OLG Köln, Urteil vom 12.08.1998 - 13 U 86/97
Fundstelle
openJur 2011, 78626
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 9 O 484/96
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 17. März 1997 - 9 O 484/96 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 3.695,55 DM nebst 10 % Zinsen seit dem 25. Juli 1996 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die Kosten erster Instanz tragen die Kläger zu 70 %, die Beklagte zu 30 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger zu 62 % und die Beklagte zu 38 %. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten führt zur teilweisen Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

Den Klägern steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 3.695,55 DM aus § 812 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative BGB zu. In Höhe des vorgenannten Betrages ist die Beklagte in Bezug auf die Zahlung der vereinbarten Vorfälligkeitsentschädigung für die Ablösung der Hypothekendarlehen der Kläger ungerechtfertigt bereichert.

Die Parteien haben im Juni 1996 die vorzeitige Ablösung von zwei Hypothekendarlehen der Kläger gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung von insgesamt 18.507,92 DM - die die Kläger unter Vorbehalt geleistet haben - vereinbart. Seit den grundlegenden Entscheidungen des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 01.07.1997 (BGH NJW 1997, 2875 ff. = WM 1997, 1747 ff. sowie BGH NJW 1997, 2878 ff. = WM 1997, 1799 ff.) kann es dahin stehen, ob die Zahlung eines Vorfälligkeitsentgelts unter Vorbehalt - was die gerichtliche Überprüfung der Angemessenheit des Entgeltes offen hielt - oder aber ohne Vorbehalt - wonach die spätere gerichtliche Überprüfung lediglich im Rahmen des § 138 BGB möglich blieb - erfolgt. Der Kreditnehmer hat nämlich jedenfalls dann einen Anspruch auf vorzeitige Ablösung des Darlehns, wenn er - wie die Kläger im konkreten Fall - das beliehene Objekt weiterveräußern will. Dann kann die kreditgewährende Bank aber nur den Ausgleich der Nachteile beanspruchen, die ihr durch die vorzeitige Kreditablösung konkret entstanden sind mit der Folge, daß sie, soweit die gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung diese Nachteile überstiegen hat, zur Rückzahlung verpflichtet ist.

Zur Ermittlung des durch die vorzeitige Kreditablösung entstandenen Nachteils stehen dem Kreditinstitut verschiedene Berechnungsweisen zur Verfügung. Entweder kann die Bank den Ausgleich eines sogenannten Zinsmargenschadens und eines etwaigen darüber hinausgehenden Zinsverschlechterungsschaden verlangen oder der Schaden kann nach der Differenz des Vertragszinses und des Wiederanlagezinses für laufzeitkongruente Kapitalmarkttitel - ohne zusätzliche Geltendmachnung eines Zinsmargenschadens - berechnet werden (vgl. BGH NJW 1997, 2875, 2877 f.).

Die Beklagte hat die letztere Methode gewählt (vgl. Anlagen K 3, K 4 und K 9 zur Klageschrift). Entgegen der Auffassung der Berufung ist der Nichterfüllungsschaden der Bank auf der Grundlage der Wiederanlage der freigewordenen Beträge in sicheren Kapitalmarkttiteln zu berechnen und nicht nach dem Wiederanlagezins für Hypothekenkredite. Nur eine solche Anlage ist dem Kreditinstitut zumutbar, da ansonsten die Wiederanlage durch vorzeitige Darlehensablösung frei werdender Mittel in gleichartige Darlehen in aller Regel zu Lasten ihres sonstigen Neugeschäfts ginge (BGH a.a.O.).

Für die Ermittlung der finanziellen Nachteile der Beklagten ist daher die Differenz zwischen dem Vertragszins der abgelösten Darlehen und der Rendite von Kapitalmarkttiteln öffentlicher Schuldner mit einer Laufzeit, die der Restlaufzeit der abgelösten Darlehen entspricht, zugrunde zu legen. Dabei ist diese Differenz um angemessene Beträge sowohl für ersparte Verwaltungsaufwendungen als auch für das entfallende Risiko des abzulösenden Darlehens zu kürzen und die auf der Grundlage der so zu ermittelnden Nettozinsverschlechterungsrate für die Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens sich ergebenden Zinseinbußen sodann auf den Zeitpunkt der Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung abzuzinsen. Daneben steht der Bank zusätzlich ein angemessenes Entgelt für den mit der vorzeitigen Ablösung des Darlehens verbundenen Verwaltungsaufwand zu.

Der für die Laufzeit vom 01.10.1993 bis zum 30.09.1998 vereinbarte Effektivzins für die beiden von den Klägern bei der Beklagten aufgenommenen Darlehen betrug 7,25 % per anno. Nach dem Gutachten des Sachverständigen H. E. vom 30. März 1998 (Bl. 226 - 235 d.A.) betrug die Rendite von Kapitalmarkttiteln öffentlicher Schuldner mit einer Laufzeit von 2 Jahren und 3 Monaten am 01.07.1996 4,50 % per anno. Damit ergibt sich eine Differenz von 2,75 %. Darüber hinaus sind die ersparten Risikokosten im - auch im konkreten Fall vorliegenden - Privatkundengeschäft mit 0,06 % pro Jahr der Darlehenssumme abzusetzen, wodurch sich die Nettozinsverschlechterungsrate zur Ermittlung des Vorfälligkeitsentgeltes von 2,75 auf 2,69 % pro Jahr verringert. Die sich aufgrund dieser Nettozinsverschlechterungsrate ergebenden Zinseinbußen hat der Sachverständige mit der Rendite für öffentliche Anleihen abgezinst. Danach ergibt sich für das Darlehen mit der Darlehensnummer 531 398 428, das zum Ablösungszeitpunkt mit einem Restkapital von 235.900,00 DM valutierte, ein Vorfälligkeitsentgelt von 13.568,43 DM und für das Darlehen mit der Darlehensnummer 531 398 436, für das im Zeitpunkt der Rückzahlung noch 39.452,61 DM offen standen, ein Vorfälligkeitsentgelt von 2.161,80 DM.

Entgegen den insoweit unsubstantiierten Einwendungen der Beklagten sind die jährlich ersparten Verwaltungskosten nach dem Gutachten des Sachverständigen mit 20,83 DM pro Monat anzusetzen, so daß sich der ersparte Verwaltungsaufwand für die beiden Darlehen und die verbleibende Restlaufzeit von 27 Monaten auf je 533,93 DM beziffert.

Gekürzt um diesen Barwert der ersparten Verwaltungskosten in Höhe von je 533,93 DM ergibt sich somit ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung eines Vorfälligkeitsentgelts i.H.v. 14.662,37 DM (13.034,50 DM + 1.627,87 DM).

Hinzuzurechnen ist dazu noch der den Banken vom Bundesgerichtshof ausdrücklich zugestandene Betrag für die besonderen Verwaltungskosten, die mit der vorzeitigen Ablösung der Darlehen verbunden sind. Diese hatte die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung vom 19.06.1997 selbst mit insgesamt 150,00 DM beziffert; daran muß sie sich im konkreten Fall festhalten lassen. Das der Beklagten zustehende Vorfälligkeitsentgelt erhöht sich damit auf 14.812,37 DM, sodaß die Kläger, die unstreitig 18.507,92 DM gezahlt haben, einen Erstattungsanspruch von 3.695,55 DM haben.

Zinsen können die Kläger in Höhe von 10 % gem. § 286 BGB geltend machen. Da sie nach ihrem eigenen Vortrag die an die Beklagte geleistete Vorfälligkeitsentschädigung bei dieser zu einem Zinssatz von 10,25 % finanziert haben, liegt der verlangte Zinssatz von 10 % noch unterhalb des tatsächlichen Verzugsschadens im Sinne des § 286 Abs. 1 BGB. Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 1. Juli 1998 die Aufnahme dieses Kredites zur Finanzierung der Vorfälligkeitsentschädigung mit Nichtwissen bestreitet, ist dieses Bestreiten gemäß § 138 Abs. 4 ZPO unbeachtlich. Der Beklagten war es ohne weiteres möglich, die Frage der Aufnahme dieses Kredites oder Überziehungskredites in ihrem Hause innerhalb kurzer Zeit zu klären, so daß ihr insoweit ein substantiierter Vortrag möglich gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 9.691,70 DM