VG Arnsberg, Urteil vom 27.01.2011 - 7 K 3727/09
Fundstelle
openJur 2011, 77475
  • Rkr:
Tenor

für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer des 432 qm großen Grundstücks Gemarkung N. , G1 (C1.-straße), das mit einem zweigeschossigen Wohnhaus bebaut ist.

Die C1.-straße wurde vor Beginn der 40iger Jahre erstmalig hergestellt. In den Jahren 2006 bis 2008 wurden anlässlich der Erneuerung des Kanals u.a. auch Ausbauarbeiten an der Fahrbahn der C1.-straße zwischen I.-straße und T2. Weg durchgeführt, die sich in einem schlechten Zustand befand und verschlissen war. Die Fahrbahn erhielt dabei folgenden Aufbau: Asphaltdeckschicht 4 cm Asphaltbinderschicht 4 cm Asphalttragschicht 14 cm Frostschutzschicht 38 cm. Der Gesamtaufbau beträgt somit 60 cm. Die Stärke des vorherigen Gesamtaufbaues der Fahrbahn betrug im Mittel ca. 33 cm (25 bis 40 cm) und bestand aus einer im Mittel 7 cm starken Teer- bzw. Asphaltschicht und einem Konglomerat aus Packlage und Schottermaterial von 26 cm im Mittel. Der gesamte Straßenabschnitt wird von einer Buslinie befahren.

Mit der Einzelsatzung über die Erhebung von Beiträgen nach § 8 Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG NRW) für die Erneuerung/Verbesserung der Fahrbahn der C1.-straße zwischen I.-straße und T2. Weg vom 20. Mai 2009 wurde der Anliegeranteil auf 45% festgelegt. Mit Bescheid vom 16. November 2009 zog der Bürgermeister der beklagten Stadt (Bürgermeister) den Kläger nach vorheriger Anhörung zu einem Ausbaubeitrag für die Erneuerung/Verbesserung der Fahrbahn der C1.-straße zwischen I.-straße und T2. Weg in Höhe von 000,00 EUR heran. Dem Bescheid war eine ausführliche Erläuterung beigefügt.

Am 15. Dezember 2009 hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor: Es liege weder eine Erneuerung noch eine Verbesserung der Fahrbahn in dem abgerechneten Bereich vor. Grundvoraussetzung hierfür sei, dass der jeweilige Ausbau die ihm in verkehrstechnischer Hinsicht zugedachte Funktion auch tatsächlich erfüllen und demgemäß wirtschaftliche Vorteile bieten könne. Die Funktionstauglichkeit der Anlage sei Voraussetzung dafür, dass den Eigentümern der erschlossenen Grundstücke ein wirtschaftlicher Vorteil geboten werde. Die Beklagte habe dabei nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden, welche der verschiedenen Ausbaumöglichkeiten sie wähle. Der Bürgermeister habe sich im vorliegenden Fall nicht an die Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus für Verkehrsflächen (RStO 01) gehalten. Die danach erforderliche Mindestdicke für einen frostsicheren Gesamtaufbau, die 70 cm betrage, sei um 10 cm unterschritten worden. Der abgerechnete Abschnitt liege - entgegen der Ansicht des Bürgermeisters - nicht in der Frosteinwirkungszone II, sondern in der Frosteinwirkungszone III. Besondere Gründe für eine Abweichung von der RStO 01 seien nicht erkennbar.

In den Gesamtaufwand seien aus der Teilschlussrechnung vom 29. Dezember 2006 bzw. der Schlussrechnung vom 10. September 2007 nicht zu berücksichtigende Kosten für die Teileinrichtungen Oberflächenentwässerung, Gehweg und unselbständige Grünanlage in Höhe von insgesamt 000,00 EUR eingeflossen. In den Fällen gemeinschaftlich durchgeführter Straßen-, Kanal- und Versorgungsarbeiten müsse der Aufwand geteilt werden. Der Betrag von 000,00 EUR müsse zu gleichen Teilen den jeweiligen Einrichtungen zugerechnet werden. Der beitragsfähige Aufwand für die Fahrbahn in Höhe von 000,00 EUR wäre um 000,00 EUR (2/3 von 000,00 EUR zu Lasten der Gehwegverbreiterung/Kanalisation) zu kürzen. Nur im Umfang von 000,00 EUR könne die Fahrbahn aus der Gemeinschaftsmaßnahme entsprechend den von der Rechtsprechung zur Abrechnung gemeinschaftlich ausgeführter Baumaßnahmen entwickelten Abrechnungsgrundsätzen anteilig zurechenbaren Aufwand verursacht haben. Dies habe für ihn - den Kläger - eine Reduzierung des Beitrags um 000,00 EUR zur Folge. Jedenfalls sei ein Anteil von 50% für die Fahrbahn betreffend die Baumschutzmaßnahmen zu hoch. Der Arbeitsraum, der durch diese Maßnahmen geschaffen bzw. gesichert werden sollte, gehöre nicht mehr zur Fahrbahn, da diese verengt worden sei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Bürgermeisters der Beklagten vom 16. November 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor: Es liege eine nachmalige Herstellung bzw. Verbesserung der Fahrbahn vor. Dem stehe insbesondere die Art und Weise des Ausbaues nicht entgegen. Die Gründe für die Bestimmung des Fahrbahnaufbaues nach der Frostschutzeinwirkungszone II der RStO 01 seien nachvollziehbar und ermessensfehlerfrei. Der Gesamtaufwand sei zutreffend ermittelt worden. Die Kosten für den Baumschutz (nach Klägervortrag Kosten für die unselbständige Grünanlage) seien ansatzfähig, weil die Auskofferungs- und Kanalbauarbeiten im Fahrbahnbereich mit größeren Baugeräten erfolgt seien und die Rinde der Bäume mit einer Bretterlage und einer Pufferzone habe geschützt werden müssen. 50% der hierfür entstandenen Kosten - somit 000,00 EUR - seien zu Recht der Fahrbahnerneuerung zugerechnet worden.

Der beitragsfähige Aufwand für den Boden aus Verbreiterungsstreifen - Pos. 92.03.0501 der Rechnungen des Unternehmers (nach Klägervortrag Kosten für den Gehweg) - sei mit insgesamt 000,00 EUR richtig ermittelt worden. Diese Kosten beträfen Auskofferungsarbeiten im Fahrbahnbereich (Restaushub) in einer Tiefe von 60 cm und einer Breite von ca. 6 m; der Aushub in der Kanaltrasse sei nicht in den Aufwand eingeflossen.

Nicht zu beanstanden seien auch die Kosten für Straßenabläufe, Anschlussleitung und einreihige Pflasterstreifen - Pos. 93.01.0221, 23.05.0202 bis 25.01.0120, 47.07.0103 bis 47.07.0197, 94.01.0101, 94.01.0200 der Rechnungen des Unternehmens (nach Klägervortrag Kosten der Oberflächeneinrichtung bzw. Gehwegverbreiterung). Die Herstellung einer neuen Fahrbahndecke mit Frostschutzschicht setze regelmäßig die Änderung des Straßenprofils und damit eine Anpassung der vorhandenen Entwässerungseinrichtungen voraus. Die hierfür entstehenden Kosten seien als notwendige Teilarbeiten der Verbesserung der Fahrbahn beitragsfähig.

Der gesamte Fahrbahnbereich sei ca. 60 cm tief ausgekoffert worden. Die im Fahrbahnbereich liegenden Einbauten (z.B. Schieberkappen, Schachtdeckel und Abläufe) seien den neuen Fahrbahngegebenheiten angepasst worden. Die Anschlussleitungen seien insgesamt ausgetauscht worden; die komplette Erneuerung der Straßenabläufe, deren Kosten sich auf 000,00 EUR je Verbindung belaufen würden, seien - wie eine Vergleichsberechnung zeige - günstiger, als wenn die alten Anschlussleitungen durch ein Übergangsrohr mit Überschiebmuffe (zur Anbindung an die veränderte geometrische Lage der Straßenabläufe) und eine Adaptermuffe mit den Straßenabläufen verbunden worden wären.

Der Einbau eines einreihigen Pflasterstreifens entspreche heute den allgemein anerkannten Regeln der Technik und sei aus bautechnischen Gründen erforderlich. Der Gesamtaufwand sei somit insgesamt richtig ermittelt worden. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des von dem Beklagten übersandten Verwaltungsvorganges verwiesen.

Gründe

Die gemäß § 42 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.

Der Bescheid des Bürgermeisters der Beklagten vom 16. November 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zu dem streitigen Straßenbaubeitrag ist im vorliegenden Fall § 8 KAG NRW in Verbindung mit der rückwirkend zum 1. Mai 2007 in Kraft getretenen Einzelsatzung über die Erhebung von Beiträgen nach § 8 KAG NRW für die Erneuerung/Verbesserung der Fahrbahn der C1.-straße zwischen I.-straße und T2. Weg vom 20. Mai 2009 (Einzelsatzung), durch die die Satzung über die Erhebung von Beiträgen nach § 8 KAG NRW für straßenbauliche Maßnahmen der Stadt N. (SBS) vom 15. Dezember 2004 modifiziert wurde. Danach erhebt die Stadt N. zum Ersatz des Aufwandes für die Verbesserung/Erneuerung der Fahrbahn der C1.-straße zwischen I.-straße und T2. Weg und als Gegenleistung für die durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme den Eigentümern und Erbbauberechtigten der erschlossenen Grundstücke erwachsenden wirtschaftlichen Vorteile, Beiträge nach Maßgabe der Satzung.

Im vorliegenden Fall sind die Tatbestandsvoraussetzungen für die Veranlagung des Klägers zu einem Straßenbaubeitrag erfüllt. Die abgerechnete Fahrbahn wurde erneuert/verbessert, wodurch dem Kläger als Eigentümer eines von der abgerechneten Anlage erschlossenen und bebauten Grundstückes wirtschaftliche Vorteile vermittelt werden.

Bei dem vorliegenden Ausbau der Fahrbahn handelt es sich um eine Erneuerung und Verbesserung i.S.d. § 1 der Einzelsatzung. Erneuerung (nachmalige Herstellung) bedeutet, dass eine endgültig hergestellte Anlage von Grund auf neu hergestellt wird, weil die Anlage trotz regelmäßiger Instandhaltung verschlissen ist. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die vor Beginn der 40iger Jahre erstmalig hergestellte Fahrbahn verschlissen war und durch die abgerechnete Maßnahme von Grund auf neu hergestellt wurde. Verbesserung bedeutet, dass sich der Zustand der Anlage nach dem Ausbau von dem ursprünglichen Zustand hinsichtlich der räumlichen Ausdehnung, der funktionalen Verteilung der Fläche oder der Art der Befestigung in verkehrstechnischer Hinsicht vorteilhaft unterscheidet. Hier beträgt der Gesamtaufbau des Oberbaus der Fahrbahn nach dem Ausbau 60 cm, während die Stärke des vorherigen Gesamtaufbaues der Fahrbahn sich im Mittel auf nur ca. 33 cm (25 bis 40 cm) belief.

Weitere Voraussetzung ist aber, dass der jeweilige Ausbau die ihm in verkehrstechnischer Hinsicht zugedachte Funktion auch tatsächlich erfüllen und demgemäß wirtschaftliche Vorteile bieten kann. Durch die Maßnahme müssen insoweit (zusätzliche) Gebrauchsvorteile an der Anlage entstanden sein, die zu einer Steigerung des Gebrauchswertes der erschlossenen Grundstücke führen. Voraussetzung hierfür ist die Funktionstauglichkeit der Anlage bzw. Teilanlage. So bietet eine funktionsuntaugliche Anlage oder Teileinrichtung (z.B. Fahrbahn) den Eigentümern der angrenzenden Grundstücke keinen wirtschaftlichen Vorteil.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 14. Juni 1994 - 15 A 1011/92 -, NWVBl. 1995, 20; Dietzel/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 KAG NRW, 7. Auflage, Rdnr. 141.

Die jeweilige Gemeinde hat insoweit in dem Rahmen, den die technischen Möglichkeiten bieten, und unter Berücksichtigung der verkehrstechnischen Anforderungen sowie der entstehenden Kosten nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, welche der verschiedenen Ausbaumöglichkeiten verwirklicht werden soll.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Juli 1986 - 2 A 1761/85 -, OVGE 38, 272; Dietzel/Kallerhoff, a.a.O., Rdnr. 140.

Der Gemeinde steht für das Ob und Wie des Ausbaus ein weites Ausbauermessen bis zur Grenze des sachlich Vertretbaren zu.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2008 - 15 A 3195/07 -.

Entsprechend dieses Ermessens trägt die Gemeinde aber auch das Risiko für die Eignung und Abrechenbarkeit der Ausbaumaßnahme. Bei der Frage, ob ein Ausbau mit Blick auf die Ausstattung der Anlage geeignet ist, den Zweck, für den sie bestimmt ist, zu erfüllen, kann auf Richtlinien zurückgegriffen werden. In Betracht kommen dabei unter anderem die technischen Empfehlungen für den Straßenbau, insbesondere die im Zeitpunkt der Abnahme geltenden "Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen", RStO 01, Ausgabe 2001.

Vgl. OVG NRW, Urteile 10. Januar 2006 - 15 A 3256/03 -, vom 14. Juni 1994 - 15 A 1011/92 -, NWVBl. 1995, 20, vom 15. April 1992 - 2 A 1412/90 -, vom 26. März 1991 - 2 A 2125/88, NWVBl. 1991, 346; Dietzel/Kallerhoff, a.a.O., Rdnr. 137.

Diese Richtlinien stellen grundsätzlich einen geeigneten Maßstab zur Beurteilung der bau- und verkehrstechnischen Eignung von Verkehrsanlagen dar. Sie sind von einem Kreis von Fachleuten erarbeitet worden und treffen sachverständige Aussagen darüber, welche Anforderungen an ein Straßenbauvorhaben hinsichtlich der Gestaltung und der zu verwendenden Materialien zu stellen sind.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Juli 1986 - 2 A 1761/85 -, a. a. O.; Beschluss vom 18. Februar 1988 - 2 A 2764/85 -, KStZ 1988, 151.

Allerdings stellt nicht jede Unterschreitung von Standards technischer Regelwerke einen ungeeigneten und damit ermessensfehlerhaften Ausbau dar. Diese technischen Richtlinien enthalten keine starren Maßstäbe. Sie geben in der Regel gewisse Bandbreiten an, von denen im Einzelfall abgewichen werden kann. Für die Beurteilung einer straßenbaulichen Maßnahme im Rahmen des Straßenbaubeitragsrechts ergeben sich daraus folgende Konsequenzen: Entspricht eine Baumaßnahme im Wesentlichen den in den Richtlinien oder Empfehlungen für entsprechende Verkehrsanlagen vorgesehenen Werten, so kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die Baumaßnahme den verkehrstechnischen oder bautechnischen Anforderungen gerecht wird. Weicht die Gestaltung einer Anlage dagegen von den in den Empfehlungen vorgesehenen Werten ab, folgt daraus noch nicht zwingend, dass die Anlage den jeweiligen verkehrstechnischen oder bautechnischen Anforderungen nicht entspricht bzw. ein ermessensfehlerhafter Ausbau vorliegt; dies hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalles ab, wobei insbesondere auch zu prüfen ist, ob besondere Gründe vorliegen, die eine Unterschreitung der Richtlinien und Empfehlungen rechtfertigen.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Januar 2008 - 15 A 3195/07 - und vom 18. Februar 1988 - 2 A 2764/85 -; Urteil vom 4. Juli 1986 - 2 A 1761/ 85 -, a. a. O.; Dietzel/Kallerhoff, a.a.O., Rdnr. 138.

In Anwendung dieser Grundsätze erfüllt der Ausbau der Fahrbahn der C1.-straße zwischen I.-straße und T2. Weg in verkehrstechnischer Hinsicht die ihr zugedachte Funktion und ist insoweit auch geeignet, den Anliegern einen wirtschaftlichen Vorteil i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG NRW zu vermitteln.

Zwar weicht der Ausbau der Fahrbahn der abgerechneten Anlage von dem Regelaufbau nach der RStO 01 ab; dennoch kann keine Rede davon sein, dass die Anlage im vorliegenden Einzelfall unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beklagten den an sie zustellenden verkehrstechnischen oder bautechnischen Anforderungen nicht entspricht und der gewählte Ausbau deshalb ermessensfehlerhaft ist.

Die Fahrbahn hat eine Asphaltdeckschicht von 4 cm, eine Asphaltbinderschicht von 4 cm, eine Asphalttragschicht von 14 cm und eine Frostschutzschicht von 38 cm - also einen Gesamtaufbau von 60 cm. Die Bemessung der Mindestdicke des frostsicheren Oberbaus ist abhängig von

- der Bauklasse der Straße gemäß Tabelle 2 RStO 01,

- der Frostempfindlichkeit des anstehenden Bodens im Bereich des Planums und

- den Mehr- oder Minderdicken infolge örtlicher Verhältnisse gemäß Abschnitt 3.2.3 RStO 01.

Die Beklagte stuft die C1.-straße in die Bauklasse III ein. Diese Einstufung ist nachvollziehbar und wird vom Kläger nicht in Frage gestellt. Die C1.-straße wird in der Einzelsatzung als Haupterschließungsstraße eingestuft und entspricht damit in etwa den in den RStO 01 Tabelle 2 aufgeführten Wohnsammelstraßen, die in die Bauklassen III oder IV eingeordnet werden können. Selbst Hauptverkehrsstraßen können noch in die Bauklasse III eingestuft werden. Im Hinblick auf die Funktion der C1.straße u. a. als Straße mit Busverkehr erscheint die Einstufung in die Bauklasse III überzeugend (vgl. auch Tabelle 3 RStO 01).

Die Beklagte hat den Baugrund für die C1.-straße in die - höchste - Frostempfindlichkeitsklasse F3 eingestuft. Dies wird vom Kläger ebenfalls nicht beanstandet.

Nach der Tabelle 6 der RStO 01 ergibt sich damit eine Mindestdicke des frostsicheren Aufbaus von 60 cm. Mehr- oder Minderdicken infolge örtlicher Verhältnisse sind in der Tabelle 7 vorgesehen. Unter Einbeziehung der von der Beklagten dargelegten Gründe ist nicht zu beanstanden, dass die ausgebaute Straße der Frosteinwirkungszone II und nicht III zugeordnet worden ist und dementsprechend eine Mehrdicke von 5 cm (und nicht 15 cm bei Frosteinwirkungszone III) berücksichtigt wurde.

Die Beklagte hat für das Gericht nachvollziehbar dargelegt, dass im konkreten Fall die Einordnung in die Frosteinwirkungszone II gerechtfertigt ist; einer Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es insoweit nicht.

Der Beklagte stützt die Einstufung auf folgende Erwägungen:

"3. Die Mindestdicke des frostsicheren Aufbaus ergibt sich aus Tabelle 6 bei Frostempfindlichkeitsklasse F3 und Bauklasse IIl/IV mit 60 cm. Die örtlichen Verhältnisse bewirken entsprechend Tabelle 7 der RStO 01 Mehr- oder Minderdicken. Dabei ist unter anderem die Zuordnung zu einer bestimmten Frosteinwirkungszone relevant. Vorliegend wird die Zone II zugrunde gelegt. Laut Zeile 1.2 ergibt sich somit eine Mehrdicke von 5 cm. Die Lage der Gradiente und die örtlichen Wasserverhältnisse ergeben keine Mehr- bzw. Minderdicken. Da die C1.-straße neben der Fahrbahn teilweise wasserundurchlässige Randbereiche (asphaltierte Gehwege) aufweist und in geschlossener Ortslage liegt, ergibt sich laut Zeile 4.2 eine Minderdicke des frostsicheren Aufbaus von 5 cm. Somit beträgt die Mindestdicke des frostsicheren Aufbaus 60 cm.

Die Einteilung der RStO 01 zum Zweck der Bemessung des frostsicheren Straßenoberbaus in aktuell drei Frostzonen basiert auf den Erfahrungen und Erkenntnissen aus der Frosteinwirkung des Winters 1962/63. Hierbei handelte es sich um einen langen und strengen Winter. Seit diesem Zeitpunkt gab es kaum mehr ähnlich strenge Winter und die mittlere Jahrestemperatur hat sich seither deutlich erhöht.

Die sehr grobgliedrige Karte der RStO 01 lässt eine genaue Einordnung der Stadt N. in eine der dargestellten Frosteinwirkungszonen nicht zu. N. liegt entsprechend dieser Karte am bzw. im Übergangsbereich der Frosteinwirkungszone II zur Frosteinwirkungszone III. Das Gebiet der Stadt N. (niedrigster Geländepunkt: 115 m Ü. NN - höchster Geländepunkt: 380 m Ü. NN.) ist zum überwiegenden Teil in die Frosteinwirkungszone II einzustufen, da die Bereiche des Stadtgebietes mehrheitlich noch in das auf der Karte erkennbare S. fallen. Eine Ausnahme bildet der Ortsteils B1. , auf dessen Gebiet sich auch der höchste Geländepunkt, der F. , mit 380 m Ü. NN. befindet. Dieser Ortsteil wird aufgrund seiner Höhenlage der Frosteinwirkungszone III zugerechnet.

Diese Einteilung des Stadtgebietes fügt sich zudem in die Untergliederung der Karte der RStO 01 ein, denn höhenmäßig liegen die dem S. zugeordneten Stadtteile der Stadt N. auf der NN-Höhe der in die Frosteinwirkungszone I fallenden Städte Paderborn (niedrigster Geländepunkt: 94 m - höchster Geländepunkt: 347 m ü. NN.) und Dortmund (niedrigster Geländepunkt: 49 m - höchster Geländepunkt: 254 m ü. NN.) und nicht auf der NN-Höhe von Olpe (niedrigster Geländepunkt: 307 m höchster Geländepunkt: 589 m ü. NN.), das in die Frosteinwirkungszone III fällt.

Um einen evidenten Anhaltspunkt zur Einstufung der C1.-straße in eine der Frosteinwirkungszonen zu erhalten, wurde zudem die tatsächliche Höhenlage der C1.-straße mit in die Entscheidung einbezogen. Die C1.-straße befindet sich in einer Höhenlage von 155,00 m Ü. NN im Kreuzungsbereich mit dem "T2. Weg" (höchster Punkt des betroffenen Straßenausbaus nach KAG) und ist damit eindeutig der Frosteinwirkungszone II zuzuordnen.

Damit wird deutlich, dass der Beklagte sehr wohl die Frage der Zuordnung in Frosteinwirkungszone III in seine Überlegungen einbezogen hat, jedoch aufgrund nachvollziehbarer und nicht zu beanstandender Erwägungen zu der Einschätzung gelangt ist, eine Zuordnung in die niedrigere Zone sei ein vollkommen sachgerechtes Ergebnis. Massiver Kritikpunkt ist zum einen die sehr grobgliedrige Karte der RStO 01 und zum anderen die Tatsache, dass nur die Erkenntnisse aus dem sehr strengen und bis heute nie wieder so zu erlebenden Winter 1962/63 zur Zuordnung in die jeweilige Frosteinwirkungszone geführt hat.

Auf genau diesen Kritikpunkt stößt auch der Forschungsbericht aus dem Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. zur "Aktualisierung der Frostdimensionierung im Straßenbau" im Auftrag des Deutschen Wetterdienstes, Stand Sept. 2008, auf den hier in vollem Umfang Bezug genommen wird. Der Bericht ist veröffentlicht in dem Heft 1002 aus dem Jahre 2008 der Reihe "Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik". (...) Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) hatte den deutschen Wetterdienst (DWD) mit dem Forschungs- und Entwicklungsvorhaben "Aktualisierung der Frostdimensionierung im Straßenbau beauftragt. Ziel der Forschungsarbeit war es, anhand von längeren, aktualisierten Zeitreihen der Klimadaten und objektiven Auswertungsmethoden die nach der RStO 01 gültige Frostzonenkarte zu aktualisieren. Dies sollte den Nutzen haben, die Dicke des frostsicheren Oberbaus objektiv zu bemessen und zu optimieren.

Fazit dieses Forschungsberichts, der alle Winter von 1955/56 bis 2004/05 zu seiner Grundlage macht, ist eindeutig, dass die Träger der Straßenbaulast eine bezüglich der Klimadaten aktualisierte und hinsichtlich des Verfahrens objektivierte Frostzonenkarte für Deutschland benötigen. Die Frostzonenkarte nach der RStO 01 wurde ausschließlich auf der Datenbasis des Extremwinters 1962/63 erstellt. Bestandteile des Forschungsberichts sind nunmehr Karten, die die maximalen Frostindizes beschreiben, die mit Hilfe der Tagesmitteltemperaturen der Luft, die der DWD an vielen Standorten misst, für den sehr langen Bezugszeitraum von 19955/56 bis 2004/05 berechnet sind.

Der Beklagte hat sich die Mühe gemacht und die Mittlere Lufttemperatur in °C für die Monate Januar, Februar, März, April, Oktober, November, Dezember, jeweils das Jahresmittel 1961 - 1990, das Monatsmittel 2006 sowie das Jahresmittel 1977 - 2006 zusammengetragen und in einer farblichen Darstellung niedergelegt. (...)

In den Jahren 2008/2009 wurde auch an der TU Dresden ein Forschungsauftrag zur Überprüfung und Bewertung der Frostdimensionierung nach RStO ausgegeben. Durch alternative Berechnungsmethoden, neue Rechentechnik und umfangreiches Datenmaterial von Temperaturmessstellen in Fahrbahnen und Böden wurde die numerische Simulation der Frosteindringtiefe den tatsächlichen Messwerten gegenübergestellt. Ziel war die Entwicklung besserer Berechnungsmethoden zum tatsächlichen Temperaturverlauf bei Frosteinwirkung für unterschiedliche Straßenaufbauten. Auch diese Ergebnisse bestätigen die Berechnungen der Bundesanstalt für Straßenwesen.

An dieser Stelle wird vollinhaltlich auf die ausführliche Darstellung in dem Aufsatz von Blume/Plehm. "Aktualisierung der Frostzonenkarte zur Dimensionierung des frostsicheren Straßenoberbaus", veröffentlicht in Heft 12.2009 der Zeitschrift "Straße und Autobahn" Bezug genommen. (...) Die alte Frostzonenkarte wurde im Rahmen des Forschungsvorhabens überarbeitet und detaillierter dargestellt. Diese neue Frostzonenkarte soll in den überarbeiteten RStO, deren Ausgabe im Jahr 2010 vorgesehen ist, berücksichtigt werden.

In dieser neuen Frostzonenkarte, die jeder Schriftsatzausfertigung als Anlage beigefügt ist, liegt N. eindeutig nicht in der Frosteinwirkungszone III.

Unabhängig hiervon hat der Planer bei der Bestimmung des Fahrbahnaufbaues der C1.-straße Überlegungen angestellt, die örtliche Besonderheiten berücksichtigen, wie z.B. den höchstgelegensten Punkt der Ausbaumaßnahme mit Höhenangabe über NN.

Nach alledem ist festzuhalten, dass die Einordnung in die Frostschutzzone II bei der Begründung des Fahrbahnaufbaus der C1.-straße nicht zur Verneinung einer Erneuerung bzw. Verbesserung der Straße i.S. des KAG führt. "

Diese Auffassung ist insbesondere unter Einbeziehung der Ausführungen des Berichts zum Forschungs- und Entwicklungsvorhaben 05.144/2005/DRB des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Aktualisierung der Frostdimensionierung im Straßenbau aus September 2008 nachvollziehbar und von dem weiten Ausbauermessen des Bürgermeisters gedeckt. Auch nach der aktualisierten Frostzonenkarte für die neuen RStO liegt N. in der Frosteinwirkungszone II.

Vgl. Bulme/Plehm, Aktualisierung der Frostzonenkarte zur Dimensionierung des frostsicheren Straßenoberbaus, Straße und Autobahn 2009, S. 793, 798.

Der Bürgermeister hat zudem nach Tabelle 7 RStO 01 folgende - unstreitige - Minderdicke für den Gesamtaufbau infolge örtlicher Verhältnisse berücksichtigt: Zeile 4.2. Ausführung der Randbereiche in geschlossener Ortslage mit teilweise wasserdurchlässigen Randbereichen sowie mit Entwässerungseinrichtungen - 5 cm. Somit verbleibt es bei einer Asphaltschicht von 4 cm, einer Asphaltbinderschicht von 4 cm, einer Asphalttragschicht von 14 cm und eine Frostschutzschicht von 38 cm - also - wie verwirklicht - bei einem Gesamtaufbau von 60 cm, der den verkehrstechnischen oder bautechnischen Anforderungen entspricht. Den Anliegern der Straße - und damit auch dem Kläger - wird eine maßnahmebedingte Steigerung des Gebrauchswertes und mithin ein wirtschaftlicher Vorteil geboten. Insgesamt ist liegt daher eine beitragsfähige Maßnahme vor.

Der beitragsfähige Gesamtaufwand für die Baumaßnahme ist von der Beklagten korrekt ermittelt worden. Zwar muss bei der der Ermittlung der beitragsfähigen Kosten berücksichtigt werden, dass die Straßenbauarbeiten zeitgleich mit einer Kanalbaumaßnahme durchgeführt worden sind. Die durch die Verbindung von Baumaßnahmen von Kostenträgern aus verschiedenen Aufgabenbereichen entstehende Ersparnis darf nicht nur einem Kostenträger zugute kommen, sie muss vielmehr auf alle Kostenträger verteilt werden. Dies gilt auch für die Verbindung der erstmaligen Verlegung oder Erneuerung eines Kanals mit einer Straßenbaumaßnahme. Die Höhe der eingetretenen Ersparnis und den auf jede Baumaßnahme entfallenden Anteil kann die Gemeinde schätzen. Dabei kann die Kostenersparnis jeder Baumaßnahme hälftig gutgeschrieben werden.

Vgl. Dietzel/ Kallerhoff, a.a.O., Rdnr. 340 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 4. Juni 2002 - 15 B 745/02 -, juris.

Die Ermittlung des Gesamtaufwandes genügt unter Berücksichtigung der im Tatbestand aufgeführten Erläuterungen der Beklagten, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, und aufgrund der ergänzenden Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung diesen Anforderungen. Sonstige Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung hat der Kläger nicht geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch die Kammer nach §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO sind nicht gegeben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Verwaltungsgericht Arnsberg (Jägerstraße 1, 59821 Arnsberg, Postanschrift: Verwaltungsgericht Arnsberg, 59818 Arnsberg) Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.

Die Berufung ist nur zuzulassen,

1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Zulassungsantrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, bzw. Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen - ERVVO VG/FG - in der Fassung vom 1. Dezember 2010 (GV.NRW.2010 S. 648) einzureichen. Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss.

Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, sowie die ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - in der Fassung gemäß Art. 13 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007, BGBl. I S. 2840, und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz - RDGEG -). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen vor dem Oberverwaltungsgericht als Bevollmächtigte zugelassen.

Der Antragsschrift sollen möglichst Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

T. C. Q

Ferner ergeht folgender

B e s c h l u s s :

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes in Höhe der streitigen Beitragsforderung auf 1.049,29 EUR festgesetzt.