OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.03.1999 - 11 A 266/99
Fundstelle
openJur 2011, 78025
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 2 K 2135/95
Tenor

Die Berufung wird zugelassen.

Der Beschlußtenor soll den Beteiligten vorab fernmündlich übermittelt werden.

Gründe

Der Zulassungsantrag ist begründet.

Allerdings kann die Berufung nicht schon nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen werden. Ob an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen, ist allein anhand der Ausführungen des Verwaltungsgerichts in der angefochtenen Entscheidung sowie der vom Rechtsmittelführer zur Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes vorgetragenen Gesichtspunkte zu beurteilen; vom Rechtsmittelführer nicht genannte Umstände können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie offensichtlich sind. Die sich auf dieser Beurteilungsgrundlage ergebenden Zweifel an der Richtigkeit einzelner Ausführungen des Verwaltungsgerichts sind nur dann ernstlich im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn die für die Unrichtigkeit der Entscheidung sprechenden Gründe die für ihre Richtigkeit sprechenden Gesichtspunkte deutlich überwiegen und daher ein Erfolg des zuzulassenden Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als ein Mißerfolg.

Vgl. zum Begriff der ernstlichen Zweifel Senatsbeschluß vom 6. November 1997 - 11 B 2005/97 -, NVwZ 1998, 530 = NWVBl. 1998, 283 = DVBl. 1998, 244 (LS) m.w.N. auch zur Gegenmeinung.

Dies läßt sich hier jedoch nicht feststellen. Die Frage der Richtigkeit oder Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils und damit auch der Erfolgsaussichten der erstrebten Berufung ist vielmehr nach dem Ergebnis der Prüfung im Zulassungsverfahren noch als völlig offen anzusehen. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil dem Antrag aus anderen Gründen stattgegeben wird (§ 124 a Abs. 2 Satz 2 VwGO).

Denn aus den Ausführungen des Beklagten ergibt sich, daß die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vorliegen. Nach dieser Vorschrift ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist. Dies ist hier der Fall.

Daß das Verwaltungsgericht durch den Einzelrichter entschieden hat, steht der Zulassung nicht entgegen. Zwar setzt die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO voraus, daß die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. An die Beurteilung dieser Voraussetzungen durch das Verwaltungsgericht ist das Berufungsgericht jedoch bei der Prüfung des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht - auch nicht indiziell - gebunden.

Vgl. u.a. OVG NW, Beschlüsse vom 31. Juli 1998 - 10 A 1329/98 -, NVwZ 1999, 202 und vom 26. Januar 1999 - 3 B 2861/97 -; Nds. OVG, Beschluß vom 27. März 1997 - 12 M 1731/97 -, NVwZ, 1997, 1225; VGH B-W, Beschluß vom 2. Juni 1998 - 2 S 3110/97 -, VBl. B-W 1998, 419; Berkemann, DVBl. 1998, 446 (456); Bader DÖV 1997, 401 (408); Seibert DVBl. 1997, 932 (936).

Welche Anforderungen an das Bestehen besonderer Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift zu stellen sind, wird allerdings in Rechtsprechung und Literatur kontrovers diskutiert.

Nach der wohl überwiegenden Meinung ist dieser Zulassungsgrund nur dann erfüllt, wenn die konkrete Streitsache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, d.h. überdurchschnittliche Schwierigkeiten verursacht.

Vgl. u.a. VGH B-W, Beschlüsse vom 22. April 1997 - 14 S 913/97 -, NVwZ 1997, 1230, vom 12. Mai 1997 - 12 S 580/97 -, NVwZ 1998, 305, vom 1. Juli 1997 - 5 S 1079/97 -, DVBl. 1997, 1329 und vom 7. Januar 1998 - 7 S 3117/97 -, RdL. 1999, 81; Hess. VGH, Beschluß vom 9. Juli 1998 - 13 VZ 2357/98 -, DVBl. 1999, 119 (LS); OVG Schleswig, Beschluß vom 3. September 1998 - 1 L 58/98 -; Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 124 Rdnr. 28; Redeker/von Oertzen, VwGO, 12. Aufl. 1997, § 124 Rdnr. 18; Kopp/Schenke, 11. Aufl., 1998, § 124 Rdnr. 9; Schenke NVwZ 1997, 81 (91); Johlen NWVBl. 1999, 41 (42); Bader NJW 1998, 409 (413).

Diese Anforderungen werden zum Teil dahin ergänzt, daß sich der zu entscheidende Fall in seinem Schwierigkeitsgrad signifikant bzw. deutlich vom Spektrum der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren üblicherweise zu entscheidenden Streitfällen abheben müsse.

Vgl. VGH B-W, Beschlüsse vom 22. April 1997 und vom 7. Januar 1998; Hess. VGH, Baader jeweils a.a.O.

Zum Teil wird darüber hinaus ein erheblich über dem Durchschnitt liegender Schwierigkeitsgrad verlangt.

Vgl. VGH B-W, Beschluß vom 1. Juli 1997, a.a.O.; Redeker/von Oertzen, Johlen, jeweils a.a.O.

Nach der Gegenmeinung ist die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers gegen die Tatsachenfeststellungen oder die rechtliche Würdigung, auf denen das angefochtene Urteil beruht, begründeten Anlaß zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ergeben, die sich nicht ohne weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern, wenn also das Berufungsgericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung über den Zulassungsantrag keine positive oder negative Aussage über die Erfolgsaussicht der angestrebten Berufung treffen kann.

Vgl. Thür. OVG, Beschluß vom 10. Dezember 1997 - 3 ZEO 1053/97 -, DVBl. 1998, 489 und ihm folgend der 10. Senat des beschließenden Gerichts, OVG NW, Beschluß vom 31. Juli 1998 - 10 A 1329/98 -, NVwZ 1999, 202; Seibert NVwZ 1999, 113 (116); ähnlich Nds. OVG, Beschluß vom 24. März 1997 - 1 M 1463/97 -, NVwZ 1997, 1229 und vom 31. August 1998 - 1 C 3914/98 -, ZfBR 1999, 56 (LS) sowie Hess. VGH, Beschluß vom 16. Februar 1998 - 2 A 11966/97 -, NVwZ 1998, 1094.

Daß die Erfolgsaussichten des angestrebten Berufungsverfahrens im Zeitpunkt der Entscheidung über das Zulassungsbegehren noch offen sind, kann jedoch nach Auffassung des Senats eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO noch nicht rechtfertigen. Zwar mag die Offenheit der Erfolgsaussichten in negativer Hinsicht als Abgrenzung für die Anwendung dieses Zulassungsgrundes dienen;

vgl. in diesem Sinne u.a. Berkemann DVBl. 1998, 446 (456);

denn wenn sich das Ergebnis des Berufungsverfahrens bereits bei der Entscheidung über den Zulassungsantrag in der einen oder anderen Weise mit hinreichender Sicherheit vorausbeurteilen läßt, wird die Rechtssache in aller Regel nicht (mehr) als schwierig angesehen werden können. Dies ist jedoch nicht ausreichend. Nach Auffassung des Senats ist vielmehr erforderlich, daß die "Ergebnisoffenheit" gerade auf der Komplexität der Rechtssache, also auf ihren besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten beruht.

So zutreffend Berkemann a.a.O.

Für diese Auslegung spricht schon der Wortlaut der Vorschrift. Mit der Forderung nach besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache hat das Gesetz für die Zulassung der Berufung tatbestandliche Voraussetzungen aufgestellt, von denen das Oberverwaltungsgericht nicht einfach absehen kann.

So zutreffend Bader NJW 1998, 409 (412).

Diese besagen, daß die Rechtssache, also der konkret zu entscheidende Streitfall, "Schwierigkeiten" aufweisen, also entscheidungserhebliche Fragen aufwerfen muß,

vgl. zum Erfordernis der Entscheidungserheblichkeit der die besonderen Schwierigkeiten begründenden Fragen bereits Senatsbeschluß vom 14. April 1997 - 11 B 484/97 -, NVwZ 1997, 1004; zustimmend Kopp/Schenke, a.a.O., § 124 Rdnr. 9,

die in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht nicht einfach zu lösen sind, und diese Schwierigkeiten als "besondere" zu qualifizieren sind. Bezugsobjekt des Zulassungsgrundes ist daher nicht das Ergebnis der Entscheidung, sondern der Weg zu diesem Ergebnis, also der Prozeß der Entscheidungsfindung. Die Offenheit des Ergebnisses kann aber nur Folge, nicht aber Voraussetzung der Schwierigkeiten der Rechtssache sein. Die Lösung einer Frage ist nämlich nicht schon deshalb schwierig, weil sie (noch) offen ist. Daß der Ausgang des Berufungsverfahrens sich im Zeitpunkt der Entscheidung über das Zulassungsbegehren noch nicht vorausbeurteilen läßt, kann vielmehr auch auf anderen Umständen beruhen, als dem der Komplexität der Rechtssache. Hieran wird es insbesondere dann fehlen, wenn die einer Erfolgsprognose entgegenstehenden Hindernisse ohne Schwierigkeiten - etwa durch Beiziehung bestimmter Unterlagen oder durch Einnahme richterlichen Augenscheins - beseitigt werden könnten. Daß diese Erkenntnisquellen im Zulassungsverfahren nicht zur Verfügung stehen, ist ohne Belang. Denn das Gesetz knüpft die Zulassung der Berufung an die Schwierigkeiten der Rechtssache, nicht aber an die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten im Zulassungsverfahren an.

Gegen eine Gleichsetzung von Ergebnisoffenheit und besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache sprechen ferner auch gesetzessystematische Gesichtspunkte. Während der am Ergebnis orientierte Prüfungsgegenstand in der Nr. 1 des Zulassungskatalogs durch die Forderung nach ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils ausdrücklich artikuliert wird, wird dies in dessen Nr. 2 nicht einmal ansatzweise zum Ausdruck gebracht. Gründe, die eine derart differierende Umschreibung inhaltlich gleichgelagerter Tatbestände innerhalb ein und desselben Regelungsgefüges erklären könnten, sind aber nicht ersichtlich. Zudem würde der überwiegende Erfolgsaussichten fordernde Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel im Ergebnis leerlaufen, müßte die Berufung nach der Nr. 2 des Zulassungskatalogs bereits bei lediglich offenen Erfolgsaussichten zugelassen werden.

Eine ergebnisbezogene Auslegung des Zulassungsgrundes der besonderen Schwierigkeiten kann auch nicht auf die Entstehungsgeschichte der Regelung gestützt werden. Im Gesetzgebungsverfahren bestand Einigkeit, daß für die Zulassung der Berufung neben den aus dem Revisionsrecht übernommenen Zulassungsgründen der grundsätzlichen Bedeutung (Nr. 3), Divergenz (Nr. 4) und Verfahrensfehlerhaftigkeit (Nr. 5) ein der Verwirklichung der Einzelfallgerechtigkeit dienender weiterer Zulassungsgrund geschaffen werden sollte. Entsprechende Überlegungen lagen auch dem vorangegangenen, nicht weiter verfolgten Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung der VwGO

vgl. BT-Drucks. 13/1433, S. 5

sowie dem Entwurf einer VwPO

vgl. BT-Drucks. 9/1851, S. 34

zugrunde. Der hier maßgebliche Entwurf der Bundesregierung eines 6. Gesetzes zur Änderung der VwGO und anderer Gesetze (6. VwGOÄndG) sah zu diesem Zweck lediglich den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel vor.

Vgl. BT-Drucks. 13/3993, S. 5, 13.

Demgegenüber schlug der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel durch den der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten zu ersetzen und es damit insgesamt bei dem Zulassungskatalog zu belassen, der bereits im Gesetzentwurf des Bundesrats zu Änderung der VwGO sowie auch im Entwurf einer VwPO enthalten war.

Vgl. BT-Drucks. 13/3993, S. 21 f.

Zur Begründung des Vorschlags wird u.a. ausgeführt, daß dieser Zulassungsgrund "regelmäßig auch dann eingreifen werde, wenn das Oberverwaltungsgericht feststelle, daß das erstinstanzliche Urteil unrichtig sei."

Vgl. BT-Drucks. 13/3993, S. 22.

Entsprechende Ausführungen waren schon im Gesetzentwurf des Bundesrats sowie im Entwurf einer VwPO enthalten.

Vgl. BT-Drucks. 13/1433, S. 14 und BT-Drucks. 9/1891, S. 146.

Diese Erwägungen werden jedoch in der nunmehr Gesetz gewordenen Fassung des Katalogs der Zulassungsgründe durch dessen Nr. 1 aufgefangen,

so zutreffend Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner VwGO, § 124 Rdnr. 27,

der speziell auf die inhaltliche Richtigkeit des angefochtenen Urteils abstellt. Sie können daher zur Begründung einer ergebnisbezogenen Auslegung auch der heutigen Nr. 2 der Vorschrift nicht herangezogen werden. Als Grundlage für die genetische Auslegung dieses Zulassungsgrundes und seines Verhältnisses zu der Nr. 1 der Regelung kann vielmehr allein die Begründung der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages dienen, in der erstmals beide Zulassungsgründe nebeneinander enthalten sind. Hierin wird u.a. ausgeführt: Die vorgeschlagene Erweiterung der Berufungszulassungsgründe führe nicht zu einer Mehrbelastung des Oberverwaltungsgerichts. Zwar müsse sich dieses, wenn es eine Berufung nicht annehme, nicht nur mit der Frage beschäftigen, ob ernstliche Zweifel gegen die Richtigkeit des Urteils bestehen, sondern zusätzlich auch noch mit der Frage, ob es sich um eine besonders schwierige Rechtssache handele. Auf der anderen Seite werde dem Oberverwaltungsgericht aber die Entscheidung über die Zulassung der Berufung erleichtert, weil sich dieses in der Zulassungsentscheidung nicht zwangsläufig zur materiellen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zu äußern brauche, sondern die Berufung auch wegen besonderer Schwierigkeiten zulassen könne. Gerade in komplizierten Fällen, in denen eine Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits nicht möglich sei, könne es sich empfehlen, auf diesen Zulassungsgrund zurückzugreifen.

Vgl. BT-Drucks. 13/5098, S. 24.

Daß auch der Zulassungsgrund der besonderen Schwierigkeiten an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung und damit an den Erfolgsaussichten der angestrebten Berufung ausgerichtet sein sollte, läßt sich diesen Ausführungen aber gerade nicht entnehmen. Die Begründung spricht vielmehr dafür, daß dieser Zulassungsgrund aus der Sicht der Beschlußempfehlung einen gegenüber dem der ernstlichen Zweifel selbständigen und qualitativ andersartigen Prüfungsgegenstand haben sollte.

Für eine ergebnisbezogene Auslegung auch des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO läßt sich schließlich auch aus dem mit der Regelung verfolgten Zweck, einen (weiteren) Zulassungsgrund zur Verwirklichung der Einzelfallgerechtigkeit zu schaffen, nichts herleiten. Denn die Bestimmung dient diesem Zweck auch dann, wenn man im Einklang mit ihrem Wortlaut auf die Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung abstellt. Anknüpfungspunkt für die Zulassung der Berufung ist hierbei nicht die (mögliche) konkrete Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung, sondern die gesteigerte "abstrakte" Fehleranfälligkeit wegen der besonderen Komplexität der Fallbehandlung.

So zutreffend Berkemann, DVBl. 1998, 446 (456).

Die nach alledem nicht mit der bloßen "Ergebnisoffenheit" des Berufungsverfahrens gleichzusetzenden tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache müssen des weiteren als "besondere" zu qualifizieren sein. Dies ist nur dann der Fall, wenn die konkrete Streitsache einen überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad aufweist. Durchschnittliche, also "normale" Schwierigkeiten können nicht ausreichen;

so die einhellige Auffassung innerhalb der eingangs dargelegten wortlautorientierten Meinung, vgl. VGH B.-W., Hess. VGH, Schoch/Schmidt- Aßmann/Pietzner, Redeker/von Oertzen, Kopp/Schenke, Johlen, Bader jeweils a.a.O.;

denn diese machen die Fallbehandlung noch nicht im besonderen Maße fehleranfällig. Eine Zulassung der Berufung schon bei durchschnittlichen Schwierigkeiten würde nicht zuletzt auch dem mit der Einführung der Zulassungsberufung verfolgten gesetzgeberischen Anliegen, die Rechtsmittel zu beschränken und die Berufungsinstanz zu entlasten,

vgl. BT.-Drucks. 13/3993, S. 13

zuwiderlaufen. Die wegen der hiernach erforderlichen Abgrenzung vom "Durchschnitt" verbleibende gewisse Unsicherheit in der Rechtsanwendung geht über das Maß des bei der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe Unvermeidbaren nicht hinaus. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken, etwa aus dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgrundsatzes oder des Art. 3 GG bestehen insoweit nicht.

So zutreffend Schoch/Schmidt- Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 124 Rn. 29; Eyermann, a.a.O., § 124 Rn. 23; a.M. Bader DÖV 1997, 442 (447), der jedoch seine Bedenken nicht mehr aufrecht erhalten hat (vgl. NJW 1998, 409 [412f]).

Daß die Schwierigkeiten der Rechtssache "erheblich" über dem Durchschnitt liegen,

so u.a. VGH B.-W., Beschluß vom 1. Juli 1997 - 5 S 1079/97 - DVBl. 1997, 1329; Redeker/von Oertzen, a.a.O., § 24 Rn. 18, Johlen, NWVBl. 1999, 41 (42),

erscheint dagegen nach Auffassung des Senats nicht erforderlich. Der Wortlaut der Bestimmung legt dies nicht zwingend nahe. Die Forderung nach "besonderen" Schwierigkeiten kann vielmehr auch als Abgrenzung zu den "allgemeinen" Schwierigkeiten und damit als Hinweis auf die Notwendigkeit einer auf die "speziellen" Schwierigkeiten des konkreten Einzelfalls bezogenen Beurteilung verstanden werden.

Im Ergebnis wohl ebenso: Seibert, NVwZ 1999, 113 (116).

Auch der Zweck der Regelung läßt einen derart strengen Beurteilungsmaßstab nicht geboten erscheinen. Ob für die Bejahung besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten im Rahmen des § 6 VwGO erheblich über dem Durchschnitt liegende Schwierigkeiten zu fordern sind, ist schon wegen der unterschiedlichen Regelungsgehalte beider Vorschriften für die Auslegung des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ohne Bedeutung.

In Anwendung der vorgenannten Grundsätze ist die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen, weil sich aus den Ausführungen des Beklagten ergibt, daß die Rechtssache besondere Schwierigkeiten im vorgenannten Sinne aufweist. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Beklagten über die Eintragung des klägerischen Grundstücks in die Bodendenkmalliste der Stadt Telgte aufgehoben, weil davon auszugehen sei, daß im Boden des betroffenen Grundstücks lediglich Reste des ehemaligen Stadtgrabes, nicht aber anderer Teile der früheren Befestigungsanlage vorhanden seien, und der Beweis - und Dokumentationswert dieser Spuren nicht als "bedeutend" angesehen werden und damit eine Unterschutzstellung als Bodendenkmal (§§ 3 Abs. 1 i.V.m. 2 Abs. 5 DSchG NW) nicht rechtfertigen könne. Die gegen die Tatsachenfeststellungen sowie die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts vom Beklagten gerichteten Einwendungen machen deutlich, daß die Streitsache Fragen aufwirft, deren Beantwortung sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht überdurchschnittliche Schwierigkeiten bereiten. Zu ihrer Klärung wird im Berufungsverfahren aller Voraussicht nach die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich sein.

Daß der Beklagte sich nicht ausdrücklich auf diesen Zulassungsgrund berufen hat, ist unschädlich. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des 10. Senats des beschließenden Gerichts an, wonach die Berufung auch dann nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen werden kann, wenn der Rechtsmittelführer lediglich den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 benannt und dargelegt hat und sich aus diesen Darlegungen ergibt, daß zwar keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, die Rechtssache aber besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist.

Vgl. OVG NW, Beschluß vom 31. Juli 1998 - 10 A 1329/98 - NVwZ 1999, 202; vgl. ebenso Hess. VGH, Beschluß vom 16. Februar 1997 - NVwZ 1998, 1094; Kopp/Schenke, a.a.O., § 124 Rn. 9; Seibert, DVBl. 1997, 932 (938); ders. NVwZ 199, 113 (116).

Diese Möglichkeit besteht auch dann, wenn man den Zulassungsgrund der besonderen Schwierigkeiten nicht ergebnisbezogen, sondern - wie hier - wortlautorientiert auslegt.

Vgl. im Ergebnis ebenso Kopp/Schenke, a.a.O.

Der in § 124 a Abs. 1 Satz 4 VwGO normierte Darlegungszwang steht einer solchen Handhabung nicht entgegen. Zwar hat das Berufungsgericht das angefochtene Urteil grundsätzlich allein in bezug auf den geltend gemachten Zulassungsgrund und die zu seiner Begründung genannten Gesichtspunkte zu prüfen; andere Umstände können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie offensichtlich sind.

Vgl. Senatsbeschluß vom 13. Mai 1997 - 11 B 799/97 - NVwZ 1997, 1224.

Sinn und Zweck der Darlegungspflicht sowie die mit der Ergänzung des Zulassungskatalogs um dessen Nr. 2 verfolgte gesetzgeberische Zielsetzung sprechen jedoch dafür, die Darlegungsanforderungen in den vorgenannten Fällen entsprechend zu lockern und auf eine Geltendmachung des Zulassungsgrundes zu verzichten. Die Darlegungspflicht ist nicht Selbstzweck, sie zielt vielmehr allein darauf ab, den Aufwand für die Bearbeitung des Zulassungsantrags zu reduzieren und damit die Berufungsinstanz zu entlasten.

Vgl. BT.-Drucks. 13/3993, S. 13.

Diesem Zweck ist aber hinreichend Genüge getan, wenn sich der Rechtsmittelführer - wie hier der Fall - mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt hat und sich im Zulassungsverfahren zwar nicht feststellen läßt, daß das Urteil des Verwaltungsgerichts mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unrichtig ist, die Angriffe des Rechtsmittelführers gegen die Tatsachenfeststellungen oder die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts jedoch deutlich machen, daß die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, ihre Entscheidung also "abstrakt" fehleranfällig ist. Die ausdrückliche Benennung der Zulassungsgründe wäre in diesen Fällen zur Reduzierung des Bearbeitungsaufwandes im Zulassungsverfahren nicht erforderlich. Eine dahingehende Forderung würde im Gegenteil verhindern, daß das mit der Aufnahme der Nr. 2 in den Katalog der Zulassungsgründe verfolgte Ziel, die sich bei Anwendung der Zulassungsgründe der "ernstlichen Zweifel" etwa ergebenden Schwierigkeiten auszugleichen und dem Oberverwaltungsgericht in komplizierten Fällen die Entscheidung über die Zulassung der Berufung zu erleichtern,

Vgl. BT.-Drucks. 13/1598 S. 24,

voll zum Tragen kommt. Sie würde nicht zuletzt auch dazu führen, daß die hinsichtlich der Auslegung der Zulassungsgründe der Nrn. 1 und 2 und ihres Verhältnisses zueinander bestehenden Unklarheiten sowie der diesbezügliche, nach der Fassung des Gesetzes geradezu "vorprogrammierte" Meinungsstreit im Ergebnis zu Lasten des Rechtsmittelführers gehen.

Nach alledem war dem Antrag stattzugeben.

Dieser Beschluß ist unanfechtbar.