschließend durch - der Sozialhilfe gleichzustellende - Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bestritten haben (vgl. III. 2. a) a.a.O.) und keine der in der vorbezeichneten Regelung aufgeführten Ausnahmetatbestände vorliegt. Insoweit könnte angesichts der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers zu 1. der Sozialhilfebezug vorliegend nur dann ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben, wenn er zu den erwerbsunfähigen Personen gehörte, deren Lebensunterhalt einschließlich einer erforderlichen Betreuung und Pflege in sonstiger Weise ohne Leistungen der öffentlichen Hand dauerhaft gesichert ist, es sei denn, die Leistungen beruhen auf Beitragsleistungen (vgl. III. 2. a) 4. Spiegelstrich a.a.O.). Das ist hier unstreitig nicht der Fall.

Es kann dahinstehen, ob angesichts der vorstehend genannten Härtefallregelung für eine Einzelfallprüfung nach § 30 AuslG noch Raum ist,

vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 19. März 1996 - 1 C 34.93 -, InfAuslR 1996, 392, 394,

was möglicherweise mit Blick auf die inzwischen volljährig gewordenen Kläger zu 3. bis 5. differenziert zu beurteilen ist.

Die Kläger erfüllen schon nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach dieser Norm.

Ihnen könnte, nachdem ihre Asylanträge unanfechtbar abgelehnt worden sind, gemäß § 30 Abs. 5 AuslG nur nach Maßgabe der Absätze 3 und 4 eine Aufenthaltsbefugnis erteilt werden. Deren Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Es fehlt bereits an einem - in beiden Absätzen vorausgesetzten - Abschiebungshindernis. Ein solches ergibt sich nicht aus der hier nur in Betracht kommenden Paßlosigkeit der Kläger. § 30 Abs. 3 und 4 AuslG setzen jeweils voraus, daß der Ausländer das Abschiebungshindernis nicht zu vertreten hat bzw. er sich nicht weigert, zumutbare Anforderungen zu dessen Beseitigung zu erfüllen. Damit wird eine Mitwirkungspflicht der Kläger bei der Paßbeschaffung vorausgesetzt, die diese - wie bereits oben dargestellt - nicht erfüllen.

Schließlich kommt die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 Abs. 3 und 4 AuslG auch deshalb nicht in Betracht, weil es sich hierbei um eine Ermessensnorm handelt und die auf sie anwendbaren Regelversagungsgründe im Sinne von § 7 Abs. 2 AuslG vorliegen. Diese Vorschrift ist mangels einer einschränkenden Regelung, wie sie § 30 Abs. 1 Alt. 2 AuslG aufweist, in den Fällen des § 30 Abs. 3 und 4 AuslG anwendbar.

Vgl. Senatsbeschluß vom 29. Dezember 1998 - 18 A 4822/96 -.

Bei den Klägern greift der Regelversagungsgrund des § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG ein, da sie ihren Lebensunterhalt nicht eigenständig, das heißt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel, sondern nur mittels Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bestreiten können.

Eine Ausnahme von der Regel des § 7 Abs. 2 AuslG greift nicht ein. Ob ein Regelfall gegeben ist, unterliegt voller gerichtlicher Nachprüfung. Die Worte "in der Regel" in § 7 Abs. 2 AuslG beziehen sich auf Regelfälle, die sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleichliegender Fälle unterscheiden. Ausnahmefälle sind durch einen atypischen Geschehensablauf gekennzeichnet, der so bedeutsam ist, daß er jedenfalls das sonst ausschlaggebende Gewicht des gesetzlichen Regelversagungsgrundes beseitigt. Ist danach ein Regelfall gegeben, ist der Ausländerbehörde bei Vorliegen eines der in Abs. 2 genannten Regelversagungsgründe kein Ermessen bei der Entscheidung über die Aufenthaltsgenehmigung eingeräumt; diese muß vielmehr versagt werden.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1995 - 1 C 31.93 -, InfAuslR 1996, 168.

Anhaltspunkte, die das Vorliegen eines Ausnahmefalles begründen können, sind nicht erkennbar und von den Klägern auch nicht dargelegt. Dies gilt insbesondere auch mit Blick darauf, daß die gesamte Familie während ihres langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet offensichtlich durchgehend Sozialhilfe in der Form der Hilfe zum Lebensunterhalt bzw. Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen hat. Es sind weder Gründe vorgetragen worden noch ersichtlich, nach denen eine Arbeitsaufnahme für alle Familienangehörigen unmöglich oder unzumutbar war bzw. ist. Zwar dürfte die Klägerin zu 2., die Mutter der Kläger zu 3. bis 9., infolge der Versorgung der großen Familie kaum in der Lage gewesen sein, einer entgeltlichen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Auch von schulpflichtigen Kindern kann jedenfalls während der Zeit des Schulbesuchs keine Erwerbstätigkeit erwartet werden. Des weiteren mag zugunsten des Klägers zu 1. unterstellt werden, daß er jedenfalls gegenwärtig wegen seiner körperlichen Leiden keine Erwerbstätigkeit ausüben kann. Dagegen kann unter Einbeziehung der inzwischen volljährigen Kläger zu 3. bis 5. davon ausgegangen werden, daß die in einer familiären Lebensgemeinschaft zusammen lebenden Kläger ihre familiären Belange in einer Weise organisieren, die es ermöglicht, zumindest einen nennenswerten Beitrag zur Sicherstellung des Lebensunterhalts durch eigene Arbeitsleistungen zu erwirtschaften. Bisher erzielt aber lediglich der in Haushaltsgemeinschaft mit den Klägern lebende A. S. - der Kläger im Verfahren 18 A 265/99 - seit dem 1. Oktober 1988 ein eigenes Arbeitseinkommen in Höhe von monatlich 2.700,- DM brutto, ohne hiervon - was sich aus dem Bescheid der Stadt Gescher über die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für den Monat November 1998 ergibt - Unterhaltsleistungen an seine Eltern, den Klägern zu 1. und 2., zu erbringen.

Entgegen der Auffassung der Kläger kann nicht davon ausgegangen werden, daß ihnen eine Erwerbstätigkeit nicht möglich war, weil ihnen der Beklagte immer nur kurzfristig für drei Monate eine Duldung erteilte. Zwar mag dieser Umstand die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erschweren. Er erklärt aber nicht, warum es den Klägern verwehrt gewesen sein sollte, auch nur ein einziges nennenswertes Arbeitsverhältnis zu begründen. Gerade das Beispiel des A. S. , der seit dem 1. Oktober 1998 über eine Arbeitsstelle verfügt, zeigt, daß auch unter den hier gegebenen Umständen ein Arbeitsverhältnis begründet werden kann. Sollte sich - wofür es vorliegend keine Anhaltspunkte gibt - im Einzelfall herausstellen, daß wegen der nur kurzfristigen Duldungszeiträume die Erteilung einer Arbeitserlaubnis verweigert wird oder ein Beschäftigungsverhältnis nicht zustandekommt, so kann es sachgerecht sein, durch die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis für einen angemessenen Zeitraum die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen für die Arbeitsaufnahme zu schaffen.

So auch Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Runderlaß vom 10. Juni 1996 - 1 B 3/44.40 - zur Anwendung der Härtefallregelung für ausländische Familien mit langjährigem Aufenthalt, Nr. 5 Abs. 3.

Schließlich können sich die Kläger zu 3. bis 9. nicht erfolgreich darauf berufen, daß die anspruchsausschließenden Umstände im wesentlichen von ihren Eltern, den Klägern zu 1. und 2., zu vertreten sind. Sie haben sich, soweit sie minderjährig sind bzw. waren, das Verhalten ihrer Eltern zurechnen zu lassen.

Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 1995 - 1 C 29.94 -, BVerwGE 99, 341, 349, und Beschluß vom 30. April 1997 - 1 B 74.97 -, a.a.O.; Senatsurteil vom 26. August 1993 - 18 A 2732/91 -.

Hinsichtlich der inzwischen volljährig gewordenen Kläger zu 3. bis 5. haben sich die Beurteilungsvoraussetzungen nicht verändert. Diese Kläger haben es bisher nicht vermocht, durch ihr Verhalten eine andere Beurteilungsgrundlage zu schaffen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ein Grund für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2, § 137 Abs. 1 VwGO) liegt nicht vor.