VG Minden, Urteil vom 07.02.2011 - 1 K 2835/07
Fundstelle
openJur 2011, 77118
  • Rkr:
Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 18.12.2007 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten sich über das Verbot der Vermittlung von Sportwetten.

Die Klägerin ist polnische Staatsangehörige. Sie zeigte zum 01.08.2007 für die Betriebsstätte W. Str. 16, C. das Gewerbe "Vermittlung von Sportwetten" an. In Ihrem Geschäftslokal vermittelte die Klägerin gegen Einsatz eines Geldbetrages Sportwetten in Form der sogenannten Oddset-Wette an den maltesischen Wettanbieter "Personal Exchange International Ltd." - Mybet com -.

Nach Anhörung der Klägerin forderte die Beklagte die Klägerin mit Ordnungsverfügung vom 18.12.2007 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung auf, binnen einer Frist von sieben Tagen nach Zustellung der Verfügung den unerlaubten Betrieb des Gewerbes "Vermittlung von Sportwetten" an Veranstalter, die keine Genehmigung nach dem Sportwettengesetz NRW besitzen, in ihren Geschäftsräumen in C1. , W. Str. 16, einzustellen. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro angedroht. Die Ordnungsverfügung war gestützt auf § 12 Abs. 1 des Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland (LoStV) i. V. m. dem Gesetz zu dem Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland.

Dagegen hat die Klägerin am 28.12.2007 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, die Ordnungsverfügung verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 und 3 Nr. 1 GG sowie gegen die europarechtsgestützte Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit.

Die Klägerin beantragt,

die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 18.12.2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt aus, bei Untersagungsanordnungen der vorliegenden Art sei maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen. Rechtsgrundlage für die Ordnungsverfügung vom 28.12.2007 sei daher § 9 Abs. 1 Satz 3 Ziff. 3 i. V. m. § 4 Abs. 1 GlüStV i. V. m. Art. 1 des Gesetzes des Landes NRW zum Staatsvertrag (hier: § 2 Abs. 1 Satz 1) i. V. m. § 18 Abs. 3 GlüStV - AG. Die Ordnungsverfügung sei auch unter Berücksichtigung der Urteile des EuGH vom 08.09.2010 rechtmäßig. Das staatliche Monopol für Lotterien und Sportwetten zu festen Gewinnquoten im Land Nordrhein-Westfalen sei vom Europäischen Gerichtshof mangels entsprechender Entscheidungskompetenz nicht für unzulässig erklärt, geschweige denn "gekippt" worden. Die grundsätzliche Zulässigkeit staatlicher Monopole im Glücksspielbereich sei seitens des Europäischen Gerichtshofes ausdrücklich bestätigt worden. Ein Erlaubnis- oder Konzessionssystem stelle gegenüber einem staatlichen Glücksspielmonopol kein milderes und gleich effektives Mittel zur Erreichung des seitens des Gesetzgebers verfolgten Ziels der Suchtprävention dar.

Den Mitgliedstaaten sei ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum hinsichtlich der Wahl des Regierungsmodells im Glücksspielbereich zugebilligt worden. Es bestehe keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, vor der Einführung eines Regulierungsmodells die Verhältnismäßigkeit des gewählten Modells durch Vorlage und Durchführung von empirischen Untersuchungen zu belegen.

Der Europäische Gerichtshof habe die Befugnis der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Einführung von ermessenabhängigen Erlaubnisvorbehalten im Glücksspielbereich ausdrücklich gebilligt. Der in § 4 Abs. 1 und 2 GlüStV sowie in § 4 Abs. 1 GlüStV AG NRW normierte Erlaubnisvorbehalt genüge voll umfänglich den vom Gerichtshof judizierten Voraussetzungen für die Errichtung von Erlaubnisvorbehalten und sei daher weiterhin uneingeschränkt anzuwenden. Die Veranstaltung von Glücksspielen ohne bestehende nationale Erlaubnis sei weiterhin formell illegal und daher von den zuständigen Behörden zu untersagen. Mangels Harmonisierung des Glücksspielbereiches bestehe keine Verpflichtung der gegenseitigen Anerkennung von Glücksspielerlaubnissen anderer Mitgliedstaaten. Glücksspielerlaubnisse anderer Mitgliedstaaten entfalteten in Deutschland keinerlei Legalisierungswirkung. Der Europäische Gerichtshof habe die sektorspezifische Kohärenzprüfung ausdrücklich beibehalten und erneut bestätigt. Eine modifizierte Gesamtkohärenzprüfung habe nur ausnahmsweise zu erfolgen, wenn die nationalen Gerichte im Einzelfall feststellten, dass die seitens des Gerichtshofes angenommenen Voraussetzungen kumulativ vorlägen. Die monopolbegründenden Regelungen des § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV und § 2 Abs. 1 GlüStV AG NRW seien sowohl nach sektorspezifischer Kohärenzprüfung, als auch nach hypothetischer Gesamtkohärenzprüfung gemeinschaftsrechtlich gerechtfertigt und damit unionsrechtskonform. Sie würden daher in keiner Weise durch den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts verdrängt.

Bei unterstellter Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der monopolbegründenden Regelungen des § 2 Abs. 2 und 5 GlüStV und § 2 Abs. 1 GlüStV AG NRW würden allein diese Regelungen vom Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts suspendiert. Die Wirksamkeit und Gemeinschaftsrechtskonformität des allgemeinen Erlaubnisvorbehaltes in § 4 Abs. 1 und 2 GlüStV und § 4 Abs. 1 GlüStV AG NRW seien in keiner Weise bedingt durch die Gemeinschaftsrechtskonformität der monopolbegründenen Regelungen in § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV und § 2 Abs. 1 GlüStV AG NRW. Eine etwaig festgestellte Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der monopolbegründenen Regelungen des § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV und § 2 Abs. 1 GlüStV AG NRW hätte keinerlei Auswirkungen auf die uneingeschränkte Geltung des Erlaubnisvorbehaltes in § 4 Abs. 1 und 2 GlüStV und § 4 Abs. 1 GlüStV AG NRW. Der Erlaubnisvorbehalt sei aufgrund seiner Gemeinschaftsrechtskonformität, selbst bei unterstellter Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Monopolbestimmungen, nicht durch den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts suspendiert. Das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV genüge vollumfänglich den vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen und sei daher gemeinschaftsrechtskonform. Die Wirksamkeit des in § 4 Abs. 2 GlüStV normierten Internetverbots werde durch etwaige Zweifel an der Unionsrechtskonformität der landesrechtlichen Glücksspielmonopole nicht tangiert und sei daher weiter uneingeschränkt anzuwenden.

Mit Beschluss vom 03.04.2008 - 3 L 709/07 - hat die vormals zuständige 3. Kammer die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt bzw. angeordnet. Die Entscheidung wurde durch Beschluss des OVG NRW vom 09.03.2009 - 4 B 556/08 - abgeändert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist als Anfechtungsklage i. S. v. § 42 Abs. 1 VwGO zulässig und auch begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 18.12.2007 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Es kann dahinstehen, ob bei Anfechtungsklagen der vorliegenden Art maßgeblich auf die Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides

so die ständige Rechtsprechung der (früher für Sportwettverfahren zuständigen) 3. Kammer des Verwaltungsgericht Minden, vgl. z. B. Urteile vom 02.04.2008 - 3 K 897/05 - (rk) und vom 26.06.2008 - 3 K 1838/06 - (rk); ebenso auch: Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 18.11.2010 - 1 K 3293/07 -

oder der gerichtlichen Entscheidung

so in ständiger Rechtsprechung OVG NRW, zuletzt Beschluss vom 15.11.2010 - 4 B 733/10 -

abzustellen ist.

Denn die streitige Untersagungsverfügung kann weder auf die Vorschriften, die in diesem Bescheid als Rechtsgrundlage herangezogen worden sind (1.), noch auf die ab dem 01.01.2008 geltende Rechtslage (2.) gestützt werden.

1. Als Rechtsgrundlage scheiden §§ 1, 2 des Sportwettengesetzes NRW i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 1 LoStV 2004 aus. Diese Vorschriften verstießen gegen Art. 12 Abs. 1 GG und die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 43 und 49 EG-Vertrag (EGV).

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG)

vgl. Urteil vom 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 - NJW 2006, 1261,

hat in Übereinstimmung mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH)

vgl. Urteil vom 06.11.2003 - C 243/01 - (Gambelli), GewArch 2004, 30

festgestellt, dass ein staatliches Wettmonopol nur dann gerechtfertigt ist, wenn es der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht und/oder dem Schutz der Spieler vor betrügerischen Machenschaften seitens der Wettanbieter sowie dem Verbraucherschutz, insbesondere vor der besonders naheliegenden Gefahr irreführender Werbung, dient. Legitimes Ziel eines staatlichen Wettmonopols ist außerdem die Abwehr von Gefahren aus mit den Wetten verbundener Folge- und Begleitkriminalität. Demgegenüber scheiden fiskalische Interessen des Staates als solche zur Rechtfertigung der Einrichtung eines Wettmonopols aus. Das BVerfG hat in der o. a. Entscheidung ausgeführt, dass das staatliche Monopol für Sportwetten in seiner Ausgestaltung auf Grund des LoStV 2004 mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Hieraus ergibt sich, dass sich die frühere Rechtslage in NRW in derselben Weise im Widerspruch zur Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit befand, wie sie dem Grundrecht der Berufsfreiheit widerspricht. Denn die vom EuGH insoweit zum Gemeinschaftsrecht formulierten Vorgaben

vgl. Urteil vom 06.11.2003 - C 243/01 - (Gambelli), a. a. O.

und die Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts laufen parallel, d. h. die europarechtlichen Vorgaben entsprechen denen des Grundgesetzes.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 28.03.2006, a. a. O.; ebenso: OVG NRW, Beschluss vom 13.11.2006 - 4 B 868/06 -.

Zwar hat das BVerfG in seinem Urteil vom 28.03.2006 bestimmt, dass die damals für verfassungswidrig erklärten Sportwettengesetze bei Beachtung strenger Kriterien für einen bestimmten Übergangszeitraum weiterhin anwendbar sein sollten, also für diesen Zeitraum trotz Verfassungswidrigkeit als Rechtsgrundlage für Untersagungsverfügungen der hier streitigen Art noch in Betracht kamen. Eine solche Übergangsregelung kennt das Europarecht jedoch nicht. Der EuGH hat insoweit festgestellt, dass auf Grund des Vorrangs des unmittelbar geltenden Unionsrechts die nationale Regelung eines staatlichen Sportwettenmonopols, welches nach den Feststellungen des nationalen Verfassungsgerichts Beschränkungen mit sich bringt, die mit dem freien Dienstleistungsverkehr unvereinbar sind, auch nicht für eine Übergangszeit weiter angewandt werden darf. Denn es könne nicht zugelassen werden, dass Vorschriften des nationalen Rechts die einheitliche Geltung und Wirksamkeit des Unionsrechts - auch nur vorübergehend - beeinträchtigten.

Vgl. EuGH, Urteil vom 08.09.2010 - C - 409/06 - (Winner-Wetten GmbH), Rn. 60, 61, 69, NVwZ 2010, 1419.

2. Auch § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV 2007 (a) und § 4 Abs. 1 GlüStV 2007 (b), die auf Grund des Gesetzes des Landes NRW zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland - GlüStV - AG NRW - vom 30.10.2007 (GV NRW S. 446) zum 01.01.2008 in Kraft getreten sind, scheiden als Ermächtigungsgrundlage der streitigen Untersagungsverfügung aus.

a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV kann die zuständige Behörde - hier der Beklagte - die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele untersagen. Zwar sind die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift hier erfüllt. Denn die Klägerin vermittelt über ihre Betriebsstätte in C1. für die in Malta ansässige und dort als Wettveranstalterin lizensierte Firma "Mybet com" Sportwetten. Bei diesen Sportwetten in der Form der Oddset-Wetten handelt es sich um "formal" unerlaubtes Glücksspiel i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV, weil der Wettanbieter und Geschäftspartner der Klägerin eine Erlaubnis i. S. V. § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV i. V. m. § 4 GlüStV-AG NRW nicht besitzt.

Gleichwohl kann die angefochtene Untersagungsverfügung auf die Nichterfüllung der Erlaubnispflicht und damit auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV nicht gestützt werden. Denn die normierte Erlaubnispflicht verstößt gegen höherrangiges Recht und ist namentlich mit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 49 und 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV - ( vormals Art. 43 und 49 EGV) nicht vereinbar. Dies folgt aus einer insoweit erforderlichen Zusammenschau mit dem im Glücksspielstaatsvertrag und im Ausführungsgesetz des Landes NRW zum Glücksspielstaatsvertrag normierten nordrheinwestfälischen Sportwettenmonopol zu Gunsten staatlicher (öffentlichrechtlicher) bzw. von ihnen beherrschter Veranstalter ohne die Möglichkeit der Zulassung privater Anbieter, insbesondere solcher Anbieter von Sportwetten, die - wie hier - für diese Tätigkeit eine Erlaubnis eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Union (EU) erhalten haben.

Der EuGH hat entschieden, dass nationale Regelungen, die die Ausübung von Tätigkeiten im Glücksspielwesen verbieten, Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach den Art. 43 und 49 EGV (jetzt: Art. 49 und 56 AEUV) darstellen, wenn der betreffende Mitgliedstaat - wie hier - keine Genehmigungen an private Anbieter erteilt. Diese - ein Staatsmonopol begründenden Beschränkungen - müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein und dürfen auf keinen Fall in diskriminierender Weise angewandt werden. Sie müssen darüber hinaus geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie dürften nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, welche Beschränkungen der Spieltätigkeiten rechtfertigen könnten, gehört insbesondere die Vermeidung von Anreizen zu überhöhten Ausgaben für das Spielen.

Vgl. EuGH, Urteil vom 06.11.2003 - C - 243/01 - (Gambelli), Rn. 48 ff., 59 ff., 65, 72, 75. EuGH, Urteil vom 23.12.1997 - C - 189/95 - (Lexezius), Rn. 42; EuGH, Urteil vom 05.06.2007 - C - 170/04 - (Rosengren).

Den Mitgliedsstaaten steht es zwar frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet von Glücksspielen festzulegen und das angestrebte Schutzniveau zu bestimmen; jedoch müssen die von ihnen vorgeschriebenen Beschränkungen den sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergebenden Anforderungen hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit genügen.

Vgl. EuGH, Urteil vom 13.09.2007 - C 260/04 - (Kommission gegen Italien), Rn. 28 m. w. N.

Um verhältnismäßig zu sein, muss das staatliche Monopol jedenfalls auf der Grundlage des bei seiner Schaffung errichteten normativen Rahmens tatsächlich dem Anliegen gerecht werden, das verfolgte Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen.

Vgl. EuGH, Urteil vom 08.09.2009 - C - 42/07 - (Liga Portuguesa) - , Rn. 61; Urteil vom 10.03.2009 - C - 169/07 (Hartlauer) -, Rn. 55; Urteil vom 06.03.2007 - C - 338/04 (Placanica) -, Rn. 53; vgl. auch Streinz/Kruis, Unionsrechtliche Vorgaben und mitgliedsstaatliche Gestaltungsspielräume im Bereich des Glücksspielrechts, in: NJW 2010, 3745 (3747).

In seinen auf Grund von Vorlagebeschlüssen deutscher Gerichte ergangenen Urteilen vom 08.09.2010

- C - 316/07, C - 358/07 bis 360/07 und C - 410/07 (Markus Stoß u. a.) -, NVwZ 2010, 1409 - C - 46/08 (Carmen Media) -, NVwZ 2010, 1422; - C - 409/06 (Winner-Wetten GmbH), a. a. O.

hat der EuGH das Kohärenzkriterium in Bezug auf eine auf die Begrenzung der Wetttätigkeit ausgerichtete staatliche Politik inhaltlich präzisiert und insoweit insbesondere klargestellt, dass die Kohärenzprüfung nicht nur den jeweils streitgegenständlichen Glücksspielsektor, sondern auch die anderen Glücksspielformen einzubeziehen hat. Damit hat der EuGH das Kohärenzerfordernis ausdrücklich über den Glücksspielsektor der "Sportwetten" hinaus auf das gesamte Glücksspielwesen erweitert (Gebot der Gesamtkohärenz). Dabei ist nicht nur auf die Verhältnisse im jeweiligen Bundesland - hier in NRW -, sondern auf die Sach- und Rechtslage in der gesamten Bundesrepublik Deutschland abzustellen, und zwar unabhängig davon, ob für die außer den Sportwetten in die Beurteilung einzubeziehenden anderen Glücksspiele die Länder oder der Bund zuständig sind. Denn ein Mitgliedstaat kann sich nicht auf die Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen, um die Nichteinhaltung seiner aus dem Unionsrecht folgenden Verpflichtungen zu rechtfertigen.

Vgl. EuGH, Urteil Stoß u. a., Rn. 98 ff.; Urteil Carmen Media, Rn. 69, 70.

Das BVerwG hat in seinen Urteilen vom 24.11.2010 - 8 C 13.09 bis 15.09 - das vom EuGH formulierte Gebot der Gesamtkohärenz bestätigt. Aus der (bisher nur vorliegenden) amtlichen Presseerklärung des BVerwG ergibt sich, dass nach Auffassung des BVerwG das Kohärenzerfordernis nicht nur isoliert ("sektoral") für den dem jeweiligen staatlichen Monopol unterworfenen Glücksspielsektor zu prüfen ist und dass das auf die Suchtbekämpfung und den Spielerschutz gestützte Sportwettenmonopol die vom EuGH aufgestellten Anforderungen nur erfüllt, wenn (alle) anderen Glücksspiele mit ähnlichem oder höherem Suchtpotential nicht diesen Zielsetzungen widersprechend behandelt werden.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze zum Gebot der Gesamtkohärenz, die auch von der übrigen Rechtsprechung überwiegend geteilt werden,

vgl. z. B. Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 16.12.2010 - 4 K 3645/10 -, juris; Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 18.11.2010 - 1 K 3293/07 -; Verwaltungsgericht Halle, Urteil vom 11.11.2010 - 3 A 158/09 - ; Verwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 05.11.2010 - 4 K 350/08 -; Verwaltungsgericht Arnsberg, Beschluss vom 15.10.2010 - 1 L 700/10 -; ebenso: Streinz/Kruis, a. a. O., S. 747; a. A.: OVG NRW, Beschluss vom 15.11.2010, a. a. O.;

ergibt sich, dass der Glücksspielstaatsvertrag in der Ausgestaltung, die er durch das nordrheinwestfälische Gesetz zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 30.10.2007 gefunden hat, den dargelegten Anforderungen des EuGH und des BVerwG an das Kohärenzerfordernis nicht genügt, weil sie das legitime Ziel der Spielsuchtbekämpfung gerade nicht i. S. d. Rechtsprechung des EuGH kohärent und systematisch verfolgt. Das ergibt sich im Einzelnen aus folgenden Feststellungen:

aa) Die einzelnen Bereiche des Glücksspielwesens sind in Deutschland verschieden geregelt. Lotto und Sportwetten sind ebenso wie der Betrieb von Spielbanken in NRW (vgl. § 3 des Gesetzes über die Zulassung öffentlicher Spielbanken im Land NRW, GV NRW 2007, S. 450) dem Staatsmonopol vorbehalten, Pferdewetten (vgl. § 2 Abs. 1 des Rennwett- und Lotteriegesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnr. 611 bis 614 veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Art. 119 der Verordnung vom 31.10.2006, BGBl. I S. 2407) und das ebenfalls bundesgesetzlich geregelte Automatenspiel dürfen dagegen von privater Seite veranstaltet werden (vgl. § 33c GewO). Hierbei zeigen insbesondere die Regelungen über das Glücksspiel an Spielautomaten, dass den Spielsuchtgefahren in Deutschland nicht kohärent und systematisch begegnet wird. Die mit Abstand prozentual wie absolut häufigsten Fälle von Spielsucht betreffen die Besucher in Spielhallen und das Spiel an Glücksspielautomaten. So hat bereits das BVerfG im Urteil vom 28.03.2006, a. a. O., unter Bezug auf Hayer/Meyer, Die Prävention problematischen Spielverhaltens, Journal of Public Health, 2004, S. 293 (296) festgestellt, dass nach derzeitigem Erkenntnisstand bei weitem die meisten Spieler mit problematischem oder gar pathologischem Spielverhalten an Automaten spielen. Das Verwaltungsgericht Arnsberg weist in seinem Beschluss vom 15.10.2010 - 1 L 700/10 - unter Hinweis auf Meyer/Gerhard, Glücksspiel, Zahlen und Fakten (2004) ergänzend darauf hin, dass der Anteil der Hilfesuchenden Geldautomatenglückspieler sich "zwischen 79 und 94 %" bewegt, während der entsprechende Anteil im Sportwettenbereich nur bei ca. "10 %" liegt. Gleichwohl hat der Gesetzgeber in diesem Bereich entscheidende Maßnahmen zur Suchtprävention bisher nicht ergriffen. Vielmehr ist durch die Novellierung der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit (Spielverordnung - SpielV -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.01.2006 (BGBl. I, S. 280) der zeitliche Abstand der Einzelspiele sogar von 12 auf 5 Sekunden verkürzt worden (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 SpielV), so dass seitdem 720 (statt zuvor nur 300) Spiele pro Stunde möglich sind.

Vgl. hierzu Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, Komm., Stand Januar 2007, SpielV Rn. 1.

Dass die zeitliche Verkürzung der Spielabstände, welche sich offenbar suchtfördernd auswirkt, dem Spielerschutz dienen soll, wie in der Gesetzesbegründung (BR-Drs. 655/05, S. 1, 23 ff.) behauptet wird, ist daher absolut nicht nachvollziehbar.

Ebenso Verwaltungsgericht Arnsberg, Beschluss vom 15.10.2010 - 1 L 700/10 -; Verwaltungsgericht Braunschweig, Beschluss vom 10.04.2008 - 5 B 4/08 - Rn. 69, juris.

Außerdem wurden mit der Novellierung der SpielV im Jahre 2006 die zulässigen Zahlen von Gewinnspielgeräten in Spielhallen und Gaststätten angehoben. So wurde die zulässige Zahl von Gewinnspielgeräten an den in § 3 Abs. 1 SpielV genannten Aufstellorten (Schankwirtschaften, Speisewirtschaften, Beherbergungsbetriebe und Wettannahmestellen konzessionierter Buchmacher) von zwei auf drei angehoben und in Spielhallen wurde die Mindestspielfläche pro Gewinnspielgerät von 15 m² auf 12 m² gesenkt und die höchstzulässige Zahl von Gewinnspielgeräten von 10 auf 12 angehoben (§ 3 Abs. 2 SpielV).

Vgl. auch hierzu Marcks, a. a. O.

Zwar wurden andererseits Punktespielgeräte (sog. Fun-Games - § 6a SpielV) und Jackpot-Systeme (§ 9 Abs. 2 SpielV) verboten und es ist nunmehr auch die - vorher bereits auf Grund einer Selbstverpflichtung der Automatenwirtschaft umgesetzte - Verpflichtung der Betreiber, Warnhinweise anzubringen und Spieler auf Beratungsmöglichkeiten hinzuweisen, gesetzlich geregelt (§ 6 Abs. 4 SpielV). Ferner wird nach einer Stunde Laufzeit ein fünfminütiger Stillstand des Spielgerätes gefordert, solange nicht die Gewinne die Einsätze deutlich übersteigen (§ 13 Abs. 1 Nr. 5 SpielV). Schließlich hat der Verordnungsgeber den Höchstgewinn pro Stunde und Spielgerät (von früher 600 Euro) auf 500 Euro gesenkt (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 SpielV).

Eine Gesamtschau dieser Neuregelungen der SpielV ergibt, dass die Lockerungen durch die novellierte SpielV bei weitem die Einschränkungen, insbesondere im Hinblick auf das mit der erheblichen Erhöhung des Spieltempos verbundene zusätzliche Gefahrenpotential, überwiegen. Erst recht tragen die Änderungen der SpielV nicht zu einer Verringerung der Gelegenheit zum Automaten-Geldspiel i. S. eines besonders hohen Schutzniveaus, welches allein ein staatliches Monopol rechtfertigen könnte,

vgl. EuGH, Urteil Stoß u. a., Rn. 83 und 86 ff.; Streinz/Kruis, a. a. O., S. 3747

bei. Ferner ist die Möglichkeit eines Maximalgewinns von 500 Euro pro Stunde viel zu attraktiv, um bei der gebotenen kritischen Betrachtung bereits als Maßnahme zur Bekämpfung der Spielsucht bewertet zu werden. Denn ein gefährdeter oder gar pathologischer Spieler lässt sich nicht dadurch vom übermäßigen Spielen abbringen, dass er an jedem Geldspielgerät in der Stunde statt 600 Euro "nur noch" 500 Euro gewinnen kann.

So zutreffend Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 18.11.2010 - 1 K 3293/07 -.

Auch in tatsächlicher Hinsicht hat die Novellierung der SpielV nicht zu einer substantiellen Begrenzung des Automatenspiels beigetragen. Im Gegenteil hat sich die Anzahl der Geldspielgeräte in Deutschland unter Geltung der geänderten SpielV 2006 sogar signifikant erhöht. Aus den Ergebnissen der vom Arbeitskreis gegen Spielsucht e. V. veröffentlichten Untersuchung "Angebotsstruktur der Spielhallen- und Glücksspielgeräte in Deutschland - Stand: 01.01.2010 "(http://www.akspielsucht.de/pdf/vorwort.pdf) folgt, dass die Zahl der in den Spielhallen und Gaststätten insgesamt betriebenen Geldspielgeräte bundesweit im Marktvergleich von 2006 bis 2010 um 27,41 % angestiegen ist; allein bezogen auf den Spielhallensektor ist eine Steigerung von sogar 47,52 % zu verzeichnen (S. 13). Die Zahlen für das Land NRW sind kaum weniger aussagekräftig: Hier liegt der Zuwachs der Spielhallengeräte von 2006 bis 2010 bei 42,66 % (http://www.akspielsucht.de/pdf/nordrheinwestfalen.pdf). Auch der Fachbeirat Glücksspielsucht konstatiert in seinem Jahresbericht 2009 (S. 4), dass die gewerblichen Automatenanbieter "nach der novellierten SpielV 2006 eine überproportionale Umsatzsteigerung erfahren haben" (http://www.fachbeiratglücksspielsucht.de).

Die Tatsache, dass die beschriebene erhebliche Expansion des Automatenglücksspiels von dem nationalen Gesetzgeber hingenommen worden ist, ohne ihr konsequent und nachhaltig entgegenzuwirken, lässt nach der Rechtsprechung des EuGH bereits auf einen inkohärenten und unsystematischen Umgang mit den Gefahren des Glücksspiels schließen.

Vgl. Verwaltungsgericht Arnsberg, Beschluss vom 15.10.2010 - 1 L 700/10 -.

Diese Annahme wird noch dadurch bestätigt, dass eine Angebotsausweitung nicht nur im Bereich der Geldspielautomaten, sondern auch in Bezug auf Spielcasinos festzustellen ist. Zwischen den Jahren 2000 und 2007 ist nämlich die Zahl der erlaubten Spielbanken in Deutschland (gemessen nach Spielbankstandorten einschließlich Dependancen) von 69 auf 85 gestiegen und hat sich anschließend bis 2009 nur auf 84 verringert.

So Meyer, Stellungnahme vom 22.06.2009 (Übersicht 2) gegenüber dem BT-Ausschuss für Gesundheit, zitiert im Urteil des Verwaltungsgericht Köln vom 18.11.2010 - 1 K 3293/07 -.

Insgesamt ist danach festzustellen, dass die maßgebliche rechtliche Ausgestaltung, aber auch die tatsächliche Handhabung des Glückspielwesens in Deutschland und auch in Nordrhein-Westfalen den Vorgaben des Gesamtkohärenzgebotes nicht gerecht werden, weil das für die Rechtfertigung des Staatsmonopols allein legitime Ziel der Spielsuchtbekämpfung i. S. d. Rechtsprechung des EuGH gerade nicht kohärent und systematisch verfolgt und umgesetzt wird. Allein diese Feststellung reicht schon aus, um die Unionsrechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols und damit auch die Rechtswidrigkeit der darauf gestützten streitigen Untersagungsverfügung zu begründen.

Ebenso: Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 16.12.2010 - 4 K 3645/10 -, juris; Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 18.11.2010 - 1 K 3293/07 -; Verwaltungsgericht Halle, Urteil vom 11.11.2010 - 3 A 158/09 -; Verwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 05.11.2010 - 4 K 350/08 - ; Verwaltungsgericht Arnsberg, Beschluss vom 15.10.2010 - 1 L 700/10 -.

Offenbar sind auch die Ministerpräsidenten der Bundesländer der Auffassung, dass der geltende Glücksspielstaatsvertrag nicht den vom EuGH formulierten Anforderungen an das Gesamtkohärenzerfordernis genügt; denn ansonsten wäre nicht verständlich, warum die Bundesländer, die politisch am Lottomonopol festhalten wollen, nach Erlass der Urteile des EuGH vom 08.09.2010 eine entsprechende Novellierung des geltenden Glücksspielstaatsvertrages anstreben.

Vgl. dazu z. B. FAZ, vom 16.12.2010 (Die Bundesländer hängen weiter am Lottomonopol - Arbeitsgruppe soll Vorgaben der Gerichte umsetzen -).

bb) Auf die Frage, ob sich ein die Unionsrechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols begründender Verstoß gegen das Kohärenzgebot auch noch aus unzulässigen Werbemaßnahmen des Monopolinhabers ergibt, kommt es danach nicht mehr entscheidungserheblich an. Gleichwohl kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der EuGH auf der Grundlage der Vorlagefragen ergänzend festgestellt hat, dass die in Deutschland betriebene Werbung für Lotterien, Sportwetten und Casinos durch die staatlichen Monopolinhaber europarechtlichen Vorgaben widerspricht. Denn Werbung müsse maßvoll und strikt auf das begrenzt bleiben, was erforderlich sei, um die Verbraucher zu den genehmigten Spielnetzwerken hinzulenken. Zulässig sei also ausschließlich kanalisierende Werbung.

Die Werbung darf danach nicht darauf abzielen, den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch noch zu fördern, dass sie zu aktiver Teilnahme am Spiel angeregt werden, indem das Spiel verharmlost oder ihm ein positives Image dadurch verliehen wird, dass die Einnahmen für Aktivitäten im allgemeinen Interesse verwendet werden sollen, oder indem die Anziehungskraft des Spiels durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne vorspiegeln.

EuGH, Urteil vom 08.09.2010 (Stoß u. a.), Rn. 103.

Eine solche - vom EuGH als monopolschädlich eingestufte - Werbung findet in Deutschland namentlich bei den Jackpot-Ausspielungen und den "Lotto-Hilft"-Kampagnen statt, welche den Kern der Werbestrategie der Landeslotterieunternehmen bilden. Nach wie vor wirbt Lotto aggressiv für seine Produkte, wobei die Werbung unter dem - verharmlosenden - Stichwort "Lotto informiert" erfolgt (vgl. z. B. die aktuelle Werbung für das "Diamant Rubbel-Los" von West-Lotto). Die Werbung für ansteigende Jackpots nimmt sogar jeweils fast hysterische Züge an. Speziell in der Jackpot-Werbung bewirkt schon die einseitige Hervorhebung der Möglichkeit eines besonders hohen Gewinns einen - monopolschädlichen - gesteigerten Anreiz für die durch die Werbung angesprochenen Verbraucher, an der Jackpot-Ausspielung teilzunehmen. Auch für die regelmäßig im Fernsehen vor der Hauptausgabe der Tagesschau präsentierte Lotto-Glücksspielspirale wird aggressiv mit hohen Summen (Sofortrente in Höhe von 7.500,00 Euro) geworben.

b) Entgegen der Ansicht des OVG NRW in seinem o. a. Beschluss kann die Beklagte die streitige Untersagungsverfügung auch nicht auf § 4 Abs. 1 GlüStV i. V. m. § 4 Abs. 1 AG-GlüStV NRW stützen. Nach diesen Vorschriften darf ein Glücksspiel nicht ohne Erlaubnis der zuständigen Stellen veranstaltet werden. Zwar sind grundsätzlich die Voraussetzungen für ein Einschreiten der Behörde gegen eine ungenehmigte Tätigkeit bereits dann erfüllt, wenn die erforderliche Zulassung nicht vorliegt, also wenn lediglich gegen formelles Recht verstoßen wird (sogenannte formelle Illegalität).

Vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 08.07.2008, - 11 MC 71/08 - Rn. 33, juris.

Allein das bloße Fehlen einer Erlaubnis kann jedoch dann nicht zur Begründung einer Untersagungsverfügung herangezogen werden, wenn für den betreffenden Antragsteller gar nicht die Möglichkeit besteht, eine derartige Erlaubnis zu erlangen (aa), und wenn dieser Ausschluss im Widerspruch zu höherrangigem Recht steht (bb).

Vgl. dazu: EuGH, Urteil vom 06.03.2007 - C 338/07 - (Placanica), Rn. 63, 65 ff.; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 08.07.2008, a. a. O.

So liegt der Fall hier.

aa) Wegen der Errichtung des staatlichen Sportwettenmonopols kann die Klägerin grundsätzlich als Privatperson keine Erlaubnis erhalten. Nach § 14 Abs. 1 AG-GlüStV bedürfen Sportwetten der Erlaubnis der zuständigen Behörde und dürfen nur durch Veranstalter von Glücksspielen in Nordrhein-Westfalen vertrieben werden. Nach § 3 Abs. 1 AG-GlüStV kann das Land die öffentliche Aufgabe, Glücksspiele zu veranstalten und durchzuführen, durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine privatrechtliche Gesellschaft, an der eine oder mehrere juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind, erfüllen (§ 10 Abs. 2 GlüStV). Anderen als den in § 10 Abs. 2 GlüStV und § 3 Abs. 1 AG-GlüStV Genannten - also den staatlichen Anbietern, in Nordrhein-Westfalen West-Lotto - darf gem. § 10 Abs. 5 GlüStV nur die Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen nach den Vorschriften des Dritten Abschnitts (Lotterien mit geringem Gefährdungspotential) erlaubt werden. Aus den genannten Vorschriften folgt zwingend, dass eine Erlaubnis für die Durchführung von Sportwetten an private Anbieter wie die Klägerin ausgeschlossen ist.

bb) Das Sportwettenmonopol verstößt - wie dargelegt - gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts führt dazu, dass alle das Monopol betreffenden nationalen Regelungen - also hier auch § 4 Abs. 1 GlüStV - unangewendet bleiben müssen.

Vgl. z. B. Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 23.11.2010 - 35 L 430.10 -; Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 18.11.2010 - 1 K 3293/07 -; Verwaltungsgericht Halle, Urteil vom 11.11.2010 - 3 A 158/09 -; Verwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 05.11.2010 - 4 K 350/08 -; Verwaltungsgericht Arnsberg, Beschluss vom 15.10.2010 - 1 L 700/10 -. Streinz/Kruis, a. a. O., S. 3749/3750.

Diese Ansicht wird offenbar auch vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 24.11.2010 geteilt; denn sonst hätte das Bundesverwaltungsgericht die Sache nicht an das Berufungsgericht zurückverweisen können, sondern hätte die Klage abgewiesen.

Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Anordnungen zu ihrer vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.