LG Köln, Urteil vom 18.02.2011 - 91 O 8/11
Fundstelle
openJur 2011, 77565
  • Rkr:
Tenor

Die einstweilige Verfügung vom 19.01.2011 wird aufrecht erhalten.

Die weiteren Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Tatbestand

Unter dem 08.09.2007 schloss die Antragstellerin mit der Firma Z S.A.R.L, Algerien, einen Vertrag über die Lieferung und Montage einer schlüsselfertigen Altöl-Rückgewinnungsanlage in Algerien zu einem Preis von 3.580.000,00 €. Unter dem 07.09.2009 eröffnete die Banque A Algiers im Auftrag der Z ein Dokumentenakkreditiv über 3.585.000,00 € zugunsten der Verfügungsklägerin. Die Antragsgegnerin ist bestätigende Bank im Sinne von Artikel 8 ERA 600. Zur Geltendmachung erforderliche Dokumente sollten u.a. sein eine Handelsrechnung in sieben vom Begünstigten (Verfügungsklägerin) unterzeichneten und gestempelten Original-Exemplaren sowie ein kompletter Satz eines Konnossements "clean on board". Wegen der Einzelheiten wird auf das Swift-Dokument Blatt 6 ff. des Anlagenheftes verwiesen.

Am 06.10.2009 wurde das Akkreditiv übertragbar gestellt.

Im September 2009 kam es zwischen der Verfügungsklägerin und der Nebenintervenientin zu einem geschäftlichen Kontakt im Hinblick auf die von der Klägerin an Z zu liefernde Altöl-Rückgewinnungsanlage. Einzelheiten hierzu sind streitig. Jedenfalls übersandte die Verfügungsklägerin der Nebenintervenientin am 01.03.2010 einen "Entwurf zur Finanzierung des Akkreditivs Algerien", wonach die Nebenintervenientin als Finanzier an die Verfügungsklägerin 700.000,00 € und an die Firma T3 & Partner GmbH, welche offenbar mit der Planung und Erstellung der Altölanlage beauftragt werden sollte, 2,1 Mio. € zahlen sollte. Im Gegenzug sollte die Nebenintervenientin zur Sicherung der Finanzierung das Akkreditiv in Höhe des finanzierten Betrages zuzüglich 250.000,00 € als Zinsen bzw. Finanzierungsgebühren übertragen erhalten. Zum Abschluss dieses Vertrags kam es nicht.

Daraufhin erstellt die Klägerin unter dem 11.03.2010 den Entwurf eines Vertrages, in dem die Parteien als Käufer und Verkäufer bezeichnet sind und wonach die Nebenintervenientin der Verfügungsklägerin die komplette Altöl-Recyclinganlage zum Preis von insgesamt 3,5 Mio. € verkaufen sollte. Der Kaufpreis sollte durch Übertragung des Akkreditivs beglichen werden. Von dem aus dem Akkreditiv einzunehmenden Betrag sollte die Nebenintervenientin 650.000,00 € an die Verfügungsklägerin zahlen. Diesen Vertrag unterschrieb die Nebenintervenientin ebenfalls nicht.

Unter dem 18.03.2010 trafen die Parteien eine Kurzvereinbarung, in der die Parteien wiederum als Verkäufer und Käufer bezeichnet sind. Aus dieser Kurzvereinbarung ergibt sich lediglich, dass der Käufer (Verfügungsklägerin) vom Verkäufer (Nebenintervenientin) einen Scheck über 50.000,00 € "als Sicherheit" erhalten habe, den sie erst bei Übertragung des Akkreditivs über 3,5 Mio. € einreichen sollte. Ferner wurde vereinbart, dass die Nebenintervenientin mit der Bank in Kontakt treten sollte, um die Akkreditivübertragung zu veranlassen. Zudem wurde vereinbart, einen Termin bei einem Notar wahr zu nehmen. Irgendwelche Einzelheiten des von den Parteien offenbar in Aussicht genommenen Vertrages ergeben sich aus dieser Kurzvereinbarung nicht.

Auch in der Folge kam es nicht zu einem Vertragsschluss der Parteien. Einen für den 25.03.2010 vorgesehenen Notartermin sagte die Klägerin ab. Gleichwohl erfolgte am 16.04.2010 die Teilübertragung der Rechte aus dem Akkreditiv in Höhe von 3.050.000,00 € auf die Nebenintervenientin.

Ende April 2010 übersandte die Verfügungsklägerin der Nebenintervenientin den Entwurf eines Notarvertrages, der wiederum nicht zustande kam. Dasselbe gilt für einen von der Verfügungsklägerin unter dem 13.05.2010 übersandten Entwurf eines Vertrages zwischen ihr und der Firma T3 & Partner GmbH.

Am 19.05.2010 kam es zu einem Treffen der Beteiligten, an dem auch jeweils ein Vertreter der Firma T3 und Partner und der Firma F2 teilnahmen. Ausweislich des von diesem Treffen erstellten Protokolls (vgl. Anlage 28 des beigezogenen Verfahrens 16 O 66/10 Landgericht Bonn) einigte man sich darauf, dass die Verfügungsklägerin einen Vertrag über die Lieferung der Altöl-Wiederaufbereitungsanlage mit der Nebenintervenientin und diese einen ebensolchen mit der Fa. T3 und Partner schließen sollte. "Zur Erstellung ihres Vertrages" vereinbarten die Verfügungsklägerin und die Nebenintervenientin einen Termin für den 20.05.2010.

Einen offenbar in der Folge dieses Treffens erstellten weiteren Vertragsentwurf der Verfügungsklägerin vom 21.05.2010, wonach die Nebenintervenientin die Anlage von T3 & Partner kaufen und an die Verfügungsklägerin zum gleichen Preis weiterverkaufen sollte, unterzeichnete die Nebenintervenientin nicht.

Im Mai 2010 lehnte die Verfügungsklägerin eine weitere Zusammenarbeit mit der Nebenintervenientin ab und forderte diese zur Rückübertragung der Rechte aus dem Akkreditiv auf, was die Nebenintervenientin ablehnte.

Im Juni 2010 bot die Firma F Engineering der Nebenintervenientin die Erstellung der Altöl-Wiederaufbereitungsanlage für 1,73 Mio. € an. Ausweislich der Auftragsbestätigung der Firma F Engineering vom 14.06.2010 nahm die Nebenintervenientin dieses Angebot an.

Die Verfügungsklägerin hat die Nebenintervenientin in dem genannten Verfahren vor dem Landgericht Bonn auf Unterlassung der Inanspruchnahme des Akkreditivs in Anspruch genommen, ihren dortigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung jedoch in der mündlichen Verhandlung zurück genommen.

Die Verfügungsklägerin behauptet, die Nebenintervenientin habe sie hintergangen, indem sie ihr die Bereitschaft zur Finanzierung der Altölanlage vorgespiegelt und sie dadurch zur Übertragung der Rechte aus dem Akkreditiv veranlasst habe. Demgegenüber habe die Nebenintervenientin unter Umgehung der Verfügungsklägerin die Anlage selbst herstellen und an die Firma Z liefern wollen. Zu einer solchen Lieferung sei es bislang nicht gekommen. Nachdem die Verfügungsklägerin zunächst vorgetragen hat, die Anlage sei - wenn auch unvollständig und mangelhaft - geliefert worden, hat sie zuletzt vorgetragen, bislang sei es nicht zu einer Verschiffung der Anlage gekommen. Diese entspreche auch nicht den von der Firma Z gestellten Anforderungen. Keinesfalls nämlich habe die Firma Z und somit auch die Verfügungsklägerin die Anlage von der Firma F Engineering herstellen lassen wollen, weil die Firma F eine veraltete Technologie verwende. Vielmehr habe die Anlage von der Firma F2 hergestellt werden sollen, und zwar nach Plänen der Firma T3 & Partner.

Die Verfügungsklägerin behauptet, die Nebenintervenientin habe der Verfügungsbeklagten offensichtlich gefälschte Papiere vorgelegt, um diese zur Auszahlung des Akkreditivs zu veranlassen. Aus diesem Grund sei die Verfügungsbeklagte zur Zahlungsverweigerung verpflichtet. Diese Verpflichtung bestehe auch ihr gegenüber, weil im Falle einer Auszahlung ihre Rechte als Erstbegünstigte des Akkreditivs beeinträchtigt würden. Es bestehe die Gefahr einer erheblichen Schädigung, einerseits wegen des Insolvenzrisikos, andererseits aber auch deshalb, weil die Klägerin bei Lieferung der nicht geeigneten Anlage Schadensersatz- und Vertragsstrafenansprüche seitens Z ausgesetzt sei.

Die Kammer hat der Verfügungsbeklagten mit einstweiliger Verfügung vom 19.01.2011 (Blatt 21 f der Gerichtsakte) untersagt, auf das Akkreditiv Nr. ...# der ausstellenden Banque A Algiers vom 07.09.2009 an die Nebenintervenientin Zahlungen zu leisten. Gegen diese einstweilige Verfügung haben sowohl die Verfügungsbeklagte als auch die Nebenintervenientin Widerspruch eingelegt.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die einstweilige Verfügung aufrecht zu erhalten.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 19.01.2011 aufzuheben sowie

-sinngemäß- den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurück zu weisen.

Die Nebenintervenientin schließt sich dem Antrag der Verfügungsbeklagten an.

Verfügungsbeklagte und Nebenintervenientin bestreiten, die Nebenintervenientin habe der Verfügungsklägerin die Finanzierung zugesagt zu haben. Das Gegenteil ergebe sich aus den vorgelegten Vertragsentwürfen wie auch aus der Kurzvereinbarung vom 18.03.2010, in denen jeweils die Nebenintervenientin als Verkäufer und die Verfügungsklägerin als Käufer aufgeführt sind. Sie halten die zur Geltendmachung der Ansprüche aus dem Akkreditiv vorgelegten Dokumente für ausreichend und die Verfügungsbeklagte für verpflichtet, den Teilbetrag von 3.050.000,00 € auszuzahlen. Sie meinen, die Verfügungsklägerin habe keinen Verfügungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte, weil insoweit hinsichtlich des übertragenen Akkreditivteils keinerlei Rechtsbeziehungen zwischen Verfügungsklägerin und Verfügungsbeklagter mehr bestünden. Ein Rechtsmissbrauch der Nebenintervenientin lasse sich nicht feststellen, schon gar nicht mit liquiden Beweismitteln glaubhaft machen.

Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstands nimmt die Kammer Bezug auf die Gerichtsakte.

Gründe

Die einstweilige Verfügung ist aufrecht zu erhalten.

Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Nebenintervenientin das Akkreditiv rechtsmissbräuchlich in Anspruch nimmt. Aus diesem Grunde kann sie auch von der Verfügungsbeklagten Unterlassung der Auszahlung des Akkreditivs verlangen.

I.

Die Möglichkeiten, bei Vorliegen eines Dokumentenakkreditivs im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Auszahlung des Akkreditivs zu verhindern, sind in Anbetracht der Abstraktheit und wegen der Funktion des Akkreditivs als internationales Zahlungssicherungsinstrument beschränkt.

Einigkeit besteht, dass einstweiliger Rechtsschutz nur dann zu gewähren ist, wenn sich die Inanspruchnahme des Akkreditivs offensichtlich als unzulässige Rechtsausübung darstellen würde. Solch ein Rechtsmissbrauch liegt z.B. in einer betrügerischen Versendung einer zur Erfüllung eines Kaufvertrages offensichtlich ungeeigneten Ware oder im Falle einer Scheinversendung (vgl. zum Ganzen nur Zahn/Ehrich/Haas, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Auflage 2010, S. 264 ff, insbesondere S. 270 bei Rn. 2/418 mit zahlreichen Nachweisen). Liegt ein solcher Rechtsmissbrauch vor, kommt es auf ein Verschulden nicht an (BHZ 64, 5, 9; Zahn u.a. Rn. 2/240 mwN). Allenfalls ist eine "subjektiv vorwerfbare Einstellung des Begünstigten zu fordern (BGH WM 1996, 995 f).

Die Besonderheiten und der Zweck des Dokumentenakkreditivs verlangen nicht nur auf der materiellrechtlichen Ebene, sondern auch auf der prozessualen Seite Einschränkungen: Erforderlich ist, dass die Missbräuchlichkeit der Inanspruchnahme des Akkreditivs mit liquiden Beweismitteln festgestellt werden kann (Habersack, Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, § 783 Rn.50 a.E.; Zahn u.a., a.a.O. Rn. 2/422).

Ob im Falle des Vorliegens dieser Voraussetzungen auch gegen die eröffnende oder - wie hier - bestätigende Bank einstweiliger Rechtsschutz erzielt werden kann, ist umstritten (siehe die Nachweise bei Zahn u.a., a.a.O., Rn. 2/432 in Fußnote 812). Die Kammer folgt der Auffassung, die auch gegen die Bank den Erlass einer einstweiligen Verfügung für grundsätzlich möglich erachtet (z.B. LG Aachen NJW-RR 1987, 1207 f.). Jedenfalls in Fällen des offensichtlichen Rechtsmissbrauchs geht es nicht an, demjenigen, zu dessen Nachteil sich der Rechtsmissbrauch auswirken würde, den Schutz der Rechtsordnung jedenfalls dann zu versagen, wenn sich die einstweilige Verfügung gegen die Bank als letzte Möglichkeit erweist, dem materiellen Recht -nämlich die Unterbindung des Rechtsmissbrauchs - zur Geltung zu verhelfen (so im Ergebnis auch LG Aachen a.a.O.). Hierzu ist es auch erforderlich, dass bei einer Akkreditivübertragung wie im vorliegenden Fall auch dem Erstbegünstigten Rechtsschutz gegenüber der auszahlungsbereiten Bank gewährt wird, sollen seine Rechte durch den Zweitberechtigten durch die rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme aus dem Akkreditiv vereitelt werden.

II. Dass das Auszahlungsverlangen der Nebenintervenientin rechtsmissbräuchlich ist, ergibt sich aus Folgendem:

1. Zur Geltendmachung des Akkreditivs ist u.a. die Vorlage eines Konnossements erforderlich, welches die Verladung der Güter an Bord zur Verschiffung bestätigt ("Connaissement clean on board"). Die von der Nebenintervenientin der Antragsgegnerin vorgelegte Bill of lading erfüllt nicht die Anforderungen, die Artikel 20 ERA 600 für ein solches Dokument erfordert. Erforderlich ist, dass das Konnossement durch einen Frachtführer oder einen namentlich genannten Agenten für den Frachtführer ausgestellt wird. Frachtführer ist, wer sich durch einen Beförderungsvertrag verpflichtet, die Beförderung per Schiene, Straße, See, Luft, Binnengewässer oder in einer Kombination dieser Transportarten durchzuführen oder durchführen zu lassen (Nielsen in: Schimansky/Bunte/Lewowski, Bankrechtshandbuch, 3. Auflage, Band II, 2007, § 120, Rdnr. 244). Frachtführer kann jedermann sein, der die verlangte Beförderungsleistung im eigenen Namen verspricht. Handelt es sich bei dem Frachtführer allerdings um einen sogenannten nichtschiffbesitzenden Frachtführer (NVOCC), genügt dessen Bestätigung dann nicht, wenn das See-Konnossement einen An-Bord-Vermerk zu enthalten hat, wie das hier der Fall ist (clean on board). Da ein nichtschiffbesitzender Frachtführer zur Durchführung der von ihm versprochenen Transportleistung Unterfrachtverträge abschließen muss, kann er sein Konnossement erst dann mit einem An-Bord-Vermerk versehen, wenn er seinerseits von dem eingeschalteten Unterfrachtführer ein Konnossement mit An-Bord-Vermerk erhalten hat (Nielsen, a.a.O., Rdnr. 245 a. E. sowie derselbe Transportrecht 2000, 196).

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die von der Nebenintervenientin vorgelegte bill of lading den Dokumentenanforderungen des Akkreditivs nicht genügt, denn das Frachtschiff C steht nicht im Eigentum der die bill of lading ausstellenden M. Eigentümerin ist vielmehr die Firma D. Dies ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Das entsprechende Vorbringen der Verfügungsklägerin haben die Verfügungsbeklagte und die Nebenintervenientin unbestritten gelassen.

Dass von der Nebenintervenientin vorgelegte Konnossement der Firma M ist nicht nur ein nichtakkreditivkonformes Dokument, sondern bestätigt eine falsche Tatsache. Denn es trifft nicht zu, dass die Ware am 20.12.2010 an Bord der C gelangt wäre, wie dies in der bill of lading vom 20.12.2010 bestätigt wird. Dies ist unstreitig: Das entsprechende Vorbringen der Verfügungsklägerin haben sowohl die Antragsgegnerin als auch die Nebenintervenientin unbestritten gelassen. Es wäre aber Sache jedenfalls der Nebenintervenientin, entsprechend der ihr nach § 138 Abs. 1 ZPO obliegenden Verpflichtung, sich über tatsächliche Umstände vollständig und wahrheitsgemäß zu erklären, also auch darzulegen, ob die Bestätigung in der bill of lading zutrifft oder nicht. Hierzu hat sich die Nebenintervenientin nicht verstehen können. Vielmehr hat sie sich darauf beschränkt, ihre Unwissenheit hinsichtlich der Frage der Beladung mitzuteilen. Dies genügt in Anbetracht des Umstandes, dass es sich bei der Firma M um die Vertragspartnerin der Nebenintervenientin handelt, nicht.

Abgesehen hiervon steht auch aufgrund der überreichten Unterlagen fest und ist damit "liquide bewiesen", dass die Bestätigung in der bill of lading, die Ware sei am 20.12.2010 "clean on board" gelangt, falsch ist. Dies folgt nämlich aus dem von der Nebenintervenientin selbst überreichten Email-Verkehr vom 17.12.2010. Hieraus ergibt sich, dass ein Vertreter der M unter dem 17.12.2010 den Geschäftsführer der Nebenintervenientin kontaktiert und mitgeteilt hat, dass "gegen 15.00 Uhr die Papiere fertig sein" werden. Auf die Frage: "Ab wann kann eigentlich geladen werden?" hat der Geschäftsführer der Nebenintervenientin geantwortet, geladen werden könne spätestens Anfang Januar (vgl. Anlage 3 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.02.2011). Wie in Anbetracht dieser Äußerung des Geschäftsführers der Nebenintervenientin, eine Ladung könne erst Anfang Januar 2011 erfolgen, gleichwohl eine Ladung am 20.12.2010 stattgefunden haben soll - wie dies in der bill of lading bestätigt wird - bleibt im Dunkeln. Klarstellenden Vortrag hierzu hat die Nebenintervenientin nicht unterbreitet. Bei dieser Sachlage ist die Kammer davon überzeugt, dass die bill of lading der Firma M eine unwahre Tatsache bestätigt und damit eine Fälschung darstellt. Dass dies der Nebenintervenientin in Person ihres Geschäftsführers auch bekannt war und ist, ergibt sich aus dem vorstehend zitierten E-Mail-Verkehr.

Die Unrichtigkeit der Bill of Lading ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass die Nebenintervenientin wie auch die Verfügungsbeklagte den Vortrag der Verfügungsklägerin unbestritten gelassen hat, es könne nicht sein, dass die gesamte Altöl- Recyclinganlage in nur 55 Colli geladen sei, denn eine ordnungsgemäße Lieferung erfordere 300 Packstücke. Wenn hiervon aber mangels Bestreitens der Verfügungsbeklagten und der Nebenintervenientin auszugehen ist, kann es nicht sein, dass die Bill of Lading der Firma M, in der die Verladung von 55 Colli bestätigt wird, eben die an die Firma Z zu liefernde Altöl-Recyclinganlage betrifft.

2. Die Geltendmachung der Rechte aus dem Akkreditiv durch die Nebenintervenientin stellt sich im Verhältnis zur Verfügungsklägerin aus einem weiteren Grund als rechtsmissbräuchlich dar. Denn Ansprüche der Nebenintervenientin gegen die Verfügungsklägerin auf Vergütung oder Kaufpreiszahlung sind nicht erkennbar, jedenfalls nicht schlüssig dargelegt. Sind Ansprüche insoweit aber nicht nur streitig, sondern schon gar nicht ersichtlich, ist das Zahlungsverlangen der Nebenintervenientin offenkundig unbegründet (zu diesem Gesichtspunkt als Voraussetzung für die Zulassung stellt sich die Inanspruchnahme des Akkreditivs als rechtsmissbräuchlich dar.

Der Nebenintervenientin stehen im Verhältnis zur Verfügungsklägerin Ansprüche auf Vergütung oder Kaufpreiszahlung nur dann zu, wenn zwischen ihr und der Verfügungsklägerin ein Vertrag über die Erstellung und Lieferung einer Altöl-Rückgewinnungsanlage zustande gekommen ist und der aus diesem Vertrag resultierende Vergütungsanspruch fällig ist. Hierzu fehlt jeglicher Vortrag der insoweit darlegungsbelasteten Nebenintervenientin. Aus dem übereinstimmenden Vortrag sämtlicher Beteiligter ergibt sich demgegenüber, dass zwischen der Verfügungsklägerin und der Nebenintervenientin eine vertragliche Vereinbarung über die Lieferung der Altöl-Wiederaufbereitungsanlage nicht zustande gekommen ist. Einzige zwischen den Parteien rechtsverbindlich getroffene Vereinbarung ist die aus der sogenannten Kurzvereinbarung vom 18.03.2010. Einzelheiten der beiderseitigen Pflichten lassen sich dieser Kurzvereinbarung indessen nicht entnehmen. Der in dem Verfahren 16 O 66/10 LG Bonn vorgelegten Anlage 28 (Protokoll der Besprechung vom 19.05.2010) ist allenfalls zu entnehmen, dass die Parteien (Verfügungsklägerin und Nebenintervenientin) sich auf eine Vertragskette einigten. Bereits die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn hat in dem genannten Verfahren ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 14.07.2010 zutreffend darauf hingewiesen, dass die Nebenintervenientin kein Auswahlrecht hinsichtlich des Herstellers für sich geltend machen könne, weil die Leistung ausweislich des vorzitierten Protokolls von der Firma T3 & Partner geplant und von der Firma F2 produziert werden sollte. Dass die Parteien zu einem späteren Zeitpunkt überein gekommen wären, anders zu verfahren, insbesondere, dass die Nebenintervenientin frei sein sollte, die Anlage durch ein anderes Unternehmen - hier die Firma F Engineering - herzustellen, wird von der Nebenintervenientin nicht behauptet. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass die Parteien sich in einem vertragslosen Zustand befinden, zumindest aber die Anlage nach Maßgabe des Protokolls vom 19.05.2010 von der Firma T3 & Partner geplant und von der Firma F2 hergestellt werden sollte. Wenn die Nebenintervenientin bei dieser Sachlage ohne einen Vertrag oder jedenfalls entgegen den bislang getroffenen Absprachen die Anlage durch die Firma F Engineering erstellen lässt, führt dies mangels vertraglicher Grundlage oder aber mangels vertraglicher Konformität des Liefergegenstandes nicht zu einem Vergütungsanspruch gegen die Verfügungsklägerin. Nimmt die Nebenintervenientin bei dieser Sachlage gleichwohl das Akkreditiv mit immerhin 3.050.000,00 € in Anspruch, ist dies rechtsmissbräuchlich.

Da die das Verdikt des Rechtsmissbrauchs begründenden vorstehend genannten Umstände unstreitig sind, kommt es auf die Frage der liquiden Beweisbarkeit nicht an. Jedenfalls ergeben sich die vorgenannten Umstände aus den von den Parteien vorgelegten Unterlagen und sind damit liquide beweisbar.

III. 1. Die Kammer ist der Auffassung, dass die Verfügungsklägerin wegen der drohenden Gefahr einer Schädigung nicht darauf beschränkt ist, Ansprüche auf Unterlassung der Inanspruchnahme des Akkreditivs (ausschließlich) gegen die Nebenintervenientin geltend zu machen. In Anbetracht des inzwischen aufgedeckten und damit auch der Verfügungsbeklagten bekannten Rechtsmissbrauchs stünde der Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagte im Falle einer Auszahlung des Akkreditivs ein Anspruch aus § 826 BGB zu. Verfügungsanspruch ist danach der zur Abwendung einer unerlaubten Handlung zuzuerkennende vorbeugende Unterlassungsanspruch (hierzu Sprau in Palandt, BGB, 70. Aufl., Vor § 823 Rn. 18, 21) der Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagte.

2. Auch ein Verfügungsgrund ist glaubhaft gemacht: Es liegt auf der Hand, dass im Falle der Auszahlung des Akkreditivs an die Nebenintervenientin die Verfügungsklägerin Ansprüchen der Firma Z ausgesetzt wäre. Dies ergibt sich auch aus den Äußerungen der im Termin vom 16.02.2011 anwesenden Vertretern der Firma Z S.A.R.L. (Rechtsanwälte Dr. Q2 und Dr. T2 aus der Kanzlei CMS Hasche Sigle, Köln), die angekündigt haben, Z werde eine von der Firma F Engineering hergestellte Anlage nicht abnehmen, weil eine solche nicht den vertraglichen Absprachen mit der Verfügungsklägerin entspreche.

IV. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.

Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst. Die Vollstreckbarkeit der einer einstweiligen Verfügung aufrecht erhaltenden Entscheidung liegt in der Natur der Sache.

Streitwert: 1.250.000,00 €.