Die Berufung wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Durch Pachtvertrag vom 7./20. Dezember 1994 verpachtete die
Klägerin eine Teilfläche von etwa 50 qm des gemeindlichen
Sportplatzgrundstücks in R. -R. zu einem jährlichen
Pachtzins in Höhe von 100,00 DM auf die Dauer von 15 Jahren an
die Rechtsvorgängerin der D. T. AG zur
Errichtung einer Mobilfunkstation. § 4 Abs. 2 Satz 1 des
Vertrags lautet:
"Das Pachtverhältnis kann von der Gemeinde erstmals
mit einer Frist von zwei Jahren zum Ende der festen
Vertragsdauer gekündigt werden."
Mit Schreiben vom 20. Januar 1995 stellte die
"Bürgergemeinschaft Gegen den Sendemast (Antennenträger) in
R. - per Adresse W. O. , R. ,
F. 20" an die Klägerin das Bürgerbegehren mit der
Frage:
"Soll der Rat der Gemeinde R. beschließen,
dass die Verpachtung eines Grundstücksanteils zur
Errichtung eines Antennenträgers außerhalb einer
Zone gesucht wird, die eine Gesundheitsgefährdung
für die Bevölkerung ausschließt?"
Zur Begründung wurde auf ein unvertretbar hohes
Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung, insbesondere für Kinder
und Jugendliche, hingewiesen. Als Kostendeckungsvorschlag
wurde ausgeführt, eine im Fall der Vertragsänderung etwa zu
leistende Entschädigung an die T. sei aus allgemeinen
Deckungsmitteln aufzubringen, sofern hierfür kein
Versicherungsschutz bestehe. Unterzeichnet war das Schreiben
"für die Bürger" von den Herren W. O. , W.
F. und H. S. .
Am 20. Februar 1995 übergaben Vertreter der
"Bürgergemeinschaft" im Rathaus der Klägerin einen Band
gebundener Unterschriftslisten mit einem vorgehefteten
Begleitschreiben, ebenfalls unterzeichnet durch die Herren
W. O. , W. F. und H. S. .
Auf jeder Liste waren der Text der Frage, der Begründung und
des Kostendeckungsvorschlags sowie Rubriken für 12
Eintragungen mit Name, Vorname, Adresse, Geburtsdatum und
Unterschrift vorgedruckt.
Auf entsprechende schriftliche Anfrage des Gemeindedirektors
der Klägerin vertrat der Beklagte im Schreiben vom 22. Februar
1995 die Auffassung, der Kostendeckungsvorschlag entspreche
dem Gesetz. Die Benennung von bis zu drei
vertretungsberechtigten Personen in den eingereichten
Unterschriftslisten sei "zunächst nicht explizit nach dem
Wortlaut des § 26 in Verbindung mit § 25 GO gefordert",
gleichwohl aber "aus Rechtssicherheitsgründen opportun".
In einem Aktenvermerk vom 3. März 1995 stellte die Klägerin
fest, am 20. Februar 1995 seien in der Gemeinde R. 5444
Bürger wahlberechtigt gewesen. Die vorgelegten
Unterschriftenlisten seien von etwa 1500 Personen
unterschrieben. Für 561 von ihnen sei die Wahlberechtigung
nach Óberprüfung festgestellt worden.
In der Sitzung des Rates der Klägerin vom 9. Mai 1995 erhielt
der Beschlussvorschlag des Gemeindedirektors, das
Bürgerbegehren für unzulässig zu erklären, 13 Ja- und 13
Neinstimmen. Der Gemeindedirektor beanstandete diesen
Beschluss mit Schreiben vom selben Tag mit der Begründung, auf
den einzelnen vorgelegten Unterschriftenlisten fehle die
Vertreterbenennung. Außerdem verfolge das Bürgerbegehren ein
gesetzwidriges Ziel, nämlich den Bruch des Vertrages mit der
T. . In der Sitzung vom 16. Mai 1995 beriet der Rat
erneut über den Beschlussvorschlag, er erhielt 5 Ja- und 20
Nein-Stimmen.
Mit Verfügung vom 2. August 1995 hob der Beklagte die
Ratsbeschlüsse der Klägerin vom 9. Mai 1995 und vom 16. Mai
1995, jeweils Tagesordnungspunkte Nr. 3, unter Bezugnahme auf
§ 108 Abs. 1 Satz 2 GO NRW 1984 mit der Begründung auf, das
Bürgerbegehren verstoße gegen § 26 GO NRW, weil die
Unterschriftslisten nicht die Namen vertretungsberechtigter
Personen enthielten. Sein Entschließungsermessen übe er im
Sinn der Aufhebung aus, um dem dringenden öffentlichen
Interesse an einer gesetzeskonformen Anwendung des neuen
Rechtsinstituts des Bürgerbegehrens von Anfang an Rechnung zu
tragen.
Mit ihrer am 31. August 1995 erhobenen Klage hat die Klägerin
geltend gemacht, weder der Wortlaut noch die Systematik der
§§ 25 Abs. 4, 26 Abs. 4 Satz 4 GO NRW forderten die Angabe der
vertretungsberechtigten Personen auf den Unterschriftslisten.
Jedenfalls verstoße die angefochtene Verfügung gegen den
Grundsatz von Treu und Glauben. Der Beklagte setze sich
nämlich mit ihr in Widerspruch zu seinem Schreiben vom
22. Februar 1995, in dem er ihr mitgeteilt habe, auf die
Benennung der vertretungsberechtigten Personen auf den
Unterschriftslisten könne verzichtet werden. Dadurch habe er
einen Vertrauenstatbestand für die Auslegung einer in
Nordrhein-Westfalen völlig neuen Regelungsmaterie
geschaffen.
Die Klägerin hat beantragt,
die kommunalaufsichtliche Verfügung
des Beklagten vom 2. August 1995
aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Abgesehen von der fehlenden Vertreterbenennung in den
Unterschriftslisten sei auch die Bestimmtheit des Begehrens
äußerst fraglich, und zwar zum einen wegen der
missverständlichen Frageformulierung und zum anderen wegen
seiner unklar formulierten Zielsetzung (einseitige Kündigung
des Pachtvertrages oder Aufnahme von Verhandlungen mit der
Pächterin zur einvernehmlichen Aufhebung des Vertrages). Zudem
sei der Kostendeckungsvorschlag unzureichend.
Durch Gerichtsbescheid vom 15. November 1996 (nicht, wie es
dort irrtümlich heißt: 1995), der Klägerin zugestellt am
17. Dezember 1996, hat das Verwaltungsgericht die Klage wegen
unzureichender Vertreterbenennung abgewiesen.
Mit der am 17. Januar 1997 eingelegten Berufung vertieft die
Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie meint,
eigentlicher Kern eines Bürgerbegehrens im Sinn des § 26
Abs. 2 Satz 1 GO NRW seien der Fragetext, die Begründung und
der Kostendeckungsvorschlag. Nur diese drei Elemente müssten
nach dem Wortlaut und dem Zweck des § 26 Abs. 2 GO NRW
Gegenstand der Unterschriftslisten sein. Die
Vertreterbenennung habe nur den verfahrensrechtlichen Zweck,
die Handlungsfähigkeit des Gesamtinstituts zu gewährleisten.
Die Initiatoren des Bürgerbegehrens genössen Vertrauensschutz,
weil sie den Text der Unterschriftslisten vor deren
Unterzeichnung mit dem Beklagten abgestimmt hätten. Auf das
Erfordernis der Vertreterbenennung auf diesen Listen habe die
Kommunalaufsicht sie nicht aufmerksam gemacht.
Die Klägerin beantragt,
den angefochtenen Gerichtsbescheid
zu ändern und nach dem
erstinstanzlichen Klageantrag zu
erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bezweifelt bereits das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage
mit dem Hinweis, der Rat der Klägerin könne dem Anliegen der
Bürger jederzeit durch eine eigene Entscheidung entsprechen.
Dass die Initiatoren F. und S. sich mit der Bitte
um Hilfe bei der Formulierung der Unterschriftslisten an die
Kommunalaufsicht gewandt hätten, sei zutreffend. Jedoch habe
der gesprächsführende Sachbearbeiter auf die Unverbindlichkeit
seiner Auskünfte hingewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes
wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und
des Verfahrens 4 L 679/95 VG Aachen sowie die
Verwaltungsvorgänge der Klägerin (8 Hefte) und des Beklagten
(1 Heft) Bezug genommen.
Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die
Klage zu Recht abgewiesen. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist zulässig.
Die Klägerin wird im vorliegenden Rechtsstreit durch den
Bürgermeister als ihren gesetzlichen Vertreter in Rechts- und
Verwaltungsgeschäften vertreten (§ 63 Abs. 1 Satz 1 GO NRW).
Die frühere Senatsrechtsprechung, wonach im
Aufsichtsrechtsstreit die Gemeinde durch den ehrenamtlichen
Bürgermeister vertreten wird, wenn der Gemeindedirektor den
streitigen Ratsbeschluss von sich aus beanstandet hatte,
vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.
September 1980 - 15 A 686/78 -, OVGE
35, 73 (74 f.); Beschluss vom 7.
September 1978 - XV D 73/78 -, OVGE 33,
263 (265),
ist nach Abschaffung der Doppelspitze durch Inkrafttreten der
neuen Gemeindeverfassung gegenstandslos. Die Gemeinde wird
nicht etwa durch den ehrenamtlichen Bürgermeister in analoger
Anwendung des § 53 Abs. 2 GO NRW vertreten.
So Kirchhof, in: Held u.a.,
Kommunalverfassungsrecht NRW,
Loseblattsammlung (Stand: September
1999), § 63 Erl. 4; Erichsen,
Kommunalrecht des Landes Nordrhein-
Westfalen, 2. Aufl., S. 125.
Das Gesetz sieht in der genannten Fallkonstellation, in der
der Bürgermeister den Ratsbeschluss pflichtgemäß beanstandet
hat (§ 54 Abs. 2 Satz 1 GO NRW), keine Beschränkung des
Vertretungsrechts des Bürgermeisters nach § 63 Abs. 1 Satz 1
GO NRW vor. Es ist auch der Sache nach nicht nötig, da kein
Widerspruch darin besteht, kraft eigener Organkompetenz einen
Ratsbeschluss zu beanstanden und auf Beschluss des Rates die
Aufhebung des Ratsbeschlusses durch die Aufsichtsbehörde
gerichtlich zu bekämpfen. Der Bürgermeister ist nämlich zur
Durchführung des Beschlusses verpflichtet (§ 62 Abs. 2 Satz 2
GO NRW). Der Rat hat auch ausreichende Möglichkeiten, die
Durchführung des Beschlusses zu überwachen (§ 55 Abs. 3 GO
NRW) und das Prozessverhalten zu bestimmen (§ 41 Abs. 1 Satz
1, Abs. 3 GO NRW). § 53 Abs. 2 GO NRW, der ausnahmsweise die
Durchführung eines Ratsbeschlusses durch den stellvertretenden
Bürgermeister vorsieht, kann nichts Gegenteiliges entnommen
werden. Diese Vorschrift ist auf Fälle beschränkt, in denen
Maßnahmen gegenüber dem Bürgermeister selbst oder seine
Amtsführung Gegenstand des Ratsbeschlusses sind, sie erfasst
aber nicht Fälle unterschiedlicher Auffassungen in der Sache.
Entgegen der Auffassung des Beklagten fehlt der Klage nicht
das Rechtsschutzbedürfnis. Die Inanspruchnahme des Gerichts
erscheint nicht deshalb unnötig, weil die Klägerin einen
Ratsbeschluss mit dem Inhalt, den Pachtvertrag mit der
T. rückgängig zu machen, auch unabhängig von dem
Bürgerbegehren herbeiführen könnte. Das Rechtsschutzbedürfnis
für eine gemeindliche Anfechtungsklage gegen die
kommunalaufsichtliche Aufhebung eines Ratsbeschlusses über die
Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens nach § 26 Abs. 6 Satz 1 der
Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) in
der Fassung des Änderungsgesetzes vom vom 20. März 1996
(GV.NRW. S. 124) entfällt nicht deshalb, weil die Gemeinde dem
Bürgerbegehren durch einen Ratsbeschluss außerhalb des in § 26
GO NRW vorgesehenen Verfahrens auch selbst Rechnung tragen
könnte. Auf ein derartiges Vorgehen kann die Klägerin nicht
verwiesen werden, weil es voraussetzt, dass der Rat dem
Bürgerbegehren unabhängig von seiner Zulässigkeit jedenfalls
in der Sache folgen will. Lehnt der Rat das Bürgerbegehren
hingegen in der Sache ab oder will er die Entscheidung darüber
etwa aus Gründen besserer Akzeptanz den Bürgern selbst
überlassen, so kann der Gemeinde eine verbindliche
gerichtliche Klärung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens
nicht verwehrt werden. Von der Zulässigkeit hängt nämlich ab,
ob die Gemeinde einen Bürgerentscheid durchführen darf und
muss (§ 26 Abs. 6 Satz 3 GO NRW). Der Rat selbst hat bei
seiner Entscheidung über die Zulässigkeit nach § 26 Abs. 6
Satz 1 GO NRW weder einen Beurteilungs- noch einen
Ermessensspielraum, sondern er muss nach Maßgabe der
gesetzlichen Regelungen die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit
des Bürgerbegehrens feststellen.
So ausdrücklich der Gesetzentwurf
der Landesregierung, LT-Drucks.
11/4983, Begründung, S. 8; vgl. ferner
von Danwitz, DVBl. 1996, 134 (136).
Unabhängig davon ist das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin
angesichts der Umstände des vorliegenden Falles jedenfalls
deshalb zu bejahen, weil nicht auszuschließen ist, dass der
Gemeindedirektor (jetzt der Bürgermeister) auch einen
außerhalb des Verfahrens nach § 26 GO NRW gefassten Beschluss
beanstandet und der Beklagte ihn schließlich ebenfalls im
kommunalaufsichtlichen Verfahren aufhebt. Der Gemeindedirektor
der Klägerin hatte seine Beanstandung nämlich nicht nur auf
das Fehlen der spezifisch bürgerbegehrensbezogenen
Zulässigkeitsvoraussetzung der Vertreterbenennung nach § 26
Abs. 2 Satz 2 GO NRW gestützt, sondern auch auf einen
Gesetzesverstoß nach § 26 Abs. 5 Nr. 9 GO NRW, also auf einen
Unzulässigkeitsgrund, bei dessen Vorliegen auch ein
inhaltsgleicher Ratsbeschluss außerhalb eines Bürgerbegehrens
rechtswidrig wäre. Der Beklagte hat das Vorliegen dieses
Unzulässigkeitsgrundes in der angefochtenen
Aufhebungsverfügung ausdrücklich offen lassen können, weil
auch er seine Entscheidung maßgeblich auf das Fehlen der
Vertreterbenennung in den Unterschriftslisten gestützt hat.
Die Klage ist unbegründet. Die kommunalaufsichtliche Verfügung
des Beklagten vom 2. August 1995 ist rechtmäßig und verletzt
die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO).
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass
für die materielle Rechtmäßigkeit der Verfügung auf § 108
Abs. 1 Satz 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-
Westfalen (GO NRW 1984) in der Fassung der Bekanntmachung vom
13. August 1984 (GV. NRW. S. 475) als einschlägiger
Ermächtigungsgrundlage abzustellen ist, wonach die
Aufsichtsbehörde Beschlüsse des Rates, die das geltende Recht
verletzen, nach vorheriger Beanstandung durch den
Gemeindedirektor und nochmaliger Beratung im Rat aufheben
kann.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser
Ermächtigungsgrundlage sind erfüllt. Der Gemeindedirektor der
Klägerin hat den Ratsbeschluss vom 9. Mai 1995 noch am selben
Tag beanstandet, die nochmalige Beratung im Rat hat am 16. Mai
1995 stattgefunden.
Der Ratsbeschluss vom 9. Mai 1995 verletzt auch das geltende
Recht. Er gilt als Ablehnung der beantragten
Unzulässigkeitsfeststellung, weil er mit Stimmengleichheit
gefasst wurde (§ 50 Abs. 1 Satz 2 GO NRW). Denselben Inhalt
hat der in der nochmaligen Beratung am 16. Mai 1995 (mit
Stimmenmehrheit) gefasste Beschluss. Ob in dieser
Beschlussfassung eine positive und abschließende
Zulässigkeitsfeststellung nach § 26 Abs. 6 Satz 1 GO NRW zu
sehen ist (davon sind der Gemeindedirektor und auch der Rat
selbst offenbar ausgegangen, wie sich aus dem
Beanstandungsschreiben vom 9. Mai 1995 und aus den
Beschlussvorlagen für die Ratssitzungen vom 16. Mai 1995 und
vom 24. August 1995 ergibt) und ob der Rat der Klägerin für
den Fall, dass diese Frage zu verneinen sein sollte, seine
Verpflichtung aus dieser Vorschrift zur unverzüglichen
Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens
verletzt hat, kann dahinstehen.
Denn der Rat der Klägerin hätte jedenfalls die beantragte
Unzulässigkeitsfeststellung nicht ablehnen dürfen, weil das
Bürgerbegehren unzulässig ist. Es enthält, wie das
Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, keine wirksame
Vertreterbenennung. Der Ratsbeschluss vom 9. Mai 1995 ist mit
§§ 26 Abs. 4 Satz 4, 25 Abs. 4 Satz 1 GO NRW unvereinbar.
Diese Vorschriften sind so auszulegen, dass jede Liste mit
Unterzeichnungen den vollen Wortlaut derjenigen Bestandteile
eines Bürgerbegehrens enthalten muss, die zu dessen
notwendigem Inhalt gehören. Das sind die in § 26 Abs. 2 GO NRW
bezeichneten Bestandteile, also die Entscheidungsfrage, die
Begründung, der Kostendeckungsvorschlag (Satz 1) sowie die von
Satz 2 geforderte Benennung von bis zu drei Personen, die
berechtigt sind, die Unterzeichnenden zu vertreten.
Ebenso Rehn/Cronauge/von Lennep,
Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-
Westfalen, Stand: Januar 1999, § 26,
Anm. V. 2.; Wansleben, in:
Held/Becker/Decker/Kirchhof/Krämer/Wans
leben, Kommunalverfassungsrecht
Nordrhein-Westfalen, Stand: September
1999, § 26 GO, Anm. 4; vgl. auch VG
Köln, Urteil vom 31. Mai 1999 - 4 K
7677/96 -, S. 9 des Urteilsabdrucks.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der notwendige Inhalt
eines Bürgerbegehrens, der auf jeder Unterschriftenliste
enthalten sein muss, nicht ausschließlich in § 26 Abs. 2
Satz 1 GO NRW definiert und damit auf das Begehren, die
Begründung und den Kostendeckungsvorschlag beschränkt, sondern
vielmehr zählt hierzu auch die in § 26 Abs. 2 Satz 2 GO NRW
geforderte Vertreterbenennung. Das ergibt sich aus dem
Wortlaut, der Systematik der §§ 25 und 26 GO NRW sowie aus dem
Sinn und Zweck des Vertretungserfordernisses, der zum Teil
auch in den Materialien zur Entstehungsgeschichte des § 26 GO
NRW zum Ausdruck gebracht worden ist.
Schon der Wortlaut des § 26 Abs. 2 Satz 2 GO NRW lässt eine
gegenteilige Auslegung kaum zu. Denn wenn in dieser Vorschrift
formuliert ist, "es" müsse bis zu drei Personen benennen, die
berechtigt sind, die Unterzeichnenden zu vertreten, so ist mit
diesem Pronomen das in § 26 Abs. 2 Satz 1 GO NRW verwendete
Wort "Bürgerbegehren" ersetzt, das wiederum in § 26 Abs. 1 GO
NRW als der Antrag der Bürger legaldefiniert ist, an Stelle
des Rates über eine Angelegenheit der Gemeinde selbst zu
entscheiden.
Zur Legaldefinition vgl. bereits OVG
NRW, Urteil vom 9. Dezember 1997 - 15 A
974/97 -, NWVBl. 1998, 273
(274) = DVBl. 1998, 785 = NVwZ-RR 1999,
136 = StuGR 1998, 153.
Einen greifbaren Anhaltspunkt für die Auffassung der Klägerin,
das Pronomen "es" meine nicht das als Antrag legaldefinierte
Bürgerbegehren, sondern ein hiervon begrifflich zu
unterscheidendes Rechtsinstitut "Bürgerbegehren", enthält die
Formulierung des Gesetzes nicht. Es wäre auch wenig
einleuchtend und trüge nicht dem Gebot der Regelungsklarheit
Rechnung, wenn § 26 GO NRW zwei verschiedene Begriffe des
Bürgerbegehrens verwendete. Nimmt § 26 Abs. 2 Satz 2 GO NRW
damit auf das als Antrag zu verstehende Bürgerbegehren im Sinn
des Absatzes 1 Bezug, so folgt aus den §§ 26 Abs. 4 Satz 4, 25
Abs. 4 Satz 1 GO NRW, dass dieser Antrag auf jeder Liste mit
Unterzeichnungen im vollen Wortlaut enthalten sein muss.
Der Wortlaut des § 26 Abs. 2 Satz 2 GO NRW legt die
vorgenannte Auslegung zudem mit der Formulierung nahe, die bis
zu drei Personen müssten berechtigt sein, "die
Unterzeichnenden" zu vertreten. Damit unterscheidet sich das
nordrheinwestfälische Recht von den in anderen
Gemeindeordnungen anzutreffenden Formulierungen, nach denen
die Vertretungsberechtigung lediglich auf "das Bürgerbegehren"
bezogen wird. Während diese letztgenannte Formulierung
ausschließlich das mit dem Bürgerbegehren verfolgte sachliche
Anliegen in den Blick nimmt, lässt sich die personenbezogene
Formulierung in § 26 Abs. 2 Satz 2 GO NRW als Hinweis darauf
verstehen, dass es nicht um eine Vertretung des
Bürgerbegehrens oder der Initiatoren geht, sondern um eine
Vertretung derjenigen Bürger, die mit ihren Eintragungen in
die Unterschriftslisten ihre Unterstützung des Bürgerbegehrens
dokumentieren.
Oberverwaltungsgericht Rheinland-
Pfalz (OVG RP), Beschluss vom
1. Dezember 1994 - 7 B 12954/94 -,
NVwZ-RR 1995, 411 (413).
Dass die Vorschriftenkombination der §§ 26 Abs. 4 Satz 4, 25
Abs. 4 Satz 1 GO NRW mit dem Begriff des Bürgerbegehrens, das
im vollen Wortlaut wiederzugeben ist, nicht nur die Elemente
des § 26 Abs. 2 Satz 1 GO NRW, sondern auch die
Vertreterbenennung in Satz 2 meint, ergibt sich ferner aus der
systematischen Stellung dieser Vorschriften zueinander. Die
Verweisung des § 26 Abs. 4 Satz 4 GO NRW ("Im übrigen gilt
§ 25 Abs. 4 entsprechend.") nimmt § 25 Abs. 4 GO NRW nicht
vollständig in Bezug, sondern nur dessen Sätze 1 und 2. Eine
Inbezugnahme der Prüfungspflicht der Gemeinde in § 25 Abs. 4
Satz 3 GO NRW war entbehrlich, weil diese in § 26 Abs. 4
Satz 3 GO NRW schon ausdrücklich auch für das Bürgerbegehren
enthalten ist. § 25 Abs. 4 Satz 1 GO NRW ist in der durch § 26
Abs. 4 Satz 4 GO NRW angeordneten entsprechenden Anwendung so
zu lesen, dass jede Liste mit Unterzeichnungen den vollen
Wortlaut des Bürgerbegehrens enthalten muss. Denn bei dem
Bürgerbegehren handelt es sich, wie oben festgestellt, ebenso
um einen Antrag wie bei dem Einwohnerantrag nach § 25 GO NRW,
wenn auch mit unterschiedlichem Inhalt und unterschiedlicher
Zielrichtung.
Ebenso Rehn/Cronauge/von Lennep,
Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-
Westfalen, Stand: Januar 1999, § 26,
Anm. V. 2.; Ritgen, Bürgerbegehren und
Bürgerentscheid, 1997, S. 137, Fn. 5.
Diejenigen Elemente des Einwohnerantrags oder des
Bürgerbegehrens, die nach den §§ 26 Abs. 4 Satz 4, 25 Abs. 4
Satz 1 GO NRW im vollen Wortlaut in jede Liste mit
Unterzeichnungen aufzunehmen sind, ergeben sich aus den
jeweiligen Absätzen 2 der §§ 25 und 26 GO NRW, in denen der
notwendige Inhalt des Einwohnerantrags und des Bürgerbegehrens
festgelegt ist. Während beim Einwohnerantrag nur das Begehren,
die Begründung und die Vertreterbenennung zum notwendigen
Inhalt gehören (§ 25 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GO NRW), zählt beim
Bürgerbegehren zusätzlich zu diesen Elementen auch der
Kostendeckungsvorschlag dazu (§ 26 Abs. 2 Satz 1 GO NRW).
Bestätigt wird dieses Auslegungsergebnis schließlich durch den
Sinn und Zweck des Vertretungserfordernisses, der zum Teil
auch in den Materialien zur Entstehungsgeschichte des § 26 GO
NRW zum Ausdruck gebracht worden ist. Ebenso wie die übrigen
formellen Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Bürgerbegehrens
(Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4) soll auch die Vertreterbenennung
vorrangig die ordnungsgemäße Durchführung eines
Bürgerbegehrens gewährleisten, zugleich aber auch
sicherstellen, dass das Bürgerbegehren in rechtsgültiger Form
Ausdruck des übereinstimmenden Willens der erforderlichen Zahl
von Bürgern ist, an Stelle des Rates über eine bestimmte
Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft zu entscheiden.
Vgl. Ritgen, Bürgerbegehren und
Bürgerentscheid, 1997, S. 136.
Dieser doppelte Zweck findet zumindest in seinem ersten Teil
auch in den Materialien zur Entstehungsgeschichte des § 26 GO
NRW Erwähnung mit dem Hinweis, die Gemeinde könne "nicht mit
allen Unterzeichnern des Bürgerbegehrens korrespondieren".
Gesetzentwurf der Landesregierung,
LT-Drucks. 11/4983, Begründung, S. 8.
Der Wille der erforderlichen Zahl von Bürgern, an Stelle des
Rates über eine bestimmte Angelegenheit der örtlichen
Gemeinschaft zu entscheiden, wird maßgeblich auch dadurch
mitbeeinflusst, durch welche Personen das Bürgerbegehren
vertreten werden soll. Vielfach wird ein Bürgerbegehren gerade
deshalb unterschrieben, weil es von bestimmten Personen - und
nicht von anderen - vertreten wird.
VG Köln, Urteil vom 31. Mai 1999 - 4
K 7677/96 -, S. 9 des Urteilsabdrucks;
VG Ansbach, Beschluss vom 26. März 1996
- AN 4 E 96.00499 -, BayVBl. 1996, 411.
Hängt aber der Entschluss der Bürger, ob sie ein bestimmtes
sachliches Begehren einem Bürgerentscheid zuführen wollen,
nicht nur von sachlichen Erwägungen, sondern auch von den
Persönlichkeiten ab, die sich dieses sachliche Begehren als
Vertreter des Bürgerbegehrens zu Eigen machen sollen, so
erscheint es zu deren ausreichender verfahrensrechtlicher
Legitimation geboten, dass jedem einzelnen Bürger zweifelsfrei
vor Augen geführt wird, wer diese Personen sind. Das ist
wiederum nur dann gewährleistet, wenn sie auf jeder einzelnen
Unterschriftenliste namentlich bezeichnet sind.
Diese Auslegung der §§ 26 Abs. 4 Satz 4, 25 Abs. 4 Satz 1 GO
NRW ist, wie das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die
weitreichenden Rechtswirkungen des Bürgerentscheids zutreffend
ausgeführt hat, auch nicht übermäßig streng. Sie trägt im
Óbrigen der im nordrheinwestfälischen Recht besonders stark
ausgeprägten Rechtsstellung der Vertreter von Bürgerbegehren
in besonderem Maß Rechnung. Diese Rechtsstellung geht nach der
Rechtsprechung des Senats über diejenige der
rechtsgeschäftlichen Stellvertreter oder der Vertreter im Sinn
der §§ 17 ff. VwVfG NRW hinaus; sie entspricht derjenigen der
Vertrauensmänner bei einem Volksbegehren. Nur den Vertretern
nach § 26 Abs. 2 Satz 2 GO NRW, nicht auch den Unterzeichnern
des Bürgerbegehrens, steht die Befugnis zur rechtsförmigen
Durchsetzung des Bürgerbegehrens zu, wie sich aus der
Einfügung des § 26 Abs. 6 Satz 2 GO NRW durch das
Änderungsgesetz vom 20. März 1996 (GV.NRW. S. 124) ergibt.
OVG NRW, Urteil vom 9. Dezember 1997
- 15 A 974/97 -, NWVBl. 1998,
273 = DVBl. 1998, 785 = NVwZ-RR 1999,
136 = StuGR 1998, 153; zur abweichenden
Rechtslage in den anderen Bundesländern
vgl. Schliesky, DVBl. 1998, 169
(173 f.); Seckler, BayVBl. 1997, 232
(233, 235).
Den vorstehenden Anforderungen an eine ordnungsgemäße
Vertreterbenennung genügt das hier streitige Bürgerbegehren
nicht. Die von den Herren W. O. , W. F.
und H. S. jeweils unterzeichneten
Begleitschreiben vom 20. Januar 1995 und vom 20. Februar 1995,
die dem am 20. Februar 1995 der Klägerin überreichten Band mit
Unterschriftenlisten vorgeheftet sind, vermögen die fehlende
Vertreterbenennung auf den Unterschriftenlisten nicht zu
ersetzen, da sie den Unterschriftenlisten nachträglich
hinzugeheftet sind.
Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 108 Abs. 1
Satz 2 GO NRW NRW 1984 hiernach erfüllt, stand die
Entscheidung über die Aufhebung des Ratsbeschlusses im
Ermessen des Beklagten. Dieses Ermessen hat er fehlerfrei
ausgeübt. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der
Beklagte mit seiner Entscheidung, den Ratsbeschluss vom 9. Mai
1995 aufzuheben, weder einen von ihm gesetzten
Vertrauenstatbestand missachtet noch sich zu seinem eigenen
früheren Verhalten in Widerspruch gesetzt (venire contra
factum proprium). In seinem Schreiben vom 22. Februar 1995 hat
sich der Beklagte nämlich nicht abschließend und verbindlich
über die Ordnungsgemäßheit der vorgelegten
Unterschriftenlisten geäußert, sondern lediglich im Vorfeld
eines förmlichen kommunalaufsichtlichen Verfahrens eine
vorläufige, ausschließlich am bloßen Gesetzestext ("explizit")
orientierte Stellungnahme abgegeben. Dabei zog er ersichtlich
in Betracht, bei abschließender Subsumtion zu einem anders
lautenden Ergebnis zu kommen. Das hat er durch den Hinweis
deutlich gemacht, die Vertreterbenennung in den
Unterschriftslisten sei gleichwohl "aus
Rechtssicherheitsgründen opportun".
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf
§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen
nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.