OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.02.2011 - 2 E 1410/10
Fundstelle
openJur 2011, 77191
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

Gründe

Der Senat hat das Passivrubrum von Amts wegen geändert, nachdem durch den Wegfall von § 5 AG VwGO (vgl. Art. 2 Nr. 28 des Gesetzes zur Modernisierung und Bereinigung von Justizgesetzen im Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Januar 2010, GV. NRW. S. 30) und die nunmehrige Geltung des sog. Rechtsträgerprinzips kraft Gesetzes zum 1. Januar 2011 auf Seiten des Beklagten ein Beteiligtenwechsel eingetreten ist.

Die Beschwerde mit dem sinngemäß gestellten Antrag,

unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses zugunsten der Kläger im Kostenfestsetzungsverfahren die Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG fallenzulassen und die Terminsgebühr sowie die Einigungsgebühr zuzusprechen,

hat keinen Erfolg.

1. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass bei der Kostenfestsetzung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - 9 K 1572/09 - die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG für die anwaltliche Vertretung der Kläger gemäß Anlage 1, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 4 zum VV RVG auf die nach Nr. 3100, 1008 VV RVG geltend gemachte (erhöhte) Verfahrensgebühr in Höhe eines Gebührensatzes von 0,75 anzurechnen ist, so dass sie vorliegend lediglich in Höhe eines Gebührensatzes von 0,85 erstattungsfähig ist.

a) Zu den Verfahrenskosten, welche die Beklagte nach dem Kostenausspruch im Hauptsachenerledigungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. März 2010 zur Hälfte zu tragen hat, gehören gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch die Gebühren der Prozessbevollmächtigten der Kläger und damit auch die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG. Da die Kläger sich bereits vorprozessual gegenüber der Beklagten durch ihre späteren Prozessbevollmächtigten haben vertreten lassen und diese Vertretung denselben Gegenstand betraf wie das gerichtliche Klageverfahren - die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 27. April 2006 und die Verlängerung von deren Geltungsdauer mit Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2009 -, ist die Geschäftsgebühr nach Maßgabe der Anlage 1, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Dass eine solche Anrechnung auch im Rahmen der Kostenfestsetzung gegen die (teilweise) kostenpflichtige Prozesspartei vorzunehmen ist, folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes, seiner Systematik und seinem Sinn und Zweck.

Nach dem Wortlaut der Vorbemerkung ist die anteilige Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr zwingend vorgeschrieben. Die Regelung gilt zwar in erster Linie im Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber. Indem § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO die gesetzlichen Gebühren für erstattungsfähig erklärt, knüpft er aber für das Kostenfestsetzungsverfahren unmittelbar an die gebührenrechtlichen Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und damit auch an dessen Anrechnungsregeln an. Die Anknüpfung unterliegt keinen Einschränkungen mit der Folge, dass sowohl im Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten als auch im Verhältnis zwischen dem Mandanten und dem Streitgegner die Verfahrensgebühr nur in einer nach Maßgabe der Anrechnung verminderten Höhe entsteht. Dieses Auslegungsergebnis steht im Einklang mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, wie er in den Gesetzesmaterialien seinen Niederschlag gefunden hat. Die Anrechnung sollte nach dem Willen des Gesetzgebers zum einen dem Umstand Rechnung tragen, dass der Umfang der durch die Verfahrensgebühr abgedeckten anwaltlichen Tätigkeit im Prozess davon beeinflusst wird, ob der Rechtsanwalt durch eine vorherige Tätigkeit bereits mit der Angelegenheit vertraut war; mit Rücksicht auf den erfahrungsgemäß geringeren Einarbeitungsaufwand des schon vorprozessual mit der Sache befassten Rechtsanwalts sollte dessen Verfahrensgebühr bereits in ihrer Entstehung gekürzt werden. Zum anderen wurde die Anrechnung als erforderlich angesehen, um eine außergerichtliche Erledigung zu fördern, die durch ein gebührenrechtliches Interesse des Rechtsanwalts an einem gerichtlichen Verfahren erschwert werden könnte. Beiden Zielsetzungen wird die Berücksichtigung der Anrechnung im gerichtlichen Festsetzungsverfahren nach § 164 VwGO gerecht.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2009 - 9 KSt 4/08, 9 KSt 4/08 (9 A 3/06) -, juris Rn. 4 ff. unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (Bundestags-Drucksache 15/1971, S. 209) und mit weiteren Nachweisen.

An diesem Ausgangsbefund ändert der durch Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2449) mit Wirkung vom 5. August 2009 eingefügte § 15 a RVG für das vorliegende Verfahren nichts.

Gemäß § 15 a Abs. 1 RVG kann der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren, wenn das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vorsieht. § 15 a Abs. 2 RVG bestimmt weiterhin, dass sich ein Dritter auf die Anrechnung nur berufen kann, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden

§ 15 a RVG ist indes auf "Altfälle", in denen die Mandatierung - wie hier nach dem Inhalt des Verwaltungsvorgangs der Beklagten am 4. Juni 2009 - vor Inkrafttreten der Neuregelung erfolgt ist, nicht anwendbar.

Anders aber BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 2010 - VI ZB 45/10 -, MDR 2011, 135 = juris Rn. 7, vom 28. Oktober 2010 - VII ZB 15/10 -, MDR 2011, 136 = juris Rn. 6, vom 28. September 2010 - XI ZB 7/10 -, juris Rn. 7 ff., vom 15. September 2010 - IV ZB 3/08 -, juris Rn. 8, vom 14. September 2010 - VIII ZB 33/10 -, juris Rn. 7, vom 7. Juli 2010 - XII ZB 79/10 -, juris Rn. 6, vom 17. Juni 2010 - V ZB

176/09 -, juris Rn. 5, vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07 -, NJW 2010, 1375 = juris Rn. 16 ff., und vom 29. September 2009 - X ZB 1/09 -, NJW 2010, 76 = juris Rn. 21 ff.

Eine Anwendung des § 15 a RVG auf "Altfälle" setzte einen entsprechenden gesetzlichen Rechtsanwendungsbefehl durch eine Übergangsvorschrift voraus. An einem solchen Rechtsanwendungsbefehl, der sich speziell auf die von § 15 a RVG erfassten Fälle bezöge, fehlt es jedoch, so dass es bei der (allgemeinen) Übergangsbestimmung des § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG verbleibt. Dieser zufolge ist die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist.

Vgl. in diesem Sinne auch Nds. OVG, Beschlüsse vom 19. Oktober 2010 - 13 OA 130/10 -, juris Rn. 6, vom 8. September 2010 - 10 OA 99/10 -, juris Rn. 3, vom 17. November 2009 - 10 OA 166/09 -, NJW 2010, 250 = juris Rn. 11 (mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung), und vom 27. Oktober 2009 - 13 OA 134/09 -, juris Rn. 7; Bay. VGH, Beschlüsse vom 2. August 2010 - 7 C 10.1718 -, juris Rn. 11, vom 23. Februar 2010 - 4 C 10.152 -, juris Rn. 12, und vom 21. Oktober 2009 - 19 C 09.2395 -, juris Rn. 20; OVG Bremen, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 1 S 367/09 -, juris Rn. 7; im Ergebnis ebenso: OVG NRW, Beschlüsse vom 10. Juni 2010 - 18 E

1722/09 -, juris Rn. 16, und vom 22. Februar 2010

- 12 E 1740/09 -, juris Rn. 17.

Hätte der Gesetzgeber eine andere Rechtsfolge gewollt, ist davon auszugehen, dass er dies im Wege einer besonderen Übergangsregelung verlautbart hätte. Denn ihm stand ausweislich der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum Gesetzentwurf der Bundesregierung des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen notariellen Bereich, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und kostenrechtlicher Vorschriften (Bundestags-Drucksache 16/12717, S. 2) vor Augen, dass Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Entwurfs - der spätere § 15 a RVG - eine "wesentliche Änderung" im anwaltlichen Vergütungsrecht enthalte, weil er darauf abziele, unerwünschte Auswirkungen der Anrechnung zum Nachteil des Auftraggebers zu vermeiden und den mit der Anrechnung verfolgten Gesetzeszweck, dass der Rechtsanwalt für eine Tätigkeit nicht doppelt honoriert werde, zu wahren. Hätte der Gesetzgeber diese "wesentliche Änderung" auf "Altfälle" der in Rede stehenden Art erstrecken wollen, so hätte er dies ausdrücklich regulativ sichergestellt und es nicht bei dem generellen Überleitungsregime des § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG belassen.

Bereits angesichts der normativen Neuheit des § 15 a RVG und der mit seiner Einführung verbundenen - soeben wiedergegebenen - gesetzgeberischen Intention lässt sich nicht mit Erfolg argumentieren, § 15 a RVG habe keine Rechtsänderung bewirkt, sondern die Rechtslage lediglich klargestellt.

So auch Nds. OVG, Beschlüsse vom 8. September 2010 - 10 OA 99/10 -, juris Rn. 3, und vom Beschluss vom 17. November 2009 - 10 OA 166/09 -, NJW 2010, 250 = juris Rn. 12; Bay. VGH, Beschlüsse vom 16. August 2010 - 19 C 10.1667 -, juris Rn. 13, vom 23. Februar 2010 - 4 C 10.152 -, juris Rn. 11, und vom 21. Oktober 2009 - 19 C 09.2395 -, juris Rn. 19; OVG Bremen, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 1 S 367/09 -, juris Rn. 6; im Ergebnis genauso: OVG NRW, Beschlüsse vom 10. Juni 2010 - 18 E 1722/09 -, juris Rn. 12, und vom 22. Februar 2010

- 12 E 1740/09 -, juris Rn. 14.

Dies zeigt zudem die oben zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juli 2009 - 9 KSt 4/08, 9 KSt 4/08 (9 A 3/06) -, in der (siehe dort juris Rn. 6) ausdrücklich unter Bezugnahme auf den Entwurf des § 15 a RVG darauf hingewiesen wird, dass sich rechtspolitisch auch Sachgründe für eine andere Lösung als die in dieser Entscheidung befürwortete anführen ließen, die aber einer (konstitutiven) Entscheidung des Gesetzgebers bedürfe, um zur Geltung zu gelangen. Diese von dem Bundesverwaltungsgericht verlangte (konstitutive) gesetzgeberische Entscheidung ist erst mit dem Erlass des § 15 a RVG (für die Zeit ab dem 5. August 2009) getroffen worden.

Vgl. insoweit auch Nds. OVG, Beschluss vom 17. November 2009 - 10 OA 166/09 -, NJW 2010, 250 = juris Rn. 12.

Die Anwendbarkeit des bisherigen Rechts auf "Altfälle" scheitert schließlich nicht an einem besonderen Charakter der Neuregelung des § 15 a RVG, der einer solchen Anwendung entgegenstünde.

Die Einschlägigkeit der Übergangsbestimmung des § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG auch in Bezug auf die Neuregelung des § 15 a RVG lässt sich nicht mit der Begründung verneinen, § 60 Abs. 1 RVG beziehe sich nur auf die Berechnung der Vergütung des Rechtsanwalts und regele dabei in erster Linie das Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant, wohingegen § 15 a Abs. 2 RVG nicht auf dieses Verhältnis abstelle, sondern die Frage der Erstattung von Anwaltsgebühren durch einen Dritten regele. Eine isolierte Betrachtung des § 15 a Abs. 2 RVG vermag allerdings nicht zu begründen, dass es sich bei § 15 a RVG nicht um eine die Berechnung der Vergütung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG betreffende Vorschrift handelte. In § 15 a Abs. 1 und Abs. 2 RVG ist vielmehr eine insgesamt neue Anrechnungssystematik verankert, wobei die Anwendung des § 15 a Abs. 2 RVG nur im Zusammenspiel mit § 15 a Abs. 1 RVG zu sinnvollen Ergebnissen führt. Aus diesem Grund können die beiden Absätze der Vorschrift nicht dergestalt isoliert betrachtet werden, dass einer der Absätze nicht als die Berechnung der Vergütung betreffend eingestuft wird. Nur die "Deckelungsvorschrift" des § 15 a Abs. 1 RVG gewährleistet, dass bei einer nach § 15 a Abs. 2 RVG in voller Höhe gegen den kostenerstattungspflichtigen Beteiligten geltend gemachten Verfahrensgebühr der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im Ergebnis nicht auch zugleich von seinem Mandanten eine volle Geschäftsgebühr erhalten kann.

Vgl. dazu Bay. VGH, Beschlüsse vom 16. August 2010 - 19 C 10.1667 -, juris Rn. 12, und vom 21. Oktober 2009 - 19 C 09.2395 -, juris Rn. 17; Nds. OVG, Beschluss vom 27. Oktober 2009 - 13 OA 134/09 -, juris Rn. 8.

b) Konnte das Verwaltungsgericht die Geschäftsgebühr danach im zugrunde liegenden Fall auf die Verfahrensgebühr dem Grunde nach anrechnen, ist im Weiteren nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die angerechnete Geschäftsgebühr in Höhe eines Gebührensatzes von 0,75 und nicht lediglich in Höhe des von der Beschwerde als maximal ansatzfähig bezeichneten Satzes von 0,65 - der Hälfte der in Nr. 2300 VV RVG genannten Geschäftsgebühr - berücksichtigt hat. Ebenso wie die "Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens" im Sinne der Anlage 1, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 4 zum VV RVG die nach Nr. 3100, 1800 VV RVG wegen zweier Auftraggeber um 0,3 erhöhte 1,6fache Gebühr sein kann, ohne dass dies in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 ausdrücklich betont wird, kann es sich bei der "Geschäftsgebühr nach den Nummern 2300 bis 2303" um eine nach Nr. 1800 VV RVG erhöhte (Geschäfts-)Gebühr handeln. Die Erhöhungsbestimmung der Nr. 1008 VV RVG gehört zu dem Abschnitt "Allgemeine Gebühren" und findet daher auf alle im Folgenden aufgeführten Gebühren grundsätzlich Anwendung, es sei denn, eine Erhöhung ist in einer speziellen Vorschrift - wie etwa im hier nicht einschlägigen Nr. 3308 VV RVG geschehen - gesondert ausgeschlossen oder an besondere Voraussetzungen geknüpft.

Vgl. dazu das von den Klägern selbst zitierte und von dem Verwaltungsgericht gewürdigte Urteil des LG Düsseldorf vom 22. Juni 2007 - 22 S 439/06 -, MDR 2007, 1164 = juris Rn. 17.

2. Das Verwaltungsgericht hat rechtsfehlerfrei keine Terminsgebühr zugunsten der Kläger angesetzt.

Wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, entsteht eine Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG nach Anlage 1, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG grundsätzlich nur, wenn ein Rechtsanwalt einen Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin wahrnimmt oder an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen teilnimmt, wobei jedoch Besprechungen mit dem Auftraggeber nicht ausreichen.

Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger aber nicht an einer - diese Variante kommt im Ansatz allein in Betracht - auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung in dem vorgenannten Sinn teilgenommen.

Eine auf eine Erledigung gerichtete Besprechung setzt in dem in Rede stehenden Zusammenhang "Zweiseitigkeit" und dementsprechend eine Besprechung gerade mit dem Prozessgegner und dessen Bereitschaft voraus, in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21. Juli 2010 - 13 E 739/10 -, juris Rn. 5, und vom 18. Oktober 2006 - 7 E 1339/05 -, NVwZ-RR 2007, 500 = juris Rn. 20; Bay. VGH, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 M 08.1906 - juris Rn. 6; OVG M.-V., Beschluss vom 2. März 2009 - 3 O 158/08 -, juris Rn. 5; BGH, Beschluss vom 20. November 2006 - II ZB 9/06 -, NJW-RR 2007, 286 = juris Rn. 7 f.

Eine so zu verstehende Besprechung zwischen den Klägern und ihrer Prozessgegnerin - der Beklagten - hat nicht stattgefunden. Den außergerichtlichen Vergleich vom 28. Januar 2010, der die spätere Abgabe der Erledigungserklärungen faktisch motiviert hat, haben die Kläger und die Beigeladene geschlossen. Die Beigeladene hatte indessen nicht die Stellung der Prozessgegnerin der Kläger. Die Beiladung ist das prozessuale Mittel, um eine "Nichtpartei" an einem zwischen anderen Personen - den Hauptbeteiligten - anhängigen Rechtsstreit zu beteiligen, wenn deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden können. Die Beiladung dient dazu, die Interessen des beigeladenen Dritten zu wahren, der seine materiell in Frage gestellten Interessen durch seine Beteiligung am Verfahren verteidigen kann, und zielt überdies auf eine umfassende Aufklärung des Streitstoffs sowie auf eine Rechtskrafterstreckung auf den Beigeladenen, damit dieser keinen erneuten Prozess über den Streitgegenstand anstrengen kann. Zu einem Hauptbeteiligten des Verfahrens, der als Gegner der klagenden oder der beklagten Partei anzusehen wäre, macht die Beiladung den Beigeladenen nicht.

Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 12. März 1982 - 4 N 1.80 -, BVerwGE 65, 131 = NJW 1983, 1012 = juris Rn. 10 f.; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage 2010, § 65 Rn. 1 f. und 19 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage 2009, § 65 Rn. 1 f.

3. Die Kläger haben schließlich keinen Anspruch auf die mit der Beschwerde geltend gemachte Einigungsgebühr.

Nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV RVG entsteht die Einigungsgebühr, wenn der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch Abschluss eines Vertrages unter Mitwirkung des Rechtsanwalts beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht.

Für eine Einigung im Sinne von Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV RVG ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass eine Einigung über materielle Ansprüche ("über ein Rechtsverhältnis") erzielt wird, ohne dass es dazu etwa eines Vergleichs bedarf. Es genügt nunmehr jede vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien. Daher kann eine Einigung auch anfallen, wenn der Rechtsstreit durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Parteien beendet wird, sofern über die insofern vorliegenden Prozesshandlungen hinausgehend zugleich eine Einigung über den in Frage stehenden materiellrechtlichen Anspruch erzielt wird.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Juli 2009 - 18 E 1013/08 -, NJW 2009, 2840 = juris Rn. 7; Bay. VGH, Beschluss vom 11. Juni 2008 - 10 C 08.777 -, juris Rn. 10; BGH, Beschluss vom 13. April 2007 - II ZB 10/06 -, NJW 2007, 2187 = juris Rn. 6.

Parallel zu den Überlegungen zur Terminsgebühr kann eine Einigungsgebühr aber im Grundsatz nur anfallen, wenn die Einigung - zumindest auch - zwischen den Hauptbeteiligten eines Prozesses stattfindet. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Einigungsgebühr. Die Einigungsgebühr soll jegliche vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien honorieren und dadurch einen Anreiz schaffen, diesen Weg der Erledigung eines Rechtsstreits zu beschreiten.

Vgl. dazu BGH, Beschluss vom 13. April 2007 - II ZB 10/06 -, NJW 2007, 2187 = juris Rn. 6.

Eine außergerichtliche vertragliche Streitbeilegung, die etwa zur Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen führen soll, ohne die Mitwirkung eines Hauptbeteiligten ist jedoch grundsätzlich nicht denkbar. Sie kann auf der einen Seite keine Einigung über das streitbefangene Rechtsverhältnis zwischen Kläger und Beklagtem enthalten und daher keine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass der Streit zwischen den (Haupt-)Beteiligten tatsächlich beigelegt ist und der Prozess damit ein Ende finden wird.

Vgl. zu diesem Gesichtspunkt: Müller/Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, Nr. 1000 VV RVG Rn. 101 f.

Auf der anderen Seite erscheint es nicht gerechtfertigt, einen Hauptbeteiligten mit den Kosten einer (außergerichtlichen) Einigung, die sein Prozessgegner mit einem Beigeladenen ausgehandelt hat, zu konfrontieren, ohne dass der in die Einigung nicht eingebundene Prozess(haupt-)beteiligte auf deren Inhalt und deren - auch kostenmäßigen - Auswirkungen auf den laufenden Prozess Einfluss nehmen konnte.

Vgl. dazu Müller/Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, Nr. 1000 VV RVG Rn. 360.

An einer die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV RVG auslösenden Einigung zwischen den Hauptbeteiligten fehlt es vorliegend, nachdem der schon erwähnte außergerichtliche Vergleich vom 28. Januar 2010 allein zwischen den Klägern und der Beigeladenen ohne Beteiligung der Beklagten geschlossen wurde. Der außergerichtliche Vergleich konnte dergestalt schon formal keine Gewähr dafür bieten, dass das Klageverfahren gerade in seiner Folge eine Erledigung finden würde, weil er die Beklagte nicht zu der Abgabe einer Erledigungserklärung verpflichtete. Aber auch materiell bestand für die Beklagte kein Anlass, sich gerade aufgrund des außergerichtlichen Vergleichs zu einer Erledigungserklärung zu entschließen. Denn sie stand ausweislich ihrer Klageerwiderung vom 15. Juli 2009 auf dem Standpunkt, der Rechtsstreit habe sich durch die Erteilung der Nachtrags-Baugenehmigung vom 9. Juli 2009 - nicht also spezifisch durch den außergerichtlichen Vergleich - erledigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da lediglich die Festgebühr nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) anfällt.

Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 GKG unanfechtbar.