OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.08.1999 - 15 A 2056/95
Fundstelle
openJur 2011, 78808
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 7 K 648/92
Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Der Beitragsbescheid des Beklagten vom 24. November 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 1992 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt der Beklagte.

Der Beschluß ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 329.279,58 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin betreibt eine Papierfabrik in A . Sie ist Eigentümerin von Grundstücken südlich der Straße C , auf denen die Papierfabrik liegt, aber auch nachweislich seit 1946, möglicherweise schon seit den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts, des streitbefangenen Grundstücks Flurstück 121 der Flur 1 der Gemarkung D , das sich nördlich der Straße C erstreckt und etwa 90 m an die Straße C , im Westen etwa 200 m an die Straße E und im Osten etwa 300 m an den F grenzt und dessen nördliche Grundstücksgrenze etwa 240 m lang ist. Der südliche, zur Straße C hin orientierte Teil des Grundstücks ist bebaut, und zwar im westlichen Teil mit einem 1965 genehmigten Wohnhaus, das früher vom Betriebsleiter der Papierfabrik genutzt wurde, und im östlichen Teil mit zwei 1961 genehmigten Wohnhäusern, die früher von Mitgliedern der Geschäftsleitung der Papierfabrik genutzt wurden. Für das Wohnhaus des Betriebsleiters wurde 1966 eine Kleinkläranlage genehmigt, die Wohnhäuser der Geschäftsleitung wurden in der Form entwässert, daß die Abwässer nach Vorklärung in den F geleitet wurden. Nördlich der Bebauung, etwa 80 m nördlich der Straße C , wird das Flurstück im Wege der Verpachtung landwirtschaftlich genutzt. Das Flurstück wird durch den Bebauungsplan 6/175 überplant, dessen Genehmigung am 5. April 1980 und erneut am 11. und 16. April 1981 bekannt gemacht wurde. Der Bebauungsplan setzt für das streitbefangene Grundstück ein Industriegebiet mit zulässiger viergeschossiger Bebauung fest. Ein von der Klägerin gegen den Bebauungsplan angestrengter Normenkontrollantrag wurde durch Urteil des beschließenden Gerichts vom 24. März 1999 - 7a D 25/97.NE - abgelehnt.

In der Straße C liegen ein Regenwasserkanal und ein Schmutzwasserkanal. Der Regenwasserkanal, dessen Baujahr unbekannt ist, wurde von der Stadt B im Rahmen der kommunalen Neugliederung in den 70er Jahren von der Gemeinde D übernommen. Der Kanal mündet in den F . Der Schmutzwasserkanal wurde 1975 von einem Rechtsvorgänger des Beigeladenen, dem Abwasserverband G ,(im folgenden für beide immer nur: der Beigeladene) erstellt. Er mündet über einen Hauptsammler in eine Kläranlage, die beide vom Beigeladenen betrieben werden.

Die Klägerin und die Stadt B waren und sind Mitglieder des Beigeladenen. Der Beigeladene ist auch Rechtsnachfolger des Wasserverbandes F , in dem die Klägerin Mitglied war. Die Aufgabe des Beigeladenen besteht u.a. darin, Abwässer abzuführen, zu verwerten, zu reinigen und unschädlich zu machen. Die Klägerin leitet zur Zeit in der Spitze 120 m3 Abwasser pro Stunde in die Schmutzwasserleitung des Beigeladenen in der Straße C ein. In dessen Planungen ist eine Abwassermenge der Klägerin von 200 m3 enthalten. Der Beigeladene wird durch Beiträge seiner Mitglieder finanziert.

1985 verlegte der Beklagte in der Straße E einen Schmutz- und einen Regenwasserkanal. Der Schmutzwasserkanal wurde an den Schmutzwasserkanal des Beigeladenen in der Straße C angeschlossen, der Regenwasserkanal wurde in der Straße C weitergeführt und kurz vor der Einleitungsstelle in den Lenders an den vorhandenen städtischen Regenwasserkanal in der Straße C angeschlossen.

Die Fläche um das ehemalige Betriebsleiterwohnhaus wurde 1985 an die beiden städtischen Kanäle in der Straße E angeschlossen; die Grundstücksanschlüsse wurden von der Stadt am 27. August 1986 abgenommen. Die ehemaligen Geschäftsleitungswohnhäuser wurden 1991 an den Schmutzwasserkanal des Beigeladenen in der Straße C angeschlossen.

Für die Klägerin sind im Wasserbuch verschiedene Rechte zur Benutzung des F eingetragen.

Mit Bescheid vom 24. November 1989 zog der Beklagte die Klägerin zu einem Kanalanschlußbeitrag über 329.279,58 DM heran. Dabei legte er zum einen die landwirtschaftlich genutzte Fläche von 27.957 m2 (Teilfläche III) und die um das ehemalige Betriebsleiterwohnhaus gelegene Fläche von 1.080 m2 (Teilfäche II) zugrunde, während er die übrige Fläche des Flurstücks, die mit den ehemaligen Geschäftsleitungswohnhäusern bebaut ist (Teilfläche I), nicht in die Veranlagung einbezog. Die veranlagte Fläche wurde bei einem Beitragssatz für die Möglichkeit der Einleitung von Schmutz- und Regenwasser von 6,30 DM je Verteileranteil als viergeschossig mit Industriezuschlag in die Rechnung einbezogen. Gegen den Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch, den der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 1992 zurückwies.

Mit der rechtzeitig erhobenen Klage hat die Klägerin den Bescheid angefochten. Sie hat vorgetragen: Eine Anschlußbeitragspflicht für das Grundstück, das ein Vorhaltegrundstück für den Betrieb sei, sei nicht entstanden. Es gebe weder einen Investitionsaufwand des Beklagten, der über Kanalanschlußbeiträge abzudecken sei, noch habe die Möglichkeit, das streitbefangene Grundstück an die städtischen Kanäle in der Straße E anzuschließen, für sie, die Klägerin, wirtschaftliche Vorteile. Sie sei berechtigt, ihr gesamtes Schmutzwasser in den Kanal des Beigeladenen in der Straße C und ihr gesamtes Oberflächenwasser in den F einzuleiten. Die Einrichtungen des Beigeladenen finanziere sie, die Klägerin, als Verbandsangehörige durch ihre Beiträge. Eine weitere Veranlagung durch den Beklagten verstoße gegen das Verbot der Doppelbesteuerung. Jedenfalls müsse die Klägerin vom Anschlußzwang nach § 7 der Entwässerungssatzung freigestellt werden. Auch dürfe das Gelände um das Firmengebäude nur entsprechend der tatsächlich vorhandenen Zweigeschossigkeit veranlagt werden.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 24. November 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 1992 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen: Eine Kanalanschlußbeitragspflicht sei entstanden. Zwar werde das Recht der Klägerin, das anfallende Schmutzwasser in den Kanal des Beigeladenen in der Straße C und das Regenwasser in den F einzuleiten, nicht bestritten. Jedoch seien satzungsrechtlich die Anlagen des Beigeladenen hinsichtlich des Anschluß- und Benutzungsrechts den städtischen Anlagen gleichgestellt und unterlägen damit der Beitragspflicht selbst dann, wenn eine Befreiung vom Anschlußzwang erfolgt wäre. Den veranlagten Teilen des Flurstücks 121 als selbständigen wirtschaftlichen Einheiten werde die Möglichkeit des Anschlusses nicht durch den in der Straße C liegenden Kanal des Beigeladenen gewährt, sondern alleine durch die städtischen Kanäle in der Straße E . Denn diese Flächen grenzten nicht unmittelbar an die Straße C . Die veranlagten Teilflächen dienten objektiv nicht Betriebszwecken, sondern dem Wohnen oder landwirtschaftlichen Zwecken. Für diese Grundstücke bestehe daher kein Einleitungsrecht. Es sei nicht nachvollziehbar, daß das gesamte Flurstück 121 als Betriebserweiterungsgelände dienen solle, da selbst das südlich der Straße C gelegene eigentliche Betriebsgelände nur zum Teil für betriebliche Zwecke genutzt werde.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie vorträgt: Eine Beitragspflicht könne nicht entstehen, wenn ein Grundstück an eine nichtgemeindliche Entwässerungseinrichtung angeschlossen und über diese Einrichtung auf Dauer in rechtlich gesicherter Weise entwässert werden könne. Das treffe auf die veranlagten Flächen des Flurstücks 121 zu, weil eine Schmutzwasserentwässerung über den in der Straße C gelegenen Kanal des Beigeladenen und eine Oberflächenentwässerung in den F infolge ihrer Mitgliedschaft im früheren Wasserverband F möglich sei. Daher sei durch die städtischen Kanäle in der Straße E nicht erstmals die Möglichkeit einer unschädlichen Abwasserbeseitigung eröffnet worden. Zu den Kosten der Entwässerung über den Kanal des Beigeladenen in der Straße C und der Oberflächenentwässerung in den F trage die Klägerin durch Beiträge bei. Eine erneute Heranziehung zu Beiträgen verstoße gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Beitrags. Selbst wenn die Anlagen des Beigeladenen zusammen mit den Entwässerungsanlagen der Stadt B eine Einheit bildeten, wäre die Beitragspflicht bezüglich des Schmutzwassers im Jahre 1975 mit dem Bau des Kanals in der C entstanden, so daß Verjährung eingetreten sei. Auch sei der Schmutzwasserkanal in der Straße E von der Dimensionierung her nicht geeignet, die auf der veranlagten Fläche als einem viergeschossig bebaubaren Industriegrundstück anfallende Abwassermenge zu entwässern.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren Schlußanträgen erster Instanz zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor: Die veranlagten Teilflächen seien nicht Teil des Betriebsgrundstücks, sondern selbständige wirtschaftliche Einheiten, denen erstmals durch die städtischen Kanäle in der Straße E eine Entwässerungsmöglichkeit geboten werde. Darüber hinaus sei die Teilfläche II auch tatsächlich angeschlossen. Im übrigen schlössen die Mitgliedschaftsrechte der Klägerin beim Beigeladenen einen wirtschaftlichen Vorteil durch die Anschlußmöglichkeit an die städtischen Kanäle in der Straße E nicht aus, da sie bezüglich der veranlagten Fläche im Falle einer Veräußerung des Flurstücks 121 verloren gingen. Der Schmutzwasserkanal in der Straße E sei für eine Entwässerung der veranlagten Teilflächen des Flurstücks 121 ausreichend dimensioniert. Eine Verjährung könne schon deshalb nicht eingetreten sein, weil erst mit dem Inkrafttreten der zweiten Änderungssatzung vom 21. Oktober 1992 zur Anschlußbeitragssatzung wirksames Ortsrecht entstanden sei.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Er führt aus, daß grundsätzlich keine Bedenken bestünden, möglicherweise anfallendes Schmutzwasser, das bei einer Nutzung des Flurstücks 121 anfallen würde, durch ihn entwässern zu lassen, wenn ihm dazu ausreichende Kapazitäten zur Verfügung stünden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der dazu beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluß gemäß § 130a VwGO, dessen Voraussetzungen vorliegen.

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die zulässige Klage ist begründet, da der angefochtene Beitragsbescheid rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Bescheid findet keine Ermächtigungsgrundlage in § 8 KAG NRW. Danach kann die Gemeinde Beiträge zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung und Erweiterung öffentlicher Einrichtungen und Anlagen als Gegenleistung von den Grundstückseigentümern dafür erheben, daß ihnen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtungen und Anlagen wirtschaftliche Vorteile geboten werden.

Ein Anschlußbeitrag kann nicht festgesetzt werden, weil die Beitragspflicht nicht entstanden ist.

1. Eine Teilbeitragspflicht für die Möglichkeit der Einleitung von Regenwasser aus den veranlagten Teilflächen III und II konnte nicht entstehen, weil im maßgeblichen Zeitpunkt keine wirksame Kanalanschlußbeitragssatzung vorhanden war.

Eine Anschlußbeitragspflicht entsteht gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW, sobald das Grundstück an die Einrichtung oder Anlage angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung. Die Teilflächen III und II konnten spätestens am 16. April 1981 an den in der Straße C verlegten Regenwasserkanal angeschlossen werden. Umstände tatsächlicher Art, die dem entgegenstünden, sind weder ersichtlich noch vom Beklagten geltend gemacht worden.

Nach §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 der Entwässerungssatzung der Stadt B vom 14. August 1973 in der Fassung der Änderungssatzung vom 4. Oktober 1979 (EWS), der am 16. April 1981 maßgebenden Entwässerungssatzung, hatte jeder Eigentümer eines im Gebiet der Stadt liegenden Grundstücks, das durch eine Straße erschlossen war, in der eine betriebsfertige Abwasserleitung vorhanden war, ein Anschlußrecht. Entgegen der Meinung des Beklagten erstreckte sich dieses Anschlußrecht auch auf die Teilflächen III und II.

Grundstück war nämlich gemäß § 16 Satz 1 EWS unabhängig von der Eintragung im Liegenschaftskataster und im Grundbuch jeder zusammenhängende Grundbesitz, der eine selbständige wirtschaftliche Einheit bildete. Am 16. April 1981, an dem spätestens der Bebauungsplan 6/175 in Kraft trat, war das gesamte Flurstück 121 eine solche wirtschaftliche Einheit. Für eine Aufteilung in mehrere wirtschaftliche Einheiten und damit Grundstücke im vorbezeichneten Sinne bestand keine Veranlassung.

Allerdings kann der Begriff der wirtschaftlichen Einheit bedeuten, daß (größere) Grundstücke im grundbuchrechtlichen Sinne nach etwa vorhandenen wirtschaftlichen Einheiten aufgeteilt werden, sei es, daß ein solches Grundstück eine einzige auf eine Teilfläche beschränkte wirtschaftliche Einheit aufweist, sei es, daß ein Grundstück aus mehreren wirtschaftlichen Einheiten besteht.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. November 1975 - II A 77/74 -, OVGE 31, 259 (260 f.), für das Anschlußbeitragsrecht; Urteil vom 7. Januar 1982 - 2 A 2228/81 -, KStZ 1982, 111 (112), für das Straßenreinigungsgebührenrecht.

Ausgangspunkt bei der Bildung wirtschaftlicher Einheiten ist allerdings das Buchgrundstück, denn in der Mehrzahl der Fälle sind Grundstücke im Sinne des Grundbuchrechts zugleich auch wirtschaftliche Einheiten. Davon ausgehend ist festzustellen, ob das Buchgrundstück zur Bildung einer wirtschaftlichen Einheit um Flächen verkleinert werden muß.

Vgl. OVG NRW, Beschluß vom 9. Juni 1998 - 15 A 6852/95 -, NWVBl 1999, 25.

Die Beantwortung der Frage, ob es sich bei einem Buchgrundstück um eine wirtschaftliche Einheit oder mehrere handelt, beurteilt sich nicht nach der tatsächlichen, sondern der zulässigen Nutzung des Grundstücks.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. November 1975 - II A 77/74 -, OVGE 31, 259 (262 f.); Urteil vom 7. Januar 1982 - 2 A 2228/81 -, KStZ 1982, 111 (113).

Sie hängt von den tatsächlichen Umständen wie Lage, Zuschnitt und Größe des Grundstücks und von rechtlichen Gesichtspunkten, nämlich der Zuordnung des Grundstücks zu einem bestimmten Baugebiet und den hierfür festgesetzten Bezugsgrößen für Maß und Art der baulichen Nutzung, ab.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. April 1985 - 2 A 2655/82 -, S. 14 des amtlichen Umdrucks.

Nach diesen Kriterien war eine Bildung wirtschaftlicher Einheiten am 16. April 1981 für das Flurstück 121 nicht angezeigt. Zwar weist das Flurstück eine erhebliche Größe auf. Dennoch ist es nicht übergroß, da es einheitlich als Industriegebiet überplant ist. Ein Industriegebiet dient im allgemeinen der Aufnahme des flächenintensiven Großgewerbes.

Vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 9. Aufl., § 9 Rdnr. 1; König/Roeser/ Stock, BauNVO, § 9 Rdnr. 2.

Auch hier ist plangemäß eine großflächige Erschließung gewollt, wie sich daraus ergibt, daß zur Erschließung des nordöstlichen Bereichs des Grundstücks keine zusätzliche Erschließungsanlage vorgesehen ist, obwohl dort die Entfernung zur nächstgelegenen Erschließungsanlage bis zu 180 m beträgt. Auch das von der Papierfabrik der Klägerin südlich der Straße C beanspruchte Gelände ist mindestens so groß wie das Flurstück 121. Da dem Bebauungsplan nicht zu entnehmen ist, daß er von kleineren wirtschaftlichen Einheiten auf dem Flurstück 121 ausgeht,

vgl. dazu, daß in beplanten Gebieten von dem auszugehen ist, was der Bebauungsplan selbst als Einheit vorsieht, OVG NRW, Urteil vom 24. Oktober 1995 - 15 A 3408/92 -, Gemhlt. 1996, 288 (289),

muß es für den Zeitpunkt des 16. April 1981 bei dem Buchgrundstück als einer wirtschaftlichen Einheit verbleiben.

Für diese Fläche sollte nach §§ 2 Abs. 1 Buchst. a, 3 Abs. 2 Nr. 1, 4 Abs. 2 Satz 1, 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 der Anschlußbeitragssatzung vom 15. Januar 1981 in der Fassung der rückwirkend zum 1. Januar 1981 in Kraft getretenen ersten Änderungssatzung vom 7. Juni 1985 (KABS) ein Teilbeitrag in Höhe von 50 % des Vollbeitrages (6,30 DM je Verteileranteil) entstehen.

Unerheblich ist, daß die in Rede stehende Kanalanschlußbeitragssatzung unwirksam war, wie der Beklagte vorträgt und das beschließende Gericht schon entschieden hat.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 31. Januar 1992 - 2 A 1039/87 -, S. 6 des amtlichen Umdrucks.

Es bedarf dann gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW zur Entstehung der Beitragspflicht einer wirksamen Beitragssatzung, die Rückwirkung aufweist zumindest auf den 16. April 1981, an dem nach der Kanalanschlußbeitragssatzung 1981 die Teilbeitragspflicht hat entstehen sollen.

Vgl. zur notwendigen Rückwirkung in solchen Fällen OVG NRW, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 7407/95 -, S. 10 des amtlichen Umdrucks.

Eine solche Kanalanschlußbeitragssatzung existiert nicht. Wenn sie geschaffen würde, wäre im übrigen im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides 1989 Festsetzungsverjährung eingetreten.

Auch der tatsächliche Anschluß der Fläche II kann nicht zum Entstehen einer Teilbeitragspflicht für die Entwässerung des Regenwassers führen, da nach dem Grundsatz der Einmaligkeit des Beitrags dieser nur einmal und zwar im Zeitpunkt der ersten Verwirklichung des Beitragstatbestandes entsteht.

Angesichts des endgültigen Nichtentstehens der Teilbeitragspflicht für die Entwässerung des Regenwassers kann auch offenbleiben, ob die angebliche Existenz von Wasserrechten zur Einleitung von Oberflächenwaser in den F beitragsrechtlich von Bedeutung ist.

2. Hinsichtlich des Schmutzwassers ist die Teilbeitragspflicht nicht entstanden.

a) Die Möglichkeit des Anschlusses an die Entwässerungsanlage zur Ableitung von Schmutzwasser als Voraussetzung gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW für das Entstehen der Beitragspflicht war nicht schon am 16. April 1981 gegeben, als das in diesem Zeitpunkt als Industriegrundstück überplante Flurstück 121 an den vom Beigeladenen in der Straße C verlegten Schmutzwasserkanal angeschlossen werden konnte. Sollte dieser Kanal schon damals - wie heute - auch als kommunaler Nebensammler geführt worden sein, für den die Stadt Mitgliedsbeiträge an den Beigeladenen entrichtete, mag dieser Kanal Teil der öffentlichen Entwässerungsanlage der Stadt gewesen sein. § 1 Abs. 4 EWS bestimmt nämlich, daß zu den Abwasseranlagen auch solche Anlagen gehören, die nicht von der Stadt selbst, sondern von Dritten (z.B. Entwässerungsverbänden) hergestellt und unterhalten werden, wenn die Stadt sich ihrer zur Durchführung der Grundstücksentwässerung bedient und zu den Kosten ihrer Unterhaltung beiträgt.

Die Klägerin hätte jedoch als Mitglied des Beigeladenen das Flurstück 121 über diesen Schmutzwasserkanal in der Straße C kraft ihres Mitgliedschaftsrechts entwässern können. Auch die weitere Inanspruchnahme von Entwässerungsleistungen, nämlich der Weitertransport über einen Hauptsammler des Beigeladenen in eine von diesem betriebene Kläranlage, wäre von der Klägerin ausschließlich kraft ihres Mitgliedschaftsrechts erfolgt, nicht kraft eines Benutzungsverhältnisses zur Stadt auf der Grundlage der Entwässerungssatzung. Für die Klägerin stellte also der Schmutzwasserkanal in der Straße C sowie die folgenden Entwässerungsanlagenteile keinen Teil der öffentlichen Entwässerungsanlage der Stadt, sondern einen Teil der Entwässerungsanlage des Beigeladenen dar, so daß ihr keine beitragsrechtlich relevante Anschlußmöglichkeit durch den in der Straße C verlegten Schmutzwasserkanal geboten wurde.

Allerdings ist dies für den in der Straße E verlegten städtischen Schmutzwasserkanal im Grundsatz geschehen. Die Inanspruchnahme dieses Kanals durch die Klägerin kann nur kraft eines Entwässerungsverhältnisses nach der Entwässerungssatzung erfolgen, die Inanspruchnahme der darauf folgenden Anlagenteile, nämlich des Kanals des Beigeladenen in der Straße C , des Hauptsammlers und der Kläranlage des Beigeladenen, erfolgt dann nicht mehr kraft des Mitgliedschaftsrechts der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen, sondern über das Mitgliedschaftsrecht der Gemeinde, die sich zur weiteren Ableitung und Behandlung des in den in der Straße E verlegten Schmutzwasserkanals eingeleiteten Abwassers des Beigeladenen bedient. Insofern besteht seit der Verlegung des städtischen Schmutzwasserkanals in der Straße E eine Möglichkeit des Anschlusses an die einheitliche öffentliche Entwässerungsanlage der Stadt.

Vgl. zur rechtlichen Bewertung des Betriebs einer einheitlichen Entwässerungsanlage durch zwei Veranstalter im Sinne der sogenannten Zweiveranstaltertheorie OVG NRW, Urteil vom 25. Juli 1962 - III A 1345/59 -, OVGE 18, 52 (54 ff.); Driehaus/Dietzel, Kommunalabgabenrecht, Loseblattsammlung (Stand: März 1999), § 7 Rn. 17.

Dennoch führte diese Anschlußmöglichkeit nicht zur Entstehung der Beitragspflicht. Es fehlt nämlich an den erforderlichen, durch die Anschlußmöglichkeit gebotenen wirtschaftlichen Vorteilen.

Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG NRW sind Beiträge eine Gegenleistung dafür, daß den Grundstückseigentümern durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtungen und Anlagen wirtschaftliche Vorteile geboten werden. Regelmäßig werden solche wirtschaftlichen Vorteile für ein baulich oder gewerblich nutzbares Grundstück dann geboten, wenn es an die Anlage angeschlossen werden kann. Deshalb entsteht gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW die Beitragspflicht regelmäßig in diesem Zeitpunkt. Die wirtschaftlichen Vorteile können aber ausnahmsweise im Zeitpunkt der Anschlußmöglichkeit fehlen und deshalb das Entstehen der Beitragspflicht hindern.

Vgl. zur parallelen Problematik im Straßenbaubeitragsrecht, wo bei der Herstellung einer Fußgängerzone die Beitragspflicht nicht schon mit der (technischen) endgültigen Herstellung gemäß § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG NRW entsteht, sondern mit der straßenrechtlichen Teileinziehung, weil erst in diesem Zeitpunkt der wirtschaftliche Vorteil gewährt wird, OVG NRW, Urteil vom 22. August 1995 - 15 A 3907/92 -, NWVBl. 1996, 62 (63).

So liegt der Fall hier. Der wirtschaftliche Vorteil, der dem Flurstück 121 als viergeschossig bebaubarem Industriegrundstück durch Gewährung der Möglichkeit geboten wird, auf ihm anfallendes Schmutzwasser zu entwässern, kam dem Grundstück schon zuteil, bevor die Anschlußmöglichkeit an den städtischen Schmutzwasserkanal in der Straße E geboten wurde. Dieser Vorteil wurde durch die Anschlußmöglichkeit an den in der Straße C verlegten Schmutzwasserkanal des Beigeladenen gewährt, den die Klägerin kraft ihres Mitgliedschaftsrechts im Verband benutzen konnte und bis heute kann.

Allerdings ist Voraussetzung dafür, daß das Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorteils als Bedingung für das Entstehen der Beitragspflicht verneint werden kann, daß die alternativ gebotene Entwässerungsmöglichkeit gleichwertig ist.

Vgl. dazu, daß dies bei einer privaten Entwässerungseinrichtung regelmäßig nicht der Fall ist, OVG NRW, Urteil vom 27. Juli 1976 - II A 805/75 -, VerwRspr. 28, Nr. 106, S. 463 (466 f.).

Die Entwässerungsmöglichkeit durch den Beigeladenen ist gleichwertig: Der Abwasserverband G war ein Wasserverband nach der Ersten Wasserverbandsverordnung vom 3. September 1937 (RGS.NRW S. 130) - (WVVO) - (vgl. § 1 der Satzung des Abwasserverbandes G vom 9. August 1968, Abl. Aachen S. 146, - Satzung AV G ), also eine öffentlichrechtliche Körperschaft mit der Aufgabe, Abwässer abzuführen, zu verwerten, zu reinigen und unschädlich zu machen (§§ 1, 2 Nr. 3 WVVO, § 3 Satzung AV G ). Dieselbe Aufgabe hat der Wasserverband H -G als Körperschaft des öffentlichen Rechts und Rechtsnachfolger des Abwasserverbandes G (§§ 1, 2 Nr. 5, 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 19, Satz 2 des H -G -Verbandsgesetzes vom 7. Februar 1990, SGV.NRW 77).

Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß die durch den Beigeladenen gebotene Entwässerungsmöglichkeit minderwertiger gegenüber der von der anderen Körperschaft des öffentlichen Rechts, nämlich der Stadt B , gebotenen Entwässerungsmöglichkeit ist. Beide Entwässerungsmöglichkeiten sind auch in technischer Hinsicht gleichwertig.

b) Die Teilbeitragspflicht ist auch hinsichtlich der tatsächlich angeschlossenen Fläche II, nämlich der mit dem ehemaligen Betriebsleiterwohnhaus bebauten Fläche, nicht entstanden.

Allerdings ist der Beitragstatbestand hier erfüllt. Gemäß §§ 6 Abs. 1 Buchst. a, 2 Abs. 2 KABS entsteht die Beitragspflicht für Grundstücke, bei denen die Beitragspflicht nicht schon durch die bloße Möglichkeit des Anschlusses entsteht, durch tatsächlichen Anschluß, frühestens jedoch mit dessen Genehmigung. Diese Voraussetzungen waren im Zeitpunkt der Abnahme des Grundstücksanschlusses am 27. August 1986 erfüllt.

Die satzungsrechtliche Regelung über das Entstehen der Teilbeitragspflicht durch tatsächlichen Anschluß steht mit § 8 KAG NRW im Einklang, obwohl auch für die tatsächlich abgeschlossene Fläche II schon vor dem Anschluß hinsichtlich des Schmutzwassers eine gleichwertige Entwässerungsmöglichkeit durch den Beigeladenen bestand. Dies führt nämlich allein dazu, daß die bloße weitere Möglichkeit einer Entwässerung über die städtische Entwässerungsanlage keinen zusätzlichen wirtschaftlichen Vorteil bot. Wird von der städtischen Entwässerungsmöglichkeit aber tatsächlich Gebrauch gemacht, erstarkt der von der städtischen Entwässerungsanlage gebotene latente Vorteil zum vollen wirtschaftlichen Vorteil, so daß die Beitragspflicht für die Schmutzwasserentwässerung dieses Grundstücksteils entstehen konnte.

Das Entstehen der Beitragspflicht war jedoch deshalb nicht möglich, weil, wie oben schon dargelegt, die im Anschlußzeitpunkt maßgebliche, für diesen Beitragsfall eine Teilbeitragspflicht begründende Kanalanschlußbeitragssatzung unwirksam war. Wie ebenfalls oben bereits ausgeführt wurde, muß dann gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW eine wirksame Beitragssatzung Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Anschlußmöglichkeit haben. Das ist mit der 2. Änderungssatzung vom 21. Oktober 1992, mit der der Beitragssatz nach einer Neukalkulation satzungsrechtlich bestätigt wurde, nicht geschehen. Diese Änderungssatzung hat im hier relevanten Teil gemäß § 2 Satz 1 nur Rückwirkung auf den 1. Januar 1988, also auf einen Zeitpunkt, der nach dem Anschluß 1986 liegt.

Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, daß nach Herbeiführung der so erforderlichen Rückwirkung einer Neuveranlagung der angeschlossenen Teilfläche für die Schmutzwasserentwässerung nichts im Wege steht: Der durch den vorliegenden Beschluß aufgehobene Bescheid von 1989 ist rechtzeitig innerhalb der vierjährigen Festsetzungsfrist nach dem tatsächlichen Anschluß 1986 erlassen worden. Seine Anfechtung führte zur Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist, die erst abläuft, wenn ein neuer Beitragsbescheid unanfechtbar wird (§ 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG NRW i.V.m. § 171 Abs. 3 AO).

Vgl. OVG NRW, Beschluß vom 30. Juni 1995 - 15 A 3337/92 -, S. 10 f. des amtlichen Umdrucks.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht aus Billigkeit für erstattungsfähig zu erklären, weil der Beigeladene nicht durch einen eigenen Antrag am Kostenrisiko teilgenommen hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus §§ 14 Abs. 1, 13 Abs. 2 GKG.