OLG Hamm, Beschluss vom 29.11.1999 - 15 W 290/99
Fundstelle
openJur 2011, 78982
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 23 T 183/99
Tenor

Der angefochtene Beschluss und der Zusachlagsbeschluss des Amtsgerichts vom 28. April 1999 werden aufgehoben.

Der Zuschlag auf das im Versteigerungstermin vom 28. April 1999 abgegebene Meistgebot des Beteiligten zu 4) wird versagt. Diese Versagung wirkt wie eine einstweilige Einstellung des Verfahrens. Die Belehrung der Beteiligten zu 1) über ihr Recht zur Beantragung der Fortsetzung des Verfahrens wird dem Amtsgericht übertragen.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der sofortigen ersten und weiteren Beschwerde findet nicht statt.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 1.152.500,- DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1) bestellte im Jahre 1992 an ihren vorbezeichneten Grundstücken zugunsten der Hypothekenbank in I AG (im Folgenden H) eine Grundschuld über 1.550.000, DM nebst Zinsen. In der zugrundeliegenden notariellen Bestellungsurkunde unterwarf die Beteiligte zu 1) sich wegen aller Ansprüche aus der Grundschuld der sofortigen Zwangsvollstreckung. Eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde wurde der Beteiligten zu 1) am 23.06.1994 zugestellt. Aufgrund des vorgenannten Vollstreckungstitels hat zunächst - u.a. - die H das vorliegende Zwangsversteigerungsverfahren betrieben (vgl. Beitrittsbeschluss des Amtsgerichts vom 12.09.1994).

Nachdem das Amtsgericht Köln durch Beschluss vom 28.11.1996 einen Antrag auf Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen mangels Masse abgelehnt hat, befindet die Beteiligte zu 1) sich in Liquidation.

Die H wurde als übertragender Rechtsträger gemäß Verschmelzungsvertrag vom 16.04.1998 mit Ergänzung vom 29.04.1998

mit der Beteiligten zu 2) als übernehmendem Rechtsträger (früher firmierend als Norddeutsche Hypotheken- und X AG, I) verschmolzen. Die Verschmelzung wurde mit ihrer Eintragung in das Register des übernehmenden Rechtsträgers am 07.08.1998 wirksam; die H ist dementsprechend erloschen.

Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts hat im Versteigerungstermin am 02.09.1998 Kenntnis von der Rechtsnachfolge auf Gläubigerseite erlangt. Sie hat daraufhin der Beteiligten zu 2) unter dem 01.10.1998 - neben dem Zuschlagsversagungsbeschluss gemäß § 74 a Abs. 1 ZVG vom 30.09.1998 - den Vollstreckungstitel mit der Bitte übersandt, die Vollstreckungsklausel umschreiben zu lassen. Unter dem 17.11.1998 hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts die Beteiligte zu 2) aufgefordert, spätestens in dem auf den 16.12.1998 bestimmten neuen Versteigerungstermin den Vollstreckungstitel zurückzugeben.

Mit Schreiben vom 14.01.1999 hat die - das Verfahren nunmehr allein betreibende - Beteiligte zu 2) die einstweilige Einstellung des Verfahrens bewilligt. Das Amtsgericht hat daraufhin durch Beschluss vom 18.01.1999 den Zuschlag auf das im Versteigerungstermin vom 16.12.1998 abgegebene Meistgebot versagt.

Unter dem 29.01.1999 hat die Beteiligte zu 2) die Fortsetzung des Verfahrens beantragt. Der entsprechende Fortsetzungsbeschluss des Amtsgerichts vom 19.02.1999 ist der Beteiligten zu 2) unter dem 19.02.1999 mit der Bitte um Übersendung des umgeschriebenen Vollstreckungstitels und dem Hinweis übersandt worden, dass alsdann die Terminsanberaumung erfolgen werde. Unter dem 23.02.1999 hat die Beteiligte zu 2) unter Hinweis darauf, dass der Vollstreckungstitel sich bezüglich Umschreibung/Zustellung bei ihr noch in Bearbeitung befinde, um Anberaumung eines Termins ohne Vorlage dieser Urkunde gebeten.

In dem daraufhin anberaumten Versteigerungstermin am 28.04.1999 ist als Beteiligter lediglich ein Vertreter der - das Verfahren allein betreibenden - Beteiligten zu 2) erschienen. Dieser hat eine unter dem 13.01.1999 für die Beteiligte zu 2) als Rechtsnachfolgerin der H erteilte vollstreckbare Ausfertigung des Titels zu den Akten eingereicht. Ein Nachweis über die Zustellung dieser Ausfertigung an die Beteiligte zu 1) ist dagegen nicht vorgelegt und eingereicht worden; eine solche Zustellung war damals auch tatsächlich noch nicht erfolgt und seitens der Beteiligten zu 2) auch nicht behauptet worden.

In dem Versteigerungstermin am 28.04.1999 ist der Beteiligte zu 4) mit einem Bar-Meistgebot von 1.150.000,- DM Meistbietender geblieben. Durch den in diesem Termin verkündeten Beschluss hat das Amtsgericht dem Beteiligten zu 4) den Zuschlag für den durch Zahlung zu berichtigenden Betrag von 1.150.000,- DM unter der Bedingung erteilt, dass die - nach den Versteigerungsbedingungen mit 2.500,- DM bewerteten - in Abteilung II Nrn. 2, 7 und 8 eingetragenen Rechte bestehen bleiben.

Gegen den Zuschlagsbeschluss hat die Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 11.05.1999 rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, die Erteilung des Zuschlages stelle eine sittenwidrige Verschleuderung ihres Grundbesitzes dar. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 16.07.1999 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Gegen diese, ihr am 02.08.1999 zugestellte Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1), die sie mit am 16.08.1999 eingegangenem Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom selben Tage beim Landgericht eingelegt hat.

Der Senat hat der Beteiligten zu 2) Gelegenheit gegeben, nunmehr die Zustellung der ihr als Rechtsnachfolgerin der H erteilten vollstreckbaren Ausfertigung des Titels an die Beteiligte zu 1) zu bewirken. Die Zustellung ist am 22.11.1999 erfolgt.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 96 ZVG, 568 Abs. 2 S. 1, 793 Abs. 2 ZPO an sich statthaft sowie fristgerecht eingelegt. Der Umstand, dass die Beteiligte zu 1) gemäß § 60 Abs. 1 Ziff. 5 GmbH aufgelöst worden ist und sich in Liquidation befindet, steht ihrer Parteifähigkeit im vorliegenden Verfahren nicht entgegen (vgl. dazu nur Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., § 50, Rdn. 4b m.w.Nachw.). Auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen für das Rechtsmittel liegen vor. Nach § 568 Abs. 2 S. 2 ZPO ist die weitere Beschwerde allerdings nur zulässig, wenn die Entscheidung des Landgerichts einen neuen, selbständigen Beschwerdegrund enthält, d.h. den Beschwerdeführer stärker oder anders belastet als die Entscheidung des Amtsgerichts. Das ist hier nicht der Fall, weil das Landgericht den vom Amtsgericht erteilten Zuschlag sachlich bestätigt hat. Jedoch ist die sofortige weitere Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der Verfahrenszweitbeschwerde (vgl. dazu Senat in NJW 1979, 170) eröffnet, weil die Entscheidung des Landgerichts auf einem durchgreifenden Verfahrensmangel beruht.

Das Landgericht ist seiner Verpflichtung, zu prüfen, ob etwa die in § 83 Nr. 6 ZVG bezeichneten Versagungsgründe vorliegen (§ 100 Abs. 3 ZVG), nicht hinreichend nachgekommen. Der Akteninhalt bot keine hinreichende Grundlage für die nicht näher begründete Feststellung des Landgerichts, die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen lägen im Hinblick auf die Beteiligte zu 2) vor. Die Fortsetzung des Verfahrens durch die Beteiligte zu 2) als Rechtsnachfolgerin der H setzte die Zustellung der der Beteiligten zu 2) gemäß §§ 797 Abs. 2, 727 Abs. 1 ZPO erteilten vollstreckbare Ausfertigung des Vollstreckungstitels an die Beteiligte zu 1) voraus (§§ 795, 750 Abs. 2 ZPO; vgl. dazu BGH DB 1963, 1118; Zeller/Stöber, ZVG, 15. Aufl., § 15, Rdn. 29.7 und 29.8). Nach Aktenlage bestanden zumindest Zweifel an dem Vorliegen dieser Vollstreckungsvoraussetzung. Auf den insoweit gemäß § 139 ZPO gebotenen Hinweis hätte sich wie nunmehr im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde - ergeben, dass die erforderliche Zustellung nach §§ 795, 750 Abs. 2 ZPO tatsächlich nicht erfolgt war und dementsprechend zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung ein Zuschlagsversagungsgrund nach § 83 Nr. 6 ZVG vorlag.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) begründet ist. Der Umstand, dass die der Beteiligten zu 2) erteilte vollstreckbare Ausfertigung des Titels im Nachhinein - im Verlaufe des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde - zugestellt worden ist, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Aufgrund dieser Zustellung ist zwar nunmehr die Fortsetzung des Verfahrens durch die Beteiligte zu 2) zulässig (vgl. dazu Hagemann in Steiner/Eickmann/Hagemann/Storz/Teufel, ZVG, 9. Aufl., §§ 15,16, Rdn. 231 m. w. Nachw.); die Nachholung der Zustellung lässt jedoch den Zusschlagsversagungsgrund nach § 83 Nr. 6 ZVG nicht mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Versteigerungstermins entfallen. Die Rechtmäßigkeit der Zuschlagserteilung ist aufgrund des Versteigerungstermins zu beurteilen; maßgebend ist deshalb allein, ob in diesem Zeitpunkt die Vollstreckungsvoraussetzungen vorgelegen haben (vgl. Senat Rpfleger 1985, 310, 311). Ein einmal erwachsener Versagungsgrund nach § 83 Nr. 6 ZVG kann nicht nachträglich - in der Rechtsmittelinstanz - geheilt werden (vgl. OLG Köln, JW 1938, 2225; KG JW 1932, 1980, 1981; Jansen, NJW 1955, 427, 428; Korintenberg/ Wenz, ZVG, 7. Aufl., §§ 15,16, Anm. II H; Jäckel/Güthe, ZVG, 7. Aufl., §§ 15,16, Rdn. 30). Auch hinsichtlich der bei den Zuschlagsversagungsgründen nach § 83 Nrn. 1-5 ZVG - anders als bei den Versagungsgründen nach § 83 Nrn. 6,7 ZVG - grundsätzlich möglichen Heilung durch Genehmigung des Verfahrens (§ 84 ZVG) ist im übrigen anerkannt, dass die zur Heilung führende Genehmigung wirksam nur bis zur Verkündung der Zuschlagsentscheidung erklärt und in der Rechtsmittelinstanz nicht nachgeholt werden kann (vgl. OLG Königsberg JW 1930, 657, 658; Zeller/Stöber, a.a.O., § 84, Rdn. 3.2. m.w.Nachw.)

Nach alledem ist unter Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen der Zuschlag auf das Meistgebot des Beteiligten zu 4) zu versagen. Die Zuschlagsversagung wirkt, da die Fortsetzung des Verfahrens nunmehr zulässig ist, gem. § 86 ZVG wie eine einstweilige Einstellung des Verfahrens. Die nach § 31 ZVG erforderliche Belehrung der Beteiligten zu 2) über ihr Recht, die Fortsetzung des Verfahrens zu beantragen, hat der Senat dem Amtsgericht übertragen.

Klarstellend hat der Senat ferner ausgesprochen, dass eine Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der sofortigen ersten und weiteren Beschwerde nicht stattfindet. Denn die Zuziehung zum Beschwerdeverfahren nach § 99 Abs. 1 ZVG bewirkt nicht, dass der Zugezogene zur Partei im kostenrechtlichen Sinne wird (Senat Rpfleger 1976, 146, 148), so dass Kostenerstattungsansprüche aufgrund des sachlichen Erfolges des Rechtsmittels nicht entstehen können.

Die Wertfestsetzung für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde beruht auf den §§ 29, 14, 12 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO.