OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.11.2000 - 15 A 2340/97
Fundstelle
openJur 2011, 78809
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 7 K 6188/93
Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 27.027,84 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger ist Mitglied einer Erbengemeinschaft, die das gemeinschaftliche Eigentum an dem Grundstück Gemarkung W. , Flur 9, Flurstück 12, inne hat. Das Grundstück liegt in der Ortslage U. der Stadt M. . Es ist mit einer Scheune und weiteren landwirtschaftlichen Nebengebäuden für den vom Kläger in Nebenerwerbslandwirtschaft betriebenen Hof bebaut. Die Bebauung U. erstreckt sich entlang der U. Straße, die sich in zwei Straßenzüge aufgabelt. Außerdem liegt ein Wohnhaus an einer auf die U. Straße mündenden Straße. Insgesamt besteht U. aus 13 Wohnhäusern zuzüglich Nebengebäuden, davon 3 landwirtschaftlichen Betrieben. Gewerbliche Nutzung, insbesondere durch Einzelhandelsbetriebe oder Gaststätten, findet in U. nicht statt. Wegen der Einzelheiten der Bebauung und baulichen Nutzung in U. wird auf den Lageplan Blatt 158 der Gerichtsakte, die deutsche Grundkarte (Beiakte II, Bl. 8), den Auszug aus dem Stadtplan (Bl. 156 der Gerichtsakte), die zu den Akten gereichten Lichtbilder (Beiakte I) sowie die Feststellungen im Erörterungstermin vom 11. Oktober 2000 (Bl. 163 - 164 der Gerichtsakte) Bezug genommen. 1992 verlegte der Beklagte in der U. Straße einen Mischwasserkanal und erließ gegenüber dem Kläger unter dem 21. Mai 1993 einen Bescheid, mit dem für das klägerische Grundstück ein Kanalanschlussbeitrag für die Möglichkeit der Entwässerung von Schmutz- und Niederschlagswasser über 27.027,84 DM unter Zugrundelegung einer Fläche von 4.022 m² und einer zulässigen zweigeschossigen Bebauung festgesetzt wurde. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 26. August 1993 (zugestellt am 31. August) zurück.

Mit der am 17. September 1993 erhobenen Klage hat sich der Kläger weiter gegen den Beitragsbescheid gewandt und vorgetragen: Die Beitragssatzung sei nichtig, da der Rat die Kalkulation nicht gebilligt habe. Auch seien die in die Kalkulation eingestellten Maßnahmen nicht repräsentativ, da das gesamte Gebiet kanalisiert werden solle. Für die auf dem Grundstück vorhandenen Gebäude bedürfe er keiner Entwässerung. Es sei schon fraglich, ob eine Scheune vom entwässerungsbeitragsrechtlichen Begriff der baulichen Nutzung erfasst werde. Das Grundstück sei kein Bauland, da es nicht im Innenbereich liege. Die Kanalisierung sei lediglich erfolgt, um das Wasserschutzgebiet zu sanieren. Die Stadtwerke könnten keinen Beitrag erheben, weil diese keinen gemeindlichen Aufwand hätten, den es über die Beiträge zu finanzieren gälte. Der verlangte Beitrag sei zu hoch, da die Bebauung auf dem Grundstück nur ein Geschoss aufweise und das Grundstück allenfalls bis zu einer Tiefe von 20 Metern bebaut werden könne. Der Bescheid leide an formellen Mängeln, da er weder die übrigen Gesamtschuldner aufführe noch einen Hinweis auf die Erbengemeinschaft enthalte. Es hätte geprüft werden müssen, ob der Beitrag gemäß § 135 Abs. 4 des Baugesetzbuches zinslos gestundet werden müsse. Nach allgemeinen Billigkeitsvorschriften hätte berücksichtigt werden müssen, dass der Abriss der Scheune mit hohen Kosten verbunden wäre, wenn auf dem Grundstück gebaut würde. Ein Anschluss- und Benutzungszwang für das Grundstück bestehe nicht.

Der Kläger hat beantragt,

den Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 21. Mai 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 1993 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen: Der Beitrags- und Gebührensatzung liege eine zulässige Kalkulation nach tatsächlichem Aufwand vor; da die Stadtwerke ein Eigenbetrieb der Stadt seien, sei ihr Aufwand Aufwand der Stadt. Das Grundstück sei als im Innenbereich gelegen beitragspflichtig. Gerade wegen der dort festgesetzten Wasserschutzzone III sei das Grundstück nur wegen des Kanals bebaubar. Die dem Bescheid zu Grunde gelegte Zweigeschossigkeit der Bebauung ergebe sich aus der vorhandenen Umgebungsbebauung. Die für die veranlagte Fläche maßgebliche 50-m-Tiefenbegrenzung gelte unabhängig von der Geländetopographie. Die landwirtschaftliche Nutzung sei allenfalls für eine Stundung von Bedeutung, wofür jedoch bislang nichts vorgetragen sei.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch das angefochtene Urteil stattgegeben, weil die Kalkulation des Beitragssatzes auf einer fehlerhaften Berechnung des vom beitragsfähigen Aufwand abzusetzenden Straßenentwässerungsanteils beruhe und eine inzwischen erstellte Nachkalkulation nicht Gegenstand eines diese billigenden Ratsbeschlusses gewesen sei.

Mit der zugelassenen Berufung trägt der Beklagte vor: Die Beitrags- und Gebührensatzung sei wirksam, da eine konkrete Schätzung des Straßenentwässerungsanteils nicht erforderlich sei. Allgemein sei eine Schätzung zulässig, wenn die einzustellenden Kosten nicht oder nur unter unverhältnismäßigem Aufwand ermittelt werden könnten. Bei einer Globalkalkulation, wie sie hier vorgenommen worden sei, mit dem großen abzudeckenden Zeitraum sei eine Schätzung erst recht zulässig. Bei der Berechnungsmethode nach dem Dreikostenmassenprinzip würden die zufälligen Ergebnisse einer konkreten Vergleichsberechnung für alle Folgejahre fortgeschrieben, sodass für eine Globalkalkulation die Berechnung des Straßenentwässerungsanteils nach dem Dreikostenmassenprinzip ungeeignet sei.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Aachen den Kläger mit der Klage abzuweisen.

Der Kläger stellt keinen ausdrücklichen Berufungszurückweisungsantrag.

Mit Beschluss vom 24. Juni 1997 hat der Rat der Stadt M. eine Beitragskalkulation als Grundlage für den in der Beitrags- und Gebührensatzung vom 22. Dezember 1980 festgelegten Beitragssatz von 5,60 DM je Verteilungsanteil gebilligt. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 143 - 150 und 159 der Gerichtsakte Bezug genommen. Am 11. Oktober 2000 hat ein Erörterungstermin stattgefunden, wegen dessen Ergebnisses auf die Niederschrift (Bl. 163 - 164 der Gerichtsakte) Bezug genommen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der dazu beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss über die Berufung gemäß § 130a VwGO, dessen Voraussetzungen vorliegen.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, da diese zulässig und begründet ist. Der angegriffene Beitragsbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Beitragsbescheid kann sich nicht auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage nach § 8 KAG NRW stützen, weil die erforderliche (§ 2 Abs. 1 Satz 1 KAG NRW) und hier maßgebliche Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 22. Dezember 1980 in der im Jahre 1992 gültigen Fassung (KABS) nichtig ist. Sie beruht nämlich auf einer fehlerhaften Kalkulation des Beitragssatzes nach § 8 Abs. 4 KAG NRW. Allerdings ziehen Fehler in der Beitragskalkulation, also in der Gesamtheit aller Ermittlungen, Berechnungen, Ermessens- und Wertentscheidungen sowie Schätzungen, die der Festsetzung des Beitragssatzes zu Grunde liegen, nur dann die Unwirksamkeit der Beitragssatzung nach sich, wenn das als Soll-Vorschrift ausgestaltete Aufwandsüberschreitungsverbot des § 8 Abs. 4 Satz 5 KAG NRW erheblich oder gröblich verletzt ist. Fehler bei der Aufwandsermittlung können nicht als solche, sondern nur im Hinblick auf eine etwaige Verletzung des Aufwandsüberschreitungsverbotes zur Ungültigkeit der Beitragssatzregelung führen. Für die Gültigkeit des in einer Kanalanschlussbeitragssatzung festgesetzten Beitragssatzes kommt es nämlich allein darauf an, ob er sich im Ergebnis als "richtig" (im Sinne von "nicht überhöht" nach Maßgabe des Aufwandsüberschreitungsverbots in § 8 Abs. 4 Satz 5 KAG NRW) erweist. Solche zur Nichtigkeit der Beitragssatzregelung führenden Fehler bei der Aufwandsermittlung liegen erstens dann vor, wenn in erheblichem Umfang nicht beitragsfähiger Aufwand angesetzt und daher gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot verstoßen wird. Darüber hinaus führen Fehler der Beitragskalkulation - zweitens - aber auch dann zur Unwirksamkeit der Satzung, wenn erhebliche methodische Fehler die Feststellung unmöglich machen, ob das Aufwandsüberschreitungsverbot beachtet ist oder nicht.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 1995 - 15 A 3123/93 -, NWVBl 1996, 9 (10).

Hier liegen hinsichtlich der durch Ratsbeschluss vom 24. Juni 1997 der maßgeblichen Beitragssatzregelung zugeordneten Kalkulation zwei erhebliche methodische Fehler vor.

Zum einen schreibt die Satzung in § 1 vor, dass ein Beitrag zum Ersatz des tatsächlichen Aufwands erhoben wird. Diese Formulierung bedeutet, dass eine bestimmte Kalkulationsmethode gewählt werden soll, nämlich die in § 8 Abs. 4 Satz 2 KAG NRW zugelassene Kalkulation nach tatsächlichen Aufwendungen, nicht die nach Satz 3 dieser Vorschrift ebenfalls zulässige Kalkulation nach dem durchschnittlichen Aufwand. Dass dies auch so von der Stadt verstanden wird, ergibt sich aus der inzwischen in Kraft getretenen Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 17. Dezember 1997, die in § 1 die Erhebung eines Beitrags zum Ersatz des durchschnittlichen Aufwands vorschreibt. Nach den Bekundungen des städtischen Bediensteten M. im Erörterungstermin diente die Neufassung der Beitragssatzung u. a. auch dieser Umstellung der Kalkulationsmethode und sei die hier in Rede stehende Nachkalkulation deshalb entsprechend der neuen Kalkulationsmethode erstellt worden. Da die maßgebliche Kanalanschlussbeitragssatzung jedoch eine Kalkulation nach tatsächlichen Aufwendungen vorschreibt, entspricht die Nachkalkulation nicht den satzungsrechtlichen Vorgaben. Dieser methodische Fehler ist auch erheblich. Die Kalkulation nach tatsächlichen Aufwendungen bedeutet, dass alle vergangenen und zukünftigen Aufwendungen für die Herstellung der Anlage zu ermitteln sind und auf der Basis aller erschlossenen und zu erschließenden Flächen der Beitragssatz zu bestimmen ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. Juli 1976 - II A 1900/75 -, KStZ 1977, 75 (76).

Demgegenüber wird bei der in der Nachkalkulation angewandten Kalkulationsmethode nach durchschnittlichem Aufwand der Aufwand in einem von der Gemeinde zu bestimmenden Zeitraum, der Kalkulationsperiode, stellvertretend für den - wegen des ständigen Aufschlusses neuer Gebiete nur schwer in seiner endgültigen Höhe abschätzbaren - Gesamtaufwand, der für die endgültige Herstellung der Anlage aufgebracht werden muss, gesetzt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. November 1995 - 15 A 179/93 -, NWVBl 1996, 145.

Somit kann bei einer satzungsrechtlich vorgeschriebenen Ermittlung der tatsächlichen Aufwendungen anhand einer Beitragskalkulation, die den durchschnittlichen Aufwand ermittelt, nicht festgestellt werden, ob der zu ermittelnde tatsächliche Aufwand entgegen § 8 Abs. 4 Satz 5 KAG NRW durch das auf Grund des festgesetzten Beitragssatzes zu veranschlagende Beitragsaufkommens überschritten wird.

Ein zweiter erheblicher methodischer Mangel liegt vor, weil der für die Straßenentwässerung in Abzug zu bringende Anteil nicht richtig ermittelt wurde.

Vgl. zur Bedeutung von methodischen Mängeln bei der Berechnung des Straßenentwässerungsanteils OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 1995 - 15 A 3123/93 -, NWVBl 1996, 9 (11).

Bei Mischwasserkanälen, die der Grundstücksentwässerung sowohl hinsichtlich des Niederschlagswassers als auch des Schmutzwassers und der Straßenentwässerung dienen (gemeinschaftliche Einrichtungen für ein Vollmischsystem), sind die Kosten für die Herstellung der Teile der Entwässerungsanlage, die allen diesen Funktionen dienen (die sog. 3. Kostenmasse), nämlich vor allem die Kosten der Herstellung des Mischwasserkanals selbst, auf den der Grundstücksentwässerung dienenden - hier umlagefähigen - und auf den der Straßenentwässerung dienenden - hier nicht umlagefähigen - Aufwand in dem Verhältnis zu verteilen, in dem die Kosten der Herstellung eines hypothetischen Grundstücksentwässerungskanals für Schmutz- und Niederschlagswasser und eines hypothetischen Straßenentwässerungskanals stünden (reine Zwei-Kanäle- Theorie).

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. September 1998 - 15 A 7653/95 -, GemHlt 2000, 183 (186).

Diese Größen dürfen auf der Grundlage sicherer Erfahrungswerte veranschlagt werden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. Juni 1987 - 2 A 2712/84 -, OVGE 39, 126 (129).

Die der maßgeblichen Kanalanschlussbeitragssatzung zugeordnete Kalkulation verteilt jedoch den Aufwand für die Herstellung der Mischwasserkanäle nach dem Verhältnis des Aufwands für drei hypothetische Kanäle, nämlich einen Grundstücksschmutzwasserentwässerungskanal, einen Grundstücksniederschlagswasserentwässerungskanal und einen Straßenentwässerungskanal.

Diese Aufteilung (Drei-Kanäle- Theorie) wird von Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblattsammlung (Stand: September 2000), Rdnrn. 328b ff.für richtig gehalten.

Diese unzutreffende Berechnungsmethode ist geeignet, das Aufwandsüberschreitungsverbot zu verletzen: Durch die Zuordnung des tatsächlichen Aufwands der Herstellung der Mischwasserkanäle nach dem Kostenverhältnis dreier hypothetischer Kanäle, wobei der hier maßgebliche umlagefähige Aufwand vom Gesamtaufwand für die Herstellung der Mischwasserkanäle den Herstellungskosten für zwei fiktive Kanäle (nämlich die beiden Grundstücksentwässerungskanäle) im Verhältnis zu den Herstellungskosten für den einen Straßenentwässerungskanal entspricht, wird der hier nicht umlagefähige Aufwand für die Straßenentwässerung niedriger und damit der umlagefähige Aufwand höher als nach der richtigen Aufteilung im Verhältnis von zwei Kanälen. Bei Anwendung der zutreffenden Berechnungsmethode würde mit anderen Worten der in der Kalkulation vom Aufwand abzusetzende Straßenentwässerungsanteil höher, sodass in die Kalkulation ein methodisch falsch berechneter zu hoher Aufwand eingestellt wurde, der es unmöglich macht, festzustellen, ob das Aufwandsüberschreitungsverbot beachtet ist oder nicht.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist eine solche Verteilung des Aufwands für die Herstellung der Kosten gemeinschaftlicher Einrichtungen auf umlagefähige Grundstücksentwässerungskosten und nicht umlagefähige Straßenentwässerungskosten auch bei der - satzungsrechtlich vorgeschriebenen, wenngleich jedoch nicht vorgenommenen - Kalkulation nach tatsächlichen Aufwendungen erforderlich. Da die hier in Rede stehende Entwässerungseinrichtung nicht nur der über die Kanalanschlussbeiträge zu finanzierenden Grundstücksentwässerung, sondern auch der (über Erschließungs- und Straßenbaubeiträge teilweise) zu finanzierenden Straßenentwässerung dient, muss ein entsprechender Gemeindeanteil nach § 8 Abs. 4 Satz 4 KAG NRW vom beitragsfähigen Aufwand abgezogen werden, und zwar unabhängig davon, nach welcher Kalkulationsmethode der Aufwand berechnet wird. Dieser Abzug kann nur nach einer wertenden Kostenzuordnung der einheitlichen dritten Kostenmasse erfolgen, die nach sachgerechten Zuordnungsprinzipien vorgenommen werden muss. Diese Zuordnungsprinzipien hat das Bundesverwaltungsgericht unter dem Gesichtspunkt bundesrechtlicher "Reklamierung" des Straßenentwässerungsanteils auch für den landesrechtlichen Kanalanschlussbeitrag vorgegeben.

vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 1985 - 8 C 124.83 -, DVBl 1985, 1178 ff., für das sog. abgemagerte Mischsystem, also ohne Grundstücksniederschlagsentwässerung durch die gemeinschaftliche Einrichtung,

Es gibt keinen Grund, die Zuordnungsprinzipien von der jeweiligen Kalkulationsmethode für den Kanalanschlussbeitragssatz abhängig zu machen. Insbesondere reicht, wie das Verwaltungsgericht für die ursprüngliche Kalkulation zutreffend ausgeführt hat, eine bloße Schätzung ohne Grundlage in einer Vergleichsberechnung nicht aus.

Unabhängig von den vorstehend aufgeführten Mängeln der Kalkulation, die schon für sich zur Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides führen, ist der Bescheid auch deswegen rechtswidrig, weil das klägerische Grundstück nicht der Beitragspflicht unterliegt. Nach § 2 Abs. 1 Buchst. b KABS unterliegen Grundstücke der Beitragspflicht, die an die Abwasseranlage angeschlossen werden können und für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinde zur Bebauung anstehen. Diese mit § 8 KAG NRW in Übereinstimmung stehende Bestimmung meint Grundstücke im unbeplanten Innenbereich, auf denen bauplanungsrechtlich eine Bebauung oder eine gewerbliche Nutzung zulässig ist, ohne dass im Einzelfall tatsächliche oder öffentlichrechtliche Hindernisse entgegenstehen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. November 1995 - 15 B 2163/95 -, S. 2 des amtl. Umdrucks.

Das klägerische Grundstück liegt nicht im Innenbereich, also nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils (§ 34 Abs. 1 BauGB). U. ist nämlich kein Ortsteil. Ortsteil in diesem Sinne ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1984 - 4 C 56.79 -, BauR 1984, 493 (494).

Ein Ortsteil i.S.d. § 34 BauGB braucht sich nicht als ein Schwerpunkt der baulichen Entwicklung eines Gemeinwesens darzustellen. Ein gewisses Gewicht fehlt einer Bebauung nicht schon dann, wenn sie in der Anzahl der dort vorhandenen Bauten nicht unbeträchtlich hinter anderen Ansiedlungen und zumal dem Stadtkern der jeweiligen Gemeinde zurückbleibt. Die vorhandene Bebauung braucht auch nicht ein gewisses eigenständiges Leben zu gestatten. Die organische Siedlungsstruktur erfordert nicht, dass es sich um eine nach Art und Zweckbestimmung einheitliche Bebauung handeln müsste. Ebenso wenig kommt es auf die Entstehungsweise der vorhandenen Bebauung an. Erforderlich ist ferner nicht, dass die Bebauung einem bestimmten städtebaulichen Ordnungsbild entspricht, eine bestimmte städtebauliche Ordnung verkörpert oder als eine städtebauliche Einheit in Erscheinung tritt. Auch wenn es an alledem fehlt, kann ein Bebauungszusammenhang, der nach der Zahl seiner Bauten nicht ohne Gewicht ist, Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur sein. Entscheidend ist die nach der Siedlungsstruktur angemessene Fortentwicklung der Bebauung innerhalb des gegebenen Bereichs. Eine völlig regellose und in dieser Anordnung geradezu funktionslose Bebauung kann ebenso wie eine bandartige oder einzeilige Bebauung die Annahme einer organischen Siedlungsstruktur ausschließen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. April 1996 - 10 A 902/93 -, S. 10 f. des amtlichen Umdrucks.

Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist der Bebauungskomplex U. nicht als Ortsteil, sondern als Splittersiedlung anzusehen. Die Anzahl von 13 Wohngebäuden ist vom Gewicht her gering. Auch unter den Verhältnissen der Mittleren kreisangehörigen Stadt M. , die also siedlungsstrukturell nicht durch eine große städtische Bebauungsagglomeration gekennzeichnet ist, stellt ein solcher Bebauungskomplex nicht nur gegenüber dem eigentlichen Stadtkern M. , sondern auch gegenüber deutlich kleineren Stadtteilen wie etwa dem U. benachbarten Vollem eine vom städtebaulichen Gewicht her vernachlässigbare Bebauung dar.

Vgl. dazu, dass im Einzelfall 15 Wohngebäude nicht das erforderliche Gewicht aufweisen, BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1984 - 4 C 56.79 -, BauR 1984, S. 493 ff.; im Einzelfall für 20 Wohnhäuser offen gelassen OVG NRW, Urteil vom 16. April 1996 - 10 A 6050/94 -, S. 2, 6 des amtl. Umdrucks.

Merkmale einer organischen Siedlungsstruktur, die den Bebaungskomplex U. auszeichneten, können nicht festgestellt werden. Die Bebauung gleicht eher drei in der Flur gelegenen Bauernhöfen mit darum herum entlang der U. Straße verteilten einzelnen Wohngebäuden. Schließlich wird das von der Zahl der Wohngebäude und ihrer siedlungsstrukturell unorganischen Anordnung her vernachlässigbare städtbauliche Gewicht U. auch nicht dadurch verstärkt, dass etwaige Infrastruktureinrichtungen wie Gaststätten oder Geschäfte den Ansatz für eine sich entwickelnde organische Siedlungsstruktur bieten könnten.

Vgl. zur Bedeutung von Infrastruktureinrichtungen BVerwG, Beschluss vom 19. April 1994 - 4 B 77.94 -, BauR 1994, 494.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus §§ 13 Abs. 2, 14 Abs. 1 GKG.